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RBOG 1997 Nr. 36

Entschädigung eines Anwalts, der als Organ einer Partei handelt


§§ 1 ff. AnwT


1. Die X AG wurde in dem von ihr gewonnenen Forderungsprozess von ihrem Verwaltungsratspräsidenten, Rechtsanwalt Y, vertreten. Im Prozess berief er sich nicht auf seine Vertretungsmacht als ihr Organ, sondern trat als ihr Anwalt auf und reichte hiefür auch eine spezielle Prozessvollmacht ein, die einerseits von ihm selbst und andererseits vom Delegierten des Verwaltungsrats unterzeichnet war. Bei der von ihm geltend gemachten Parteientschädigung stützte er sich auf den Anwaltstarif. Die Vorinstanz verpflichtete die Gegenpartei zur Bezahlung von lediglich Fr. 500.--: Da sich die X AG durch ihren Verwaltungsratspräsidenten habe vertreten lassen, gelange nicht der Anwaltstarif zur Anwendung, sondern sei eine Aufwandsentschädigung geschuldet.

2. a) Ein Anwalt, der in eigener Sache auftritt, hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung nach dem Anwaltstarif: Es steht ihm nur eine Entschädigung nach dem Umfang der wirklichen Bemühungen zu, wenn er ein Verfahren in eigener Sache führt (RBOG 1992 Nr. 22; Sträuli/Messmer, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2.A., § 69 N 2; Leitsätze des Verwaltungsgerichts zum Thurgauer Recht 1984-1988, § 80 VRG LS 8). Ebensowenig können von einem Unternehmen als Arbeitnehmer angestellte Anwälte ihre Kosten gemäss Anwaltstarif geltend machen; vielmehr wird in einem solchen Fall entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei der Bemessung der Höhe einer Parteientschädigung dem Umstand Rechnung getragen, dass der beigezogene Anwalt im Anstellungsverhältnis tätig ist (RBOG 1992 S. 18 f.). Der Grund für diese Praxis liegt in § 1 AT, in welchem ausdrücklich festgehalten wird, der Tarif regle die Gebühren der Rechtsanwälte für die Parteivertretung. Weder ein vor Gericht für sich selbst handelnder noch ein sich im Anstellungsverhältnis befindender Anwalt wird in diesem Sinn für eine Partei tätig.

b) Diese Rechtsprechung kann indessen nicht ohne weiteres analog auf den Fall angewendet werden, wo ein Anwalt eine juristische Person vertritt, deren Organ er ist. Zwar trifft es zu, dass die juristische Person nicht selber, sondern nur durch eine natürliche Person, durch eines ihrer Organe, handeln kann; daraus kann indessen entgegen ZR 46, 1947, Nr. 71 nicht einfach geschlossen werden, ein Anwalt sei in solchen Fällen nur als Organ und nicht als Parteivertreter tätig, womit alsdann nicht auf den Anwaltstarif abgestellt werden könnte. Daran ändert auch die seitens der Gegenpartei angeführte Literatur nichts: Weber (Die Prozessentschädigung mit besonderem Bezug auf ihre Ausgestaltung im zürcherischen Zivilprozess, Diss. Zürich 1990, S. 156) verweist lediglich auf ZR 46, 1947, Nr. 71, ohne sich mit der Problematik näher auseinanderzusetzen. Rhyner (Die Kostenregelung nach st.gallischem Zivilprozessrecht, Diss. Bern 1987, S. 22) führt nur das auch bei Sträuli/Messmer (§ 69 ZPO N 2) erwähnte Beispiel an, wo der Anwalt als einzig vertretungsberechtigtes Organ für eine juristische Person auftritt. Bernet (Die Parteientschädigung in der schweizerischen Verwaltungsrechtspflege, Diss. Zürich 1986, S. 149) behandelt den Fall, wo der Anwalt Organ oder Arbeitnehmer der Partei ist, ohnehin gemeinsam, weist aber gleichzeitig darauf hin, am sachgerechtesten wäre allenfalls eine Ermässigung der Anwaltsentschädigung.

Die Lösung, eine Entschädigung nach Anwaltstarif für den Anwalt, der als Organ einer Partei handelt, generell zu verneinen, vermag nicht zu befriedigen. Andernfalls wäre die juristische Person, in der ein Anwalt als Organ wirkt, gar nicht mehr in der Lage, diesen Anwalt selbst mit der Prozessführung zu betrauen, sobald der anwaltliche Aufwand für den konkreten Fall die üblichen Verwaltungsratshonorare übersteigt; darin läge eine unzulässige faktische Beschränkung der Anwaltswahl, die sich durch nichts rechtfertigen lässt.

c) Wie es sich verhält, wenn ein Anwalt einzelzeichnungsberechtigtes Organ einer Partei ist, muss hier nicht entschieden werden; immerhin dürfte auch in solchen Fällen eine blosse Reduktion bzw. ein Honoraransatz im unteren Rahmen des Anwaltstarifs gerechtfertigt sein, abgesehen von besonderen Fällen, in denen eine Entschädigung nach Anwaltstarif überhaupt nicht angemessen erscheint, wie beispielsweise, wenn ein Anwalt eine von ihm selbst beherrschte Gesellschaft vertritt. Im vorliegenden Fall steht aber fest, dass Rechtsanwalt Y im Gegensatz zum zitierten Entscheid aus dem Jahr 1947 im fraglichen Unternehmen "nur" kollektivunterschriftsberechtigt, mithin gar nicht bevollmächtigt ist, über das Vorgehen im Prozess allein und ohne Beizug anderer Unternehmensorgane zu entscheiden. Unter diesen Umständen kommt es nicht in Betracht, eine Entschädigung nach Anwaltstarif generell zu verneinen. Vielmehr rechtfertigt es sich, wenn ein Anwalt gleichzeitig kollektivzeichnungsberechtigtes Organ einer juristischen Person ist, an den unteren Rahmen üblicher Anwaltshonoraransätze zu gehen, weil sein Aufwand in aller Regel tatsächlich häufig etwas geringer sein wird als in einem gewöhnlichen Mandatsverhältnis.

Rekurskommission, 28. Juli 1997, ZR 96 150


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