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RBOG 2001 Nr. 5

Einstweilige Verfügungen im Eheschutzverfahren


Art. 172 ff. ZGB, § 163 ZPO


1. Geht ein Eheschutzbegehren ein, holt das Bezirksgerichtspräsidium die Gesuchsantwort ein und führt, wenn triftige Gründe dafür bestehen, einen zweiten Schriftenwechsel durch (§ 162 Abs. 1 ZPO). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (5P.336/2000 vom 20. Oktober 2000) sind die Parteien vor Erlass des Entscheids zwingend einzuvernehmen.

2. a) Die Bedeutung des Eheschutzverfahrens hat sich zufolge der in Art. 114 ZGB verankerten Verpflichtung der Parteien, vor der Scheidung vier Jahre getrennt gelebt zu haben, wenn sie sich über die Auflösung der Ehe nicht einig sind, stark gewandelt. Das Eheschutzverfahren ist heute in vielen Fällen gleichermassen ein Verfahren zur Vorbereitung der Scheidung und wird deshalb nicht zu Unrecht auch als "kleines Scheidungsverfahren" bezeichnet (vgl. Steck, Neue Funktionen des Eheschutzes im Vorfeld der Scheidung, S. 6 ff., in: Schweizerisches Institut für Verwaltungskurse an der Universität St. Gallen [Hrsg.], Scheidungsrecht - erste Erfahrungen und neue Probleme, St. Gallen 2000). In der Regel wird das Bezirksgerichtspräsidium trotzdem bereits aufgrund der schriftlichen Eingaben und nach der persönlichen Anhörung der Parteien in der Lage sein, die für die Dauer des Eheschutzverfahrens notwendigen Massnahmen zu treffen. Speziell dann, wenn die Einkommensverhältnisse Selbstständigerwerbender zur Diskussion stehen, kann es aber erforderlich sein, dass das Gerichtspräsidium von sich aus und trotz des summarischen Verfahrens, in welchem Eheschutzverfügungen erlassen werden (§ 172 Ziff. 8 i.V.m. § 161 Ziff. 3 ZPO), weitere, oft zeitraubende Abklärungen tätigt. Gleichzeitig können die Parteien ein gerechtfertigtes Bedürfnis nach raschmöglichster Regelung der Verhältnisse haben. Unter diesen Umständen ist es sinnvoll, über die Rechtsbegehren der Parteien in einer ersten, vorläufig geltenden Verfügung gestützt auf zur Zeit nur rudimentäre Kenntnisse der massgebenden Faktoren zu befinden und sich den endgültigen Entscheid für später vorzubehalten.

b) Prozessual stützt sich die Möglichkeit, vorläufige Verfügungen zu erlassen, auf § 163 ZPO. Diese Bestimmung erlaubt es dem Richter, auf die Anhörung der Gegenpartei zu verzichten, wenn zeitliche Dringlichkeit glaubhaft gemacht wird (Merz, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung, Bern 2000, § 163 N 3). Einstweilige Verfügungen nach § 163 und § 176 ZPO können nicht nur im ordentlichen Verfahren erlassen werden; eine gesetzliche Einschränkung auf die Verfahrensart besteht nicht. Ebenso wenig kann ein vorläufiger Entscheid nur dann getroffen werden, wenn von der Gegenpartei keine Stellungnahme eingeholt wurde. Die zeitliche Dringlichkeit schliesst wohl oft die sofortige Gewährung des rechtlichen Gehörs aus; es kann sich aber auch erst nach Eingang der Gesuchsantwort zeigen, dass einerseits die Verhältnisse nun sofort zumindest vorläufig geregelt werden müssen, dass andererseits jedoch weitere Abklärungen nötig sind. Die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels widerspricht dem einen, der Erlass einer ordentlichen summarischen Verfügung mit der Möglichkeit des Abänderungsverfahrens dem anderen Anliegen. Gestützt auf § 163 ZPO kann demgegenüber in jedem Stadium des Eheschutzverfahrens, d.h. sowohl vor als auch nach Einholung der Stellungnahme der Gegenpartei und sowohl vor als auch nach Anhörung der Parteien, eine einstweilig geltende Verfügung erlassen und ein nachfolgender Entscheid in Aussicht gestellt werden. Einem auf diese Weise zweigeteilten Verfahren ist nicht nur im Vergleich zu zeitlich gestaffelten ordentlichen Teilentscheiden der Vorzug zu geben; von § 163 ZPO Gebrauch zu machen, kommt den Anliegen des Eheschutzverfahrens auch mehr entgegen, als wenn man diesen Rechtsbereich ins Untersuchungsverfahren (§§ 152 ff. ZPO) verlegt: Zum einen können die Begehren, über die im Eheschutzverfahren zu entscheiden ist, meist nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Die Höhe der Unterhaltsbeiträge hängt z.B. (auch) von der Wohnungszuteilung und der Obhut über die Kinder ab. Zum andern sind parallel laufende Verfahren - wenn möglich vor zwei Instanzen - aus prozessökonomischen Gründen zu vermeiden. Nicht ausser Acht gelassen werden darf schliesslich, dass das Summarium die in ehelichen Belangen gewünschte Raschheit des Verfahrens am besten gewährleistet.

c) Wird eine einstweilige Verfügung erlassen, muss ersichtlich sein, dass es sich um eine solche handelt: Es muss ihr einerseits klar entnommen werden können, dass ein weiterer Entscheid folgen wird, bzw. welche Punkte aus welchen Gründen noch abgeklärt werden, und in welcher Form sich die Parteien daran zu beteiligen haben. Andererseits darf sie angesichts von § 235 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO keinen Hinweis auf ein kantonales Rechtsmittel enthalten.

Obergericht, 26. September 2001, ZR.2001.68


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