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RBOG 2002 Nr. 22

Voraussetzungen für einen Taschenarrest


Art. 271 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 SchKG


1. Die Rekurrentin hatte beantragt, beim in Wien wohnhaften Rekursgegner sei anlässlich seines Aufenthalts im Kanton Thurgau ein "Hosentaschenarrest" durchzuführen und das allenfalls von ihm benutzte Fahrzeug zu verarrestieren. Die Vorinstanz wies das Arrestgesuch ab und erwog, weil der Arrest anlässlich der Ausübung des Besuchsrechts, mithin quasi vor den Augen der Kinder, durchgeführt werden müsste, könnte dies das Verhältnis zwischen dem Vater und den Kindern beeinflussen und damit einen Schaden im Bereich eines höher bewerteten Rechtsguts bewirken. Das widerspräche einer schonenden Rechtsausübung.

2. a) Der "Taschenarrest" ist an sich in Art. 271 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG geregelt. Nach dieser Bestimmung kann für (fällige) Forderungen, welche ihrer Natur nach sofort zu erfüllen sind (z.B. Hotelrechnungen, Zechschulden), der Arrest bewilligt werden, wenn der Schuldner auf der Durchreise ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen. Dieser Arrestgrund ist vor allem für fahrende Kaufleute oder Schausteller ohne feste Geschäftsniederlassung vorgesehen; er gilt auch für Personen mit festem Wohnsitz in der Schweiz (Spühler/Pfister, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht I, 2.A., S. 204; Stoffel, Basler Kommentar, Art. 271 SchKG N 66 ff.).

Auf den Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG berief sich die Rekurrentin (zu Recht) weder ausdrücklich noch sinngemäss. Sie behauptete - ohne dabei allerdings den Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG zu substantiieren - vielmehr, der Schuldner habe seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, und sie verfüge über ein vollstreckbares Urteil. Sie machte mithin den Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG geltend.

b) Gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG kann Arrest gelegt werden, wenn der Schuldner weder Wohnsitz noch Aufenthalt in der Schweiz hat (Spühler/Pfister, S. 204) und kein anderer Arrestgrund gegeben ist. Arrestgegenstände eines gestützt auf diese Bestimmung verlangten Arrestes können aber nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur Vermögenswerte sein, die dauernd oder jedenfalls für eine gewisse Dauer in der Schweiz gelegen sind oder in der Absicht, sie hier zu hinterlegen, hergebracht wurden. Der Taschenarrest gegen einen Ausländer auf der Durchreise ist daher in der Regel unzulässig, ausser er würde sich auf den besonderen Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG stützen (BGE 112 III 47, 50 f.; a.M.: Staehelin, Die internationale Zuständigkeit der Schweiz im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, in: AJP 1995 S. 263 mit Hinweisen; Stoffel, Art. 271 SchKG N 46). Das Bundesgericht wies darauf hin, es widerspreche jeglichem Vertrauen im Geschäftsverkehr, wenn bei Ankunft des Schuldners in der Schweiz dessen ganzes Vermögen, das er mit sich führe, mit Arrest belegt werde (BGE 112 III 51); dabei sei gleichgültig, ob der Schuldner aus eigenem Antrieb zu Vergleichsgesprächen oder auf Aufforderung durch seinen Geschäftspartner gekommen sei. Dem Einwand, angesichts dieser Praxis könne der Taschenarrest auch gleich abgeschafft werden, weil er alsdann praktisch nie bewilligt werden könnte, hielt das Bundesgericht entgegen, es gebe in der Tat Fälle (z.B. BGE 105 III 18), wo der Taschenarrest sich als unzulässig erweise; das heisse aber nicht, dass diese Möglichkeit der Zwangsvollstreckung schlechterdings auszuschliessen wäre (BGE 112 III 52). Entsprechende Beispiele, in denen der Taschenarrest als zulässig erachtet würde, nannte das Bundesgericht freilich nicht. Diese Rechtsprechung wurde ausdrücklich bestätigt (BGE vom 23. August 2001, 7B.185/2001).

Die Rekurrentin legte nicht dar, dass der Rekursgegner beim Besuch seiner Kinder im Kanton Thurgau Vermögensgegenstände auf sich tragen wird, um sie in der Schweiz für eine gewisse Dauer zu hinterlegen. Angesichts der kritischen Haltung des Bundesgerichts zum Taschenarrest - es betonte unter anderem die Fragwürdigkeit dieser Sicherungsmassnahme (BGE 112 III 51) - kommt die Bewilligung des von der Rekurrentin beantragten Arrests hier wohl nicht in Betracht.

Obergericht, 3. Dezember 2001, BR.2001.99


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