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TVR 2014 Nr. 19

Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung bei einer Zonenplanänderung


Art. 2 RPG, Art. 38 a RPG, Art. 52 a RPV


Aus der Planungspflicht gemäss Art. 2 RPG ergibt sich insbesondere, dass die Nutzungsplanung grundsätzlich aus einer Gesamtsicht der raumbedeutsamen Belange heraus erfolgen muss. Das isolierte Vorziehen einer Teileinzonung vor einer anstehenden Gesamtrevision der Ortsplanung ist im vorliegenden Fall unzulässig, da die Ortsplanung dadurch präjudiziert würde (E. 3.1 bis 3.4).


Die Liegenschaften XX, YY und ZZ stehen im Eigentum der Erbengemeinschaft E und sind gemäss rechtskräftigem Zonenplan der Politischen Gemeinde L der Landwirtschaftszone zugewiesen. Im ebenfalls rechtskräftigen Richtplan der Gemeinde L ist das Gebiet als künftiges Baugebiet vermerkt. Die Erbengemeinschaft E beabsichtigt, ihre Grundstücke mit mehreren Einfamilienhäusern zu überbauen, und stellte im Jahre 2000 ein Gesuch um Einzonung. Dieses Gesuch wurde damals zurückgestellt. Im Jahre 2010 wurde das Geschäft wieder an die Hand genommen. Mit der nun projektierten Zonenplanänderung soll ein Teil des betreffenden Gebiets in die zweigeschossige Wohnzone mit Gestaltungsplanpflicht und Teilflächen der nördlich daran anschliessenden Liegenschaften in die Dorfzone um- bzw. eingezont werden. Während der öffentlichen Auflage der Zonenplanänderung erhoben benachbarte Grundeigentümer dagegen Einsprache. Gegen die abweisenden Einspracheentscheide und den Beschluss der Gemeindeversammlung erhoben die benachbarten Grundeigentümer Rekurs. Diesen wies das DBU ab und genehmigte gleichzeitig die von der Gemeinde beschlossene und beim DBU beantragte Zonenplanrevision. Eine dagegen von den benachbarten Grundeigentümern erhobene Beschwerde heisst das Verwaltungsgericht unter Aufhebung der angefochtenen Entscheide gut.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Die Beschwerdeführer beanstanden unter anderem, dass die Teileinzonung zu Unrecht nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung beurteilt und beschlossen bzw. gegenüber der anstehenden Gesamtrevision der kommunalen Ortsplanung - isoliert - vorgezogen worden sei.

3.2
3.2.1 In Art. 1 RPG sind die Ziele der Raumplanung, also namentlich die haushälterische Nutzung und die Trennung des Baugebietes vom Nichtbaugebiet, definiert. Nach Art. 2 RPG erarbeiten Bund, Kantone und Gemeinden die für ihre raumwirksamen Aufgaben nötigen Planungen und stimmen sie aufeinander ab (Abs. 1). Sie berücksichtigen die räumlichen Auswirkungen ihrer übrigen Tätigkeit (Abs. 2). In Art. 3 RPG werden die zu beachtenden Planungsgrundsätze umschrieben. So ist etwa die Landschaft zu schonen und die Siedlungen sind nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen (Art. 3 Abs. 2 und 3 RPG).

3.2.2 Aus der Planungspflicht gemäss Art. 2 RPG ergibt sich insbesondere, dass die Nutzungsplanung grundsätzlich aus einer Gesamtsicht der raumbedeutsamen Belange heraus erfolgen muss. Insbesondere ist zur Planung der Entwicklung der Bautätigkeit ein planerisches Gesamtkonzept erforderlich (vgl. Waldmann/Hänni, Handkommentar zum Raumplanungsgesetz, Bern 2006, Art. 2 N. 25, S. 40, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Nutzungspläne sind mit anderen Worten gehalten, den ihnen zugewiesenen Planungsraum flächendeckend zu erfassen und dabei alle Nutzungsbedürfnisse in Rechnung zu stellen. Verlangt ist eine gesamtheitliche Betrachtungsweise (Tschannen, in: Aemisegger/Kuttler/Mohr/Ruch [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 2 N. 43).

3.2.3 Dem Prinzip der gesamthaften Betrachtung der Ortsplanung laufen insbesondere einzelfallweise Einzonungen zuwider (Waldmann/Hänni, a.a.O., N. 25, S. 40, unter Verweis auf BGE 119 Ia 300 E. 3b). Andererseits erweisen sich Teilrevisionen der bestehenden Zonenplanung als zulässig, solange sie nicht isoliert erfolgen, sondern sich in die Zonenplanung der Gemeinde einfügen. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Nutzungsplanung auch für einen Teil des Gemeindegebietes oder sogar für eine einzelne Liegenschaft gesondert erfolgen. Namentlich bedürfen geringfügige Erweiterungen des Baugebiets nicht unbedingt einer Überprüfung und Begutachtung der ganzen Ortsplanung, wobei diese natürlich immer im Auge behalten werden muss und nicht durch unbestimmt viele Klein- und Kleinständerungen durchlöchert werden darf. Ebenso ist es zulässig, wenn im Zuge einer Totalrevision der kommunalen Zonenplanung die Planung für eine kleine, vom übrigen Dorf abgeschiedene Fraktion zeitlich vorgezogen wird, soweit dies sachlich geboten erscheint. Voraussetzung ist indessen, dass sich diese Teilplanung ins planerische Gesamtkonzept der Gemeinde einfügt und die weitere Planung für den Rest des Gemeindegebiets nicht präjudiziert (Waldmann/Hänni, a.a.O, Art. 2 N. 25, S. 40, mit Verweis auf das Urteil des Bundegerichts 1P.14/2001 vom 5. April 2001 [Ardez] E. 3d, vgl. auch BGE 122 II 326 E. 5b, 136 II 204 E. 7.1 sowie Urteil des Bundesgerichts 1C_35/2011 vom 29. August 2011 E. 2.6).

3.3 Die vorliegend strittige Teileinzonung war bereits im Jahre 2000 beantragt, in der Folge jedoch vorderhand nicht weiter behandelt worden. Erst anfangs 2010 wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Der Teileinzonung liegt eine Projektstudie der F GmbH vom April 2010 zu Grunde. Vorgesehen ist die Erstellung von 14 Einfamilienhäusern auf dem einzuzonenden Gebiet im Bereich des W-bergs. Eine Gesamtrevision der Ortsplanung ist offenbar anstehend, wie sich namentlich dem Einspracheentscheid der verfahrensbeteiligten Gemeinde vom 17. Juni 2011 sowie dem Protokoll aus der Sitzung des Gemeinderates vom 5. Juni 2013 entnehmen lässt. Zwar ist das Herauslösen bzw. Vorziehen einer Teileinzonung im Vorfeld einer Gesamtrevision der Nutzungsplanung, wie dargestellt, gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht a priori unzulässig. Voraussetzung ist allerdings, dass sie nicht isoliert erfolgt, sondern sich in die Zonenplanung der Gemeinde einfügt und die weitere Planung für den Rest des Gemeindegebiets nicht präjudiziert (E. 3.2 vorstehend). Dies ist vorliegend jedoch der Fall. So ist etwa strittig, inwieweit für die kommenden 15 Jahre überhaupt noch ein Bedarf an zusätzlichen Bauzonen im Sinne von aArt. 15 Abs. lit. b bzw. Art. 15 Abs. 1 RPG besteht. Diese Voraussetzung wird hinsichtlich der vorliegend strittigen Teileinzonung von der Vorinstanz zwar bejaht. Gemäss den Vorbringen der Beschwerdeführer ist auf Grund von statistischen Erhebungen, die auf der Webseite der verfahrensbeteiligten Gemeinde selbst einsehbar sind, allerdings mit einer Abnahme der Einwohnerzahl zu rechnen. Angesichts der existierenden Baulandreserven könne, so die Beschwerdeführer, nicht von einem Bedarf an zusätzlichen Bauzonen gesprochen werden. Die verfahrensbeteiligte Gemeinde ist sich gemäss dem Protokoll des Gemeinderates vom 5. Juni 2013 bewusst, dass im Rahmen der anstehenden Ortsplanrevision „kaum Spielraum für eine Vergrösserung der Gesamtbauzonenfläche“ bestehen dürfte und zudem Auszonungen „ins Auge gefasst“ werden müssten. Mit der nunmehr vorgezogenen Teileinzonung wird der Spielraum für eine Vergrösserung der Gesamtbauzonenfläche im Rahmen der Gesamtrevision der Ortsplanung allerdings noch kleiner, sofern und soweit überhaupt ein solcher Spielraum gegeben ist bzw. sein wird. Gemäss den Erhebungen im Rahmen des Pilotprojekts „Raum+“ bestehen im Gemeindegebiet der verfahrensbeteiligten Gemeinde offensichtlich noch erhebliche Baulandreserven. Ob damit ein Bedarf an Bauzonen für die kommenden 15 Jahre im Sinne von aArt. 15 Abs. lit. b bzw. Art. 15 Abs. 1 RPG gegeben ist, erscheint unter den gegebenen Umständen zumindest als fraglich, muss jedoch vorliegend nicht abschliessend geprüft werden. Falls von einer unzulässig grossen Gesamtbauzonenfläche ausgegangen werden muss, werden zudem Auszonungen voraussichtlich unumgänglich sein. Inwieweit dies der Fall ist, lässt sich jedoch den im Recht liegenden Akten nicht entnehmen und wurde offensichtlich weder von der verfahrensbeteiligten Gemeinde noch von der Vorinstanz geklärt, geschweige denn in die Beurteilung miteinbezogen. Angesichts der bereits heute unbestrittenermassen problematischen Grösse der Gesamtbauzonenfläche im Gemeindegebiet der verfahrensbeteiligten Gemeinde ist eine Präjudizierung der anstehenden Gesamtrevision durch die vorliegend strittige Teil­einzonung zweifellos gegeben. Mithin würde sich die verfahrensbeteiligte Gemeinde damit auch den erforderlichen Spielraum verbauen, falls sich im Rahmen der Gesamtrevision für eine Einzonung geeignetere Flächen als das vorliegend zur Diskussion stehende Gebiet finden würden. Zu Recht weisen die Beschwerdeführer auch darauf hin, dass im Rahmen des planungsrechtlichen Verfahrens für die Teileinzonung durch die zuständigen kommunalen und kantonalen Behörden offensichtlich auch keine Alternativen im Sinne von besser geeigneten Gebieten, so etwa hinsichtlich Baugrund und Erschliessung, geprüft wurden. Nicht ausschlaggebend ist sodann die Absicht der privaten Grundeigentümerschaft, eine Überbauung zu realisieren, auch wenn diese Absicht den (öffentlichen) Interessen der verfahrensbeteiligten Gemeinde entsprechen sollte (vgl. BGE 116 Ia 339 E. 3b). Ebensowenig ändert die im Jahre 2008 rechtskräftig genehmigte kommunale Richtplanung etwas daran, dass eine gesamthafte Betrachtungsweise im Rahmen der nachgeordneten Nutzungsplanung vorzunehmen ist.

3.4 Im vorliegenden Fall mangelt es an einer zwingend notwendigen Gesamtschau und damit an einem Einbezug sämtlicher relevanter Faktoren. Der strittigen Teil­einzonung kommt mithin eine erhebliche präjudizielle Wirkung für die anstehende Gesamtrevision der Ortsplanung zu. Eine gesamtheitliche Betrachtungsweise ist zwingend im Rahmen dieser Totalrevision vorzunehmen. Mit der einzelfallbezogenen Einzonung der streitbetroffenen Grundstücksflächen wird mit anderen Worten die sich aus der allgemeinen Planungspflicht nach Art. 2 RPG ergebende Pflicht zur gesamtheitlichen Planung verletzt. Die Beschwerden erweisen sich in diesem Sinne als begründet.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2014.25/VG.2014.26/E vom 24. September 2014

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