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TVR 2018 Nr. 24

Koordination von Wasserbauvorhaben mit der Festlegung des Gewässerraums


Art. 46 GSchV, Art. 25 a RPG, Art. 3 Abs. 3 WBG, § 18 WBSNV


Der allgemeine Koordinationsgrundsatz gilt für den gesamten Bereich der Wasserwirtschaft. Ein Hochwasserprojekt bzw. Korrektionsprojekt (i.c. Bauprojekt 2014, 2. Thurgauer Thurkorrektion) bedarf der Abstimmung mit der Festlegung des Gewässerraums im betroffenen Perimeter.


Im Rahmen der 2. Thurgauer Thurkorrektion sieht der Kanton Thurgau die Realisierung von Hochwasserschutzmassnahmen vor, wobei auch der Flussraum ökologisch aufgewertet werden soll. Nach mehrjähriger Planungsphase wurde das „Bauprojekt 2014“ für den 3,7 km langen Teilabschnitt zwischen Weinfelden und Bürglen erarbeitet. Gegen das am 24. Oktober 2014 publizierte und vom 27. Oktober 2014 bis 15. November 2014 öffentlich aufgelegene Bauprojekt 2014 erhoben der Verband Thurgauer Landwirtschaft VTL sowie diverse weitere Privatpersonen Einsprache. Mit Entscheiden vom 11. November 2015 und 12. Februar 2018 wies das DBU die Einsprachen ab, soweit auf diese eingetreten wurde. Dagegen erhoben nebst dem Verband Thurgauer Landwirtschaft VTL mehrere Eigentümer von primär landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften im Projektperimeter Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Nach der Abweisung der Beschwerde des Verbands Thurgauer Landwirtschaft VTL mit Entscheid VG.2017.130/E vom 29. November 2017 (publiziert in TVR 2017 Nr. 7) heisst das Verwaltungsgericht die Beschwerden der übrigen Beschwerdeführer in dem Sinne gut, dass - unter teilweiser Aufhebung der angefochtenen Entscheide - die Sache an das DBU zurückgewiesen wird zur Koordination der neu zu fällenden Einspracheentscheide betreffend das Hochwasserschutzprojekt mit den Genehmigungsentscheiden des DBU betreffend Festlegung der Gewässerraumlinien im Projektperimeter in den drei verfahrensbeteiligten Gemeinden.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Beim vorliegend strittigen Hochwasserschutz- bzw. Korrektionsprojekt geht es um ein Vorhaben im Sinne von Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetz über den Wasserbau (WBG), § 8 des bis 31. Dezember 2017 geltenden thurgauischen Gesetzes über den Wasserbau (aWBG) bzw. § 12 ff. des am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen (kantonalen) WBSNG. Gemäss Art. 4 Abs. 2 lit. c WBG muss bei Eingriffen in das Gewässer dessen natürlicher Verlauf möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden. Gewässer und Gewässerraum müssen so gestaltet werden, dass (lit. a) sie einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt als Lebensraum dienen können, (lit. b) die Wechselwirkungen zwischen ober- und unterirdischen Gewässern weitgehend erhalten bleiben, (lit. c) eine standortgerechte Ufervegetation gedeihen kann, wobei diese Voraussetzungen alternativ gelten (Urteil des Bundesgerichts 1C_100/2017 vom 3. Oktober 2017 E. 2.4). Sodann umschreibt Art. 37 GSchG die Voraussetzungen für die Verbauung oder Korrektion von Fliessgewässern. Abs. 2 dieser Bestimmung enthält für die Gestaltung von Gewässer und Gewässerraum dieselben Vorgaben wie Art. 4 Abs. 2 lit. c WBG (vgl. hierzu Fritzsche, in: Hettich/Jansen/Norer, GSchG WBG - Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum Wasserbaugesetz, Zürich/Basel/Genf 2016, N. 40 ff. zu Art. 37 GSchG). Nach Art. 36a Abs. 1 GSchG legen die Kantone nach Anhörung der betroffenen Kreise den Raumbedarf der oberirdischen Gewässer fest, der erforderlich ist für die Gewährleistung folgender Funktionen (Gewässerraum): (lit. a) die natürlichen Funktionen der Gewässer, (lit. b) den Schutz vor Hochwasser und (lit c) die Gewässernutzung. Gestützt auf Art. 36 Abs. 2 GSchG hat der Bundesrat in Art. 41a ff. GSchV Vorgaben für die Festlegung des Gewässerraums formuliert, wobei Art. 41a GSchV Anweisungen an die Kantone für den Gewässerraum bei Fliessgewässern enthält (hierzu Fritzsche, a.a.O., N. 47 ff. zu Art. 36a GSchG). Weitere Bestimmungen betreffend die Festlegung des Gewässerraums finden sich auf kantonaler Ebene sodann in den §§ 34 und 35 WBSNG.

3.2 Das vorliegend strittige Hochwasserschutzprojekt (Bauprojekt 2014) wurde durch die Vorinstanz festgelegt und die dagegen erhobenen Einsprachen wurden abgewiesen, ohne dass der Gewässerraum im Sinne von Art. 36a GSchG im Projektperimeter durch die verfahrensbeteiligten Gemeinden bereits festgelegt worden wäre. Zu prüfen ist vorliegend vorweg die Frage, ob die Vorinstanz das Verfahren betreffend das strittige Vorhaben nicht mit der Festlegung der Gewässerraumlinien hätte koordinieren müssen.

3.2.1 und 3.2.2 (…)

3.3 Zur Frage der Koordination wird in § 18 WBSNV festgelegt, dass Korrektionsverfahren nach § 18 WBSNG mit dem Verfahren zur Festlegung der Gewässerraumlinien nach § 34 Abs. 3 WBSNG zur inhaltlichen und zeitlichen Abstimmung der Entscheide zu koordinieren seien. Diese Bestimmung trat, zusammen mit dem WBSNG (welches das zuvor geltende [thurgauische] Gesetz über den Wasserbau [aWBG, RB 721.1] abgelöst hat), allerdings erst per 1. Januar 2018 in Kraft. Weder § 18 WBSNV noch § 34 f. WBSNG hatten somit im Zeitpunkt der öffentlichen Auflage des Bauprojekts 2014 Gültigkeit. Die Übergangs- und Schlussbestimmungen des WBSNG bzw. der WBSNV enthalten zwar Vorschriften in Bezug auf das Unterhaltskonzept und die Naturgefahrenkarten, nicht jedoch für die intertemporale Frage betreffend die Koordinationspflicht. Koordinationsrechtliche Vorschriften ergeben sich allerdings auch aus anderen Rechtsgrundlagen, die bereits zuvor, insbesondere im Zeitpunkt der öffentlichen Auflage des Bauprojekts 2014 vom 27. Oktober 2014 bis 15. November 2014, Gültigkeit hatten.

3.3.1 Bereits als allgemeiner Grundsatz muss nach der Rechtsprechung die Rechtsanwendung materiell koordiniert, das heisst inhaltlich abgestimmt erfolgen, wenn für die Verwirklichung eines Projekts verschiedene materiellrechtliche Vorschriften anzuwenden sind und zwischen diesen Vorschriften ein derart enger Sachzusammenhang besteht, dass sie nicht getrennt und unabhängig voneinander angewendet werden dürfen. In solchen Fällen ist die Anwendung des materiellen Rechts überdies in formeller, verfahrensmässiger Hinsicht in geeigneter Weise zu koordinieren. Diese aus dem materiellen Recht hervorgehende inhaltliche und verfahrensmässige Koordinationspflicht ergibt sich unter anderem aus dem Willkürverbot und dem Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, der Verhinderungen von Verfahrensverzögerungen sowie der Vereitelung von Bundesrecht (BGE 137 II 182 E. 3.7.4.1 mit Hinweisen namentlich auf BGE 129 III 161 E. 2.6, BGE 117 Ib 35 E. 3e und BGE 116 Ib 50 E. 4a). Die Koordina­tionspflicht wird sodann auch aus dem Grundsatz der ganzheitlichen Betrachtungsweise abgeleitet (Jäger/Bühler, Schweizerisches Umweltrecht, Bern 2016, S. 25 f., Rz. 88 ff., mit weiteren Hinweisen).

3.3.2 Für das Raumplanungsrecht werden in Art. 25a RPG die allgemeinen Grund­sätze der Koordination ausdrücklich festgelegt. Gemäss dieser Bestimmung muss die entsprechende Behörde für die ausreichende Koordination sorgen, wenn die Errichtung oder die Änderung einer Baute oder Anlage Verfügungen mehrerer Behörden erfordert. Laut Abs. 4 dieser Bestimmung sind diese Grundsätze auch auf das Nutzungsplanverfahren sinngemäss anwendbar.

3.3.3 Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 WBG ist der Hochwasserschutz durch die Kantone in erster Linie durch den Unterhalt der Gewässer und durch raumplanerische Massnahmen zu gewährleisten. Reicht dies nicht aus, so müssen Massnahmen wie Verbauungen, Eindämmungen, Korrektionen, Geschiebe- und Hochwasserrückhalteanlagen sowie alle weiteren Vorkehrungen, die Bodenbewegungen verhindern, getroffen werden. Gemäss Art. 3 Abs. 3 WBG sind diese Massnahmen mit jenen aus anderen Bereichen gesamthaft und in ihrem Zusammenwirken zu beurteilen. Auch diese Bestimmung umschreibt für den Bereich von wasserbaulichen Massnahmen das allgemein geltende Koordinationsgebot. Entsprechende Massnahmen sind mit anderen Worten in ihrem Zusammenwirken mit anderen Massnahmen zu koordinieren und nach Massgabe von Art. 2 RPG und Art. 2 RPV mit anderen räumlichen Nutzungsansprüchen abzustimmen (Hepperle, in: Hettich/Jansen/Norer, GSchG WBG - Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum Wasserbaugesetz, Zürich/Basel/ Genf 2016, N. 16 ff. zu Art. 2 WBG sowie N. 35 und N. 37 zu Art. 3 WBG).

3.3.4 Eine weitere Koordinationsbestimmung findet sich in Art. 46 GSchV. Gemäss Abs. 1 dieser Vorschrift stimmen die Kantone die Massnahmen nach dieser Verordnung soweit erforderlich aufeinander und mit Massnahmen aus anderen Bereichen ab. Sie sorgen ausserdem für eine Koordination der Massnahmen mit den Nachbarkantonen. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat in der Zusammenfassung zu seiner Publikation „Koordination und Umgang mit Konflikten - Die Abstimmung wasserwirtschaftlicher Vorhaben in und zwischen den Bereichen, den Staatsebenen und im Einzugsgebiet“ (Bern 2013, abrufbar unter https://www.bafu.admin.ch/ bafu/de/home/themen/wasser/publikationen-studien/publikationen-wasser/koordi­nation-wasserwirtschaftlicher-vorhaben.html) festgehalten, dass die im Gewässerschutzgesetz aufgeführten Ziele und Aufgaben untereinander eine Koordination bedingten. Dabei müssten die Vorhaben im Einzugsgebiet abgestimmt werden. Es sei Aufgabe der integralen Wasserwirtschaft, die Zusammenhänge, Abhängigkeiten, Synergien sowie potentiellen Konflikte zwischen den verschiedenen wasserwirtschaftlichen und raumrelevanten Bereichen, ihrer Strategien und Tätigkeiten zu koordinieren. Das Gewässerschutzrecht trage diesem Umstand im Sinne einer integralen Wasserwirtschaft Rechnung, indem - neben dem generellen Koordinationsgebot raumwirksamer Tätigkeiten aus dem Raumplanungsrecht - mit Art. 46 GSchV das Koordinationsgebot für wasserwirtschaftliche Vorhaben explizit verankert sei. Weitere Bestimmungen würden zudem explizit die Abstimmung im Einzugsgebiet verlangen. Die Koordination sei Gegenstand bei Vorhaben aus allen Bereichen der Wasserwirtschaft (Wassernutzungen, Hochwasserschutz und Gewässerschutz) sowie weiterer davon betroffener Bereiche. Die Notwendigkeit einer Abstimmung treffe in besonderem Masse auf die Themenbereiche der Renaturierung zu. Auf S. 10 der erwähnten Publikation wird ausgeführt, dass Koordination die gesamte Wasserwirtschaft betreffe. Exemplarische Beispiele für einen Abstimmungsbedarf seien Oberlieger-Unterlieger-Beziehungen beim Hochwasserschutz oder Interessenskonflikte um Wassermengen und Gewässerraum zwischen Nutzungen (z. B. Trinkwassernutzung, Wasserkraft, Landwirtschaft) und mit Anliegen des Gewässer- und Landschaftsschutzes (vgl. auch S. 11 ff. der erwähnten Publikation des BAFU mit weiteren Hinweisen auf die Voraus­setzungen und Modalitäten der Koordination bei Wasserbauvorhaben).

3.4 Die bundesrechtlichen Vorgaben sind für die Kantone bindend, sodass der erst per 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Bestimmung von § 18 WBSNV lediglich deklaratorischer bzw. präzisierender Charakter zukommt. Vorliegend ist von Bedeutung, dass sowohl bei der Entwicklung und Festsetzung des Hochwasserschutzprojekts als auch bei der Festsetzung der Gewässerraumlinien eine Interessenabwägung vorzunehmen ist (vgl. Hepperle, a.a.O., N. 25 zu Art. 3 WBG, sowie Fritzsche, a.a.O., N. 39 ff. zu Art. 36a GSchG). Die Vorinstanz führte in ihrer Stellungnahme vom 18. Januar 2018 unter anderem aus, dass bei Eingriffen in das Gewässer nach Art. 4 Abs. 2 WBG und Art. 37 Abs. 2 GSchG der natürliche Verlauf des Gewässers möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden müsse. Korrektionsmassnahmen ausserhalb des überbauten Gebietes müssten in dem Fall mit einer teilweisen Wiederherstellung des natürlichen Verlaufs des Gewässers einhergehen. Dass dies mitunter mit dem Verlust an landwirtschaftlichen Nutzflächen einhergehe, sei unvermeidlich und durch die topografische Lage der Gewässer bedingt. Der Bundesgesetzgeber habe mit andern Worten eine gewisse Interessenabwägung zugunsten der Ökologie bei Hochwasserschutzmassnahmen bereits vorweggenommen. Die Interessen der Landwirtschaft seien beim vorliegenden Projekt auch im Rahmen der Projektentwicklung umfassend berücksichtigt worden. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beim „Exerzierplatz“ bleibe weitgehend erhalten. Durch die vorgesehenen Massnahmen könne erreicht werden, dass das Wasser kontrolliert auf die landwirtschaftlichen Flächen des „Exerzierplatzes“ geleitet werde. In ihrer Stellungnahme vom 3. Juli 2018 weist die Vorinstanz weiter darauf hin, dass der „Exerzierplatz“ bereits heute Teil des Hochwasserregimes im fraglichen Abschnitt sei. Er werde denn auch regelmässig überflutet (ab HQ 10 / zehnjährigem Hochwasser) und werde somit bereits heute für das schadlose Ableiten des Hochwassers benötigt. An dieser Grundkonzeption mit Bezug auf die Bedeutung des „Exerzierplatzes“ ändere auch das vorliegend strittige Projekt nichts. Allerdings solle das Wasser, so die Vorinstanz weiter, aufgrund der lokalen Absenkung und der Festlegung der Dauergrünfläche im östlichen Teil gezielt und dosiert auf den restlichen „Exerzierplatz“ geleitet werden, was das Auftreten von Schäden an den landwirtschaftlichen Kulturen verringere. Die Vor­instanz folgert daraus, dass das vorliegende Hochwasserschutzprojekt auf die spätere Ausscheidung des Gewässerraums keine präjudizierende Wirkung zeitige bzw. der Gewässerraum mit oder ohne Hochwasserschutzprojekt den Bereich bis zum Damm erfasse.

3.5 Die materiellrechtlichen Ausführungen der Vorinstanz - so insbesondere auch ihre Erwägungen in den angefochtenen Einspracheentscheiden zu den bei der Projektentwicklung miteinbezogenen Interessen - sind zwar bezogen auf das vorliegend strittige Hochwasserschutzprojekt/Bauprojekt 2014 nachvollziehbar. Dies ändert aber nichts am Umstand, dass sich diese Interessenabwägung einzig auf das strittige Hochwasserschutzprojekt und nicht auch auf den Gewässerraum bezieht. Bestandteil dieses Projekts bilden nicht zuletzt auch die für den Hochwasserfall benötigten Landflächen insbesondere im Bereich des „Exerzierplatzes“ im westlichen Teil des Projektperimeters. Der auf den Projektplänen eingezeichneten Gewässerraumlinie wird zwar ausdrücklich nur informativer Charakter beigemessen, dies verbunden mit dem Hinweis, dass die grund­eigentümerverbindliche Ausscheidung des Gewässerraums in einem separaten Verfahren erfolge. Dieser Gewässerraum wird jedoch nicht zuletzt aufgrund der für den Hochwasserschutz erforderlichen Flächen festzulegen sein und diese mitumfassen (Art. 36a Abs. 1 lit. b GSchG). Die sich innerhalb des Gewässerraums befindenden Flächen unterliegen hinsichtlich ihrer Bewirtschaftung erheblichen Einschränkungen (Art. 41c GSchV, insbesondere Abs. 3 und 4). Den Beschwerdeführern geht es (…) vor allem um diese Bewirtschaftungseinschränkungen auf den innerhalb der in den Projektplänen informativ eingezeichneten Gewässerraumlinien liegenden Flächen. Diese gemäss dem Bauprojekt 2014 dem Hochwasserschutz dienenden Flächen sind für die Festlegung des Gewässerraums, wie die Beschwerdeführer zutreffend erwähnen, durchaus präjudizierend. Wie dargelegt, wird auch für die Festsetzung der Gewässerraumlinien eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen sein. Die betroffenen Flächen bilden einerseits Bestandteil des Bauprojektes und werden andererseits auch vom noch festzulegenden Gewässerraum mitumfasst sein. Gerade weil sich die in Art. 41c GSchV statuierten Bewirtschaftungseinschränkungen für die Grundeigentümer und Landbewirtschafter erst aus der Festlegung des Gewässerraums ergeben, kann eine umfassende Interessenabwägung und -beurteilung erst erfolgen, wenn sämtliche Faktoren des Bauprojektes einerseits und des Gewässerraums andererseits bekannt sind. Solange die Gewässerraumlinien nicht (verbindlich und nicht nur informativ) ausgeschieden sind und damit nicht klar feststeht, welche Flächen auf welche Weise bzw. wie intensiv genutzt werden können, ist eine rechtsgenügliche und umfassende Beurteilung der beteiligten Interessen nicht möglich. Vor diesem Hintergrund würde es dem Grundsatz der Koordination widersprechen, wenn etwa Interessen, die bei der Festsetzung des Hochwasserschutzprojektes berücksichtigt wurden, bei der späteren Festlegung des Gewässerraums unberücksichtigt blieben oder anders gewertet würden. Diese Gefahr besteht nicht zuletzt auch deshalb, weil die Zuständigkeit für die Festsetzung des strittigen Bauprojekts beim Kanton liegt (vgl. § 13 WBSNG), für die Festsetzung der Gewässerraumlinien hingegen die Gemeinden zuständig sind (§ 34 Abs. 1 WBSNG). Ein koordiniertes Vorgehen bei der Festsetzung eines Hochwasserschutzprojekts einerseits und der Festsetzung des Gewässerraums andererseits ist damit unabdingbar.

3.6 Indem die Vorinstanz das strittige Hochwasserprojekt festgesetzt und die gegen das Projekt erhobenen Einsprachen beurteilt und abgewiesen hat, ohne dass die angefochtenen Einspracheentscheide mit der durch die verfahrensbeteiligten Gemeinden noch vorzunehmenden Festsetzung der Gewässerraumlinien im Projektperimeter abgestimmt worden wären, hat die Vorinstanz die Koordinationspflicht verletzt. Dies führt dazu, dass die betreffenden Dispositiv-Ziffern der angefochtenen Einspracheentscheide vom 11. November 2016 und 12. Februar 2018 aufzuheben sind. Die Sache ist an die Vorinstanz zur Koordination der neu zu fällenden Einspracheentscheide betreffend die von den Beschwerdeführern erhobenen Einsprachen über das Hochwasserschutzprojekt mit den Genehmigungsentscheiden betreffend die Festlegung der Gewässerraumlinien im Projektperimeter in den drei verfahrensbeteiligten Gemeinden zurückzuweisen. Eine erneute Auflage bzw. ein erneutes Einspracheverfahren wird hinsichtlich des Bauprojekts (Thurkorrektionsprojekt) nicht durchzuführen sein, jedoch wird die Vorinstanz die Durchführung der Verfahren in den verfahrensbeteiligten Gemeinden zur Festsetzung der Gewässerraumlinien abzuwarten haben. Die genaueren Modalitäten für die zeitliche und inhaltliche Koordination der Verfahren bzw. der zu fällenden Entscheide wird durch die Vorinstanz noch festzulegen sein. Dieses Vorgehen drängt sich auf, weil die Zuständigkeit zur Festlegung der Gewässerraumlinien, wie erwähnt, bei den betreffenden Gemeinden liegt (§ 34 Abs. 1 WBSNG). Ebenso wie den Kanton bzw. die Vorinstanz trifft dabei aufgrund des allgemein geltenden Grundsatzes der Koordination (vgl. E. 3.3 vorstehend) auch die verfahrensbeteiligten Gemeinden eine Koordinationspflicht. Entsprechend werden diese bei der Festlegung der Gewässerraumlinien in ihrem Gemeindegebiet insbesondere das bereits erarbeitete und vorliegend strittige Hochwasserschutzprojekt zu beachten haben. Inhaltlich ist zwar vorliegend nicht weiter auf die noch vorzunehmende Festsetzung des Gewässerraums einzugehen. Immerhin kann aber in allgemeiner Hinsicht festgehalten werden, dass von einer generell-abstrakten Festlegung des Gewässerraums abzusehen ist. Vielmehr sind dabei die Kriterien zu berücksichtigen, die eine Betrachtung der konkreten Situation erfordern. Bei der Ausscheidung von Gewässerräumen sind mit anderen Worten nicht flächendeckend einheitliche, sondern an die konkreten Verhältnisse angepasste Festlegungen vorzunehmen (vgl. hierzu etwa den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft Nr. 810 16 180 vom 22. März 2017, E. 4.4.2, mit Hinweisen, in: URP 2018/5, S. 445 ff., 450). Inwiefern bzw. inwieweit allenfalls flächendeckenden Bewirtschaftungseinschränkungen in geeigneter Art und Weise mittels Ausnahmen im Sinne von 41c Abs. 4bis GSchV oder anderweitiger (nutzungsplanerischer) Massnahmen begegnet werden kann, ist vorliegend ebenfalls nicht näher zu erörtern (vgl. hierzu Lustenberger, Generell-abstrakte Festlegung des Gewässerraums - die Quadratur des Kreises?, in: URP 2018/5, S. 474 ff., 478). Für das Verfahren zur Festlegung der Gewässerraumlinien gelten gemäss § 34 Abs. 3 WBSNG § 5 Abs. 2 – 5 sowie die §§ 6 und 29 – 31 PBG. Demnach wird die Vorinstanz die Festsetzung der Gewässerraumlinien durch die verfahrensbeteiligten Gemeinden zu genehmigen haben (§ 34 Abs. 3 WBSNG i.V. mit § 5 Abs. 2 PBG). Diese Genehmigungsentscheide werden dabei nicht nur mit dem neu auszufällenden Entscheid über die Einsprachen gegen das Hochwasserschutzprojekt, sondern gegebenenfalls auch mit Entscheiden über allfällige Rekurse gegen kommunale Einspracheentscheide betreffend die Gewässerraumlinien zu koordinieren sein (vgl. BGE 135 II 22 E. 1.2). (…)

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2016.173/VG.2018.19/E vom 14. November 2018

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