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TVR 2012 Nr. 29

Keine Beschwerdelegitimation von Privatversicherern im IV-VerfahrenArt. 49 Abs. 4 und 59 ATSG


Art. 49 Abs. 4 ATSG, Art. 59 ATSG


Privatversicherer sind keine Versicherungsträger, die einen Sozialversicherungszweig durchführen bzw. betreiben. Der Privatversicherer wird durch Anordnungen der Invalidenversicherung gegenüber dem Versicherten nicht gebunden. Eine Rechtsmittellegitimation des Privatversicherers im IV-Beschwerdeverfahren ist daher weder nach Art. 49 Abs. 4 ATSG noch nach Art. 59 ATSG gegeben.


Für C, geboren am 2. Februar 1996, wurde bei der IV-Stelle ein Antrag auf Kostengutsprache für Psychotherapie als medizinische und sonderschulbegleitende Massnahme gestellt. Mit Verfügung vom 16. Dezember 2008 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren ab. Am 1. März 2011 erneuerte C den Antrag auf Kostengutsprache, nachdem bereits am 1. Juni 2010 eine Wiederanmeldung erfolgt war. Nach Erlass des Vorbescheids vom 17. März 2011 erhob die X Versicherungen AG als Zusatzversicherer von C dagegen Einwände. Mit Verfügung vom 13. Oktober 2011 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren um Kostengutsprache für die Psychotherapie ab. Dagegen erhob die X Versicherungen AG Beschwerde. Das Versicherungsgericht tritt nicht auf diese ein.

Aus den Erwägungen:

2. Erlässt ein Versicherungsträger eine Verfügung, welche die Leistungspflicht eines anderen Trägers berührt, so hat er auch ihm die Verfügung zu eröffnen. Dieser kann die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie die versicherte Person (Art. 49 Abs. 4 ATSG). Als Versicherungsträger nach Art. 49 Abs. 4 ATSG sind grundsätzlich diejenigen organisatorischen Einheiten anzusehen, welche einen Sozialversicherungszweig durchführen bzw. betreiben. Nicht dazu gehören jedoch Privatversicherer (Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2009, Art. 49 N. 55, mit Verweis auf BGE 125 V 339). Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich klar nicht um eine Sozialversicherung im Sinne von Art. 49 ATSG. Das Versicherungsverhältnis mit dem Beschwerdeführer untersteht denn auch nicht dem ATSG und dem KVG (vgl. dazu insbesondere Art. 1a KVG), sondern wird vom VVG bestimmt. Eine Beschwerdebefugnis aufgrund von Art. 49 Abs. 4 ATSG lässt sich daher nicht begründen.

3.
3.1 Nach Art. 59 ATSG ist zudem zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dabei handelt es sich um kumulative Voraussetzungen (Kieser, a.a.O., Art. 59 N. 4). Als schutzwürdiges Interesse wird dabei jedes praktische oder rechtliche Interesse betrachtet, welches eine von einer Verfügung betroffene Person an deren Änderung oder Aufhebung geltend machen kann (BGE 130 V 560 E. 3.3). Bei der Bejahung der Beschwerdelegitimation von Drittbeschwerdeführern ist jedoch Zurückhaltung geboten. Es wird ein spezifisches Rechtsschutzinteresse gefordert, welches nur bejaht wird, wenn der Dritte ein unmittelbares und konkretes Interesse an der Aufhebung oder Änderung der Verfügung hat und eine spezifische, besonders nahe Beziehung zur Streitsache für sich in Anspruch nehmen kann (BGE 133 V 188 E. 4.3.3). Blosse mittelbare Interessen an der Aufhebung der Verfügung reichen nicht aus (Waldmann, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl., Basel 2001, Art. 89 N. 29).

3.2 Wie bereits unter E. 2 ausgeführt wurde, handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Privatversicherung gemäss VVG. Die Rechtsmittelbefugnis eines Privatversicherers in einem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren wird von der Rechtsprechung jedoch auch unter Bezugnahme auf Art. 59 ATSG abgelehnt (Müller, Das Verwaltungsverfahren in der Invalidenversicherung, Bern 2010, Rz. 769; Kieser, a.a.O., mit Verweis auf BGE 125 V 339), auch wenn dies grundsätzlich in der Literatur zum Teil kritisiert wird (vgl. dazu Londis, in: Das Verhältnis der Krankenversicherer zu den anderen Sozialversicherungen, SZS 2001, S. 138 ff.). Nach Art. 59 ATSG ist denn auch zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Damit dem Privatversicherer im Sinne eines Dritten ein Beschwerderecht eingeräumt werden könnte, müsste dieser persönlich und mehr als jedermann daran interessiert sein, dass die Verfügung aufgehoben oder geändert und somit das Rechtsverhältnis gegenüber dem Verfügungsadressaten anders geregelt wird. Da der private Versicherer jedoch durch die rechtlich verbindlichen Anordnungen der Invalidenversicherung gegenüber dem Versicherten nicht gebunden wird, bleibt die Beschwerdeführerin bezüglich ihres Rechtsverhältnisses frei. Ihre Leistungspflicht ergibt sich nämlich nicht aus der Verfügung der Beschwerdegegnerin in Verbindung mit Gesetz und Verordnung, sondern aus der konkreten Vereinbarung über Voraussetzungen, Umfang und Grenzen ihrer individuellen Leistungspflicht (vgl. dazu auch BGE 134 V 153 E. 5.5). Die Leistungspflicht bei einer privatrechtlichen Zusatzversicherung zur obligatorischen Krankenversicherung stimmt denn auch nicht mit derjenigen der Invalidenversicherung überein, sodass lediglich von einem indirekten Reflexschaden gesprochen werden kann (BGE 125 V 339 E. 4), welcher zur Beschwerdelegitimation im Sinne der besonderen Beziehungsnähe jedoch gerade nicht ausreicht (Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 356/00 vom 30. Juli 2001, E. 3a, und BGE 130 V 560 E. 3.5). Auf die Beschwerde ist daher mangels Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin nicht einzutreten.

Entscheid vom 25. April 2012

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