RBOG 1999 Nr. 25
Sicherstellungszweck von Kautionsbegehren: Gegenstandslosigkeit durch Vorwegnahme von Prozesshandlungen
1. Der Berufungsbeklagte erstattete im schriftlichen Verfahren die Berufungsantwort, wobei er die Verpflichtung des Berufungsklägers zur Leistung einer Kaution für die amtlichen Kosten und die Prozessentschädigung im Berufungsverfahren verlangte.
2. a) Gemäss § 77 ZPO hat die Partei, welche ein Rechtsmittel ergreift, für die mutmasslichen Kosten (amtliche Kosten und Prozessentschädigung) eine Kaution zu leisten, wenn sie in der Schweiz keinen Wohnsitz hat (Ziff. 1), als zahlungsunfähig erscheint oder mit rechtskräftigen Kosten oder Entschädigungen aus einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren im Rückstand ist (Ziff. 3).
Die Regeln über die Kautionspflicht dienen sowohl der Wahrung öffentlicher wie auch privater Interessen: Der Staat und die Gegenpartei sind gleichermassen davor zu schützen, dass die kautionspflichtige Partei Kosten und Schäden verursacht, die sie dann später nicht tragen kann oder will (RBOG 1994 Nr. 20; Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur ZPO ZH, 3.A., § 73 N 2). In § 77 ZPO sieht das Gesetz daher die Tatbestände vor, welche die spätere Kosten- und Entschädigungsforderung als gefährdet erscheinen lassen (vgl. Walder, Zivilprozessrecht, 4.A., § 34 N 20). Mit einer Kautionsleistung werden nicht rückständige Prozesskosten, sondern zukünftige Kosten, die aus einem laufenden Verfahren resultieren, sichergestellt. § 77 ZPO ist, was seine Wirkungen betrifft, in die Zukunft gerichtet: Der Staat mit seinen Gerichtsbehörden und die in einen Prozess verwickelte Gegenpartei sollen vor einem durch die Prozessführung der kautionspflichtigen Partei verursachten Schaden geschützt werden (RBOG 1994 Nr. 22).
b) Der Berufungskläger leistete noch vor Eingang der Berufungsantwort den ihm gerichtlich auferlegten Kostenvorschuss, womit sich das Gesuch des Berufungsbeklagten betreffend Kaution für die amtlichen Kosten als gegenstandslos erweist.
c) Die Rechtsvertreterin des Berufungsbeklagten begründete in ihrer Eingabe nicht nur das Begehren um Kaution, sondern ging einlässlich auf den materiellen Punkt der Klage ein. Gleichzeitig mit der Berufungsantwort reichte sie auch ihre Kostennote für das Berufungsverfahren ein. Damit verlor das Kautionsgesuch bezüglich der Prozessentschädigung seinen Sinn: Eine Kaution wird nur erhoben, wenn die spätere Entschädigungsforderung des Berufungsbeklagten als gefährdet erscheint. Hier stellte der Berufungsbeklagte die Kautionsforderung jedoch zu einem Zeitpunkt, in welchem seine Aufwendungen für das schriftliche Berufungsverfahren vor Rekurskommission schon entstanden waren. Die Auferlegung einer Kaution in diesem Zeitpunkt würde damit ihren Schutzzweck, nämlich die Sicherstellung von zukünftigen Kosten, verfehlen. Praxisgemäss fällt die Rekurskommission demnach das Berufungsurteil, ohne vorab das Kautionsgesuch zu behandeln.
Rekurskommission, 2. August 1999, ZBR.1999.28