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RBOG 2002 Nr. 10

"Domain Grabbing" bekannter Marken


Art. 2 UWG, Art. 3 lit. d UWG


1. Die Klägerinnen erhoben beim Obergericht Klage mit den Rechtsbegehren, es sei der Beklagten zu verbieten, die im Einzelnen angeführten Internet Domain Names in irgendeiner Weise zu gebrauchen oder zu veräussern, und diese sei zu verpflichten, bezüglich der Internet Domain Names gegenüber der schweizerischen Registrierungsstelle SWITCH eine Löschungserklärung im Sinn von Art. 14 der SWITCH Domain Name Policy abzugeben. Sie stützten ihre Klage auf das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241; UWG), das Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (SR 232.11; MSchG) sowie auf das Persönlichkeitsrecht und den Namensschutz gemäss Art. 28 f. ZGB.

2. Die an das Internet angeschlossenen Rechner müssen über eine eindeutige Adresse zu identifizieren sein, damit Daten übermittelt werden können. Daraus hat sich das dezentral unterhaltene Domain Name-System entwickelt. Hierarchisch auf der obersten Stufe des Domain Name-Systems befinden sich die Top Level Domains. Es handelt sich dabei um Kürzel, welche entweder bestimmte Kategorien von Organisationen bezeichnen (z.B. ".com" für kommerzielle Unternehmen, ".edu" für Bildungsinstitutionen usw.) oder Länderkürzel enthalten (so etwa ".ch" für Schweiz, ".de" für Deutschland usw.) und von der entsprechenden nationalen Registrierungsstelle verwaltet werden. Die zu ".ch" gehörenden Second Level Domain Names, welche regelmässig aus einer dem Top Level Domain Name voranzustellenden Buchstabenfolge bestehen, werden durch die Stiftung SWITCH mit Sitz in Zürich registriert (BGE 126 III 243 f.).

3. Die Klägerinnen machen primär eine Verletzung von Art. 2 und 3 lit. d UWG durch die Beklagte geltend.

a) Gemäss Art. 2 UWG ist unlauter und widerrechtlich jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. Unlauter handelt insbesondere, wer Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen (Art. 3 lit. d UWG). Unter diesen mitunter als wettbewerbsrechtlicher Kennzeichenschutz bezeichneten Tatbestand fallen sämtliche Verhaltensweisen, bei denen das Publikum durch die Schaffung von Verwechslungsgefahr irregeführt wird (BGE 126 III 245 mit Hinweisen).

b) Lässt eine Person einen oder mehrere fremde Namen oder Marken nur deshalb als Domain Name registrieren, um sie später einer (in der Regel besser berechtigten) Person zu verkaufen, wird dies in der Fachsprache als "Domain Grabbing", "Cybersquatting" oder "Warehousing" bezeichnet (Buri, Die Verwechselbarkeit von Internet Domain Names, Bern 2000, S. 145; Baudenbacher, in: Lauterkeitsrecht, Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettberwerb [Hrsg.: Baudenbacher], Basel/Genf/München 2001, Art. 2 N 120). Dieses Verhalten verstösst namentlich gegen Art. 2 UWG, wenn der Dritte eine Vielzahl fremder Kennzeichen als Second Level Domain Names reserviert hält oder - von sich aus oder auf Anfrage hin - dem Zeicheninhaber oder sonst einer Person die Übertragung der gewünschten Second Level Domain Names gegen ein unangemessenes Entgelt anbietet. Für eine Behinderungsabsicht spricht ferner die Tatsache, dass der Dritte kein erkennbares Interesse am eigenen Gebrauch des betreffenden Second Level Domain Names aufweist, wogegen umgekehrt ein sachlicher Grund für die Wahl des Zeichens - namentlich weil es sich um eine Sachbezeichnung handelt, die auf den Inhalt der gekennzeichneten Web Site hinweist - gegen eine bewusste Behinderung spricht (Buri, S. 146; Six, Der privatrechtliche Namensschutz von und vor Domänennamen im Internet, Zürich 2000, N 85 ff.). Vergleichbar mit diesem Fall ist auch BGE 126 III 239 ff.: Danach läuft die Reservierung eines Domain Names dem wettbewerbsrechtlichen Gebot des Handelns nach Treu und Glauben nach Art. 2 UWG zuwider, wenn damit der Ruf eines fremden Kennzeichens ausgebeutet wird.

c) Unbestritten ist, dass die Beklagte bei der schweizerischen Registrierungsstelle für Internet Domain Names SWITCH zahlreiche Second Level Domain Names reservieren liess, die als Hauptbestandteile Automarken und -firmen beinhalten. Diese Domain Names werden von der Beklagten zu einem Preis von je Fr. 1'000.-- zum Verkauf angeboten. Es ist schliesslich offensichtlich und von der Beklagten anerkannt, dass sie an den von ihr bei der Registrierungsstelle SWITCH angemeldeten und von der SWITCH registrierten Domain Names, die Automarken und Autofirmen betreffen, keine Rechte besitzt; vielmehr liegen diese je bei den Klägerinnen.

d) Die fraglichen Anmeldungen waren der Beklagten überhaupt erst möglich, weil die Registrierung nach dem Prinzip "first come, first served" erfolgt. Es findet keine Prüfung statt, ob die Antragsstellerin eigentlich berechtigt ist, die angemeldeten Domain Names zu verwenden (vgl. BGE 126 III 244). Mit der Registrierung ist die für die Adressfunktion notwendige Exklusivität gewährleistet, weil ein Domain Name zweiter Ebene unter einem bestimmten Top Level Domain nur einmal vergeben wird (BGE 126 III 244; Buri, S. 14 ff.). Die Registrierung hat somit eine Sperrwirkung zur Folge.

Die Beklagte liess eine grosse Anzahl Reservierungen vornehmen und verwendete dabei systematisch die Markenzeichen nahezu aller Automarken, obschon sie keinerlei Berechtigung an diesen hatte oder geltend machen könnte. Zugleich bot sie diese Domain Names zu einem Preis von je Fr. 1'000.-- zum Verkauf an. Damit ist die Absicht der Beklagten, durch den Verkauf der von ihr reservierten Domain Names Geld zu verdienen, sei es durch Verkauf an Dritte, welche Freude oder geschäftliche oder private Interessen an den berühmten Marken oder Firmen haben, oder sei es durch Verkauf an die Berechtigten selber, erwiesen. Mit dem beabsichtigten Verkauf der Domain Names beutet die Beklagte zudem den Ruf berühmter Automarken und Firmen aus, um sich damit zu bereichern.

e) Da die Beklagte mit der Verwendung der Automarken und Autofirmen in den reservierten Domain Names zudem eine Verwechslungsgefahr schafft, indem der Internet-Benutzer zumindest glauben könnte, zwischen der Beklagten und den Klägerinnen bestehe eine Verbindung, liegt auch ein Verstoss gegen Art. 3 lit. d UWG vor. Der Anwender identifiziert nämlich in den vorliegenden Fällen die Domain Names mit den dahinter stehenden Personen, Sachen oder Dienstleistungen. Die Beklagte wollte sich den Bekanntheitsgrad der Marke bei den Anwendern des Internets zunutze machen, denn es kann nicht abgestritten werden, dass mit den fraglichen Domain Names ein Wiedererkennungseffekt hervorgerufen wird, der zugleich die Erwartung weckt, unter dieser Adresse Informationsangebote der Klägerinnen abrufen zu können.

f) Damit ist das unlautere Verhalten der Beklagten ohne weiteres erstellt.

4. Da die Klagen bereits gestützt auf das UWG zu schützen sind, kann letztlich offengelassen werden, ob die Beklagte mit dem "Domain Grabbing" und ihren Verkaufsangeboten auch Namensrechte und Markenrechte der Klägerinnen verletzte. Immerhin dürfte eine Verletzung von Namensrechten wohl zu bejahen sein (vgl. Six, N 33 ff. und N 85 ff.). Nach der Lehre verstösst das "Domain Grabbing" für sich allein noch nicht gegen das Markenschutzgesetz (vgl. Buri, S. 96 ff.; Six, N 351); ob die Praxis dieser Auffassung folgen wird, ist allerdings noch nicht sicher. Ob mit dem Angebot zur Übertragung eines Domain Name Markenrechte verletzt werden, ist demgegenüber auch in der Lehre umstritten (bejahend Six, N 351; verneinend Buri, S. 99 f.).

Obergericht, 19. Februar 2002, Z1.2001.3


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