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TVR 2014 Nr. 13

Keine Behördenverbindlichkeit des kantonalen Hinweisinventars


§ 2 Abs. 1 und 2 TG NHG, § 10 TG NHG


Das kantonale Hinweisinventar alter Bauten und Ortsbilder und die darin enthaltenen Einstufungen sind nicht behördenverbindlich. Die in TVR 1998 Nr. 14, E. 3c/cc, wiedergegebene Praxis, gemäss welcher das Hinweisinventar noch als behördenverbindlich angesehen wurde, ist überholt. Mit einer entsprechenden Festsetzung im kantonalen Richtplan und dem gesetzlichen Verweis auf die einschlägigen Inventare (vgl. § 2 Abs. 2 TG NHG) sind die Gemeinden lediglich gehalten, überall dort, wo sich aus den entsprechenden Quellen Hinweise auf erhaltenswerte Objekte ergeben, die Notwendigkeit allfälliger Schutzanordnungen zu prüfen. Diese Prüfung muss allerdings nur bei Objekten durchgeführt werden, die als „besonders wertvoll“ oder „wertvoll“ eingestuft sind. Bei der Prüfung des Erlasses einer allfälligen Schutzanordnung ist die Einstufung im Inventar nur einer von vielen Aspekten, welche in einer umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.


Die konzessionierte C-Bahn AG ist Eigentümerin der Stationsgebäude A, B und C auf den Liegenschaften Nrn. XX, YY und ZZ. Diese Grundstücke mit den Stationsgebäuden befinden sich in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen. Mit Entscheid vom 12. Mai 2004 genehmigte das DBU den Schutzplan Natur- und Kulturobjekte der Politischen Gemeinde N. Am 7. September 2010 beschloss die Gemeinde N, den Schutzplan zu ändern und unter anderem die erwähnten Stationsgebäude unter Schutz zu stellen. Eine von der C-Bahn AG erhoben Einsprache wurde abgewiesen. In der Folge genehmigte das DBU die Änderung des Schutzplanes bezüglich der drei Stationsgebäude der C-Bahn AG und wies einen gegen den Einspracheentscheid erhobenen Rekurs ab. Eine von der C-Bahn AG in der Folge erhobene Beschwerde weist das Verwaltungsgericht seinerseits ab.

Aus den Erwägungen:

2.2
2.2.1 Gemäss § 1 Abs. 1 TG NHG sind Natur und Landschaft sowie das kultur-geschichtliche Erbe, insbesondere erhaltenswerte Objekte, zu schützen und zu pflegen. Erhaltenswerte Objekte können unter anderem sein: Siedlungen, Siedlungsteile, Baumgruppen, Bauten, Bauteile oder Anlagen samt Ausstattung und Umgebung von kulturgeschichtlicher Bedeutung, die sich zum Beispiel durch architektonisch-formale oder handwerkliche Qualitäten auszeichnen (§ 2 Abs. 1 Ziff. 4 TG NHG). Hinweise auf erhaltenswerte Objekte ergeben sich vor allem aus Inventaren, Sach- und Richtplänen des Bundes, des Kantons und der Gemeinden (§ 2 Abs. 2 TG NHG). Die Ortsgemeinden sichern Schutz und Pflege erhaltenswerter Objekte in erster Linie durch Reglemente oder Nutzungspläne nach Baugesetz. Zum gleichen Zweck können sie Anordnungen über erhaltenswerte Einzelobjekte durch Entscheid treffen (§ 10 Abs. 1 TG NHG). Die Anordnungen der Ortsgemeinden können in Eingliederungs- oder Gestaltungsvorschriften, Abbruchverboten, Nutzungseinschränkungen, umfassenden Eingriffsverboten oder Bewirtschaftungsverboten bestehen. Sie haben den Grundsatz der Verhältnismässigkeit in sachlicher und örtlicher Hinsicht zu wahren (§ 10 Abs. 2 TG NHG).

2.2.2 Eigentumsbeschränkungen zum Schutz von Baudenkmälern liegen allgemein im öffentlichen Interesse. Wie weit dieses öffentliche Interesse reicht, insbesondere in welchem Ausmass ein Objekt denkmalpflegerischen Schutz verdient, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Objekt Schutz verdient, hat eine sachliche, auf wissenschaftlichen Kriterien abgestützte Gesamtbeurteilung Platz zu greifen, welche den kulturellen, geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Zusammenhang eines Bauwerks mitberücksichtigt. Eine Baute soll als Zeuge und Ausdruck einer historischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Situation erhalten bleiben. Da Denkmalschutzmassnahmen oftmals mit schwerwiegenden Eigentumseingriffen verbunden sind, dürfen sie aber nicht lediglich im Interesse eines begrenzten Kreises von Fachleuten erlassen werden. Sie müssen breiter abgestützt sein und von einem grösseren Teil der Bevölkerung befürwortet werden, um Anspruch auf eine gewisse Allgemeingültigkeit erheben zu können (Urteil des Bundesgerichts 1C_553/2010 vom 23. Februar 2011 E. 2.1, mit Verweis auf BGE 135 I 176 E. 6.2 und 120 la 270 E. 4a).

2.2.3 (…)

2.3 Gemäss kantonalem Hinweisinventar alter Bauten und Ortsbilder sind die drei Stationsbauten mit dem Prädikat „wertvoll“ eingestuft. Die von der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid angeführte und in TVR 1998 Nr. 14, E. 3c/cc, wiedergegebene Praxis betreffend die Behördenverbindlichkeit des Hinweisinventars ist mittlerweile als überholt anzusehen. So erklärte der Regierungsrat am 17. Juni 2014 in der Beantwortung der Motion von H. Grau und D. Zimmermann vom 26. Juni 2013 betreffend „Hinweisinventar ohne Verbindlichkeit“ selbst, dass mit einer entsprechenden Festsetzung im kantonalen Richtplan und dem gesetzlichen Verweis auf die einschlägigen Inventare lediglich behördenverbindlich sei, dass die Gemeinden überall dort, wo sich aus den entsprechenden Quellen Hinweise auf erhaltenswerte Objekte ergeben, die Notwendigkeit allfälliger Schutzanordnungen prüfen müssten. Dabei sei es anerkannte Praxis, dass diese Prüfung nur bei Objekten durchgeführt werden müsse, die als „besonders wertvoll“ oder „wertvoll“ eingestuft seien. Daraus ergebe sich als Umkehrschluss, so der Regierungsrat weiter, dass die Inventare selbst und insbesondere die darin enthaltenen Einstufungen nicht behördenverbindlich seien. Bei der Prüfung des Erlasses einer allfälligen Schutzanordnung sei die Einstufung im Inventar nur einer von vielen Aspekten, welche in einer umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen seien (Geschäfts-Nr. des Grossen Rates [GRG-Nr.] 144 / 2012, Laufnummer 19, Ziff. 2 der Motionsbeantwortung). Damit ist die vorliegende Einstufung der drei Stationsbauten im kantonalen Hinweisinventar als „wertvoll“ zwar nicht als behördenverbindlich anzusehen, jedoch bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit im Rahmen der Interessenabwägung miteinzubeziehen. (…)

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2014.46/E vom 22. Oktober 2014

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