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RBOG 1999 Nr. 33

Gegen die Abtrennung von Strafverfahren ist die Beschwerde nicht zulässig


§ 211 Abs. 2 StPO


1. Gegen X, Y und Z ist ein Strafverfahren hängig. Die Bezirksgerichtliche Kommission trennte das Verfahren gegen X und Y von demjenigen gegen Z ab. Hiegegen erhob Y Beschwerde und beantragte, das Verfahren gegen alle drei Angeklagten sei vereint zu belassen.

2. a) Soweit kein anderes kantonales Rechtsmittel und keine Einsprache zulässig ist und das Gesetz die Anfechtung nicht ausdrücklich ausschliesst, kann Beschwerde geführt werden gegen das Verfahren und alle Entscheide der Strafverfolgungs- und Vollzugsbehörden, der Bezirksgerichte, ihrer Kommissionen und Präsidenten (§ 211 Abs. 1 StPO). Gegen prozessleitende Verfügungen und Beschlüsse im gerichtlichen Verfahren, insbesondere im Beweisverfahren, ist gesonderte Beschwerdeführung der Parteien ausgeschlossen; ausgenommen sind Entscheide, welche den Ausstand von Richtern, die Zwangsmittel nach § 117 ff. StPO, Ordnungsstrafen sowie die Verweigerung der notwendigen oder amtlichen Verteidigung oder Vertretung betreffen (§ 211 Abs. 2 StPO). Mit der Beschwerde können Gesetzeswidrigkeit oder Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids oder des Verfahrens sowie Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung gerügt werden (§ 213 Abs. 1 StPO). Entscheide über das Verfahren, die nach freiem Ermessen zu treffen sind, können nur wegen Willkür angefochten werden (§ 213 Abs. 2 StPO).

b) Mit Ausnahme der in § 211 Abs. 2 StPO abschliessend aufgezählten Entscheide können prozessleitende Verfügungen mit Beschwerde nicht angefochten werden (Litschgi, Die Rechtsmittel im thurgauischen Strafprozess, Diss. Zürich 1975, S. 143). Verfahrensleitende Beschlüsse fördern das Verfahren, ohne es abzuschliessen (Schmid, Strafprozessrecht, 3.A., § 37 N 579). Der Beschluss betreffend Abtrennung von Verfahren ist ein solcher prozessleitender Entscheid (vgl. Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, 2.A., Art. 101 N 2; PKG 1982 Nr. 10), was letztlich auch der Beschwerdeführer nicht bestreitet. Grundsätzlich kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Daran würde im Übrigen auch die Berufung auf Bundesrecht nichts ändern, da diese Frage innerkantonal vom kantonalen Prozessrecht beherrscht wird (vgl. BGE 102 IV 241).

3. a) In der Praxis einiger Kantone werden allerdings vom Grundsatz, dass verfahrensleitende Entscheide nicht separat angefochten werden können, Ausnahmen zugelassen, etwa wenn prozessleitende Verfügungen die gesetzlichen Prozessvorschriften offenbar verletzen oder materielles Recht in unheilbarer oder schwer heilbarer Weise zu beeinträchtigen drohen. Alsdann ist ein Rechtsmittel zulässig, wo klares Recht verletzt wurde bzw. eine unheilbare oder nur schwer heilbare Beeinträchtigung des materiellen Rechts droht (Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, § 402 N 22, mit Hinweisen). Ebenso liess die Praxis die Anfechtung einer willkürlichen und prozessverschleppenden Verfahrenstrennung im Fall mehrerer Angeklagter mittels einer Aufsichtsbeschwerde zu (PKG 1982 Nr. 10).

b) Nach Art. 349 Abs. 1 StGB sind zur Verfolgung und Beurteilung der Anstifter und Gehilfen die Behörden zuständig, denen die Verfolgung und Beurteilung des Täters obliegt. Sind an der Tat mehrere als Mittäter beteiligt, so sind nach Art. 349 Abs. 2 StGB die Behörden des Orts zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde. In Nachachtung dieser Bestimmung hält § 26 Abs. 1 StPO fest, mehrere strafbare Handlungen eines Täters und die Handlungen mehrerer zusammenwirkender Täter seien innerhalb des Kantons im gleichen Verfahren zu untersuchen und vom höchsten in Frage kommenden Gericht zu beurteilen. Anstifter, Gehilfen, Hehler und Begünstiger seien mit dem Haupttäter zu verurteilen. Gemäss § 26 Abs. 2 StPO ist eine Abtrennung des Verfahrens aber zulässig, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Art. 349 StGB bezieht sich allerdings nur auf den Teilnehmer im engeren Sinn (Anstifter, Gehilfe, Mittäter), nicht auch auf den Teilnehmer im weiteren Sinn (mittelbarer Täter, Begünstiger, unbewusstes Zusammenwirken bei Fahrlässigkeitsdelikten). Aus Zweckmässigkeitsgründen kann es sich allerdings aufdrängen, auch die Teilnehmer im weiteren Sinn zusammen mit dem Haupttäter am selben Ort beurteilen zu lassen (Schweri, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, Bern 1987, N 212; Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2.A., Art. 349 N 2).

Wirken bei einer fahrlässigen Tatbegehung mehrere Täter zusammen, kann weder von Mittäterschaft im eigentlichen Sinn noch von Teilnehmern gesprochen werden (Schweri, N 234). Bei einer Mehrheit von Verantwortlichen liegt vielmehr Nebentäterschaft vor; jede Person ist für die Erfüllung der ihr obliegenden Sorgfaltspflicht verantwortlich, sei es bei der direkten Vornahme der gefährlichen Verrichtung oder durch Verschulden in der Auswahl, Anleitung (Instruktion) oder Überwachung (Trechsel, Art. 18 StGB N 42). In analoger Anwendung von Art. 349 Abs. 2 StGB legen Zweckmässigkeitsgründe jedoch auch in einem solchen Fall die Vereinigung der beiden Gerichtsstände nahe (Schweri, N 234 am Schluss). Es besteht aber weder von Bundesrechts wegen noch gestützt auf kantonales Recht ein Anspruch der Nebentäter, in einem gemeinsamen Verfahren abgeurteilt zu werden. Alsdann verletzt auch die Abtrennung von Verfahren keine bundesrechtlichen oder kantonalen Bestimmungen.

c) Zu den Umständen, welche für eine Vereinigung der Verfahren verschiedener Nebentäter bzw. gegen die Abtrennung solcher Verfahren sprechen können, gehören die Prozessvereinfachung und das Interesse an der Vermeidung widersprüchlicher Urteile (Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4.A., § 33 N 11). Eine Prozessvereinfachung ist hier indessen nicht ersichtlich, wenn auf die Abtrennung der Verfahren verzichtet würde. Im Gegenteil spricht gerade die Prozessökonomie für die Abtrennung der Verfahren, weil - nach der zum jetzigen Zeitpunkt nicht widerlegbaren Auffassung der Vorinstanz - das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer und X ohne ergänzende Untersuchungen weitergeführt werden kann, während es im Strafverfahren gegen Z zu einer Rückweisung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft kam. Für die Gefahr widersprechender Urteile bestehen - zumindest zur Zeit - keine rechtsgenüglichen Anhaltspunkte. Daran ändert die Berufung des Beschwerdeführers auf eine Unterbrechung der Kausalität durch ein Drittverschulden nichts. Es ist dem Beschwerdeführer unbenommen, diesen Einwand im Strafverfahren zu erheben. Diesfalls wird die Vorinstanz zu entscheiden haben, ob für die Beurteilung dieses Arguments die Untersuchungsergebnisse im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer genügen, oder ob allenfalls weitere Abklärungen notwendig wären. Der Beschwerdeführer wird also entgegen seiner Auffassung auch nicht seiner Verteidigungsrechte beraubt, umso weniger, als er diesen Einwand, sollte die Vorinstanz ihm nicht oder nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht genügend nachgegangen sein, in einem allfälligen Berufungsverfahren uneingeschränkt nochmals vorbringen kann. Alsdann bestünde auch immer noch die Möglichkeit, den Prozess gegen den Beschwerdeführer gegebenenfalls zu sistieren. Aus denselben Gründen kann der Beschwerdeführer auch nicht in grundsätzlicher Hinsicht geltend machen, mit der Abtrennung der Verfahren werde der Grundsatz des rechtlichen Gehörs bzw. das Recht auf (umfassende) Akteneinsicht verletzt. Erst der weitere Verfahrensverlauf wird zeigen, ob und allenfalls welche Akten bzw. Untersuchungsergebnisse aus den Strafverfahren gegen andere Nebentäter für die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers überhaupt erforderlich sind.

Bei der Strafzumessung ist der Richter ohnehin verpflichtet, beim Grundsatz der Individualisierung nach Art. 63 StGB die gegenüber anderen Tätern verhängten Strafen nicht ausser Acht zu lassen (vgl. BGE 123 IV 150).

Dem Umstand, dass die Abtrennung der Verfahren mit Bezug auf die Verjährung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen könnte, ist insofern (noch) keine Bedeutung beizumessen, als die absolute Verfolgungsverjährung erst im Jahr 2002 eintritt und auch der Beschwerdeführer nicht substantiiert behauptet, bis zu diesem Zeitpunkt könnte infolge der mit Bezug auf Z angeordneten Untersuchungsergänzung noch kein Urteil vorliegen.

Schliesslich steht dem Beschwerdeführer, sofern bei fahrlässiger Nebentäterschaft die Gefahr widersprechender Urteile überhaupt besteht, letztlich die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 217 Ziff. 3 StPO offen.

4. Zusammenfassend liegt dem angefochtenen Beschluss weder eine Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen noch Unangemessenheit oder Willkür zugrunde. Die Beschwerde müsste demnach auch dann abgewiesen werden, wenn darauf eingetreten werden könnte.

Rekurskommission, 13. September 1999, SW.1999.7


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