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RBOG 1994 Nr. 23

Mit einem erst im Rechtsmittelverfahren gestellten Kautionsgesuch kann keine Sicherstellung erstinstanzlicher Kosten verlangt werden


§ 78 ZPO


1. Der Gesuchsteller verlangt im Berufungsverfahren die Kautionierung der erstinstanzlichen Gerichtskosten und der ihm erstinstanzlich zugesprochenen Parteientschädigung.

2. Sträuli/Messmer (Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. A., § 79 N 2) vertreten die Auffassung, wenn ein Kläger, welchem vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils trotz gegebener Kautionspflicht keine Kaution auferlegt worden sei, ein Rechtsmittel einlege, so habe er nur die zweitinstanzlichen Kosten und Entschädigungen sicherzustellen. Dies vermag sich darauf zu stützen, dass nach § 79 der heute geltenden zürcherischen ZPO die Höhe der Kaution aufgrund des Streitwerts und Umfangs des Prozesses "für die angerufene Instanz" festgesetzt wird. Demgegenüber wird die Frage, für welche Instanz kautioniert werden kann, im thurgauischen Recht offengelassen (§ 98 aZPO sowie § 78 nZPO). Gemäss ZR 60, 1961, Nr. 61 kann einem schon im erstinstanzlichen Verfahren kautionspflichtigen Kläger nachträglich während des Berufungsverfahrens eine Kaution für erstinstanzliche Kosten und Entschädigungen auferlegt werden, auch wenn er selber nicht als Berufungskläger auftritt; in ZR 71, 1972, Nr. 79 wurde bei einem Kläger, der selber Berufung führte, eine Kautionspflicht für erstinstanzliche Kosten - allerdings bei anderer Interessenlage - mit dem Hinweis, es könne offenbleiben, ob an der in ZR 60, 1961, Nr. 61 vertretenen Auffassung festgehalten werden könnte, verneint. Gemäss RBOG 1971 Nr. 13 umfassen Kautionsverfügungen im Berufungsverfahren die erstinstanzlichen Kosten nicht; dabei ging es indessen um einen Fall, in welchem das Bezirksgericht ein Kautionsbegehren abgewiesen hatte, so dass das Obergericht feststellte, das nunmehrige Bestehen eines Kautionsgrundes habe keine Rückwirkung auf das erstinstanzliche Verfahren (Entscheid des Obergerichts vom 10. September/12. Oktober 1970, S. 13).

3. Auszugehen ist vom Wesen der Prozesskaution, die künftige, allenfalls auch bereits entstandene, aber noch nicht bereits gerichtlich auferlegte Kosten und Entschädigungen sicherstellen soll (Walder, Prozesserledigung ohne Anspruchsprüfung, Zürich 1966, S. 67). Wollte eine Kautionspflicht für den ganzen Prozess unterstellt werden, hätte dies zur Folge, dass der erstinstanzlich kautionspflichtige Kläger bei Berufung des Beklagten auch für die zweite Instanz Kaution zu leisten hätte (so für das st.gallische Recht noch SGGVP 1955 Nr. 21, anders nun SGGVP 1989 Nr. 50), und dass erstinstanzliche Kosten auch dann noch sichergestellt werden müssten, wenn ein Kautionsgrund erst im Berufungsverfahren eintritt; ebenso müsste - nach neuer ZPO - der infolge seiner Berufung kautionspflichtig werdende Beklagte nachträglich auch für die erste Instanz Kaution leisten. Eine solche Lösung ginge, insbesondere aufgrund der Ueberlegung, dass Kautionsvorschriften die materielle Rechtsverfolgung erschweren und daher einschränkend auszulegen sind (Isler, Die Kautionspflicht im schweizerischen Zivilprozessrecht, Diss. Zürich 1967, S. 7 f.), offensichtlich zu weit: Gemäss allgemeiner Auslegungsregel ist einer prozessualen Bestimmung im Zweifel der Sinn beizulegen, der die Durchsetzung des materiellen Rechts fördert (Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Art. 1 ZGB N 72). Damit rechtfertigt es sich, auch für das thurgauische Recht davon auszugehen, dass eine Kaution jeweils nur für die betreffende Instanz festgelegt wird; die Feststellung in RBOG 1971 Nr. 13, dass Kautionsverfügungen im Berufungsverfahren die erstinstanzlichen Kosten nicht umfassen, gilt demnach generell.

Der Gesuchsteller kann somit die Sicherstellung seiner erstinstanzlichen Kosten im Berufungsverfahren nicht mehr verlangen; ebensowenig kann seitens der Berufungsinstanz die Kautionierung der erstinstanzlichen Gerichtskosten verfügt werden. Zwar vermag dies in einzelnen Fällen nicht zu befriedigen, gilt aber nach einem Entscheid des Obergerichtspräsidiums vom 11./13. Oktober 1992 selbst in jenem Fall, wo das erstinstanzliche Gericht es versehentlich unterliess, eine beantragte Kautionierung für das erstinstanzliche Verfahren zu verfügen.

Präsident des Obergerichts, 28. März 1994, ZP 94 4


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