TVR 2014 Nr. 6
Auslegung von Rechtsbegehren, Revisionsbegehren betreffend Landumlegung/Gestaltungsplan, Altlastenproblematik
Art. 32 b bis USG, § 4 VRG, § 10 Abs. 1 VRG, § 70 VRG, § 245 ff. ZPO
1. Bei der Beurteilung, ob ein ausreichendes Rechtsbegehren vorliegt, ist nicht nur auf die förmlich gestellten Anträge abzustellen; das Begehren kann sich vielmehr auch aus der Begründung ergeben (E. 2.3).
2. Bei der im Rahmen eines Gestaltungsplanverfahrens vorgenommenen Landumlegung handelt es sich um einen revisionsfähigen Entscheid im Sinne von § 70 VRG bzw. § 245 TG ZPO (E. 2.4).
3. Eine erst im Nachhinein entdeckte Altlastenproblematik stellt einen ausreichenden Revisionsgrund im Sinne von § 246 Ziff. 2 lit. a TG ZPO dar. Die vormals an der Landumlegung beteiligten Grundeigentümer hätten im vorliegenden Fall auch unter Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt diese Problematik im Rahmen des ursprünglichen Landumlegungs- / Gestaltungsplanverfahrens nicht entdecken bzw. von sich aus aufwerfen müssen. Bei der Landumlegung handelt es sich um ein hoheitliches Planungsinstrument, dem sich jeder Grundeigentümer mit Grundbesitz im rechtskräftig festgelegten Perimeter zu unterwerfen hat. Die Anwendung der zivilrechtlichen Kriterien, das heisst der Bestimmungen über die kaufrechtliche Gewährleistung (insbesondere Art. 200 OR), für die Frage der aufzuwendenden Sorgfalt wäre daher nicht sachgerecht (E. 2.5).
Am 25. Oktober 2000 beschloss der Gemeinderat der Politischen Gemeinde P die Einleitung des Gestaltungsplan- und Landumlegungsverfahrens für das Areal G (Gestaltungsplan 1: Erschliessung und Landumlegung, Gestaltungsplan 2: Bebauungsordnung). Bei diesem Areal handelt es sich um ein über 75‘000 m2 grosses Gebiet. Nach Erledigung von Einsprachen wurden die beiden Gestaltungspläne vom DBU genehmigt und erwuchsen in Rechtskraft. In der Folge wurde das Areal G schrittweise überbaut, wobei bis heute noch einige wenige Parzellen unbebaut geblieben sind.
Bei Aushubarbeiten auf dem Grundstück F, seit 2008 im Eigentum der Eheleute R, wurden am 26. Februar 2009 Ablagerungen von Brand- und Bauschutt sowie Kehricht entdeckt. Die Bauarbeiten mussten eingestellt werden, um dem Amt für Umwelt des Kantons Thurgau (AfU) die Vornahme der nötigen Abklärungen hinsichtlich der entdeckten Altlast zu ermöglichen.
Am 25. Mai 2009 verlangten die Baufirma K, die Primarschulgemeinde P und die Eheleute R als betroffene Grundeigentümer vom Stadtrat P die Revision der im Rahmen des Gestaltungsplans 1 Areal G erlassenen und von der Vorinstanz genehmigten Landumlegung. Dabei wurde folgendes Rechtsbegehren gestellt:
„1.Es sei der zufolge einer Altlastendeponie bestehende Minderwert der von den Verfahrensbeteiligten in die Landumlegung eingeworfenen Parzellen, mutmasslich Liegenschaften Nr. XX, YY und ZZ (Liegenschaften-Nummern gemäss Bestand vor Landumlegung) sowie die Werteinbussen zufolge weiterer durch die Landumlegung verursachter Nachteile festzustellen und die Verfahrensbeteiligten zu verpflichten, in Höhe dieser Beiträge Ausgleich zu leisten.
2. Es sei der Minderwert der von der Altlastendeponie betroffenen Liegenschaften der Gesuchsteller und allfälliger weiterer betroffener Eigentümer gemäss neuem Bestand festzustellen und ihnen die entsprechenden Minderwerts- und Nachteilsanteile auszuzahlen;
unter Kosten- und Entschädigungsfolge.“
Mit Entscheid des AfU vom 2. Juni 2010 wurden vier Parzellen aufgrund der Ergebnisse einer Voruntersuchung in den Kataster der belasteten Standorte (KbS) aufgenommen, wobei die betroffenen Parzellen als belastet und überwachungsbedürftig bezeichnet wurden. Am 27. Oktober 2010 verfügte das AfU, dass die Kosten für die notwendigen Massnahmen zur Untersuchung und Überwachung des Standorts zu jeweils 50% von der Politischen Gemeinde P und vom Kanton Thurgau zu tragen seien. Für die Voruntersuchung würden Kosten in Höhe von Fr. 28‘273.20 als anrechenbar anerkannt. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies der Stadtrat P am 15. Januar 2013 das am 25. Mai 2009 gestellte Revisionsbegehren ab. Zwar sei die Landumlegung in Rechtskraft erwachsen, weshalb sie bzw. der entsprechende Gestaltungsplan grundsätzlich einen revisionsfähigen Entscheid darstellten. Bauerfahrene Personen, wie die Mitarbeiter der Firma K AG und der Primarschulgemeinde P, die sich das notwendige Fachwissen von externen Beratern beschaffen könnten, hätten sich bei der Anwendung der nötigen Sorgfalt schon damals, als das Verfahren der Landumlegung im Gange gewesen sei, mit der Altlastenproblematik auseinandersetzen müssen. Dagegen erhoben die Baufirma K, die Primarschulgemeinde P sowie die Eheleute R beim DBU Rekurs und beantragten insbesondere, es sei die Revision auszusprechen, die im Rahmen des Gestaltungsplans 1 erlassene Landumlegung aufzuheben (wenigstens betreffend die am Revisionsverfahren beteiligten Parteien) und die Sache zur Neubeurteilung der Landumlegung an die Politische Gemeinde P zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 13. November 2013 wies das DBU den Rekurs ab.
Eine dagegen von der Baufirma K, der Primarschulgemeinde P sowie den Eheleuten R erhobene Beschwerde heisst das Verwaltungsgericht gut und weist die Angelegenheit an die Politische Gemeinde P mit der Anordnung zurück, dass diese auf das gestellte Revisionsbegehren gegen die im Rahmen des Gestaltungsplanverfahrens 1 betreffend das Areal G vorgenommene Landumlegung einzutreten und über die Landumlegung neu zu befinden habe.
Aus den Erwägungen:
2.2
2.2.1 Für die Revision von Entscheiden im Verwaltungsrechtspflegeverfahren verweist § 70 VRG auf die sinngemäss anwendbaren Bestimmungen der ZPO. Gestützt auf § 129 VRG ist jedoch das im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens geltende Recht massgebend. Das Revisionsbegehren wurde am 25. Mai 2009 gestellt. In jenem Zeitpunkt verwies § 70 VRG noch auf die Bestimmungen der (bis Ende 2010 gültigen) Thurgauer Zivilprozessordnung (TG ZPO). Damit gelangen vorliegend - sinngemäss - die Vorschriften zur Revision gemäss der TG ZPO zur Anwendung.
2.2.2 Gemäss § 245 TG ZPO kann durch die Revision (Wiederherstellung) die Änderung aller rechtskräftigen Endentscheide durch neue Beurteilung des Streitfalles nachgesucht werden. Die Revision bezweckt die erneute Durchführung eines abgeschlossenen Prozesses aufgrund eines den effektiven Verhältnissen angepassten Sachverhalts: Der zur Diskussion stehende Entscheid soll mit dem im Zeitpunkt seiner Fällung bestehenden, aber erst hinterher erkannten wirklichen Sachverhalt in Einklang gebracht werden. Die Revision steht als ausserordentliches Rechtsmittel zur Verfügung, wenn die in § 246 TG ZPO genannten gesetzlichen Gründe eine Veränderung der Entscheidgrundlagen bedingen und diese mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. Merz, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Bern 2007, § 245 N. 1; zur Abgrenzung der Revision zum Institut der „Wiedererwägung“ vgl. TVR 1985 Nr. 17, insbesondere E. 3b).
2.2.3 Die Revisionsgründe sind in § 246 TG ZPO umschrieben. Einer dieser Revisionsgründe besteht darin, dass ein Gesuchsteller nachträglich erhebliche Tatsachen oder Beweismittel entdeckt hat, deren Geltendmachung vor Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses selbst unter Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht möglich gewesen wäre (§ 246 Ziff. 2 lit. a TG ZPO).
2.2.4 Stellt sich das Revisionsgesuch nicht von vornherein als unstatthaft heraus, findet über die Frage der Zulässigkeit der Revision eine mündliche Parteiverhandlung statt (§ 249 Abs. 1 TG ZPO). Wird die Revision sodann ausgesprochen und die angefochtene Erkenntnis aufgehoben, tritt das Gericht sofort auf die neue Beurteilung der Streitsache ein (§ 250 Abs. 1 Satz 1 TG ZPO). Das Revisionsverfahren gliedert sich somit in zwei Phasen: in einer ersten Phase ist zu beurteilen, ob ein Revisionsgrund (vorliegend namentlich gemäss § 246 Ziff. 2 lit. a TG ZPO) gegeben ist. Wird dies durch die zuständige Behörde bejaht, ist das Gegenstand der Revision bildende Erkenntnis aufzuheben und die Sache neu zu beurteilen. Die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses muss jedoch nicht notwendigerweise einen für den Revisionskläger günstigeren neuen Entscheid zur Folge haben: Allenfalls kommt die Behörde trotz veränderter Aktenlage zum gleichen Ergebnis wie bei ihrer ersten Beurteilung der Streitsache (vgl. Merz, a.a.O., § 250 N. 1). Diese Frage bildet Gegenstand der zweiten Phase des Revisionsverfahrens.
2.3 Die Vorinstanz verneinte die Zulässigkeit des am 25. Mai 2009 gestellten Revisionsbegehrens bereits in formeller Hinsicht, weil mit den darin formulierten Anträgen kein rechtsgenügliches Revisionsbegehren gestellt worden sei. Diese Auffassung geht aus den nachfolgenden Gründen fehl.
2.3.1 Begehren sind schriftlich und mit kurzer Begründung bei der zuständigen Behörde einzureichen; ausnahmsweise können sie zu Protokoll gegeben werden (§ 10 Abs. 1 VRG). Das Begehren umschreibt den Umfang des Rechtsstreits und sollte so formuliert werden, dass es bei Gutheissung zum Urteil erhoben werden kann. Bei der Beurteilung, ob ein genügender Antrag vorliegt, ist nicht nur auf die förmlich gestellten Anträge abzustellen, das Begehren kann sich vielmehr auch aus der Begründung ergeben (vgl. etwa Urteile des Bundesgerichts 8C_309/2011 vom 31. Mai 2011 E. 1.2 sowie 4D_102/2008 vom 21. Oktober 2008 E. 2.3).
2.3.2 Aus der Eingabe vom 25. Mai 2009 geht klar hervor, dass die Beschwerdeführer um Revision der im Rahmen des Gestaltungsplans 1 Areal G erlassenen Landumlegung ersucht haben. Dies ergibt sich bereits aus der auf S. 2 jener Eingabe oben angebrachten Formulierung, wonach der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer in deren Namen und Auftrag ausdrücklich die „REVISION“ der im Rahmen des Gestaltungsplans erlassenen Landumlegung „verlange“. Daran ändert auch nichts, dass gleichzeitig auch materielle Anträge hinsichtlich der zweiten Phase gestellt wurden (Begehren um Feststellung der Minderwerte / Werteinbussen bzw. um Leistung entsprechender Ausgleichsbeträge etc.). Für die Zulässigkeit des Rechtsbegehrens genügt mithin, dass um Revision der im Jahre 2003 erlassenen Landumlegung ersucht wurde. Diese Anforderung wird mit dem in der Eingabe vom 25. Mai 2009 gestellten Begehren zweifellos erfüllt. Die Vorinstanz gelangte zu Unrecht zu einem gegenteiligen Ergebnis.
2.3.3 Der Stadtrat der verfahrensbeteiligten Gemeinde wies das Revisionsgesuch mit Entscheid vom 15. Januar 2013 (im ersten Verfahrensstadium) ab, ohne (im zweiten Verfahrensabschnitt) einen von den Beschwerdeführern beantragten neuen Entscheid in der Sache zu fällen. Die Vorinstanz wies den Rekurs mit Entscheid vom 13. November 2013 mit dem Argumenten ab, die Beschwerdeführer hätten den Streitgegenstand überdehnt und mit den Rekursanträgen weit mehr verlangt, als sie im Verfahren vor dem Stadtrat der verfahrensbeteiligten Gemeinde gefordert hätten. In materieller Hinsicht werde das Revisionsgesuch abgewiesen, da die verlangte parzielle Aufhebung der Landumlegung - so die Vorinstanz weiter - nicht vorgesehen sei und eine integrale Aufhebung nach der in den vergangenen Jahren erfolgten Überbauung nicht mehr möglich sei.Damit hat sich die Vorinstanz nicht darauf beschränkt, den vom Stadtrat der verfahrensbeteiligten Gemeinde gefällten und den ersten Verfahrensabschnitt abschliessenden Entscheid zu überprüfen, sondern sie hat ihrerseits in unzulässiger Ausweitung des Streitgegenstandes auch die materiellen Revisionsanträge (welche die zweite Phase betreffen) verworfen.
2.3.4 Ungeachtet dessen, dass die Vorinstanz auch nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens bildende Punkte mitbeurteilt hat, muss das gestellte Revisionsbegehren vom 25. Mai 2009 als rechtsgenüglich qualifiziert werden.
2.4 Weiter stellt sich die Frage, ob es sich bei der im Rahmen des Gestaltungsplanverfahrens vorgenommenen Landumlegung um einen revisionsfähigen Entscheid im Sinne von § 70 VRG bzw. § 245 TG ZPO handelt.
2.4.1 Dies wurde durch die Vorinstanz ebenfalls verneint, im Wesentlichen mit der Begründung, eine parzielle Aufhebung der Landzuteilung sei nicht möglich. Lediglich eine gesamthafte Aufhebung der Landumlegung wäre denkbar, wobei es aber auch kaum möglich sei, die Ausgangslage, die vor zehn Jahren bestanden habe, wieder herzustellen. Dies würde - so die Vorinstanz - einen Einbruch in der Rechtssicherheit bewirken. Diese sei höher zu werten als die Interessen der Beschwerdeführer.
2.4.2 Auch diese Auffassung geht fehl. Zu Recht gelangte die verfahrensbeteiligte Gemeinde in E. 2 ihres Entscheids vom 15. Januar 2013 zum Ergebnis, dass die Landumlegung bzw. der diese umfassende Gestaltungsplan 1 Areal G einen Entscheid im Sinne von § 4 VRG darstellten. So sind unter „Entscheiden“ im Sinne von § 70 VRG namentlich auch raumplanungsrechtliche Festlegungen zu verstehen (vgl. Bertschi, in: Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, § 86a N. 4). Nach Erlass eines Einleitungsbeschlusses und nach der Bereinigung der Einsprachen beschloss der Gemeinderat am 19. August 2003 im Rahmen des Gestaltungsplanverfahrens die Landumlegung. Der entsprechende Plan wurde vom 29. August 2003 bis 17. September 2003 öffentlich aufgelegt und in der Folge durch die Vorinstanz mit Entscheid Nr. 105 vom 24. November 2003 genehmigt. Die Rechtsgrundlagen für die Landumlegung finden sich in den §§ 39 ff. des vormals anwendbaren Planungs- und Baugesetzes vom 16. August 1995 (aPBG). Für das Verfahren betreffend die Neuzuteilung verweist § 40 Abs. 3 aPBG namentlich auf die §§ 29 - 31 aPBG. Gemäss § 31 aPBG kann gegen Pläne und zugehörige Vorschriften bei der Gemeindebehörde Einsprache erhoben werden. Die Neuzuteilung der Grundstücke ergibt sich aus dem Gestaltungsplan. Gestützt darauf wurden in der Folge die Mutationen und die Anpassungen / Änderungen im Grundbuch vorgenommen. Mit dem Entscheid über die Landumlegung vom 19. August 2003, der in der Folge durch die Vorinstanz genehmigt wurde und in Rechtskraft erwuchs, liegt ein formeller und damit revisionsfähiger Entscheid vor.
2.4.3 Die Argumente der Vorinstanz vermögen nicht zu überzeugen. So trifft etwa deren Feststellung, eine Landumlegung könne nur integral überprüft und aufgehoben werden, nicht zu. Zwar ist beim Vorliegen eines Revisionsgrundes nach § 250 Abs. 1 TG ZPO das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und die Streitsache durch die Behörde - im Rahmen der zweiten Phase - neu zu beurteilen. Stellt die zuständige Behörde allerdings fest, dass nur ein Teil der einbezogenen Landflächen bzw. nur ein Teil der Landumlegung betroffen ist, kann sie sich bei der Neufestsetzung der Landumlegung darauf beschränken und muss insbesondere keine Neuverteilung vornehmen. Mit anderen Worten kann eine hoheitlich in die Wege geleitete, nach dem System des Flächenausgleichs durchgeführte Landumlegung dort, wo - wie im vorliegenden Fall - besondere Umstände vorliegen und wo nur wenige Parzellen betroffen sind, partiell auch nach dem System des Wertausgleichs angepasst bzw. ergänzt werden (vgl. § 42 aPBG). Ob bzw. wie eine Korrektur der Landumlegung zu erfolgen haben wird, muss im vorliegenden Beschwerdeverfahren - welches nur die Frage, ob überhaupt eine Revision der Landumlegung vorzunehmen ist, zum Gegenstand hat - nicht näher geprüft werden.
2.4.4 Jedenfalls ist beim Entscheid über die Landumlegung - entgegen der Auffassung der Vorinstanz (…) - zweifellos von einem revisionsfähigen Entscheid auszugehen.
2.5 Zu prüfen ist weiter, ob die von den Beschwerdeführern ins Feld geführte Altlastenproblematik einen ausreichenden Revisionsgrund im Sinne von § 246 Ziff. 2 lit. a TG ZPO bildet bzw. ob die vormals an der Landumlegung beteiligten Beschwerdeführer 1 und 2 (Baufirma K und Primarschulgemeinde P) „unter Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt“ diese Problematik im Rahmen des damaligen Landumlegungs-/ Gestaltungsplanverfahrens von sich aus hätten aufwerfen müssen.
2.5.1 Revision gestützt auf § 246 Ziff. 2 lit. a TG ZPO kann nur verlangt werden, wenn der angefochtene Entscheid trotz sorgfältiger Prozessführung unrichtig zustande gekommen ist (vgl. E. 2.2.3 vorstehend). Im zivilprozessualen Verfahren ist Voraussetzung für eine Revision stets, dass dem Gesuchsteller wegen der verspäteten Entdeckung der Noven keine Vernachlässigung seiner Behauptungs- und Beweislast vorzuwerfen ist. Zweifel an der Richtigkeit der gegnerischen Tatsachenbehauptungen muss er durch zumutbare Nachforschungen abzuklären versucht bzw. den Nachweis seitens der Gegenpartei verlangt haben. Einzig die im ersten Verfahren unverschuldet unterbliebene Nennung von Beweismitteln kann Anlass zu einer Revision des Entscheids geben; die Revision darf nicht dazu dienen, Beweisanträge, die der Behauptende zu stellen unterliess oder zurückzog, nachzuholen, es sei denn, es hätten ihm die Beweismittel gefehlt oder der Beweis hätte mit den angerufenen Beweismitteln nicht geführt werden können. Fällt dem Gesuchsteller ein Verschulden am rechtzeitigen Vorbringen von neuen tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen und Einreden bzw. Beweismitteln zur Last, kann der Revision kein Erfolg beschieden sein: unsorgfältige Prozessführung darf nicht durch Zulassung eines Revisionsverfahrens belohnt werden (vgl. Merz, a.a.O., § 246 N. 5 mit Hinweisen). Zwar verweist § 70 VRG für die Revision auf die zivilprozessualen Bestimmungen, welche auch im Verwaltungsrechtspflegeverfahren - sinngemäss - anwendbar sind. Im verwaltungsrechtlichen Verfahren existiert jedoch grundsätzlich keine Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast; es gilt vielmehr die Untersuchungsmaxime, gemäss welcher der Behörde die Pflicht zur Abklärung des entscheidrelevanten Sachverhalts von Amtes wegen obliegt (§ 12 VRG; vgl. Haubensak/Litschgi/Stähelin, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Frauenfeld 1984, § 12 N. 1 ff.). Diese Untersuchungspflicht wird allerdings durch die Pflicht der Parteien zur notwendigen und zumutbaren Mitwirkung relativiert (§ 12 Abs. 3 VRG; vgl. TVR 2006 Nr. 27, E. 4a). Die private Partei kann sich demnach nicht revisionsweise auf Tatsachen und Beweismittel berufen, die sie aufgrund ihrer Mitwirkungspflicht bereits im ordentlichen Verfahren hätte vorbringen sollen (vgl. Bertschi, a.a.O., § 86b N. 3).
2.5.2 Die verfahrensbeteiligte Gemeinde wies das Revisionsbegehren mit Entscheid vom 15. Januar 2013 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass sich die bauerfahrenen Personen, wie die Mitarbeiter der Baufirma K und diejenigen der Primarschulbehörde P, die sich das notwendige Fachwissen von externen Beratern hätten beschaffen können, bei der Anwendung der nötigen Sorgfalt bereits damals, als das Verfahren der Landumlegung im Gange gewesen sei, mit der Altlastenproblematik hätten auseinandersetzen müssen. Diese Problematik sei jedoch weder von der Baufirma K noch der Primarschulbehörde P aufgeworfen worden. Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 32bis USG gehe hervor, dass der Anspruch eines Bauherrn auf Beteiligung des Vorinhabers an den Sanierungskosten auf den 1. Januar 1997 befristet sei und dass ein Käufer, der danach Land erworben habe, nicht mehr geschützt werde, da ab diesem Zeitpunkt die Altlastenproblematik gesetzlich geregelt gewesen sei und ein Käufer sich damit hätte befassen müssen. Für die Frage der anzuwendenden Sorgfalt wird auf die zivilrechtliche Regelung der Gewährleistung beim Kauf, insbesondere Art. 200 OR, verwiesen. (…)
2.5.3 Diese Auffassungen gehen jedoch ebenfalls fehl. So stellte die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zu Recht fest, es komme entgegen der Auffassung der verfahrensbeteiligten Gemeinde nicht darauf an, ob die zumutbaren Abklärungen tatsächlich gemacht worden seien, sondern ob die erheblichen Tatsachen bei der erforderlichen Sorgfalt der gesuchstellenden Partei dannzumal überhaupt hätten entdeckt werden können. Aufgrund der vorliegenden Akten - insbesondere der Verfügungen des AfU vom 2. Juni 2010 und 27. Oktober 2010 - ergibt sich, dass die Altlast auf den Parzellen der Beschwerdeführer auch bei der erforderlichen Sorgfalt der Beschwerdeführer 1 und 2 (Baufirma K und Primarschulbehörde P) nicht hätte entdeckt werden können. Dies trifft insbesondere auch auf die „bauerfahrenen“ Mitarbeiter der Baufirma K zu. Beim Landumlegungsverfahren handelt es sich mithin um ein hoheitliches/öffentlich-rechtliches Verfahren, bei welchem die Untersuchungspflicht der zuständigen Behörde gilt (vgl. § 12 VRG). Es gilt als erstellt, dass im Zeitpunkt des vormaligen Landumlegungsverfahrens über die fragliche Altlast weder ein Katastereintrag (bzw. ein Eintrag im Verdachtsflächenplan) bestand noch andere aktuelle Hinweise - etwa in Form eines vor Kurzem stillgelegten Industrie- oder Gewerbebetriebs bzw. eines Gebäudeabbruchs - den Beteiligten (auch seitens der Gemeindebehörde) bekannt gewesen waren oder hätten bekannt sein müssen. Die Altlast wurde erst im Rahmen der Bauarbeiten für das Gebäude auf Parzelle Nr. 3248 entdeckt. Ob die Abklärung der Altlastenproblematik zur Untersuchungspflicht der damals zuständigen Behörde gehört hätte, kann vorliegend offen gelassen werden. Bei der Landumlegung gingen offensichtlich nicht nur die beteiligten Grundeigentümer, sondern auch die zuständige Gemeindebehörde vom Grundsatz der Wertgleichheit der zuzuteilenden Grundstücke aus. Nachdem keine offensichtlichen Anhaltspunkte für Altlasten gegeben waren und angesichts dessen, dass es sich bei der Landumlegung um ein öffentlich-rechtliches Verfahren handelt, waren die Beschwerdeführer 1 und 2 - ohne ihre Sorgfaltspflicht zu verletzen - nicht gehalten, die Altlastenproblematik aufzuwerfen.
2.5.4 Bei der Landumlegung handelt es sich um ein hoheitliches Planungsinstrument, dem sich jeder Grundeigentümer mit Grundbesitz im rechtskräftig festgelegten Perimeter zu unterwerfen hat. Entsprechend erweist sich auch die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Kriterien, das heisst der Bestimmungen über die kaufrechtliche Gewährleistung (insbesondere Art. 200 OR), vor diesem Hintergrund als nicht sachgerecht. Der Verweis der verfahrensbeteiligten Gemeinde (…) auf die in den „weiteren Bestimmungen“ der öffentlichen Urkunde des Grundbuchs enthaltene Freizeichnungsklausel geht daher ebenfalls fehl. Die im Nachgang zur Landumlegung vorgenommenen Grundbuchgeschäfte/öffentlichen Beurkundungen stellen lediglich den Vollzug des Landumlegungsentscheids dar. Für die Frage der Revision des öffentlich-rechtlichen Entscheids über die Landumlegung ist diese Freizeichnungsklausel mit anderen Worten nicht massgeblich.
2.5.5 Ins Leere stösst auch der Hinweis der verfahrensbeteiligten Gemeinde auf Art. 32bbis USG. Dieser regelt unter anderem die Tragung von Mehrkosten für die Untersuchung und Entsorgung des Materials durch die früheren Verursacher bzw. Inhaber des Standorts. Aus dieser Bestimmung ergibt sich jedoch keine Verpflichtung eines mit einem Grundstück in eine Landumlegung miteinbezogenen Grundeigentümers, sich in einem nach dem 1. Januar 1997 durchgeführten hoheitlichen (Planungs-)Verfahren mit Altlasten zu befassen. Inwieweit es Sache der zuständigen Gemeindebehörde gewesen wäre, etwa mittels Konsultation der sich in ihrem Archiv befindlichen Unterlagen, mit der Altlastenproblematik zu befassen, muss vorliegend - wie dargestellt - nicht weiter geklärt werden.
2.5.6 Unzutreffend ist auch eine von den Verfahrensbeteiligten (weitere betroffene Grundeigentümer) vorgenommene Qualifikation des Revisionsbegehrens als Entschädigungsbegehren zufolge materieller Enteignung. Eine Revision der Landumlegung bzw. der Neuzuteilung hätte mithin keine enteignungsähnliche Nutzungsbeschränkung zur Folge. Die im Zusammenhang mit der festgestellten Altlast entstanden bzw. noch entstehenden finanziellen Aufwendungen widerspiegeln sich vielmehr in einem Minderwert der zugeteilten Grundstücksflächen. Ein allfälliger Wertausgleich, sofern und soweit keine Neuzuteilung der Flächen erfolgt, würde sich auf § 42 Abs. 4 aPBG stützen und nicht auf das Gesetz über die Enteignung.
Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2013.188/VG.2013.189/E vom 7. Mai 2014