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RBOG 1999 Nr. 5

Begriff der mietrechtlichen Streitigkeit nach Art. 274d OR


Art. 274 d OR


1. Die Berufungskläger verpflichteten sich, den Berufungsbeklagten ein Restaurant zu vermieten und räumten ihnen ein Vorkaufsrecht ein. Der Mietantritt verzögerte sich. Nach Ablauf einer durch eine Zusatzvereinbarung festgesetzten Frist forderten die Berufungsbeklagten die von ihnen geleistete Zahlung für die im Restaurant befindlichen Einrichtungen zurück und machten die für den Fall der Nichterfüllung oder nicht richtigen Erfüllung vereinbarte Konventionalstrafe von Fr. 50'000.-- geltend. Die Berufungskläger bestritten die Zuständigkeit des Einzelrichters im beschleunigten Verfahren und führten aus, in diesem Fall überwiege das kaufvertragliche Element eindeutig, zumal ja die Mieter das Objekt nicht einmal angetreten hätten.

2. Nach Art. 274d OR sehen die Kantone für Streitigkeiten aus der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ein einfaches und rasches Verfahren vor.

a) Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die bundesrechtliche Zuständigkeitsordnung des Mietrechts allgemein zu verstehen, und es sind dieser Ordnung solche Streitigkeiten, welche mit der Benützung der Mietsache in Zusammenhang stehen, einheitlich zu unterstellen. Dies folgt vorab daraus, dass das Gesetz die Verfahrensordnung nicht aus dem Vertragsverhältnis, sondern aus dem mietrechtlichen Tatbestand als solchem begründet, welcher entsprechend weit zu fassen ist. Mithin tritt für die Zuständigkeitsfrage in den Hintergrund, ob der geltend gemachte Anspruch materiell als vertraglicher, quasi vertraglicher oder ausservertraglicher zu qualifizieren ist; eine differenzierte Anwendung eines an der materiellen Beziehung orientierten Verfahrensrechts nach Massgabe des Entstehungsgrunds der Obligation würde der traditionellen Ausrichtung des schweizerischen Rechts auf klare und überschaubare Verhältnisse widersprechen. Zudem ist zu vermeiden, die Zuständigkeit gleichsam vom Beweisergebnis in der Sache abhängig zu machen. Die Vornahme von solchen Differenzierungen würde die Gefahr unnützen prozessualen Leerlaufs schüren und widerspräche damit auch dem Auslegungsgrundsatz der Praktikabilität des Rechts (BGE 120 II 116 f.). Eine engere Auslegung wird von Higi vertreten, wonach der Grundsatz einheitlicher Gesetzesauslegung die einheitliche Auslegung von gleichlautenden Begriffen verlange (Higi, Berner Kommentar, Art. 274 OR N 56 f.). Gemäss dieser Lehrmeinung bezeichnet Art. 253 OR mit "Miete" einen Vertrag und dessen Wirkungen. Es könne nicht Ziel der gesetzesauslegenden Rechtsprechung sein, inhaltlich gemäss Sprachgebrauch einigermassen fixierte Begriffe, wie sie das Gesetz verwendet, durch eine angeblich praktikable Annahme eines diffusen Tatbestands zu ersetzen, der zu all dem aus sich selbst heraus noch eine weite Auslegung fordere. Seiner Ansicht nach ist somit ein mietrechtliches Verfahren im Sinn von Art. 274 ff. OR stets nur dann gegeben, wenn sich der Klagegegenstand (Anspruch) aus einem Mietverhältnis herleitet und damit dem entspricht, was unter die Vertragsklage, mit welcher alle materiell-rechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden, die aus einer bestehenden Vertragsbeziehung fliessen, fällt (Higi, Art. 274 OR N 44, 57 f.).

b) Durch den Mietvertrag verpflichtet sich der Vermieter, dem Mieter eine Sache zum Gebrauch zu überlassen, und der Mieter, dem Vermieter dafür einen Mietzins zu leisten (Art. 253 OR).

Die Miete ist die Überlassung einer Sache zum Gebrauch gegen Leistung eines Mietzinses. Mietgegenstände können Sachen oder Sachteile sein. Da die Überlassung innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfolgt, liegt ein Dauerschuldverhältnis vor. Leistung und Gegenleistung stehen dabei im Austauschverhältnis zueinander, weshalb von einem vollkommen zweiseitigen Vertrag auszugehen ist (Weber/Zihlmann, Basler Kommentar, 2.A., Vorbem. zu Art. 253-274g OR N 1). Den mietrechtlichen Schutzbestimmungen unterstehen auch gemischte Verträge, sofern sich das mietrechtliche Element nicht als unwesentlich erweist (Weber/Zihlmann, Vorbem. zu Art. 253-274g OR N 4). Als wesentlich ist jede mietvertragliche Komponente zu erachten, ohne die das Vertragsgebilde nicht zustande gekommen wäre (Weber/Zihlmann, Art. 253a-253b OR N 17).

3. a) In der Zusatzvereinbarung wurde festgehalten, falls die Vermieter das Mietobjekt den Mietern nicht vermieten sollten, verpflichteten sie sich, den Mietern Fr. 50'000.-- Konventionalstrafe gemäss dem Mietvertrag zu bezahlen. Die Konventionalstrafe wurde somit im Hinblick auf die Erfüllung des Mietvertrags vereinbart. Das Verhältnis zwischen Hauptforderung und Konventionalstrafe ist "akzessorisch" (Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, AT, Bd. II, 7.A., N 3959; Ehrat, Basler Kommentar, Art. 160 OR N 3). Die Konventionalstrafe setzt als akzessorisches Nebenrecht der Obligation zu ihrer Entstehung eine gültige Hauptforderung voraus. Ist die Hauptverpflichtung ungültig, so ist es auch die Konventionalstrafe (von Tuhr/Escher, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, 3.A., S. 278 f.; Gauch/Schluep/Schmid/Rey, N 3960). Geht die Hauptforderung vor Eintritt der Bedingung unter, geht auch die bedingte Pflicht zur Leistung einer Konventionalstrafe unter. Lebt die Forderung später wieder auf, tut es auch die Pflicht zur Leistung der Konventionalstrafe (Gauch/Schluep/Schmid/Rey, N 3961). Ob die Konventionalstrafe geltend gemacht werden kann, hängt somit direkt vom Mietvertrag und dessen (Nicht-)Erfüllung ab. Die Anwendung des mietrechtlichen Verfahrens ist daher ohne weiteres gerechtfertigt.

b) Auch die Anzahlung für das Inventar von Fr. 50'000.-- hängt logischerweise mit dem Mietvertrag für das Restaurant zusammen. Der Kauf des Restaurantinventars machte nur mit der Miete des entsprechenden Lokals überhaupt Sinn. Mit anderen Worten, der Kauf des Inventars wäre ohne die mietvertragliche Komponente erst gar nicht zustande gekommen, umso mehr, als bei Mietverträgen über Gastronomiebetriebe die käufliche Übernahme des Inventars branchenüblich ist.

Somit ist die Vorinstanz auf die Klage zu Recht eingetreten.

Rekurskommission, 5. August 1999, ZBR.1999.4


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