RBOG 1996 Nr. 3
Kaufvertrag mit Besitzkonstitut zur Umgehung der Regeln über das Fahrnispfand
1. X schuldete seinem Vater, dem Berufungskläger, aus Darlehen Fr. 21'000.--, weshalb er mit ihm eine Vereinbarung schloss, wonach der Chevrolet-Corvette, dessen bisheriger Eigentümer er war, in das Eigentum des Vaters übergehe. X wurde berechtigt, den Wagen gegen Begleichung der Forderung zurückzuerwerben. Ausserdem war der Berufungskläger damit einverstanden, dass das Fahrzeug weiterhin auf den Namen seines Sohns eingelöst sei. Dieses blieb im Besitz von X und wurde in einer von der Berufungsbeklagten gegen ihn angehobenen Betreibung gepfändet. In der Folge erhob der Berufungskläger Widerspruchsklage, welche vom Bezirksgericht abgewiesen wurde.
2. a) Der Berufungskläger begründete die Widerspruchsklage von allem Anfang an ausdrücklich sowie ausschliesslich mit dem Hinweis darauf, er sei Eigentümer des strittigen Fahrzeugs. Massgebend sind folglich die Bestimmungen über das Fahrniseigentum (Art. 713 ff. ZGB), insbesondere Art. 717 ZGB, welcher den Erwerb des Eigentums ohne Besitz regelt. Demgegenüber kommt Art. 924 ZGB nur ergänzend zum Zug. In dieser Gesetzesvorschrift geht es bloss um den Besitz als tatsächliche Gewalt über eine Sache (Art. 919 ZGB), während das Eigentum nicht nur die Verfügungsmacht über einen Gegenstand erfasst, sondern auch das Recht, ihn von jedem, der ihn dem Eigentümer vorenthält, herauszuverlangen und ungerechtfertigte Einwirkungen abzuwehren. Eigentum umfasst demnach Verfügungs- und Ausschliessungsmacht (Art. 641 ZGB).
b) Die Eigentumsübertragung an Fahrnis geschieht durch die Übergabe des Besitzes, durch Tradition (Art. 714 Abs. 1 ZGB). Ein blosser Schuldvertrag wie beispielsweise Kauf, Tausch oder Schuldversprechen genügt nicht, um den Erwerber zum Eigentümer zu machen; ein solcher Vertrag vermittelt nur ein obligatorisches Forderungsrecht auf Verschaffung des Eigentums (Scherrer, Zürcher Kommentar, Art. 717 ZGB N 9 ff.). Das Eigentum kann indessen auch durch Besitzkonstitut übergehen. Dies ist dann der Fall, wenn ein zu einer Geldzahlung verpflichteter Schuldner eine ihm gehörende Sache an Erfüllungsstatt leistet und der Gläubiger sie ihm aus irgendeinem Grund zur Benützung bis zu einem späteren Zeitpunkt überlässt (Scherrer, Art. 717 ZGB N 21). Insofern finden Art. 714 ff. ZGB ihre notwendige Ergänzung in Art. 922 ff. ZGB. Der Eigentumserwerb durch Besitzkonstitut ist von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Zum einen bedarf es eines gültigen Rechtsgrunds, nämlich eines Übertragungsgeschäfts. Als solcher Kausalvertrag kommt nur ein Veräusserungsgeschäft in Frage. Faktisch ist es regelmässig ein Kauf; es lässt sich jedoch unter Umständen auch ein Tausch in der Form des Konstituts bewerkstelligen (Scherrer, Art. 717 ZGB N 9). Zum anderen braucht es für diese spezielle Art des Eigentumserwerbs ein besonderes Rechtsverhältnis, in welchem sich die Parteien dahingehend verständigen, dass der bisherige Eigentümer die Sache von nun an in der Eigenschaft eines unselbständigen Besitzers (Art. 920 ZGB) in Händen behält, so dass die Besitzwandlung äusserlich nicht in Erscheinung tritt. Jeder Vertrag, durch welchen dem bisherigen Eigentümer ein Gebrauchs-, Nutzungs-, Verwaltungs- oder Verwahrungsrecht an der von ihm veräusserten Sache eingeräumt werden kann, erfüllt die Voraussetzungen des "besonderen Rechtsverhältnisses" im Sinn von Art. 924 ZGB (Scherrer, Art. 717 ZGB N 22 ff.; Stark, Berner Kommentar, Art. 924 ZGB N 64 f.). Wer durch ein Besitzkonstitut das Eigentum an einer Sache auf einen anderen übertragen will, muss schliesslich nicht nur Eigentümer, sondern auch (selbständiger oder ausnahmsweise unselbständiger) Besitzer des fraglichen Gegenstands sein und gleichzeitig die körperliche Gewalt über das von ihm veräusserte Objekt ausüben (Scherrer, Art. 717 ZGB N 39 ff.).
c) Bei den Wirkungen des Besitzkonstituts ist zwischen denjenigen unter den Beteiligten einerseits und denjenigen Dritten gegenüber andererseits zu unterscheiden. Inter partes geht das Eigentum an der in dieser Form veräusserten Sache auf den Erwerber über, sofern sämtliche für die Wirksamkeit des Besitzkonstituts aufgestellten Erfordernisse erfüllt sind. Dem Erwerber wird gleichzeitig der selbständige Besitz eingeräumt, während der Veräusserer fortan als unselbständiger Besitzer zu betrachten ist (Art. 920 i.V.m. Art. 924 Abs. 1 ZGB). Mit Bezug auf das Verhältnis Dritten gegenüber ist Art. 717 Abs. 1 ZGB massgebend: Bleibt die Sache infolge eines besonderen Rechtsverhältnisses beim Veräusserer, ist der Eigentumsübergang Dritten gegenüber unwirksam, wenn damit ihre Benachteiligung oder eine Umgehung der Bestimmungen über das Faustpfand beabsichtigt worden ist. In diesen beiden Fällen ist die durch das Besitzkonstitut vollzogene Eigentumsübertragung wohl zwischen den Parteien gültig und unwiderruflich, nicht aber für die Gläubiger des Veräusserers (Stark, Art. 924 ZGB N 75; BGE 119 II 327 f.).
3. a) Die Vorinstanz wies die Widerspruchsklage des Berufungsklägers zusammenfassend mit der Begründung ab, sein Sohn und er hätten wirtschaftlich nicht einen Güteraustausch, sondern die Gewährung eines Pfandkredits unter Vermeidung der Übergabe des Pfands an den Kreditgeber bezweckt. Der von ihnen abgeschlossene Kaufvertrag entspreche wirtschaftlich gesehen einem Faustpfandvertrag. Am Kauf des Fahrzeugs an sich sei dem Berufungskläger wenig gelegen gewesen. Letzterer bestreitet dies global; zu den Indizien, welche sowohl die Vorinstanz als auch die Berufungsbeklagte anführen, um den Nachweis für die Umgehung der Bestimmungen über das Faustpfand zu erbringen, nahm er weder in der Berufungsbegründung noch in der mündlichen Replik Stellung.
b) Das Obergericht ist ebenfalls überzeugt, sofern überhaupt vom gültigen Zustandekommen eines Besitzkonstituts auszugehen wäre, müsste dieses vorliegend Dritten gegenüber wegen beabsichtigter Umgehung der Vorschriften über das Faustpfandrecht unwirksam sein. Eine solche Umgehung ist in allen Fällen gegeben, in welchen die Parteien in Wirklichkeit gar kein Veräusserungsgeschäft tätigen wollen, sondern die Absicht verfolgen, eine bereits bestehende oder erst noch zu begründende Schuld des Veräusserers gegenüber dem Erwerber dadurch sicherzustellen, dass letzterem das Eigentum an einem bisher dem Veräusserer gehörenden Gegenstand verschafft wird. Dem vereinbarten Kaufpreis kommt dabei die Funktion einer Darlehenssumme zu, die entweder erst ausbezahlt wird oder schon im voraus entrichtet worden ist. Dass die Übertragung des dinglichen Rechts lediglich sicherheitshalber geschieht und deshalb vorübergehenden Charakter aufweisen soll, wird gelegentlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass dem Veräusserer eine Rückkaufsmöglichkeit eingeräumt oder dass verabredet wird, das Eigentum solle unter der Voraussetzung der Barzahlung automatisch wieder an ihn zurückfallen (Scherrer, Art. 717 ZGB N 60; vgl. auch Stark, Art. 924 ZGB N 77; Zobl, Berner Kommentar, System.Teil N 1388 und 1408, Art. 884 ZGB N 719). Auf die rein subjektive Meinung der Kontrahenten über die Rechtsnatur des zwischen ihnen abgeschlossenen Geschäfts kommt es dabei ebensowenig an wie auf die äusseren Formen, deren sie sich zu bedienen suchen; für die Beurteilung der relativen Unwirksamkeit der von ihnen in Aussicht genommenen Eigentumsübertragung ist ausschliesslich der wirtschaftliche Zweck, den sie verfolgen, massgebend.
Eines der wichtigsten Beispiele einer Eigentumsübertragung, welche lediglich zu Deckungszwecken vorgenommen wird, ist der Verkauf einer Sache gegen bar an einen Käufer, der gar kein Interesse an ihr zeigt oder sie überhaupt nicht benötigt und sie daher dem Veräusserer leih- oder mietweise zum Gebrauch und zur ausschliesslichen Benützung überlässt. Ein dabei allfällig vereinbarter Mietzins weist rein symbolischen Charakter auf und steht in gar keinem Zusammenhang mit der eingeräumten Verwendungsmöglichkeit. Meistens verpflichtet sich der Veräusserer, weiterhin für den Unterhalt aufzukommen, und er bezahlt nach wie vor die Versicherungsprämien, was für ein reines Kaufgeschäft durchaus ungewöhnlich ist (Scherrer, Art. 717 ZGB N 61).
c) Exakt auf diese Weise gingen der Berufungskläger und sein Sohn vorliegend vor; was als Theorie soeben geschildert wurde, kann praktisch wörtlich auf die hier zu beurteilende Streitsache übertragen werden. Allein schon die Formulierungen im "Kaufvertrag" vom September 1993 zeigen deutlich, dass sich der Berufungskläger gegenüber seinem Sohn absichern wollte. Die Vereinbarung hat folgenden Wortlaut: "Wie ich vernommen habe, hast Du Dir ein Auto Marke Chevrolet-Corvette erworben. Da Du mir immer noch Fr. 21'439.80 schuldest, schlage ich Dir vor, dass das Fahrzeug in mein Eigentum geht, wobei Du das Fahrzeug gegen Bezahlung der Schuld zurückerwerben kannst. Ich bin einverstanden, dass das Fahrzeug auf Dich eingelöst ist und Du die Versicherungen zahlst. Sollte der Wert des genannten Fahrzeugs unter die Schulden sinken, wirst Du für die Differenz aufkommen müssen. X als Schuldner erklärt sich mit dieser Abmachung einverstanden."
Diese Formulierungen lassen keinen Zweifel daran, dass der Berufungskläger einzig erreichen wollte, dass er hinsichtlich der Schulden, welche sein Sohn ihm gegenüber hatte, nicht bar jeder Deckung sei. Den Grund für den "Erwerb" des Fahrzeugs gab er im Schreiben vom September 1993 unumwunden zu: Einzig das seinem Sohn gewährte Darlehen bewog ihn zu seinem Vorschlag. Dass es ihm um eine seinerseitige Absicherung ging, zeigt auch der Vermerk, bei Wertverminderung des Fahrzeugs habe X die Differenz zum gegebenen Darlehen auszugleichen. Ausserdem sollte es ihm ohne weiteres möglich sein, das Fahrzeug zurückzuerwerben: Hiefür wäre bloss vonnöten gewesen, dass er die Schulden gegenüber seinem Vater begleicht. Gewichtigere Indizien für die Richtigkeit der Annahme, es sei einzig eine Sicherungsübereignung vereinbart worden, sind kaum mehr denkbar. Wäre der Berufungskläger tatsächlich am Kauf des Chevrolet interessiert gewesen, hätte er seinem Sohn nicht versprochen, der Wagen könne gegen Bezahlung der Darlehensschuld wieder auf ihn übergehen. Das Fahrzeug blieb ferner auf X eingelöst und auf dessen Namen versichert. Dass dies nur aus versicherungs- und haftungsrechtlichen Gründen geschah, ist unglaubwürdig, nachdem nie bestritten wurde, dass es nicht nur weiterhin im Besitz des Sohns blieb, sondern auch ohne Unterbruch von diesem gefahren wurde und wird.
Jedes einzelne dieser Momente deutet darauf hin, dass Vater und Sohn nicht einen Güteraustausch, sondern nur die Sicherung der Forderung des Berufungsklägers bezweckten. Bei solchen Gegebenheiten wird jedoch in Objektivierung des Tatbestands regelmässig, ohne auf den eigentlichen subjektiven Parteiwillen abzustellen, eine Umgehung der Bestimmungen über das Faustpfandrecht angenommen (Zobl, System. Teil N 1408). Um vorliegend zum Schluss zu kommen, der Berufungskläger und X hätten bloss die Absicht gehabt, wirtschaftlich eine Verpfändung zu erreichen, nicht aber einen Güteraustausch vorzunehmen, braucht das dem Richter in Art. 717 Abs. 2 ZGB eingeräumte Ermessen nicht einmal in Anspruch genommen zu werden: Die Vereinbarung vom September 1993 zeigt mit aller Deutlichkeit, dass es dem Berufungskläger nur um seine Absicherung ging, und dass sich X bei rosigeren finanziellen Verhältnissen ohne weiteres wieder das Eigentum an seinem Chevrolet-Corvette hätte verschaffen können. Dazu kommt, dass der Berufungskläger seinem Sohn das Darlehen nach seinen eigenen Angaben bereits im November 1990 gab, die Vereinbarung, mit welcher er die Widerspruchsklage begründet, indessen erst knapp drei Jahre später zustande kam. Dass im damaligen Zeitpunkt kein Grund für eine Sicherung des Kredits bestand, widerspricht den Akten: Bekanntlich hatte X im Oktober 1989 von der Berufungsbeklagten ein Darlehen über Fr. 35'000.-- erhältlich gemacht, und die Nichtbezahlung der vereinbarten Raten führte in kürzester Zeit zu etwelchen Schwierigkeiten, welche bis heute anhalten. Ob X weiteren Gläubigern Geld schuldet(e), ist nicht bekannt, muss indessen auch nicht abgeklärt werden; es genügt, dass sich der Berufungskläger eine bessere Position gegenüber seinem Sohn verschaffen wollte, sich hiefür aber eines gegenüber Dritten untauglichen Mittels, nämlich des hier strittigen "Kaufvertrags", bediente.
d) Umging der Berufungskläger mit seinem Vorgehen die Vorschriften über das Faustpfandrecht, muss, damit der allfällige Eigentumsübergang Dritten gegenüber unwirksam ist, nicht gleichzeitig auch noch eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten sein (vgl. Art. 717 Abs. 1 ZGB). Ob letzteres der Fall ist, braucht demgemäss nicht geprüft zu werden. Allein schon der Umstand, dass Vater und Sohn wirtschaftlich nicht einen Güteraustausch, sondern "die Gewährung eines Pfandkredits unter Vermeidung der Übergabe des Pfandes an den Kreditgeber" bezweckten, schliesst aus, dass sich der Berufungskläger nun im von der Berufungsbeklagten verlangten Pfändungsverfahren erfolgreich auf Eigentum am gepfändeten Chevrolet-Corvette berufen kann. Die Widerspruchsklage ist deshalb abzuweisen; die Berufung erweist sich als unbegründet.
Obergericht, 21. März 1996, ZB 95 135