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TVR 2018 Nr. 22

Nachträgliches Baubewilligungsverfahren, Offizialmaxime


§ 115 PBG


Das nachträgliche Baubewilligungsverfahren ist von der Offizialmaxime beherrscht, da es von Amtes wegen einzuleiten und durchzuführen ist. Zur Verfahrenseinleitung ist ein nachträgliches Baugesuch grundsätzlich nicht notwendig. Der Rückzug eines auf Aufforderung der zuständigen Baubehörde hin eingereichten nachträglichen Baugesuchs durch den „Gesuchsteller“ ist daher irrelevant bzw. führt nicht zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.


A ist Eigentümer der Liegenschaft Nr. XX in der Politischen Gemeinde B. Zwischen dem darauf stehenden landwirtschaftlichen Ökonomiegebäude und der westlichen Waldgrenze des „C-hölzli“ andererseits erstreckt sich in der Landschaftsschutzzone entlang des nordwestlichen Waldrandes der Richtung See führende private „Flurweg West“; südöstlich davon verläuft entlang der südlichen Waldgrenze der „Flurweg Süd“. Auf entsprechende Aufforderung der Politischen Gemeinde B reichte A am 20. Mai 2014 ein nachträgliches Baugesuch für die „Sanierung von Privatwegen mit Wandkies“ ein, dem mehrere Pläne und Fotoaufnahmen beigelegt waren. Das Baugesuch wurde vom 30. Mai 2014 bis 18. Juni 2014 öffentlich aufgelegt. Dagegen erhob D am 6. Juni 2014 Einsprache. Es folgte ein E-Mail-Verkehr zwischen A, der Politischen Gemeinde B, und kantonalen Ämtern. Mit Schreiben vom 9. September 2014 erklärte A, dass er sein Baugesuch zurückziehe, da er der Meinung sei, dass für die Sanierung der betreffenden Weg- und Kiesflächen kein entsprechendes Baugesuch notwendig sei. Mit Entscheid vom 28. Oktober 2015 hiess die Politische Gemeinde B die Einsprache von D gut und verweigerte gleichzeitig die nachträgliche Bewilligung für die Sanierung der Privatwege mit Wandkies. Es wurde weiter ein teilweiser Rückbau der Flurwege angeordnet. Einen von A dagegen erhobenen Rekurs wies das DBU mit Entscheid vom 21. August 2017 ab. B reichte dagegen Beschwerde ein. Das Verwaltungsgericht heisst diese insoweit teilweise gut, als die Sache an die Politische Gemeinde B zwecks Festlegung, welche Flächen der betroffenen Flurweg- bzw. Platzbereiche mit welchen Massnahmen und bis zu welchem Zeitpunkt dem rechtmässigen Zustand zuzuführen sind, zurückgewiesen wird.

Aus den Erwägungen:

2.8 Indem die Flurwege bzw. der Vorplatz vergrössert und neu mit einem Kiesbelag und Ecorastern eingedeckt wurden, kann nicht mehr von blossem Unterhalt gesprochen werden, zumal sich im Einzelfall je nach den Umständen erschliessungstechnische (Entwässerung), umweltrechtliche (Bodenbelastung durch ausgewaschene Schadstoffe, Bodenverdichtung), naturschützerische oder raumplanerische (Verlust von Kulturland) Fragen stellen, die im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens beurteilt werden müssen. Diese bewilligungspflichtigen baulichen Massnahmen hat der Beschwerdeführer ohne vorgängige Baubewilligung durchgeführt. Damit wurde von der verfahrensbeteiligten Gemeinde zu Recht ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren eingeleitet. Ein solches ist von der zuständigen Baubehörde von Amtes wegen einzuleiten und durchzuführen (vgl. hierzu Rouss-Fierz, Massnahmen gegen illegales Bauen, Zürich 1999, S. 120, Mäder, Das Baubewilligungsverfahren, Zürich 1991, N. 644, Fritzsche/Bösch/Wipf, Zürcher Planungs- und Baurecht, Band 1, 5. Aufl., Zürich 2011, S. 482, Rz. 10.2.3, sowie Waldmann, in: Griffel und andere [Hrsg.], Fachhandbuch öffentliches Baurecht, Zürich/Basel/Genf 2016, N. 6.8, S. 583). Dieses von Amtes wegen einzuleitende und durchzuführende nachträgliche Baubewilligungsverfahren unterliegt somit der Offizialmaxime (Fedi/Meyer/Müller, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Basel 2014, § 16 N. 8). Zwar wurde der Beschwerdeführer am 25. April 2014 von der verfahrensbeteiligten Gemeinde zur Einreichung eines Baugesuchs aufgefordert. Zur Verfahrenseinleitung ist ein derartiges nachträgliches Baugesuch jedoch grundsätzlich nicht notwendig. Vielmehr ist die Aufforderung dahingehend zu verstehen, dass die Baubehörde den „Störer“, der die bewilligungspflichtigen Massnahmen eigenmächtig vorgenommen hat, zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung verpflichtet und ihn auffordert, die zur Klärung der materiellen Rechtslage notwendigen Bauunterlagen (Baupläne etc.) einzureichen. Dies hat zum einen zur Folge, dass die zuständige Behörde das Verfahren auch dann von Amtes wegen durchzuführen und nötigenfalls selbst die erforderlichen Pläne zu besorgen oder nachträglich zu erstellen hat, wenn sich der „Bauherr“ zur Einreichung der notwendigen Unterlagen bzw. des nachträglichen „Gesuchs“ weigert (vgl. Waldmann, a.a.O., N. 6.8, S. 583, sowie Rouss-Fierz, a.a.O., S. 121). Zum andern hat die im nachträglichen Baubewilligungsverfahren zur Anwendung gelangende Offizialmaxime zur Folge, dass dem „Störer“ nicht die Herrschaft über das Verfahren zukommt (wie dies bei der Dispositionsmaxime der Fall wäre). Der „Störer“ kann damit auch nicht etwa durch den Rückzug seines „Baugesuchs“, zu welchem er von der Baubehörde aufgefordert wurde, die Gegenstandslosigkeit des nachträglichen Baubewilligungsverfahrens herbeiführen. Die Baubehörde der verfahrensbeteiligten Gemeinde führte somit zu Recht ungeachtet der Erklärung des Beschwerdeführers vom 9. September 2014, sein Baugesuch zurückzuziehen, das Bewilligungsverfahren durch bzw. weiter. Der nachträgliche Rückzug des „Baugesuchs“ durch den Beschwerdeführer ist für das nachträgliche Baubewilligungsverfahren mit anderen Worten irrelevant.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2017.129/E vom 24. Januar 2018

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