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TVR 2018 Nr. 32

Unentgeltliche Rechtspflege, Ermittlung der Mittellosigkeit, Kapitalbezug der beruflichen Vorsorge


Art. 61 lit. f ATSG, Art. 29 Abs. 3 BV, § 81 VRG


Bei der Ermittlung der prozessualen Bedürftigkeit ist der Kapitalbezug der beruflichen Vorsorge nach Eintritt des Versicherungsfalls dem Vermögen anzurechnen.


Im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens ersuchte A um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um Bewilligung von Rechtsanwalt B als unentgeltlichen Rechtsanwalt. Das Verwaltungsgericht als Versicherungsgericht weist das Gesuch ab.

Aus den Erwägungen:

2. Nach § 81 Abs. 1 VRG kann einem bedürftigen Beteiligten auf Antrag die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt werden, sofern das Verfahren nicht als aussichtslos oder mutwillig erscheint. Gemäss Art. 61 lit. f ATSG muss zudem das Recht, sich verbeiständen zu lassen, gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der beschwerdeführenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt. Eine entsprechende Rechts­grundlage findet sich auch in Art. 29 Abs. 3 BV. (…)

3.
3.1 (Berechnung der massgeblichen Ausgaben von total Fr. 3‘635.25)

3.2 Diesen Ausgaben steht ein monatlicher Übergangsrentenbezug des Ehemannes der Beschwerdeführerin von Fr. 2‘181.-- gegenüber, weshalb grundsätzlich ein Ausgabedefizit vorliegt. Zu berücksichtigen sind jedoch auch Ersatzeinkünfte (vgl. Meichssner, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs. 3 BV], in: Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Reihe B / Band 77, Basel 2008, S. 82). So erhielt B offenbar im Rahmen des Vollzuges des Sozialplans der D AG eine Kapitalleistung der beruflichen Vorsorge im Umfang von Fr. 297‘102.--, wobei ein Teil davon auf das Konto der Beschwerdeführerin entrichtet worden sei. Aufgrund der eingereichten Bankbelege zeigt sich, dass die Beschwerdeführerin im Mai 2018 über Vermögenswerte von Fr. 95‘030.59 verfügte. Das Sparkonto des Ehemannes wies im Mai 2018 einen Saldo von Fr. 100‘007.08 und das Privatkonto einen Saldo von Fr. 1‘861.99 aus. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die bezogene Kapitalleistung würde der Altersvorsorge dienen, wovon sie zehren müssten, ist darauf hinzuweisen, dass sie über die Kapitalleistung frei verfügen können. Unter Berücksichtigung der Regelungen im Sozialhilfewesen, wonach Leistungen der 2. Säule auch der Sozialhilfe grundsätzlich vorgehen und im Budget der unterstützten Person vollumfänglich anzurechnen sind sowie ausgelöste Guthaben der 2. Säule liquides Vermögen darstellen, welches nach Eintritt der Fälligkeit für den zukünftigen Lebensunterhalt zu verwenden ist (vgl. Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe [SKOS], 4. Ausgabe, April 2005, E. 2.5), erscheint eine abweichende Betrachtungsweise für das Sozialversicherungsrecht nicht sachgerecht. Das liquide Barvermögen des Ehepaares reicht ohne weiteres aus, um die allfälligen Kosten des vorliegenden Verfahrens von maximal Fr. 1‘000.-- sowie die Honorarforderung ihres Rechtsvertreters zu decken, auch ohne dass sie ihren Notgroschen (vgl. dazu auch Entscheid des EVG I 362/05 vom 9. August 2005 E. 5.3) angreifen müssen. Gegen die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin spricht vorliegend auch der Umstand, dass am 29. September 2017 nach der am 31. August 2017 erfolgten Kapitalauszahlung eine Schenkung im Umfang von Fr. 50‘000.-- an die Tochter C erfolgt ist. Die Eheleute sind somit offenbar gewillt, die Kapitalauszahlung nicht ausschliesslich für Vorsorgezwecke zu verwenden. Vor diesem Hintergrund ist die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Barvermögens somit nicht als bedürftig anzusehen und das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und unentgeltliche Rechtsvertretung ist abzuweisen.

Entscheid des Verwaltungsgerichts als Versicherungsgericht VV.2018.101/Z vom 8. August 2018

Das Bundesgericht hat in einer gleichgelagerten Konstellation im Urteil 4A_362/2018 vom 5. Oktober 2018 diese Praxis bestätigt.

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