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TVR 2018 Nr. 11

Keine ausseramtliche Entschädigung bei Vertretung durch einen Juristen, der bei der als Partei am Verfahren beteiligten Unternehmung angestellt ist; Voraussetzungen für eine Umtriebsentschädigung und den Ersatz von Barauslagen.


§ 80 Abs. 2 VRG


1. Die Vertretung durch einen Firmenjuristen bzw. einen bei der betreffenden Unternehmung angestellten Anwalt, der nicht im Sinne des BGFA unabhängig ist, begründet keinen Anspruch auf eine ausseramtliche Entschädigung gemäss ATVG (E. 3.3).

2. Ein Auslagenersatz im Sinne einer Umtriebsentschädigung ist nur geschuldet, wenn besonderen Umtriebe entstanden sind (E. 3.4).

3. Barauslagen müssen im Detail ausgewiesen sein (E. 3.5; vgl. auch TVR 2013 Nr. 13, E. 3.3, und TVR 2017 Nr. 9, E. 4.3).


Am 29. Februar 2016 erteilte die Politische Gemeinde A die Baubewilligung für eine von der B AG geplante Mobilfunkanlage auf der Liegenschaft Nr. XX. Dagegen erhoben diverse Anwohner Rekurs. Mit Entscheid vom 7. Februar 2018 trat das DBU auf den Rekurs nicht ein. Die Rekurrenten wurden unter solidarischer Haftbarkeit verpflichtet, die B AG mit Fr. 2‘000.-- zuzüglich 8% Mehrwertsteuer ausseramtlich zu entschädigen. Dagegen erhoben C sowie 31 weitere Personen beim Verwaltungsgericht Beschwerde und beantragten unter anderem, dass auf die Zusprechung einer ausseramtlichen Entschädigung an die B AG zu verzichten sei. Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerde gut und hebt die Dispositiv-Ziffer des angefochtenen Rekursentscheids, mit welcher die Rekurrenten zur Bezahlung einer ausseramtlichen Entschädigung an die B AG verpflichtet wurden, auf.

Aus den Erwägungen:

3.2 Gemäss § 80 Abs. 1 VRG besteht im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht oder dem Regierungsrat in der Regel Anspruch auf Ersatz der ausseramtlichen Kosten. Für das Rekursverfahren bestimmt § 80 Abs. 2 VRG, dass die obsiegende Privatpartei in der Regel Anspruch auf Ersatz der ausseramtlichen Kosten durch die unterliegende Privatpartei hat, wenn sich Privatparteien gegenüber stehen. Letzteres ist vorliegend der Fall: Mit den Beschwerdeführern einerseits und der Verfahrensbeteiligten (als Bauherrschaft) andererseits standen sich im Rekursverfahren zwei Privatparteien gegenüber. Dies wird auch von den Beschwerdeführern nicht, oder zumindest nicht substantiiert, bestritten.

3.3 Fraglich ist allerdings, ob der Verfahrensbeteiligten (B AG) für das Rekursverfahren ein Anspruch auf eine Parteientschädigung zusteht, obwohl sie nicht durch einen unabhängigen Rechtsanwalt, sondern durch angestellte Firmenanwälte bzw. -juristen vertreten war.

3.3.1 Gemäss § 2 Abs. 1 ATVG, welche gemäss § 1 Abs. 2 der Verordnung des Regierungsrates über die Gebühren der kantonalen Verwaltungsbehörden (RB 631.11) auch für Rekursverfahren vor den Departementen sinngemäss anwendbar ist, umfasst die Parteientschädigung die Kosten der anwaltlichen Vertretung, allfällige weitere notwendige Auslagen der Partei sowie den Ersatz der Mehrwertsteuer, sofern eine Mehrwertsteuerpflicht besteht. Als - neben den Anwaltskosten - weitere notwendige Auslagen gemäss § 2 Abs. 1 ATVG kommen Umtriebe in Frage, das heisst der von einem Verfahrensbeteiligten im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung erbrachte Zeitaufwand, soweit er das übliche Mass übersteigt (Fedi/Meyer/Müller, a.a.O., § 80 N. 3). Solche Umtriebe können etwa bejaht werden, wenn der erforderliche Rechtsverfolgungsaufwand das in einem solchen Verfahren übliche Mass übersteigt, wenn wegen der Komplexität des Streitfalls aufwendige Darlegungen nötig sind oder wenn der Zeitaufwand so erheblich war, dass eine in eigener Sache prozessierende Person während längerer Zeit ihrer Berufs- bzw. Erwerbstätigkeit nicht nachgehen konnte (vgl. Plüss, in: Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl., Zürich 2014, § 17 N. 49). Einer nicht anwaltlich vertretenen Partei steht demnach keine Parteientschädigung zu, wenn keine besonderen Umtriebe ersichtlich sind (TVR 2017 Nr. 9).

3.3.2 Zwar trifft es - wie von der Verfahrensbeteiligten vorgebracht - zu, dass Inhaber des Anwaltspatentes den Titel „Rechtsanwältin/Rechtsanwalt“ unabhängig von einer Eintragung in einem kantonalen Anwaltsregister tragen dürfen (Art. 11 BGFA). Auch wenn zumindest RA D, der zusammen mit E als Vertreter der Verfahrensbeteiligten im angefochtenen Rekursentscheid bezeichnet wurde, Inhaber des Anwaltspatentes ist, handelt es sich weder bei ihm noch bei E um einen unabhängigen Anwalt/eine unabhängige Anwältin im Sinne des BGFA. Wie sie in der Vernehmlassung vom 14. März 2018 selbst bestätigen, sind sie beide juristische Mitarbeiter der Verfahrensbeteiligten. Die Zusprache einer Parteientschädigung für die Kosten einer anwaltlichen Vertretung gestützt auf § 2 und 3 ATVG steht einer Partei (mit der expliziten Ausnahme gemäss Art. 8 Abs. 2 BGFA; vgl. § 3 Abs. 3 ATVG) jedoch nur zu, wenn die anwaltliche Vertretung durch einen unabhängigen, in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Rechtsanwalt im Sinne des BGFA erfolgt (zu den Voraussetzungen des Registereintrags vgl. Art. 7 und Art. 8 BGFA, insbesondere Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA; zur Voraussetzung der Unabhängigkeit vgl. Art. 12 lit. b BGFA). Dies korrespondiert mit der Bestimmung von § 9 Abs. 3 VRG, wonach die berufsmässige Verbeiständung und Vertretung vor dem Verwaltungsgericht den nach dem BGFA zugelassenen Anwälten vorbehalten ist. Auch gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine Parteientschädigung im Sinne eines Ersatzes von Anwaltskosten nur dann zuzusprechen, wenn es sich um eine berufsmässige Vertretung durch einen unabhängigen Rechtsanwalt im Sinne des BGFA handelt. Entsprechendes, das heisst kein Anspruch auf Entschädigung angefallener Kosten für eine anwaltliche Vertretung, gilt auch für einen in eigener Sache prozessierenden Rechtsanwalt (vgl. hierzu die Urteile 1A.4/2007 vom 25. Juni 2007 E. 7, 1C_1/2016 vom 22. April 2016 E. 3.1 bis 3.3, 4A_233/2017 vom 28. September 2017 E. 4.5, je mit weiteren Hinweisen, so namentlich auf BGE 129 III 276 bzw. auf die dort nicht publizierte Erwägung 4; vgl. auch BGE 133 III 439 E. 4).

3.3.3 Die Vorinstanz verweist in ihrer Stellungnahme vom 21. März 2018 auf das Urteil des Bundesgerichts 1A.4/2007 vom 25. Juni 2007, wonach die Kantone eine Entschädigung auch für Parteien vorsehen dürfen, die durch ihren Rechtsdienst vertreten werden. Im erwähnten Urteil führte das Bundesgericht in E. 7 aus, es entspreche zwar der bundesgerichtlichen Praxis, eine Parteientschädigung grundsätzlich nur für Anwaltskosten zuzusprechen (Urteil des Bundesgerichts 4C.269/2002 vom 17. Dezember 2002 E. 4, nicht publiziert in BGE 129 III 276). An diese Praxis seien die Kantone jedoch nicht gebunden. Es stehe ihnen daher frei, eine Entschädigung auch für Parteien vorzusehen, die durch ihren Rechtsdienst vertreten würden (Urteil des Bundesgerichts 1A.4/2007 vom 25. Juni 2007 E. 7). Eine entsprechende Regelung besteht im Kanton Thurgau jedoch nicht. Wie dargelegt, steht eine Parteientschädigung im Sinne eines Ersatzes der Anwaltskosten gemäss ATVG nur bei einer Vertretung durch einen unabhängigen Rechtsanwalt im Sinne des BGFA zu (mit der bereits erwähnten Ausnahme gemäss Art. 8 Abs. 2 BGFA bzw. § 3 Abs. 3 ATVG, welche vorliegend jedoch nicht zur Anwendung gelangt). Eine Partei- bzw. ausseramtliche Entschädigung für Kosten einer anwaltlichen Vertretung, die sich auch nach dem Stundensatz gemäss § 3 Abs. 2 ATVG richten würde, steht der Verfahrensbeteiligten, die sich im Rekursverfahren durch einen angestellten Firmenanwalt bzw. eine angestellte Firmenjuristin vertreten liess, somit nicht zu.

3.4 Zu prüfen ist weiter, ob der Verfahrensbeteiligten im Rekursverfahren „besondere Umtriebe“ entstanden sind, das heisst ob z.B. der erforderliche Rechtsverfolgungsaufwand das in einem solchen Verfahren übliche Mass überstieg oder ob wegen der Komplexität des Streitfalles aufwändige Darlegungen nötig waren (vgl. TVR 2017 Nr. 9, E. 4.2 und 4.3). Derartige „Umtriebe“ im Sinne eines das übliche Mass erheblich übersteigenden Zeitaufwandes für die Rechtsverfolgung seitens der Verfahrensbeteiligten sind nicht ersichtlich. Vielmehr bewegt sich der Aufwand für die Eingaben der Verfahrensbeteiligten im Rekursverfahren vom 19. April 2016 vom 7. September 2017 und vom 18. September 2017 wie auch der damit verbundene Aufwand für das Zusammenstellen der Akten sowie für rechtliche und tatsächliche Abklärungen im Rahmen des für derartige Verfahren Üblichen. Der Verfahrensbeteiligten steht somit auch unter dem Titel „besondere Umtriebe“ im Sinne der erwähnten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (TVR 2017 Nr. 9) kein Anspruch auf eine Parteientschädigung für das Rekursverfahren zu.

3.5 Zur Parteientschädigung bzw. zu den „weiteren notwendigen Auslagen“ im weiteren Sinn, gehören sodann auch die ausgewiesenen Barauslagen (§ 3 Abs. 1 ATVG). Zwar sind der Verfahrensbeteiligten für das Rekursverfahren gewisse Barauslagen entstanden, jedoch wurden diese nicht ausgewiesen, womit ihr bereits aus diesem Grunde kein Anspruch auf Ersatz derselben zusteht. Ob es sich bei diesen Barauslagen um einen lediglich geringfügigen Aufwand, der gemäss § 3 Abs. 5 ATVG ohnehin nicht zu ersetzen wäre, handelte, kann vorliegend offen gelassen werden.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2018.20/E vom 13. Juni 2018

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