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RBOG 2000 Nr. 19

Obliegenheiten des Friedensrichters im Zusammenhang mit der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit; Voraussetzungen für eine Busse wegen Nichterscheinens


§§ 2 ff. ZPO, §§ 117 f ZPO


1. Gegen die Rekurrentin wurde eine Forderungsklage erhoben. Das Friedensrichteramt büsste sie wegen unentschuldigten Ausbleibens an zwei Vermittlungsvorständen. Mit dem Hinweis, sie habe ihren Wohnsitz erwiesenermassen vor Zustellung der ersten Vorladung in einen anderen Kanton verlegt und dies dem Friedensrichter auch mitgeteilt, reichte sie Rekurs ein, welcher vom Gerichtspräsidium abgewiesen wurde.

2. Die Vorinstanz ging im angefochtenen Entscheid davon aus, nachdem dem Friedensrichter als Sühnebeamten keine Entscheidkompetenz zukomme, liege es auch nicht in seiner Aufgabe oder Kompetenz, die örtliche Zuständigkeit zu prüfen oder abzuklären; richtigerweise habe er auf Antrag des Klägers die Parteien zum Vermittlungsvorstand vorgeladen. Diese Auffassung trifft insofern zu, als der Friedensrichter, auch wenn er sich für örtlich unzuständig hält, den Vermittlungsvorstand abzuhalten und eine Weisung auszustellen hat, sofern die klagende Partei darauf beharrt (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3.A., § 94 N 3; ZR 46, 1947, Nr. 169 und 62, 1963, Nr. 47 S. 124; a.M. Guldener, Zivilprozessrecht, 3.A., S. 420); der Friedensrichter muss mithin im Zweifelsfall das Sühneverfahren durchführen (vgl. Alborn, Der Friedensrichter im thurgauischen Prozessrecht, Diss. Basel 1977, S. 142) und ist nicht berechtigt, sich für unzuständig zu erklären (Entscheid der Rekurskommission des Obergerichts, ZR.1993.14, vom 24. Februar 1993, S. 6 ff.). Das heisst aber nicht, dass sich der Friedensrichter um die Frage der Zuständigkeit überhaupt nicht kümmern müsste: Vielmehr hat er seine örtliche und sachliche Zuständigkeit ebenso zu prüfen wie die Frage, ob die Klage allenfalls unmittelbar beim erkennenden Gericht einzureichen ist; verneint er seine Zuständigkeit, hat er der klagenden Partei entsprechende Vorhaltungen zu machen (Frank/Sträuli/Messmer, § 94 ZPO N 3; vgl. Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, Art. 139 N 1; Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2.A., § 139 N 3 f.; Studer/Rüegg/Eiholzer, Der Luzerner Zivilprozess, Kriens 1994, § 189 N 3;Ehrenzeller, Zivilprozessordnung des Kantons Appenzell A.Rh., Speicher 1988, Art. 121 N 4), um einerseits unnütze prozessuale Vorkehren zu vermeiden und andererseits den Grundsatz der Fairness im Prozess zu wahren. Insofern erscheint es als naheliegend, dass der Friedensrichter, bevor er eine Bussenverfügung wegen unentschuldigten Nichterscheinens zum Vermittlungsvorstand erlässt, bei unklaren bzw. bestrittenen Verhältnissen die Frage der örtlichen Zuständigkeit selbst prüft bzw. einen allfälligen Entscheid des zuständigen Gerichts abwartet. Wie weit die Obliegenheiten des Friedensrichters diesbezüglich gehen, kann indessen offen bleiben: Auch wenn eine beklagte Partei auf den Wohnsitzrichter verzichten und sich auf einen Rechtsstreit einlassen kann, so ist es ihr umgekehrt nicht verwehrt, sich überhaupt nicht auf den Prozess einzulassen und einem Vermittlungsvorstand fernzubleiben, der von einem unzuständigen Friedensrichteramt angesetzt worden ist. Die Erscheinungspflicht der Partei zum Vermittlungsvorstand hat keinen Selbstzweck in dem Sinn, dass sie selbst bei Unzuständigkeit bestehen und bei Nichterscheinen ohne weiteres zu einer Busse führen würde; dies gilt umso mehr, als § 118 ZPO bewusst als blosse Kann-Vorschrift ausgestaltet ist. Genauso, wie die Ausfällung einer Busse wegen Nichterscheinens eine korrekte Vorladung voraussetzt (Alborn, S. 150), bedingt sie auch eine örtliche Zuständigkeit des Friedensrichters. Damit ist die Bussenverfügung aufzuheben.

Obergericht, 10. April 2000, ZR.2000.29


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