Skip to main content

TVR 2014 Nr. 28

Abgrenzung Dividende und Lohnbestandteil


Art. 5 Abs. 2 AHVG


1. Zuwendungen aus dem Reingewinn einer juristischen Person an ihre Arbeitnehmer, die gleichzeitig an der Gesellschaft beteiligt sind, gehören unbekümmert der verwendeten Bezeichnung zum massgebenden Lohn, wenn das Arbeitsverhältnis den ausschlaggebenden Grund für deren Ausrichtung bildet. Nicht zum massgebenden Lohn gehören dagegen geldwerte Leistungen einer juristischen Person an ihre Arbeitnehmenden, die gleichzeitig Inhaberinnen bzw. Inhaber von gesellschaftlichen Beteiligungsrechten sind, soweit letztere den Grund für die Auszahlung darstellen. Dies betrifft namentlich die Dividenden und den Wert allfälliger Bezugsrechte (E. 3.2).

2. Grundsätzlich ist von der durch die Gesellschaft vorgenommenen und von den Steuerbehörden akzeptierten Aufteilung zwischen Dividenden und Lohn auszugehen. Davon ist nur abzuweichen, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt bzw. eingesetztem Vermögen und Dividende besteht. Eine Aufrechnung ist jedoch höchstens bis zur Höhe eines branchenüblichen Gehalts vorzunehmen (E. 4 bis 6).


Mit Verfügungen vom 7. April 2014 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau die E GmbH zu einer Nachzahlung von Fr. 22‘937.70 für das Jahr 2010 und zu einer solchen von Fr. 6‘150.35 für das Jahr 2012. Begründet wurde dies mit überhöhten Pauschalspesen und als Lohn zu qualifizierenden Dividenden in den entsprechenden Beitragsjahren. Eine gegen diese Nachtragsverfügungen eingereichte Einsprache wies die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 25. Juli 2014 ab.

Die dagegen erhobene Beschwerde heisst das Versicherungsgericht teilweise gut und legt den massgebende Lohn für M für das Jahr 2010 auf Fr. 225‘000.-- fest.

Aus den Erwägungen:

3.2 Grundsätzlich sind nur auf dem Erwerbseinkommen AHV-Beiträge geschuldet, nicht aber auf dem Vermögensertrag. Dividenden sind beitragsfreier Vermögensertrag. Unter Umständen können jedoch auch Zuwendungen aus dem Reingewinn einer Gesellschaft massgeblicher Lohn sein. Es handelt sich dabei um Vergütungen, die im Arbeitsverhältnis ihren Grund haben. Dazu hielt das Bundesgericht klar fest, dass bei der Beurteilung von Leistungen, welche eine Gesellschaft an Personen ausrichtet, die zugleich Arbeitnehmer und Gesellschafter sind, einerseits eine angemessene Entschädigung für die geleistete Arbeit und andererseits ein angemessener Vermögensertrag zugrunde gelegt werden muss (BGE 134 V 297 E. 2.2). Aufgrund dieser Rechtsprechung hat das Bundesamt für Sozialversicherungen sodann seine Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML), gültig ab 1. Januar 2008, angepasst und in Rz. 2010 ff. ausgeführt (wobei die Ausführungen klar auf BGE 134 V 297 verweisen), Zuwendungen aus dem Reingewinn einer juristischen Person an ihre Arbeitnehmer, die gleichzeitig an der Gesellschaft beteiligt sind, gehören unbekümmert der verwendeten Bezeichnung zum massgebenden Lohn, wenn das Arbeitsverhältnis den ausschlaggebenden Grund für deren Ausrichtung bildet. Nicht zum massgebenden Lohn gehören dagegen geldwerte Leistungen einer juristischen Person an ihre Arbeitnehmenden, die gleichzeitig Inhaberinnen bzw. Inhaber von gesellschaftlichen Beteiligungsrechten sind, soweit letztere den Grund für die Auszahlung darstellen. Dies betrifft namentlich die Dividenden und den Wert allfälliger Bezugsrechte. Grundsätzlich ist von der durch die Gesellschaft vorgenommenen und von den Steuerbehörden akzeptierten Aufteilung zwischen Dividenden und Lohn auszugehen. Davon ist nur abzuweichen, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt bzw. eingesetztem Vermögen und Dividende besteht (BGE 134 V 297 E. 2.3). Die Dividendenzahlung ist nur dann teilweise als massgebender Lohn zu betrachten, wenn kein oder ein unangemessen tiefer Lohn und gleichzeitig eine offensichtlich überhöhte Dividende ausgerichtet wird. Eine Aufrechnung ist diesfalls höchstens bis zur Höhe eines branchenüblichen Gehalts vorzunehmen. Bei der Beurteilung, ob eine angemessene branchenübliche Entschädigung für die geleistete Arbeit ausgerichtet worden ist, sind nebst dem zeitlichen Umfang des Arbeitspensums auch das Tragen von Verantwortung, das Einbringen von Know-How, besondere Erfahrungen und Branchenkenntnisse, die Art der Tätigkeit usw. zu berücksichtigen. Falls möglich ist zudem ein Vergleich mit den an nicht mitarbeitende Inhaberinnen bzw. Inhaber von Beteiligungsrechten ausgeschütteten Gewinnanteilen oder mit den Löhnen von Arbeitnehmenden ohne gesellschaftliche Beteiligung anzustellen. Die Angemessenheit der Dividende bemisst sich in Relation zum effektiven wirtschaftlichen Wert der Beteiligungsrechte. Der Steuerwert wird von den Steuerbehörden ermittelt. Dividenden, die einem Vermögensertrag von 10% oder mehr entsprechen, sind vermutungsweise überhöht.

4.
4.1 Die Angemessenheit einer Dividende bemisst sich in Relation zum effektiven wirtschaftlichen Wert der Beteiligungsrechte (Steuerwert). M ist Geschäftsführer und einziger Gesellschafter der Beschwerdeführerin mit einem Stammanteil von Fr. 20‘000.--. Gemäss der Bewertungsmeldung der kantonalen Steuerverwaltung betrug der Unternehmenswert im Jahr 2010 Fr. 1‘221‘020.32. Ausgerichtet wurde eine Dividende von Fr. 500‘000.--. Dies entspricht 40,9% des Steuerwertes des Jahres 2010, was deutlich über dem Wert von 10% liegt. Der Vermögensertrag von Fr. 500‘000.-- ist daher klar als überhöht zu betrachten.

4.2 Im Jahr 2012 betrug der effektive wirtschaftliche Wert der Beteiligungsrechte Fr. 1‘528‘020.33. Ausgerichtet wurde eine Dividende von Fr. 250‘000.--. Dies entspricht 16,35% des Steuerwertes und ist daher ebenfalls als überhöht zu werten. Es besteht somit ein offensichtliches Missverhältnis zwischen eingesetztem Vermögen und Dividenden in den Jahren 2010 und 2012.

5.
5.1 M erzielte in den Jahren 2007 bis 2009 gemäss seinen eigenen Ausführungen folgende steuerbare Einkommen: 2007 Fr. 152‘262.--, 2008 Fr. 172‘236.-- und 2009 Fr. 275‘114.--. Gemäss den Angaben der Beschwerdegegnerin wurde M im Jahr 2009 noch als Selbständigerwerbender mit einem Einkommen von Fr. 300‘900.-- erfasst. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift handelt es sich bei den von der Beschwerdeführerin angegebenen Beträgen jedoch um Netto- und nicht um Bruttowerte, weshalb Sozialversicherungsbeiträge nicht abzuziehen, sondern hinzuzurechnen sind. Dies gilt auch für Beiträge an die Säule 3a. Lediglich Beiträge an die 2. Säule sind zur Hälfte bei Selbständigerwerbenden für die Ermittlung des AHV-pflichtigen Einkommens abzugsberechtigt (Wegleitung über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO [WSN] Rz. 1095, 1114 und 1117). Wenn die Beschwerdegegnerin somit von einem branchenüblichen Gehalt von Fr. 225‘000.-- (brutto) ausgeht, erscheint dies bei einem Durchschnittseinkommen in den Jahren 2007 bis 2009 von netto Fr. 199‘870.--, zu welchem wie angeführt insbesondere noch die persönlichen Beiträge an die AHV, IV und EO hinzuzuzählen sind, als nachvollziehbar. Die Höhe des branchenüblichen Gehalts ist denn gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aufgrund verschiedener Kriterien festzulegen. Ob dabei die Praxis der Beschwerdegegnerin, von 75% des letzten Geschäftsjahrs als Selbständigerwerbender auszugehen, durchwegs zu einem verwertbaren Ergebnis führt, mag bezweifelt werden. Bemerkenswert ist beim Geschäftsjahr 2009 von M als Selbständigerwerbender, dass in jenem Geschäftsjahr auch die Beschwerdeführerin im Geschäftsjahr vom 1. Juli 2008 bis 30. Juni 2009 bereits einen Gewinn von Fr. 227‘564.78 erwirtschaftete, der jedoch nur im Umfang von Fr. 100‘000.-- ausgeschüttet wurde. Die Ausschüttung wurde dann offensichtlich als Kapitalertrag in der Einzelfirma von M im Abschluss 2009 erfasst, währenddem Fr. 118‘116.21 auf die neue Rechnung vorgetragen wurde, was dann im folgenden Geschäftsjahr 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 zusammen mit dem dort erzielten Jahresgewinn von Fr. 520‘874.63 Anlass war, eine Ausschüttung von Fr. 500‘000.-- vorzunehmen. Wäre der gesamte Gewinn der Beschwerdeführerin per 30. Juni 2009 zur Ausschüttung gelangt, wäre auch der Gewinn von M in seinem letzten Geschäftsjahr als Selbständigerwerbender sogar noch erheblich höher ausgefallen. Wenn dieser in der Beschwerdeführerin zurückbehaltene Gewinn im Jahr 2009 bei M nicht zu seinem persönlichen Einkommen hinzugezählt wird, so ist dies als Entgegenkommen zu werten. Im vorliegenden Fall führt die Berechnungsweise, den Durchschnittswert der Geschäftsjahre 2007 bis 2009 von M zur Ermittlung des in der konkreten Situation branchenüblichen Gehalts heranzuziehen, zu einem nachvollziehbaren Ergebnis. Seit wann die Praxis der Beschwerdegegnerin, von 75% des letzten Geschäftsjahres als Selbständigerwerbender auszugehen, zudem angewandt wird, ergibt sich aufgrund der Akten nicht. Dies ist jedoch auch nicht von Bedeutung, nachdem sich das angenommene branchenübliche Gehalt aufgrund der vorliegenden Zahlen und der vom Bundesgericht aufgestellten Kriterien plausibilisieren lässt. Das Einkommen ist denn auch ab 2007 massiv gestiegen, so dass die Berücksichtigung des Durchschnitts der Jahre 2007 bis 2009 angezeigt erscheint. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass offenbar im Geschäftsjahr 2010/2011 und 2012/2013 der Gewinn der Beschwerdeführerin rückläufig gewesen ist. Gerade im Geschäftsjahr 2009/2010 ist zudem ein sehr hoher Gewinn erzielt worden, obwohl die Beschwerdeführerin selber vorbringt, dass gerade in diesem Geschäftsjahr sehr grosse Auslagen für Fremdarbeiten angefallen seien. Wenn tatsächlich auch mit grossen Haftungsansprüchen gegen die Beschwerdeführerin hätte gerechnet werden müssen, so wäre eine Ausschüttung in der Höhe von Fr. 500‘000.--, wie sie für das Geschäftsjahr 2009/2010 stattfand, aus kaufmännischer Sicht kaum zu rechtfertigen gewesen.

5.2 Nicht abgestellt werden kann zudem auf den von der Beschwerdeführerin eingereichten individuellen Lohnrechner. M ist Geschäftsführer und alleiniger Inhaber der Beschwerdeführerin. Er trägt die volle Verantwortung, bringt das Know-How, die Erfahrungen und die Branchenkenntnisse mit und hat über alle Geschäftsabläufe zu entscheiden. Sein Lohn liegt demzufolge erfahrungsgemäss auch weit über demjenigen eines angestellten Architekten, ohne die entsprechenden Eigenschaften und ohne die volle Verantwortung. Ein Vergleich mit Löhnen von Arbeitnehmenden ohne gesellschaftliche Beteiligung ist zudem vorliegend nicht möglich.

5.3 Der abgerechnete Bruttolohn von Fr. 120‘000.-- für die Jahre 2010 und 2012 steht daher ebenfalls in einem Missverhältnis zur Arbeitsleistung, weshalb davon auszugehen ist, dass auch ein Teil der ausgerichteten sehr hohen Dividenden in den Jahren 2010 und 2012 im Arbeitsverhältnis begründet liegt und somit massgeblichen Lohn darstellt.

6.
6.1 Eine Aufrechnung ist jedoch höchstens bis zur Höhe eines branchenüblichen Gehalts vorzunehmen. Beim branchenüblichen Gehalt ist die Beschwerdegegnerin von Fr. 225‘000.-- ausgegangen, was als realistisch erscheint.

6.2 Im Jahr 2012 wurde eine Dividende von Fr. 250‘000.-- ausbezahlt. Eine Dividende von 10% würde bei einem Steuerwert der Beteiligungsrechte von Fr. 1‘528‘020.33 Fr. 152‘802.-- betragen. Die Differenz liegt somit bei Fr. 97‘198.--. Die Beschwerdegegnerin hat davon jedoch nur 50% zum angemeldeten Lohn hinzugerechnet, womit sie der Beschwerdeführerin wohlwollend entgegengekommen ist. Auch einer Aufrechnung von 100% wäre die bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. dazu Entscheid 9C_487/2011 vom 29. August 2011) nicht entgegengestanden. Der veranschlagte Lohn von Fr. 168‘500.-- (Fr. 120‘000.-- + Fr. 48‘500.--) ist daher nicht zu beanstanden. Zudem wird die Berechnung in der Nachzahlungsverfügung vom 7. April 2014 mit einem Total von Fr. 22‘937.70 nicht gerügt.

6.3 Im Jahr 2010 wurde eine Dividende von Fr. 500‘000.-- ausbezahlt. Eine Dividende von 10% würde bei einem Steuerwert der Beteiligungsrechte von Fr. 1‘221‘020.32 Fr. 122‘102.-- betragen. Die Differenz liegt somit bei Fr. 377‘898.--. Davon hat die Beschwerdegegnerin ebenfalls 50% zum angemeldeten Lohn hinzugerechnet und hat somit einen anrechenbaren Lohn von Fr. 308‘900.-- (abgerundet) berechnet. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Aufrechnung höchstens bis zur Höhe eines branchenüblichen Gehalts zulässig ist. Das branchenübliche Gehalt beträgt gemäss den Ausführungen der Beschwerdegegnerin selber lediglich Fr. 225‘000.--. Eine Aufrechnung ist daher nur bis zu diesem Betrag möglich. Insofern ist die Beschwerde in Bezug auf das Beitragsjahr 2010 teilweise gutzuheissen und der angemessene Lohn für M ist auf Fr. 225‘000.-- festzulegen.

Entscheid des Versicherungsgerichts VV.2014.213/E vom 12. November 2014

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.