TVR 2012 Nr. 30
Wiedererwägung, Anwendbarkeit des Abkommens bei Hilflosenentschädigung
Art. 2 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung , Art. 53 Abs. 2 ATSG, Art. 42 bis Abs. 2 IVG
Eine Verfügung, die gestützt auf unzutreffende Rechtsregeln erlassen wurde, ist zweifellos unrichtig. Die Mangelhaftigkeit der Verfügung hat im Zeitpunkt der Einreichung des Wiedererwägungsgesuchs als entdeckt zu gelten, womit auch ab diesem Zeitpunkt die Anspruchsberechtigung zu überprüfen ist.
Mit Entscheid vom 2. November 2011 trat das Versicherungsgericht auf die von H erhobene Beschwerde gegen den Entscheid der IV-Stelle vom 10. Juni 2011 nicht ein. Das Bundesgericht hiess die von H hiergegen erhobene Beschwerde mit Urteil 9C_908/2011 vom 2. März 2012 gut und wies die Sache ans Verwaltungsgericht zurück, damit es über die Beschwerde gegen die Verfügung vom 10. Juni 2011 materiell entscheide. Das Versicherungsgericht heisst die Beschwerde gut, indem es die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung bejaht.
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss E. 3.2 des Bundesgerichtsurteils ist vorliegend darüber zu befinden, ob die Beschwerdegegnerin die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der Verfügung vom 7. August 2008 zu Recht verneint hat.
2.
2.1 Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit ist in der Regel erfüllt, wenn die gesetzeswidrige Leistungszusprechung aufgrund falscher oder unzutreffender Rechtsregeln erlassen wurde oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden. (…)
2.2 Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift vom 11. Juli 2011 zu Recht ausführen liess, hätte auf die Anspruchsprüfung im Jahr 2008 das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung vom 8. Juni 1962 (in Kraft seit 1. März 1964; nachfolgend Abkommen) zur Anwendung gelangen müssen. Mangels expliziter Regelung im Abkommen wäre die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 2 des Abkommens daher in Bezug auf den Anspruch auf Hilflosenentschädigung mit schweizerischen Staatsangehörigen gleichzustellen gewesen (vgl. auch Urteile des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich IV.2004.00251 vom 21. Juni 2005, E. 6, sowie IV.2005.00962 vom 12. Juni 2006, E. 4).
Die Beschwerdegegnerin hatte den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Hilflosenentschädigung mit Verfügung vom 7. August 2008 mit der Begründung abgelehnt, die Hilflosigkeit sei bereits vor der Einreise in die Schweiz ausgewiesen gewesen, womit die versicherungsmässigen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme der Hilflosenentschädigung für Minderjährige nicht erfüllt seien. Diese Argumentation lässt sich jedoch unter Berücksichtigung des Abkommens nicht aufrecht erhalten. Denn gemäss (des damals wie heute geltenden) Art. 42 i.V. mit Art. 42bis Abs. 1 IVG ist einzig erforderlich, dass die versicherte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat; dies unabhängig davon, ob die Hilflosigkeit im Ausland eingetreten ist oder nicht. Was Art. 42bis Abs. 2 IVG anbelangt, so geht das Abkommen dieser Bestimmung vor (Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich IV.2004.00251 vom 21. Juni 2005, E. 6.4).
Vor diesem Hintergrund muss die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 7. August 2008 als zweifellos unrichtig bezeichnet werden, wurde sie doch gestützt auf unzutreffende Rechtsregeln erlassen. Daran ändert nichts, dass das Abkommen im Verhältnis zum Kosovo mit Wirkung ab 1. April 2010 beendigt wurde. Die Beschwerdeführerin hat ihr Wiedererwägungsgesuch nämlich bereits am 5. Januar 2010 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt hat die Mangelhaftigkeit der Verfügung vom 7. August 2008 als entdeckt zu gelten, womit auch ab diesem Zeitpunkt die Anspruchsberechtigung der Beschwerdeführerin zu überprüfen sein wird (vgl. BGE 129 V 433 E. 6).
Entscheid vom 11. April 201