RBOG 2001 Nr. 23
Voraussetzungen für die Konkurseröffnung auf Antrag des Schuldners
1. Gemäss Art. 191 Abs. 1 SchKG kann der Schuldner die Konkurseröffnung selbst beantragen, indem er sich beim Gericht zahlungsunfähig erklärt. Nach Art. 191 Abs. 2 SchKG eröffnet der Richter den Konkurs, wenn keine Aussicht auf eine Schuldenbereinigung nach Art. 333 ff. SchKG besteht.
a) Die Insolvenzerklärung bzw. der Antrag des Schuldners auf Konkurseröffnung stellt ein Recht dar, das grundsätzlich jeder Person zusteht. Es findet seine Grenze indessen bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch des Schuldners. Zulässig ist die Annahme des Rechtsmissbrauchs beim Antrag mit Insolvenzerklärung, wenn der Schuldner damit offensichtlich nicht einen wirtschaftlichen Neubeginn auf solider Grundlage anstrebt, sondern ausschliesslich seine Belangbarkeit für die bestehenden Zahlungsverpflichtungen einschränken will. Das normwidrige Verhalten richtet sich nicht auf den zulässigen wirtschaftlichen Vorteil des Schuldners, sondern ausschliesslich auf den Nachteil der Gläubiger bzw. ihre Schädigung (Brunner, Basler Kommentar, Art. 191 SchKG N 14 und 16 mit Hinweisen).
b) Nach altem Recht konnte sich der Schuldner insolvent erklären und damit ohne weitere richterliche Prüfung die Konkurseröffnung bewirken. Das führte in etlichen Fällen zur Benachteiligung von Gläubigern, musste aber angesichts der geltenden gesetzlichen Bestimmungen hingenommen werden (vgl. RBOG 1976 Nr. 25). Die Gerichte und die Lehre entwickelten als Korrektiv dazu die Praxis zum Rechtsmissbrauch (vgl. Escher, Insolvenzerklärung und Rechtsmissbrauch, in: ZBJV 130, 1994, S. 719 f.; Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, 3.A., § 38 N 13 ff.). Dies führte im Rahmen der Revision des SchKG dazu, dass der Schuldner die Konkurseröffnung nur noch beantragen kann. Wie weit die anschliessende richterliche Prüfung geht, kann hier offen bleiben (vgl. Brunner, Art. 191 SchKG N 11; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 4.A., Art. 191 SchKG N 1; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6.A., § 38 N 26; Siegen/Buschor, Vom alten zum neuen SchKG, Zürich 1997, S. 121). Sowohl nach altem wie nach neuem Recht kann jedenfalls die Konkurseröffnung verweigert werden, wenn der Schuldner seine Insolvenz im Wissen darum, dass die Konkursmasse keine Aktiven aufweisen wird, oder einzig in der Absicht erklärt, zum Nachteil der Gläubiger eine Lohnpfändung abzuschütteln (BGE 123 III 403 f.). Die Eröffnung und Durchführung des Konkurses setzen voraus, dass noch Aktiven zu verteilen sind; fehlt es im Zeitpunkt der Insolvenzerklärung an solchen, und ist sich der Schuldner dessen bewusst, erweist sich das Verfahren als leere Form und kann sein Ziel nicht erreichen. Einzige Folge wäre die sofortige Einstellung des Konkurses; alsdann würden überhaupt keine Konkursverlustscheine ausgestellt (Huber, Basler Kommentar, Art. 265 SchKG N 4). Würde das Konkursverfahren durchgeführt, ohne dass Aktiven vorhanden sind, würde den Gläubigern statt der Pfändungs- einfach Konkursverlustscheine ausgestellt. Einen Konkursverlustschein sieht Art. 265 Abs. 1 SchKG aber für den "ungedeckt bleibenden Betrag" und nicht für den Gesamtbetrag sämtlicher Forderungen vor. Die Durchführung des Konkurses setzt daher ein Minimum an Konkursmasse voraus (Fritzsche/Walder, § 38 N 14a S. 97). Für die Durchführung eines Konkurses ohne jedes Substrat fehlt es daher regelmässig an einem hinreichenden Rechtsschutzinteresse (Fritzsche/Walder, § 38 N 14a S. 98). Das Festhalten an der Durchführung eines Verfahrens ohne Rechtsschutzinteresse ist regelmässig rechtsmissbräuchlich.
2. Aus der Pfändungsurkunde ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung keine pfändbaren Aktiven vorhanden waren. Die Situation wird sich auch heute nicht anders präsentieren, umso weniger, als die Rekurrentin von der Vorinstanz die Rückerstattung des Kostenvorschusses verlangte und erklärte, sie habe diesen Vorschuss nur mit Hilfe ihrer Mutter und ihrer Schwester leisten können. Ihr offenbar einziges grösseres Aktivum veräusserte die Rekurrentin freiwillig, indem sie ihren Miteigentumsanteil an einem Grundstück gegen Übernahme ihres Anteils an der bestehenden Grundpfandschuld auf den Miteigentümer übertrug. Gegenüber der Vorinstanz bezeichnete die Rekurrentin als Aktiva einen Verlustschein aus dem Konkurs ihres Bruders, den sie den Forderungen ihres Bruders zur Verrechnung gegenüberstellte, und ihre Lohnansprüche. Zudem wies sie ausdrücklich auf die Pfändungsurkunde hin, die belege, dass keine weiteren Aktiven vorhanden seien. Damit steht fest, dass nach einer allfälligen Konkurseröffnung kein Massavermögen vorhanden wäre und sich die Rekurrentin dieses Umstands bewusst war. Es fehlt ihr somit das Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Konkurses, was bereits zur Abweisung ihres Rekurses führen muss.
Obergericht, 12. März 2001, BR.2001.7