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RBOG 1999 Nr. 23

Eigentümer der berechtigten Grundstücke bilden bei Klage auf Löschung einer Dienstbarkeit keine notwendige Streitgenossenschaft. Keine Verletzung der Dispositionsmaxime, wenn der Richter statt auf Aufhebung auf Ablösung erkennt


Art. 736 Abs. 1, 2 ZGB


1. X ist Eigentümer einer Parzelle, auf welcher seit Jahren eine als "Fuss- und Fahrwegrecht" bezeichnete Dienstbarkeit zugunsten einer benachbarten Parzelle lastet. Dieses Grundstück wurde mehrfach abparzelliert. Nachdem X mit einzelnen Grundeigentümern der neu erstellten Parzellen eine einvernehmliche Lösung finden konnte, erhob er gegen die restlichen Grundeigentümer Klage auf Aufhebung der auf seinem Grundstück lastenden Dienstbarkeit. Die eingeklagten Grundeigentümer beantragen Abweisung der Klage wegen fehlender Passivlegitimation.

2. Nach § 20 ZPO müssen mehrere Personen gemeinsam als Kläger auftreten oder als Beklagte belangt werden, soweit ihnen das streitige Recht oder die streitige Verpflichtung gemeinsam zukommt. Für Passivprozesse besteht diese notwendige Streitgenossenschaft nur insoweit, als dingliche Rechte gegen Gesamthänder geltend gemacht werden oder sich als Gestaltungsklagen auf Aufhebung eines Rechtsverhältnisses richten, das mehrere Personen umfasst und mit Wirkung gegen alle aufgehoben werden muss (Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts, 6.A., 5. Kap. N 50 ff.). Bejaht wird die notwendige Streitgenossenschaft bei dinglichen Ansprüchen auf eine unteilbare Leistung gegenüber allen Miteigentümern, etwa der Einräumung einer Dienstbarkeit (Frank/Sträuli/ Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3.A., § 39 N 12); indessen wird eine einfache Streitgenossenschaft angenommen, wo mehrere Miteigentümer auf eine unteilbare Leistung klagen (Frank/Sträuli/Messmer, § 40 ZPO N 6). Besinnt man sich auf die Natur der Grunddienstbarkeit zurück, so ergibt sich, dass die Grunddienstbarkeit den jeweiligen Eigentümern der berechtigten Grundstücke zusteht (Liver, Zürcher Kommentar, Art. 730 ZGB N 32). Will der belastete Grundeigentümer die Dienstbarkeit aufheben, so kann er dies gegen jeden Berechtigten separat geltend machen; insofern könnten für jedes berechtigte Grundstück durchaus auch unterschiedliche Interessenlagen bestehen, welche einzeln zu berücksichtigen wären. Die Ausübung der Dienstbarkeit steht den Eigentümern der berechtigten Grundstücke nicht gemeinsam, sondern jedem von ihnen einzeln zu. Das zeigt schon der Umstand, dass einzelne der ursprünglich ins Recht gefassten Grundeigentümer einvernehmlich einer Aufhebung des sie betreffenden Rechts zustimmten und die diesbezügliche Löschung grundbuchlich offenbar bereits vollzogen wurde. Es ist demnach hier nicht von notwendiger, sondern von einfacher Streitgenossenschaft zufolge gleichgerichteter bzw. auf gleiche Tatsachen und Rechtsgründe abgestützter Ansprüche auszugehen. X ist Alleineigentümer der belasteten Liegenschaft, und soweit auf der Seite der Beklagten Miteigentum besteht, fasste er die Miteigentümer gemeinsam ins Recht. Die Besonderheit liegt lediglich darin, dass X das Begehren auf Löschung der Servitut gleichzeitig gegen alle Eigentümer der berechtigten Grundstücke richtete.

3. Die Berufungskläger machen geltend, es sei von X nur die entschädigungslose Löschung beantragt worden; die Vorinstanz habe die Dispositionsmaxime verletzt, indem sie eine Ablösung der Dienstbarkeit gestützt auf Art. 736 Abs. 2 ZGB ausgesprochen habe.

a) Hat eine Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren, so kann der Belastete ihre Löschung verlangen (Art. 736 Abs. 1 ZGB). Das Gesetz gestattet jedoch auch die Ablösung der Dienstbarkeit gegen Entschädigung, wenn zwar ein Interesse des Berechtigten daran noch besteht, dieses aber im Vergleich zur Belastung von unverhältnismässig geringerer Bedeutung ist (Art. 736 Abs. 2 ZGB).

b) Die Vorinstanz erwog, es erscheine unwahrscheinlich, dass das noch bestehende Interesse der Berechtigten vom ursprünglichen Zweck der Dienstbarkeit noch gedeckt sei. Jedenfalls aber erachtete sie den Tatbestand von Art. 736 Abs. 2 ZGB als erfüllt. Die Vorinstanz wählte denn auch einen ungewöhnlichen Weg und nahm die Gesetzesnorm explizit ins Dispositiv auf. Entgegen der Auffassung der Berufungskläger liegt darin keine Verletzung der Dispositionsmaxime. Beim Ablösungsurteil gestützt auf Art. 736 Abs. 2 ZGB handelt es sich um ein Feststellungsurteil (Liver, Art. 736 ZGB N 103, N 176 f.). Deshalb kann es ausgefällt werden, auch wenn nur auf entschädigungslose Aufhebung der Dienstbarkeit gemäss Art. 736 Abs. 1 ZGB geklagt worden ist (Liver, Art. 736 ZGB N 196); es handelt sich um ein Minus, nicht um ein Aliud (Liver, Art. 736 ZGB N 197). Das materielle Recht diktiert hier somit eine Ausnahme vom Grundsatz, der Richter dürfe nichts anderes zusprechen als der Kläger verlangt (Frank/ Sträuli/Messmer, § 54 ZPO N 18). Der Einwand, die Dispositionsmaxime sei verletzt, erweist sich demnach als unbegründet.

Obergericht, 25. November 1999, ZBO.1999.46


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