Skip to main content

RBOG 2000 Nr. 22

Kostenvorschusspflicht, Kautionierung und unentgeltliche Prozessführung im Vermittlungsverfahren


§ 76 ZPO, § 80 ZPO, § 81 Abs. 1 ZPO


1. Gegenstand der Aufsichtsbeschwerde ist die Weigerung des Friedensrichters, das Vermittlungsverfahren durchzuführen, bis über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung rechtskräftig entschieden sei. Der Beschwerdeführer sieht darin eine Rechtsverweigerung seitens des Friedensrichters.

2. a) Nach § 130 Abs. 2 ZPO hat die klagende Partei die ordentlichen Kosten des Vermittlungsverfahrens und der Weisung zu bezahlen, wenn der Vermittlungsvorstand ohne Einigung schliesst. Die Mitteilung auf der Ladung vor Friedensrichteramt, der Kläger habe die Kosten des Vermittlungsvorstands von Fr. 500.-- nach der Verhandlung bar zu bezahlen, ist daher korrekt. Mangels gesetzlicher Grundlage nicht zulässig wäre es hingegen, die Durchführung des Vermittlungsvorstands bzw. die Ausstellung der Weisung generell von der vorgängigen Bezahlung der entsprechenden Kosten abhängig zu machen. § 76 ZPO sieht eine Kostenvorschusspflicht nur für das erstinstanzliche Untersuchungsverfahren, Forderungsprozesse mit einem Streitwert von über Fr. 50'000.--, im Aberkennungsprozess, in den vom Obergericht als einziger kantonaler Instanz zu beurteilenden Streitigkeiten, in den Rechtsmittelverfahren sowie für die Kosten von Beweisabnahmen in allen Verfahren vor. Dass für das Vermittlungsverfahren eine generelle Kostenvorschusspflicht nicht besteht, ergibt sich auch aus einem Vergleich zwischen § 76 Abs. 3 und § 77 Abs. 3 ZPO: Kostenvorschüsse setzen der Gerichtspräsident oder das Gericht fest, während nach § 77 Abs. 3 ZPO Kautionsverfügungen für das Vermittlungsverfahren durch die Friedensrichter erlassen werden können. Auch die Gebührenverordnung sieht keine Pflicht zur Vorauszahlung vor, weshalb die Aushändigung der Weisung nicht von der Barzahlung der Weisungskosten abhängig gemacht werden kann. Zwar werden Weisungen gewöhnlich per Nachnahme zugestellt, aber der Kläger ist nicht verpflichtet, die Nachnahme auch einzulösen. Wird die Nachnahme nicht eingelöst, hat eine gewöhnliche Zustellung als eingeschriebene Sendung zu erfolgen (RBOG 1990 Nr. 26). Alsdann gelten - wie mit Bezug auf die Fälligkeit von Gerichtsgebühren - die allgemeinen Grundsätze: Erst mit Kenntnisnahme des gerichtlichen Entscheids bzw. der entsprechenden Kostenregelung kann das Gericht die ihm zukommenden Gebühren von den Parteien verlangen; mithin werden gerichtliche Gebühren erst mit ihrer Kenntnisnahme fällig, was die Eröffnung des Entscheids voraussetzt (RBOG 1936 Nr. 6).

b) Zusammenfassend kann daher der Friedensrichter für die Kosten des Vermittlungsverfahrens bzw. der Weisung keinen Vorschuss verlangen. Sofern hingegen die Voraussetzungen von § 77 Abs. 1 ZPO erfüllt sind, kann der Friedensrichter für die mutmasslichen amtlichen Kosten und gegebenenfalls für die Parteientschädigung eine Kautionsverfügung für das Vermittlungsverfahren erlassen. Eine solche Kautionsverfügung kann mit Rekurs an das Bezirksgerichtspräsidium weitergezogen werden (RBOG 1995 S. 21, 1992 Nr. 31 S. 126). Allerdings kann eine Kautionsverfügung vom Friedensrichter nicht bzw. nicht mehr erlassen werden, sobald die klagende Partei ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung stellt: Einerseits gilt der verfassungsmässige Minimalanspruch auf unentgeltliche Prozessführung unabhängig von der Rechtsnatur für jedes staatliche Verfahren, in welches eine Partei einbezogen wird oder dessen sie zur Wahrung ihrer Rechte bedarf (BGE 121 I 62; Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, Art. 281 N 1c mit Hinweisen), mithin auch für das Vermittlungsverfahren. Andererseits befreit die unentgeltliche Prozessführung gemäss § 81 Abs. 1 ZPO von der Pflicht zur Leistung von Kautionen, und bis zur Erledigung des Gesuchs um unentgeltliche Prozessführung haben nach ständiger Praxis sämtliche Prozesshandlungen zu unterbleiben (vgl. RBOG 1966 Nr. 13, Entscheide der Rekurskommission des Obergerichts, ZR.1998.77 und 1999.17, vom 24. August 1998 bzw. 15. Februar 1999, je S. 6 mit Hinweisen). Zuständig zum Entscheid über ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ist nach dem klaren Wortlaut von § 80 Abs. 1 ZPO der Gerichtspräsident. Sobald daher die klagende Partei ein entsprechendes Gesuch im Vermittlungsverfahren stellt, hat es der Friedensrichter an das Bezirksgerichtspräsidium zum Entscheid weiterzuleiten. Zudem ist der Friedensrichter nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, bis zum rechtskräftigen Entscheid über das Gesuch keinen Vermittlungsvorstand anzusetzen. Dabei muss die klagende Partei die durch ihr Gesuch bedingten allfälligen Verzögerungen des Verfahrens auf sich nehmen; dies gilt umso mehr, als es regelmässig diese Partei selbst ist, die mit ihrem Gesuch einen Zwischenentscheid verlangt (RBOG 1998 S. 8).

c) Entsprechend diesen Grundsätzen war zwar die vom Beschwerdeführer behauptete Aufforderung der Friedensrichterin, zuerst die Gebühren von Fr. 500.-- zu bezahlen, mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht korrekt, sofern darin die Aufforderung zur Leistung eines Kostenvorschusses zu erblicken ist. Unter den Voraussetzungen von § 77 Abs. 1 ZPO hätte allerdings eine Kautionsverfügung erlassen werden können. Weil der Beschwerdeführer aber bereits mit dem Vorstandsbegehren ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung gestellt hatte, war bzw. ist dies bis zur Erledigung dieses Gesuchs durch das Bezirksgerichtspräsidium bzw. allenfalls die Rechtsmittelinstanz nicht möglich. Richtig war aber die Anordnung der Friedensrichterin, bis zur rechtskräftigen Erledigung des Gesuchs um unentgeltliche Prozessführung mit Offizialanwalt keine weiteren Prozesshandlungen vorzunehmen. Es war mithin völlig korrekt, dass die Friedensrichterin vorläufig nicht zu einem neuen Vermittlungsvorstand vorlud. Darin ist weder eine Rechtsverzögerung noch eine Rechtsverweigerung zu sehen. Dass die Friedensrichterin das Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung nicht von sich aus dem Bezirksgerichtspräsidium weiterleitete, schadete dem Beschwerdeführer ebenfalls nicht, weil er selbst bereits mit einer "Beschwerde" an das Gerichtspräsidium gelangt war, welches diese Eingabe als Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung an die Hand nahm und das Begehren mit dem angefochtenen Entscheid abwies. Da dieser Entscheid zum Zeitpunkt des anberaumten Vermittlungsvorstands noch nicht in Rechtskraft erwachsen war und der Beschwerdeführer gegenüber der Friedensrichterin bereits in Aussicht gestellt hatte, er werde Rekurs erheben, musste die Friedensrichterin die Durchführung des Vermittlungsvorstands bis zur rechtskräftigen Erledigung dieser Angelegenheit zwingend aussetzen.

d) Zusammenfassend erweist sich die Aufsichtsbeschwerde als unbegründet. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer lediglich rügte, die Friedensrichterin habe keinen neuen Termin für den Vermittlungsvorstand angesetzt, und beantragte, das Friedensrichteramt sei zu veranlassen, unverzüglich einen entsprechenden Termin anzusetzen. Gerade dies aber ist nicht möglich, solange nicht rechtskräftig über das Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung entschieden ist.

Obergericht, 17. Januar 2000, AJR.1999.4; ZR.1999.132


JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.