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RBOG 1998 Nr. 15

Die provisorisch bewilligte Nachlassstundung ist nicht zu widerrufen, sondern es ist ein definitiver Entscheid über die Bewilligung der Nachlassstundung zu fällen


Art. 293 f SchKG


1. Auf Gesuch der Rekursgegner (Gläubiger) bewilligte die Vorinstanz dem Rekurrenten die provisorische Nachlassstundung für zwei Monate. Nach knapp einem Monat beantragte die Sachwalterin den Widerruf der Nachlassstundung. Die Vorinstanz widerrief darauf die provisorisch bewilligte Nachlassstundung. Der Rekurrent beantragte, vom Widerruf sei abzusehen.

2. a) Gemäss Art. 16 Abs. 1 GerOG (in Kraft seit 1. September 1997) ist der Bezirksgerichtspräsident unteres, die Rekurskommission des Obergerichts oberes Nachlassgericht nach Art. 293-350 SchKG. Entscheide im Nachlassverfahren sind gemäss § 175 Ziff. 11 ZPO (in der revidierten Fassung) im summarischen Verfahren zu treffen. Nach Art. 294 Abs. 3 SchKG können der Schuldner und der antragstellende Gläubiger den Entscheid über die Bewilligung oder Verweigerung der Nachlassstundung binnen 10 Tagen an das obere Nachlassgericht weiterziehen, sofern ein solches besteht.

b) Gemäss Art. 293 Abs. 3 SchKG kann der Nachlassrichter provisorische Massnahmen anordnen und für einstweilen höchstens zwei Monate die Nachlassstundung provisorisch bewilligen. Das SchKG erwähnt zwar die Möglichkeit des Weiterzugs von Entscheiden betreffend provisorische Massnahmen nicht ausdrücklich. Indirekt ergibt sich dies aber aus Art. 294 Abs. 3 und insbesondere Abs. 4 SchKG sowie daraus, dass vorsorgliche Massnahmen selbstredend auch im Rahmen des Entscheids über die definitive Bewilligung der Stundung angeordnet und angefochten werden können (Hunkeler, Das Nachlassverfahren nach revidiertem SchKG, Diss. Freiburg 1996, S. 175 Anm. 478). Mithin sind wie bisher Entscheide des Nachlassrichters in Anwendung von § 235 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 294 Abs. 3 SchKG mit Rekurs anfechtbar, und es gelten - mit einigen hier nicht interessierenden Ausnahmen - die Bestimmungen der ZPO (RBOG 1994 Nr. 11, 1992 Nr. 8).

3. Auf Gesuch des Schuldners oder eines Gläubigers sowie von Amtes wegen kann das Nachlassverfahren eingeleitet werden (Art. 293 Abs. 1 und 2, Art. 173a Abs. 2 SchKG). Nach Eingang des Gesuchs um Nachlassstundung oder nach Aussetzung des Konkurserkenntnisses von Amtes wegen trifft der Nachlassrichter nach Art. 293 Abs. 3 SchKG unverzüglich die zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens notwendigen Anordnungen. In begründeten Fällen kann er die Nachlassstundung für einstweilen höchstens zwei Monate provisorisch bewilligen, einen provisorischen Sachwalter ernennen und diesen mit der Prüfung der Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage des Schuldners und der Aussicht auf Sanierung beauftragen. Der Nachlassrichter hat nach Eingang des Gesuchs um Nachlassstundung den Schuldner und den antragstellenden Gläubiger unverzüglich zur Verhandlung vorzuladen. Sobald der Nachlassrichter im Besitz der notwendigen Unterlagen ist, entscheidet er möglichst rasch über die Bewilligung der Nachlassstundung (Art. 294 Abs. 1 und 2 SchKG; Ammon/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6.A., § 54 N 10 ff.).

a) Namentlich dann, wenn das Nachlassverfahren nicht durch den Schuldner, sondern durch einen Gläubiger oder von Amtes wegen eingeleitet wurde, wird der Nachlassrichter aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen häufig nicht in der Lage sein, einen definitiven Stundungsentscheid zu fällen. Deshalb ist mit dem revidierten SchKG die Möglichkeit geschaffen worden, die Nachlassstundung provisorisch für einstweilen höchstens zwei Monate zu bewilligen und einen provisorischen Sachwalter zu ernennen, welcher die Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage des Schuldners und die Aussicht auf Sanierung zu prüfen hat. Auf die provisorisch bewilligte Stundung finden Art. 296-298 SchKG sinngemäss Anwendung (Art. 293 Abs. 4 SchKG): Demnach gelten bereits in diesem Verfahrensstadium die Wirkungen der Stundung auf die Rechte der Gläubiger und auf die Verfügungsbefugnis des Schuldners; dem provisorisch ernannten Sachwalter kann bereits während dieser Schwebezeit die Geschäftsführung ganz oder teilweise übertragen werden, und es sind die für die ordentliche Stundung aufgestellten Publikationsvorschriften zu beachten (Hunkeler, N 655 f.).

Die Begriffe "einstweilen" und "provisorisch" in Art. 293 Abs. 3 SchKG weisen mit aller Klarheit darauf hin, dass der Nachlassrichter auf seinen Entscheid bezüglich provisorisch bewilligter Nachlassstundung jederzeit zurückkommen kann. Dies wird regelmässig dann der Fall sein, wenn einer der Widerrufsgründe für die (ordentliche) Nachlassstundung vorliegt (Art. 295 Abs. 5, 298 Abs. 3 SchKG), bzw. wenn der Nachlassrichter zum Schluss gelangt, es bestehe keine Aussicht auf einen Nachlassvertrag (Art. 295 Abs. 1 SchKG). Weil aber zu diesem Zeitpunkt über die Bewilligung der (ordentlichen) Nachlassstundung noch kein definitiver Entscheid vorliegt, ist nicht die provisorisch bewilligte Nachlassstundung zu widerrufen, sondern über die Bewilligung der Nachlassstundung im Sinn von Art. 294 Abs. 2 SchKG zu entscheiden. Lediglich die provisorische Nachlassstundung zu widerrufen macht keinen Sinn, weil alsdann das Nachlassgesuch formell betrachtet nach wie vor hängig ist und der Nachlassrichter in dieser Hinsicht noch einen Entscheid fällen muss. Dies gilt selbst dann, wenn ein Gläubiger lediglich beantragt, es sei die provisorische Nachlassstundung zu bewilligen. Der Antrag des Gläubigers hat immer auf die Eröffnung des Nachlassverfahrens zu gehen (Hunkeler, N 629). Die provisorische Nachlassstundung ist nichts anderes als eine "vorsorgliche Massnahme", deren Erlass die Einleitung eines Nachlassverfahrens voraussetzt, und welche durch den (definitiven) Entscheid über die Nachlassstundung abgelöst bzw. aufgehoben wird.

Bei dieser Betrachtungsweise rückt auch das Problem, wer zum Antrag auf Widerruf der provisorischen Nachlassstundung legitimiert ist (vgl. Hunkeler, N 839 ff., 849), in den Hintergrund. Letztlich hat der Nachlassrichter so rasch als möglich (Art. 294 Abs. 2 SchKG) über das Gesuch um Nachlassstundung zu entscheiden und dabei zu prüfen, ob Aussicht auf einen Nachlassvertrag besteht (Art. 295 Abs. 1 SchKG). Als Grundlage für diesen Entscheid dienen dem Nachlassrichter einerseits die Abklärungen des provisorisch ernannten Sachwalters, andererseits aber auch Angaben der Gläubiger oder möglicherweise Dritter. Ein Antrag auf Widerruf der provisorischen Nachlassstundung stellt somit nichts anderes dar als eine Stellungnahme des Antragsstellers mit Bezug auf den Entscheid über die (definitive) Nachlassstundung. Wollte man darin einen Rückzug des Gesuchs um Nachlassstundung sehen, hätte dieser insofern keine selbständige Bedeutung, als der Nachlassrichter trotzdem prüfen müsste, ob Aussicht auf das Zustandekommen eines Nachlassvertrags besteht. Dies ergibt sich daraus, dass das Nachlassverfahren auch von Amtes wegen eröffnet, mithin auch von Amtes wegen fortgeführt werden kann, gegen den Willen einzelner Gläubiger allerdings nur, solange diese nicht in der Mehrheit sind und gleichzeitig 2/3 des Gesamtbetrags der Forderungen vertreten (Art. 305 Abs. 1 SchKG).

b) Die Rekursgegner stellten zwar ausdrücklich nur ein Gesuch um Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung für die Dauer von zwei Monaten. Dieser Antrag stellt aber nichts anderes als das Gesuch um Einleitung des Nachlassverfahrens dar. Im Zuge dieses Verfahrens ordnete die Vorinstanz - unbestrittenermassen zu Recht - die provisorische Nachlassstundung an und ernannte die Sachwalterin. Deren Antrag, die provisorische Nachlassstundung zu widerrufen, ist letztlich das Ergebnis ihrer Abklärungen bezüglich der Vermögens- und Ertragslage des Rekurrenten im Sinn von Art. 293 Abs. 3 SchKG. Gleichzeitig empfahl die Sachwalterin sinngemäss, es sei das Nachlassgesuch abzuweisen bzw. die Nachlassstundung nicht zu bewilligen. Sie machte in jener Eingabe denn auch geltend, dies sei zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens und damit der Rechte der Gläubiger notwendig; zudem komme ein Nachlassvertrag nicht zustande. Gerade dies sind Tatsachen, die einer Bewilligung der Nachlassstundung entgegenstehen (Art. 295 Abs. 1 SchKG).

c) Die Vorinstanz erwog, bei der derzeitigen Aktenlage könne nicht von einer realistischen Möglichkeit gesprochen werden, dass ein Nachlassvertrag bestätigt würde. Ob ein entsprechender Vorschlag das notwendige Quorum der Gläubiger überhaupt erreichen würde, sei zudem eine offene Frage, die einstweilen nicht abschliessend beurteilt werden könne.

Diese Erwägungen machen deutlich, dass die Vorinstanz über das Gesuch um Nachlassstundung (noch) keinen definitiven Entscheid fällte. Dies war ihr offensichtlich aufgrund der damaligen Aktenlage auch gar nicht möglich. Auch die Rekurskommission kann aufgrund der ihr vorliegenden Akten keinen definitiven Entscheid über die Bewilligung der Nachlassstundung fällen, weshalb die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Diese wird über das Gesuch um Bewilligung der Nachlassstundung einen definitiven Entscheid zu fällen haben.

Rekurskommission, 26. Januar 1998, BR 97 152


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