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TVR 2018 Nr. 5

Beschwerdelegitimation einer Gemeinde; sofortige Rügepflicht bei Feststellung von Stimmrechtsverletzungen


§ 98 Abs. 2 StWG, § 44 Ziff. 1 VRG


1. Eine Gemeinde ist zur Beschwerdeerhebung legitimiert, wenn der Gemeinderat bzw. die Gemeinderatsmitglieder in ihrer Gesamtheit gerügt werden, womit diese in ähnlicher Weise wie private Personen betroffen sind und ein schutzwürdiges Interesse haben, sich gegen den Vorwurf einer fehlerhaften Führung der Gemeindeversammlung wehren zu können (E. 1.2).

2. Sowohl im Vorfeld einer Gemeindeversammlung, das heisst nach Versand der Botschaft und der Einladung, als auch während der Gemeindeversammlung selbst gilt eine sofortige Rügepflicht nach § 98 Abs. 2 StWG bei festgestellten Stimmrechtsverletzungen. Die Wahrung dieser sofortigen Rügepflicht stellt eine Prozessvoraussetzung dar (E. 2.1 - 2.4 sowie Urteil des Bundesgerichts 1C_528/2017 vom 1. Juni 2018 E. 6.1 und 6.2).


Am 29. August 2016 ging bei der Politischen Gemeinde A ein schriftliches Begehren um Einberufung einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung ein, mit welchem namentlich eine Abstimmung betreffend Beiträge an den Unterhalt, die Sanierung und den Ausbau von Gemeindestrassen verlangt wurde. Mit Schreiben vom 26. September 2016 hielt der Gemeinderat fest, dass das Begehren um Einberufung einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung formell zustande gekommen sei. Das von den unterzeichneten Stimmberechtigten formulierte Traktandum 1 verletze allerdings übergeordnetes Recht, weshalb dieser Antrag ungültig sei und nicht zur Abstimmung zugelassen werden könne. Am 5. und 6. Oktober 2016 teilten verschiedene Stimmberechtigte mit, dass sie an einer Abstimmung über das Traktandum 1 festhielten. An seiner Sitzung vom 7. Oktober 2016 beschloss der Gemeinderat, die ausserordentliche Gemeindeversammlung durchzuführen. In der Folge wurde die bereits vorbereitete Einladung vom 5. Oktober 2016 mit Traktandenliste und Botschaft für die ausserordentliche Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016 samt Vorbemerkungen vom 10. Oktober 2016 an alle Stimmberechtigten versandt. Am 27. Oktober 2016 fand die ausserordentliche Gemeindeversammlung statt. Mit Bezug auf das Traktandum 1 hielt der Gemeindepräsident fest, dass der Initiativtext bzw. der Antrag gegen übergeordnetes Recht verstosse und nicht zur Abstimmung gebracht werden könne. Nach einleitenden Erklärungen fand eine rege Diskussion statt, und es wurden verschiedene Anträge gestellt. Letztlich wurde einzig über eine vom Gemeindepräsidenten formulierte Vorlage abgestimmt. Diese Vorlage wurde mit grossem Mehr angenommen. Am 31. Oktober 2016 reichte B beim DIV einen Stimmrechtsrekurs ein und monierte, dass über das Traktandum 1 gemäss Eingabe vom 29. August 2016 keine Abstimmung durchgeführt worden sei, obwohl er und weitere Stimmberechtigte dies verlangt hätten. Mit Entscheid vom 14. Februar 2017 hiess das DIV den Rekurs gut. Der Gemeinderat wurde angewiesen, das Geschäft „Unterhalt, Sanierung und Auswahl von Gemeindestrassen“ für die nächste ordentliche Gemeindeversammlung zu traktandieren und über den betreffenden Antrag abstimmen zu lassen. Am 7. März 2017 erhob die Politischen Gemeinde A dagegen Beschwerde, welche das Verwaltungsgericht unter Aufhebung der betreffenden Anordnung gutheisst.

Aus den Erwägungen:

1.2 Fraglich ist, ob die Beschwerdeführerin als Gemeinde zur Anfechtung des Rekursentscheids der Vorinstanz überhaupt legitimiert ist. Eine spezialgesetzliche Bestimmung, welche der verfahrensbeteiligten Gemeinde die Rechtsmittelberechtigung explizit im Sinne von § 44 Ziff. 2 VRG einräumen würde, besteht für das vorliegende Verfahren nicht. Ungeachtet dessen ist eine Gemeinde nach § 44 Ziff. 1 VRG zur Erhebung eines Rechtsmittels berechtigt, wenn sie von einem Entscheid berührt ist und die Verletzung schutzwürdiger Interessen glaubhaft geltend macht. Ein schutzwürdiges Interesse der Gemeinde liegt dann vor, wenn der angefochtene Entscheid entweder den Bereich kommunaler Rechtsetzung oder kommunaler Selbstverwaltung betrifft, soweit das kantonale Recht keine abschliessende Regelung enthält und den Gemeinden eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit, eine qualifizierte Eigenständigkeit belässt. Sodann ist praxisgemäss die Gemeinde auch dann legitimiert, Beschwerde zu erheben, wenn eine Aufsichtsbehörde die Gemeinde oder ihre Organe in globo disziplinarisch rügt (TVR 2011 Nr. 8, E. 1.3.4, mit Verweis auf TVR 1998 Nr. 35, E. 2a, sowie TVR 1985 Nr. 26; vgl. auch Fedi/Meyer/Müller, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Basel 2014, § 44 N. 13 mit weiteren Hinweisen). Die Vorinstanz hat mit dem angefochtenen Rekursentscheid die Beschwerdeführerin gerügt, die ausserordentliche Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016 nicht korrekt durchgeführt und dabei nicht über den Antrag gemäss Traktandum 1 des Begehrens vom 29. August 2016 sowie über weitere Anträge von Stimmberechtigten zu diesem Traktandum abgestimmt haben zu lassen. Damit werden der Gemeinderat bzw. die Gemeinderatsmitglieder in ihrer Gesamtheit gerügt, womit diese in ähnlicher Weise wie private Personen betroffen sind und ein schutzwürdiges Interesse haben, sich gegen den Vorwurf einer fehlerhaften Führung der Gemeindeversammlung wehren zu können. Damit ist dem Gemeinderat der Beschwerdeführerin auch ein schutzwürdiges Interesse zuzugestehen, sich im Namen der Gemeinde bzw. der Beschwerdeführerin gegen den Rekursentscheid der Vorinstanz vom 14. Februar 2017 mittels Beschwerde zur Wehr zu setzen. Die Rechtsmittelberechtigung der Beschwerdeführerin im Sinne von § 44 Ziff. 1 i. V. mit § 62 VRG ist damit gegeben (vgl. TVR 1985 Nr. 26, E. 1b, sowie Fedi/Meyer/Müller, a.a.O,, § 44 N. 13).

(…)

2.
2.1 In materieller Hinsicht ist als erstes die Frage zu prüfen, ob der Verfahrensbeteiligte B die von ihm geltend gemachten Mängel in der Vorgehensweise der Beschwerdeführerin rechtzeitig gerügt hat. (…)

2.2 Gemäss § 97 Abs. 1 StWG können Stimmberechtigte wegen Verletzung des Stimm- und Wahlrechtes einschliesslich Rechtsverletzungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Abstimmungen oder Wahlen Rekurs erheben. Rekursinstanz ist bei Abstimmungen und Gemeindewahlen das zuständige Departement, bei den übrigen Wahlen die Genehmigungsinstanz. Unabhängig von der Rekursfrist sind vermutete Rechtsverletzungen unverzüglich nach deren Kenntnis, bei Gemeindeversammlungen in der Versammlung selbst, zu rügen. Erfolgt die Rüge verspätet, ist auf den Rekurs nicht einzutreten (§ 98 Abs. 2 StWG). Gemäss der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes ist die rechtzeitige Rüge eine Prozessvoraussetzung (vgl. etwa TVR 1985 Nr. 26, E. 5, TVR 1999 Nr. 7, E. 2, und TVR 2013 Nr. 8, E. 2.2). Sinn und Zweck der Pflicht zur unverzüglichen Rüge ist es, entstandene Verfahrensfehler wo immer möglich unverzüglich wieder gutzumachen, damit nicht unnötige Rechtsmittelverfahren eingeleitet und allenfalls sogar der ganze Apparat der Gemeindeversammlung nochmals in Bewegung gesetzt werden muss. Die Rügepflicht dient damit der Verfahrensökonomie. Sie entspricht jedoch auch dem Grundsatz von Treu und Glauben, der nicht nur von den Behörden, sondern auch vom Bürger zu beachten ist. Eine bei der Vorbereitung einer Gemeindeversammlung erkannte Rechtsverletzung muss sofort und darf nicht erst an der Gemeindeversammlung selbst gerügt werden (vgl. TVR 1996 Nr. 5, E. 2). Der Stimmberechtigte hat auch im Hinblick auf eine Gemeindeversammlung vermutete Rechtsverletzungen sofort zu rügen, sofern sie sich aus den Abstimmungsunterlagen ergeben (TVR 1999 Nr. 7, E. 2). Vermutete Rechtsverletzungen im Rahmen von Abstimmungen sind unverzüglich nach deren Kenntnis zu rügen (vgl. TVR 2013 Nr. 8, E. 2). Für eine Rüge genügt es, wenn eine stimmberechtigte Person an einer Gemeindeversammlung gegen die Nichtdurchführung einer Abstimmung und somit gegen das Verfahren protestiert. Verlangt wird zudem nur eine Rüge und nicht auch die persönliche Rüge. Die Rüge muss somit nicht von jener Person angebracht worden sein, die den Versammlungsbeschluss anfechten will (vgl. TVR 1985 Nr. 26, E. 3a, TVR 1995 Nr. 25, E. 1b). Auch die bundesgerichtliche Rechtsprechung hält mit Bezug auf die Rügepflicht fest, wenn ein Stimmberechtigter es unterlasse, erkannte Mängel vor der Abstimmung zu rügen, und damit die Möglichkeit zur Behebung des Mangels verhindert werde, obwohl nach den Verhältnissen ein sofortiges Handeln geboten und zumutbar wäre, er das Recht zur Anfechtung einer Abstimmung verwirke (BGE 114 Ia 42 E. 4).

2.3 Bezüglich der Frage, ob die Rügepflicht als Prozessvoraussetzung für den Stimmrechtsrekurs im vorliegenden Fall in rechtsgenüglicher Weise erfüllt wurde, ist zwischen dem Zeitraum im Vorfeld zur ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016 einerseits und demjenigen während der ausserordentlichen Gemeindeversammlung andererseits zu unterscheiden.

2.4 Als erstes ist auf den Zeitraum vor der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016 einzugehen.

2.4.1 Die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass dem Gemeinderat im Zeitpunkt des Versandes der Einladung und der Botschaft bereits bekannt war, dass verschiedene Stimmberechtigte mit der Weigerung des Gemeinderates, das Traktandum 1 des Begehrens vom 29. August 2016 zufolge Rechtswidrigkeit zur Abstimmung zuzulassen, nicht einverstanden waren. Ebenfalls unbestritten ist, dass der Gemeinderat am 4. Oktober 2016 beschlossen hatte, dass das entsprechende Traktandum 1 nichtig oder zumindest teilnichtig sei, ohne dies allerdings denjenigen Personen zu eröffnen, die das Begehren vom 29. August 2016 unterzeichnet hatten, und ohne diesen Beschluss öffentlich zu publizieren und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Jedoch ist ebenso unbestritten, dass die Stimmberechtigten, so namentlich auch der Verfahrensbeteiligte, die Einladung vom 5. Oktober 2016 mit der Botschaft des Gemeinderates für die ausserordentliche Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016 erhalten hatten. Diese Botschaft war nach der Sitzung des Gemeinderates vom 7. Oktober 2016, an welcher beschlossen worden war, die ausserordentliche Gemeindeversammlung definitiv durchzuführen, versandt worden. Nicht strittig ist sodann, dass nach dem Versand von Einladung und Botschaft bis zur angesetzten Gemeindeversammlung von keiner Seite eine Rüge erhoben wurde, die sich gegen die Weigerung des Gemeinderates, das betreffende Traktandum zur Abstimmung zuzulassen, gerichtet hätte.

2.4.2 Gemäss konstanter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der sofortigen Rügepflicht gemäss § 98 Abs. 2 StWG um eine Prozessvoraussetzung, wobei eine strenge Auslegung bzw. Handhabung dieser Rügepflicht angezeigt ist (vgl. E. 2.2 vorstehend). Auch wenn bereits vor Versand der Einladung zur ausserordentlichen Gemeindeversammlung zwischen dem Gemeinderat und verschiedenen Stimmberechtigten eine Diskussion darüber entbrannt war, ob das Traktandum 1 des Begehrens vom 29. August 2016 rechtswidrig sei oder ob darüber abgestimmt werden müsse oder nicht, konnten die betreffenden Personen nicht wissen, ob und gegebenenfalls wie der Gemeinderat das Geschäft tatsächlich traktandieren oder welchen Inhalt die Botschaft alsdann haben würde. In der nach der Sitzung vom 7. Oktober 2016 versandten Botschaft wurde festgehalten, dass das Geschäft zwar traktandiert werde, darüber aber nach Auffassung des Gemeinderates nicht abgestimmt werden sollte. Vor diesem Hintergrund wären die Stimmberechtigten bzw. zumindest eine stimmberechtigte Person gehalten gewesen, nach Erhalt der Einladung und der Botschaft, woraus das geplante Vorgehen und die Absichten des Gemeinderates - für alle Stimmberechtigten - erst definitiv erkennbar waren, eine entsprechende Rüge zu erheben, was vorliegend unbestrittenermassen nicht der Fall war. Ungeachtet der im Vorfeld geführten Korrespondenz sahen sich weder der Verfahrensbeteiligte noch andere Stimmberechtigten veranlasst, nach Erhalt der Einladung/der Botschaft zur ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016 beim Gemeinderat dessen Absicht zu rügen, über das betreffende Traktandum nicht abstimmen zu lassen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass den nicht involvierten Stimmberechtigten weder die Diskussion vor dem Versand der Einladung und der Botschaft noch die Haltung des Gemeinderates bekannt waren. Auch dieser Umstand spricht dafür, die Sofortrüge als Prozessvoraussetzung eng auszulegen bzw. zu handhaben. (…) (Sodann) ist auch nicht ausschlaggebend, dass dem Gemeinderat bekannt war, dass verschiedene Stimmberechtigte mit der Weigerung des Gemeinderates, das Traktandum 1 des Begehrens vom 29. August 2016 zufolge Rechtswidrigkeit zur Abstimmung zuzulassen, nicht einverstanden waren. Auch dieser Umstand ändert nichts an der sofortigen Rügepflicht gemäss § 98 Abs. 2 StWG, welche in jeder Phase des Verfahrens, das heisst sowohl vor als auch nach einer Abstimmung, zu beachten ist.

2.5 Zu prüfen ist weiter die Frage, ob die Rügepflicht hinsichtlich der Vorge-hensweise des Gemeinderates anlässlich der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016 rechtsgenüglich gewahrt wurde. Wie dargestellt, sind bereits aufgrund des Gesetzeswortlautes vermutete Rechtsverletzungen unverzüglich nach deren Kenntnis, bei Gemeindeversammlungen in der Versammlung selbst, zu rügen (§ 98 Abs. 2 StWG; vgl. E. 2.2 vorstehend).

2.5.1 Diesbezüglich ist unbestritten, dass der Gemeinderat über verschiedene an der Gemeindeversammlung gestellte Anträge zum Traktandum 3 gemäss Botschaft/ Einladung nicht abstimmen liess. (…)

(Umschreibung des Ablaufs der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016)

2.5.2 Aus dem im Protokoll detailliert wiedergegebenen Ablauf der Gemeindeversammlung zu Traktandum 1 ergibt sich, dass der ursprünglich mit Begehren vom 29. August 2016 gestellte Antrag als solcher nicht zur Abstimmung gebracht wurde. Jedoch wurden im Rahmen des betreffenden Traktandums verschiedene andere Anträge zum Thema gestellt und modifiziert, wobei letztlich der Gemeindepräsident die von ihm formulierte Vorlage zur Abstimmung brachte. Nach der Abstimmung über diese Vorlage, welche mit grossem Mehr und lediglich 4 Gegenstimmen angenommen wurde, erhoben weder der Verfahrensbeteiligte noch andere Stimmberechtigte einen Einwand bzw. eine Rüge gegen die Versammlungsführung. Aufgrund der gebotenen strengen Auslegung/Handhabung der sofortigen Rügepflicht gemäss § 98 Abs. 2 StWG wären die Stimmberechtigten bzw. zumindest einer derselben jedoch gehalten gewesen, nach der Abstimmung über die vom Gemeindepräsidenten formulierte Vorlage betreffend die Überarbeitung des Beitrags- und Gebührenreglementes, spätestens noch vor dem Abschluss der Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016, eine entsprechende Rüge zu erheben und die Abstimmung über einen anlässlich der Versammlung gestellten, aber allenfalls nicht behandelten Antrag zu verlangen. Gemäss § 98 Abs. 2 StWG wäre eine entsprechende Rüge in der Versammlung selbst zu erheben gewesen. Dabei genügte es nicht, dass der Verfahrensbeteiligte sich noch vor Unterbrechung der Gemeindeversammlung „empört“ über das Vorgehen des Gemeinderates gezeigt und gefordert hatte, dass über die betreffenden Anträge abgestimmt werde. Das Traktandum wurde in der Folge durch den Vorsitzenden nochmals aufgenommen, der von C in der Sache gestellte Antrag mehrfach umformuliert und letztlich im Sinne der vom Gemeindepräsidenten formulierten Vorlage zur Abstimmung gebracht. Weder der Verfahrensbeteiligte noch ein anderer Stimmberechtigter oder eine andere Stimmberechtigte erhoben in der Folge dagegen anlässlich der Gemeindeversammlung irgendwelche Einwände.

2.5.3 Die sofortige Rügepflicht gemäss § 98 Abs. 2 StWG wurde in dieser Hinsicht ebenfalls verletzt, womit die Prozessvoraussetzung für den Stimmrechtsrekurs auch bezüglich des Ablaufs der Gemeindeversammlung selbst nicht erfüllt war. Die Beschwerde erweist sich auch unter diesem Gesichtspunkt als begründet.

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2017.26/E vom 16. August 2017

Das Bundesgericht hat eine dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil 1C_528/2017 vom 1. Juni 2018 abgewiesen, soweit es darauf eintrat.

Aus den Erwägungen des Bundesgerichts:

6.1. Was den Zeitraum vor der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 27. Oktober 2016 betrifft, ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer vom Entscheid des Gemeinderats, wonach über die Anträge gemäss Traktandum 1 der Eingabe vom 29. August 2016 nicht abgestimmt werden könne, spätestens mit Kenntnisnahme der Einladung zur ausserordentlichen Gemeindeversammlung bzw. spätestens kurz nach dem 7. Oktober 2016 erfahren hat. Unbestritten ist weiter, dass er den entsprechenden Entscheid des Gemeinderats im Vorfeld der Gemeindeversammlung nicht beim Gemeinderat oder beim Departement gerügt hat. Dazu wäre er nach § 98 Abs. 2 StWG i.V. mit Art. 5 Abs. 3 BV indessen verpflichtet gewesen, wenn er dagegen mit Stimmrechtsrekurs vorgehen wollte. Dies zumal es sich bei der auch im Kanton Thurgau geltenden Rügepflicht betreffend Mängel im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen insofern um eine persönliche Pflicht handelt, als einer stimmberechtigten Person, die einen angeblichen Mangel nicht sofort persönlich rügt, die spätere Anfechtung grundsätzlich verwehrt ist, selbst wenn der angebliche Mangel bereits von anderen Stimmberechtigten gerügt wurde. Folglich hilft es dem Beschwerdeführer nichts, wenn er geltend macht, andere Stimmberechtigte hätten im Vorfeld der Gemeindeversammlung kundgetan, dass sie mit dem Vorgehen des Gemeinderats nicht einverstanden seien. (…) Dass schliesslich anlässlich der Gemeindeversammlung noch einmal verlangt wurde, es sei über die Anträge gemäss Traktandum 1 der Eingabe vom 29. August 2016 abzustimmen, ändert ebenfalls nichts daran, dass der Beschwerdeführer den entsprechenden Entscheid des Gemeinderats sofort nach Kenntnisnahme hätte rügen müssen, wenn er dagegen mit Rekurs vorgehen wollte. Nachdem der Beschwerdeführer den angeblichen Mangel vorerst widerspruchslos hingenommen hat, blieb ihm eine Anfechtung des entsprechenden Entscheids des Gemeinderats im Anschluss an die Gemeindeversammlung verwehrt.

6.2. Was Verfahrensmängel angeht, die nicht im Vorfeld einer Gemeindeversammlung geschehen sein sollen, sondern erst während der Versammlung selber, erscheint fraglich, ob mit Blick auf ein späteres Rechtsmittel in jedem Fall eine persönliche Rüge an der Versammlung selbst notwendig bzw. im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zumutbar ist oder ob es unter Umständen genügt, wenn der angebliche Mangel von irgendeiner stimmberechtigten Person an der Versammlung gerügt wird. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Erfordernisses einer Rüge an der Versammlung selbst (…) ist nicht recht einzusehen, weshalb eine anlässlich der Gemeindeversammlung bereits erhobene, klare Rüge von jeder Person, die ein Rechtsmittel zu erheben gedenkt, noch einmal angebracht werden müsste. Jedenfalls soweit das kantonale Recht in einem solchen Fall nicht ausdrücklich eine persönliche Rüge verlangt, erscheint denkbar, dass einer stimmberechtigten Person die Erhebung eines Rechtsmittels im Anschluss an die Gemeindeversammlung auch dann möglich sein muss, wenn eine entsprechende Rüge während der Versammlung von einer anderen Person erhoben wurde. Dem entsprechend ging auch die Vor­instanz im angefochtenen Entscheid davon aus, es genüge nach § 98 Abs. 2 StWG, wenn eine stimmberechtigte Person an der Gemeindeversammlung gegen die Nichtdurchführung einer Abstimmung protestiere bzw. die entsprechende Rüge müsse nicht zwingend von derjenigen Person angebracht worden sein, die den Versammlungsbeschluss anfechten wolle.

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