RBOG 1995 Nr. 20
Gebührenpflichtige Akteneinsicht beim Betreibungsamt; Vorschusspflicht des Gesuchstellers
Art. 10 aGebV SchKG, Art. 8 SchKG, Art. 68 Abs. 1 SchKG
1. X ersuchte das Betreibungsamt um Einsicht in sämtliche Akten, soweit sie seine Person betreffen. Das Betreibungsamt verlangte einen Kostenvorschuss von Fr. 300.--. X erhob Beschwerde.
2. a) Die Vorinstanz erwog, analog Art. 68 Abs. 1 SchKG könne auch vom Schuldner eine Vorschussleistung verlangt werden, wenn das Betreibungsamt ausschliesslich in seinem Interesse tätig werden solle. Angesichts des zu erwartenden Aufwands, welcher mit der Vorlage sämtlicher den Beschwerdeführer betreffenden Akten entstehe, sei der Kostenvorschuss von Fr. 300.-- angemessen. Ein Verzicht auf denselben komme nur in Frage, wenn der Beschwerdeführer seine Mittellosigkeit dargelegt bzw. nachgewiesen hätte.
b) Soweit der Beschwerdeführer um Akteneinsicht ersucht, ist er überhaupt nicht beschwert, da das Betreibungsamt ihm ganz offensichtlich keine Akten vorenthalten will, indessen für den damit verbundenen Aufwand einen Kostenvorschuss verlangt. Zu prüfen ist deshalb einzig, ob für die vom Beschwerdeführer gewünschten amtlichen Verrichtungen einerseits eine Gebühr erhoben und dafür andererseits auch ein Kostenvorschuss gefordert werden kann.
3. a) Das Recht jeder Person auf Einsicht in ihre Akten ist ein Teil des in Art. 4 BV garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dieses Recht kann nicht nur in einem laufenden Verfahren ausgeübt werden, sondern unabhängig davon auch bei Einsicht in die Akten eines bereits abgeschlossenen Verfahrens (BGE 113 Ia 261 f.; Imboden/Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, 5.A., Nr. 83). Gemäss Art. 8 Abs. 2 SchKG kann jedermann, der ein Interesse nachweist, die von den Betreibungs- und Konkursämtern geführten Protokolle einsehen und sich Auszüge aus ihnen geben lassen. Diese Voraussetzung erfüllt der am Verfahren beteiligte Schuldner in jedem Fall (Amonn, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5.A., § 4 N 16; Joos, Handbuch für die Betreibungsbeamten der Schweiz, S. 208; ABSH 1987 S. 158).
b) Bei der Gebührenerhebung ist zwischen noch laufenden und bereits abgeschlossenen Verfahren zu unterscheiden. Für die Akteneinsicht bei noch hängigen Verfahren kann keine Gebühr und damit auch kein Kostenvorschuss verlangt werden, gründet dieses Recht doch direkt auf Art. 4 BV und geht damit über den in Art. 8 Abs. 2 SchKG festgelegten Bereich hinaus. Art. 8 Abs. 2 SchKG ist vorab auf das Einsichtsrecht Dritter zugeschnitten, was sich daraus ergibt, dass ein rechtliches Interesse verlangt wird. Art. 10 GebVSchKG bezieht sich denn auch entweder auf das Einsichtsrecht Dritter oder aber auf abgeschlossene Verfahren, gilt jedoch keinesfalls für eine im laufenden Verfahren beteiligte Partei. In analoger Weise wird auch weder in Straf-, Zivil- noch Verwaltungsprozessen für die Akteneinsicht eine Gebühr erhoben. Vielmehr stellt die Akteneinsicht ein untrennbar mit dem Verfahren zusammenhängendes Recht dar, so dass ein schutzwürdiges Interesse der am Verfahren beteiligten Parteien von vornherein gegeben ist. Der damit verbundene amtliche Aufwand wird deshalb mit einer Gebühr für den Endentscheid abgegolten, soweit eine solche gesetzlich vorgesehen ist.
c) Anders ist die Rechtslage hinsichtlich der Kosten bei bereits abgeschlossenen Verfahren. Der Gesuchsteller muss diesfalls ein schutzwürdiges Interesse nachweisen (BGE 113 Ia 261 f.). Entsprechend findet Art. 10 GebVSchKG hier durchaus seine Anwendung, da der mit der Akteneinsicht verbundene Verwaltungsaufwand naturgemäss nicht mehr über die Entscheidgebühr abgegolten werden kann. Die Gebührenverordnung enthält mit Ausnahme von Art. 17 GebVSchKG, wonach auf Verlangen eine detaillierte Kostenrechnung zu erstellen ist, keinerlei Bestimmungen über das Inkasso. Hingegen lässt sich analog Art. 68 Abs. 1 SchKG heranziehen, wonach die Betreibungskosten vom Gläubiger vorzuschiessen sind, auch wenn sich diese Bestimmung von der Gesetzessystematik her eher auf die Kosten in einem laufenden Betreibungsverfahren bezieht. Im Gegensatz zu einem laufenden Betreibungsverfahren stellt die Einsichtnahme in bereits geschlossene Akten kein zweiseitiges Verfahren dar. Grundsätzlich ist es deshalb ohne Belang, ob der Gläubiger, der Schuldner oder allenfalls eine interessierte Drittperson in die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens Einsicht nehmen möchte. Entscheidend ist einzig, dass sich sowohl die Pflicht zur Bezahlung der dabei anfallenden Gebühren als auch die Pflicht zur Leistung eines entsprechenden Kostenvorschusses nicht mehr wie im laufenden Verfahren auf zwei Parteien verteilt, sondern vielmehr in der Person des Ansprechers kumuliert. Somit ist das Betreibungsamt durchaus berechtigt, auch beim Schuldner einen Kostenvorschuss zu erheben, sofern dieser die Einsichtnahme in ein abgeschlossenes Verfahren verlangt. Vor Eingang der entsprechenden Zahlung ist es nicht verpflichtet, irgendeine gebührenpflichtige Handlung vorzunehmen (Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3.A., § 15 Anm. 34 mit Hinweisen), vorab in Fällen, wo mit der verlangten Akteneinsicht erheblicher Arbeitsaufwand des Amtes verbunden ist. Dies entspricht im übrigen auch den Grundsätzen des nichtstreitigen Verwaltungsverfahrens, wonach ein Kostenvorschuss unter Androhung, dass andernfalls auf ein Begehren nicht eingetreten werde, auferlegt werden kann (Schwarzenbach, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 9.A., S. 130).
d) Aus den vorstehenden Grundsätzen ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer in sämtlichen noch hängigen Verfahren, in denen er Partei ist, unentgeltlich Akteneinsicht zu gewähren ist. Da das Betreibungsamt den entsprechenden Aufwand somit nicht über eine Gebühr im Sinn von Art. 10 GebVSchKG abgelten kann, entfällt hiefür auch jedwelche Vorschusspflicht. Vorzuschiessen hat der Beschwerdeführer hingegen die Kosten für den mutmasslichen Aufwand des Betreibungsamts, ihm Einsicht in die Akten der bereits abgeschlossenen Verfahren zu gewähren, ist doch gerichtsnotorisch, dass der Beschwerdeführer mittlerweilen bereits in eine grössere Anzahl von Betreibungsverfahren involviert war. Es ist deshalb zu erwarten, dass dem Betreibungsamt bei der Durchsicht und Offenlegung der entsprechenden Akten ein grösserer Arbeitsaufwand entstehen wird. Ein Kostenvorschuss von Fr. 300.-- erscheint somit im Licht von Art. 10 GebVSchKG angemessen. Wie die Vorinstanz in diesem Zusammenhang zutreffend feststellte, dürfte sich der Aufwand des Betreibungsamts verringern, sofern diesem genau angegeben wird, welche Akten es dem Beschwerdeführer im einzelnen zur Einsicht vorlegen soll. Unter diesen Umständen ist es dem Beschwerdeführer durchaus zuzumuten, die einzelnen Verfahren genau zu bezeichnen, bei denen er Akteneinsicht wünscht.
4. a) Soweit der Beschwerdeführer Rechte aus Datenschutz reklamiert, verkennt er, dass das Gesetz über den Datenschutz vom 9. November 1987 (RB 170.7) gemäss § 2 Abs. 1 ausdrücklich nur soweit gilt, als nicht andere Gesetze besondere Vorschriften enthalten. Diesbezüglich aber gehen die bundesrechtlichen Vorschriften über die Protokollführung gemäss Art. 8 SchKG bzw. Art. 8 ff. KOV der kantonalen Gesetzgebung vor.
b) Vergeblich ruft der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch die Verfahrensgarantien gemäss Kantonsverfassung an. Wohl hat nach § 14 Abs. 2 KV jede Person das Anrecht auf Einsicht in Akten, die sie betreffen. Dieses Recht findet aber seine Grenzen zum einen dort, wo ihm überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Zum anderen lässt sich aus § 14 Abs. 2 KV nicht auch der Anspruch ableiten, die staatlichen Behörden hätten den Berechtigten die gewünschte Akteneinsicht unentgeltlich und ohne Rücksicht auf den entstehenden Aufwand zu gewähren.
Rekurskommission, 1. November 1995, BS 95 32
Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht am 9. Januar 1996 ab.