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RBOG 2005 Nr. 17

Die Vorlage von Mustern gegenüber der Swissmedic gilt nicht als Verletzung von Schutzrechten


Art. 8 PatG


1. Auf Gesuch der Patentinhaberin verbot das Obergerichtspräsidium fünf Generika-Herstellerinnen ohne deren Anhörung und superprovisorisch bis zum 31. Juli 2005, namentlich bezeichnete Generika zu verkaufen oder sonst wie in Verkehr zu bringen. Nach Eingang der Gesuchsantworten wurde das Verbot aufgehoben.

2. Die Gesuchstellerin warf den Gesuchsgegnerinnen vor, dass deren Präparate den gleichen Wirkstoff Amlodipin wie das ihre enthalten und insofern ihr europäisches Patent verletzen würden. Die superprovisorische Verfügung ging davon aus, es sei glaubhaft gemacht, dass die Gesuchsgegnerinnen der Swissmedic ein Muster ihres Präparats hätten einreichen und wahrscheinlich Experimente zum Nachweis der therapeutischen Äquivalenz und der Bioverfügbarkeit durchführen müssen, was ohne Aufnahme einer Produktion oder Einfuhr des Präparates offensichtlich nicht möglich gewesen sei. Der Entscheid ging - mit dem ausdrücklichen Hinweis "einstweilen" - davon aus, dass der Ablauf der Schutzdauer vollständig abgewartet werden müsse, bevor ansonsten patentverletzende Schritte für die Vorbereitung der Zulassung eines Generikums an die Hand genommen werden dürften. Insofern wurde dem Entscheid des Handelsgerichtspräsidenten des Kantons St. Gallen vom 31. August 2004 gefolgt, wonach das Einreichen eines in der Schweiz patentrechtlich geschützten Wirkstoffs anlässlich eines Zulassungsverfahrens bei der Swissmedic eine patentverletzende Handlung darstelle. Dieser Frage ist angesichts der Erkenntnisse aus diesem Verfahren vertiefter nachzugehen.

a) Heinrich (PatG/EPÜ, Zürich 1998, N 8.05) hält zum von den Gesuchsgegnerinnen herangezogenen, anders lautenden Entscheid des Präsidenten des Obergerichts Basel Landschaft vom 1. Oktober 1997 (sic! 1998 S. 78 ff.) fest, dieser Entscheid scheine zweifelhaft, denn auch der Patentinhaber sei durch die Dauer des Registrierungsverfahrens benachteiligt; es bestehe daher kein genügender Grund, denjenigen, der nach Ablauf des Patentschutzes die Erfindung benutzen wolle, zu privilegieren. Diese Argumentation überzeugt schon insofern nicht ganz, als die Registrierungsverfahren, die hier miteinander verglichen werden können, offensichtlich recht unterschiedlich ablaufen, jedenfalls nach der Praxis der Swissmedic. Abgesehen davon ist tatsächlich nicht zu erkennen, warum die beiden Tatbestände nicht unterschiedlich behandelt werden könnten: Es liegt auf der Hand, dass (auch) in der Wissenschaft regelmässig auf früheren Erkenntnissen aufgebaut und insofern von früheren Errungenschaften profitiert wird; daran ändert sich nichts, auch wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse kommerzialisiert werden.

b) Stieger (in: Schweizerisches und Europäisches Patentrecht [Hrsg.: Bertschinger/Münch/Geiser], Basel 2002, N 12.34 ff.) handelt die Problematik einlässlich ab und kommt zum Schluss, es liege keine patentverletzende Handlung vor, wenn der Dritte lediglich den Antrag auf Zulassung stelle und/oder dem Gesuch Testergebnisse oder andere Unterlagen zur Erläuterung oder zum Nachweis von behaupteten Wirkungen des Produkts beifüge, denn damit stelle er weder das geschützte Produkt her noch halte er es feil noch bringe er es in Verkehr (N 12.107). Auch wenn der Dritte dem Zulassungsgesuch ein Muster des zuzulassenden Produktes beifüge, liege keine patentverletzende Handlung vor, weil andernfalls Art. 8 PatG überdehnt würde (N 12.108). Dementsprechend sei dem Massnahmeentscheid des Präsidenten des Obergerichts Basel Landschaft vom 1. Oktober 1997 im Ergebnis zuzustimmen. Differenzierend äussert sich Stieger zur Problematik von Versuchen (N 12.114 ff.).

c) Der Präsident des Handelsgerichts St. Gallen folgte in seinem Entscheid vom 31. August 2004 (sic! 2005 S. 31 ff.) der Auffassung von Heinrich: Es sei davon auszugehen, dass es beim Import und der Einreichung von Mustern bei der Zulassungsstelle nicht um eine private oder wissenschaftliche Benutzung, sondern um eine gewerbsmässige Handlung gehe, indem diese auf die Einführung eines Produkts abziele. In gleicher Weise wie der Hersteller von Generika sei auch der Patentinhaber dem öffentlich-rechtlichen Registrierungsverfahren unterworfen, womit nicht von einer ungerechtfertigten Benachteiligung oder entsprechenden Privilegierung des Patentinhabers durch eine faktische Verlängerung des Patentschutzes gesprochen werden könne. Ausserdem bestehe keine gesetzliche Ausnahmebestimmung, wonach für bestimmte Fälle, etwa in Bezug auf die gewerbsmässige Benutzung von Mustern in Verwaltungsverfahren, kein Patentschutz bestehe. Stieger wies indessen zu Recht darauf hin, dass die Gewerbsmässigkeit ein untaugliches Kriterium sei (N 12.124). Wie der vorliegende Fall zeigt, unterscheiden sich die Registrierungsverfahren für Arzneimittel je nach Einzelfall erheblich. Ausserdem ist nicht wegzudiskutieren, dass die vom Präsidenten des Handelsgerichts St. Gallen vertretene Auffassung faktisch eben doch zu einer Verlängerung des Patentschutzes führt; in jenem Fall waren es offenbar 54 Tage, während es hier um 120 Tage geht. Eine solche faktische Verlängerung ist insbesondere auch deshalb problematisch, weil das Institut des ergänzenden Schutzzertifikats gerade dem Zweck dient, die durch das Zulassungserfordernis bewirkte Verkürzung der kommerziellen Nutzungsdauer von Patenten für Arzneimittel zu korrigieren (vgl. Heinrich, N 140a.01). Der Hinweis im Entscheid, es bestehe keine gesetzliche Ausnahmebestimmung, wonach für bestimmte Fälle, etwa in Bezug auf die gewerbsmässige Benutzung von Mustern im Verwaltungsverfahren, kein Patentschutz bestehe, führt insofern nicht weiter, als in diesem Bereich eine offensichtliche Unklarheit der Rechtslage besteht.

d) Der Präsident des Obergerichts Basel Landschaft ging in seinem Entscheid vom 1. Oktober 1997 davon aus, es gehe zu weit, wenn bereits die Verwendung einer Erfindung im Rahmen eines Registrierungsverfahrens als gewerbsmässige Nutzung qualifiziert werden wollte. Hievon könnte nur die Rede sein, wenn die Erfindung für Handlungen, die unmittelbar darauf gerichtet seien, die Erfindung auf den Markt zu bringen, benutzt werde. Werde anders entschieden, würden Hersteller von Produkten, welche vor Einführung auf dem Markt einer sanitäts- oder anderweitigen polizeilichen Überprüfung unterzogen werden müssten, bei der Lancierung von dem Patentschutz unterstehenden Produkten nach Ablauf des Patentschutzes im Vergleich zu solchen, die ohne ein derartiges Verfahren auf den Markt gebracht werden könnten, benachteiligt, da sie faktisch einen längeren Patentschutz des Vorprodukts in Kauf nehmen müssten. Dass der Gesetzgeber eine solche Benachteiligung gewollt habe, dafür bestünden keine Anhaltspunkte. Überdies sei bei Einbezug der Verwendung von patentierten Erfindungen bei Mustern für polizeiliche Überprüfungsverfahren in den Patentschutz zu befürchten, dass nach Ablauf des Patents zahlreiche an der Herstellung von Produkten mit der nun frei gewordenen Erfindung interessierte Produzenten gleichzeitig an die Bewilligungsinstanz gelangen könnten und diese nicht in der Lage sei, die betreffenden Begehren gleichzeitig zu bearbeiten, woraus eine Benachteiligung derjenigen entstehe, deren Gesuch später behandelt werde, gegenüber denjenigen, die früher behandelt würden. Wenngleich auch diese Argumentation nicht auf Anhieb für sich allein überzeugt, erscheint sie doch als naheliegender als die blosse Argumentation mit der Verhinderung einer Privilegierung desjenigen, der nach Ablauf des Patentschutzes mit seinem Produkt auf den Markt will.

e) Die ausländischen Urteile, die von den Parteien herangezogen werden, geben für die zu entscheidende Frage nur teilweise etwas her; immerhin kommt der Rechtsvergleichung patentrechtlich eine gewisse Bedeutung zu (vgl. BGE 126 III 143 ff.).

Soweit die Gesuchstellerin sich auf den Entscheid des EuGH vom 9. Juli 1997 (Rechtssache C 316/95) beruft, wird mit diesem Urteil nur die Kompatibilität einer nationalen Regelung mit dem Europarecht festgestellt, nicht aber die allgemeine Massgeblichkeit einer konkreten Regelung festgehalten. In Deutschland ist - allerdings natürlich auf einer anderen gesetzlichen Grundlage, als sie in der Schweiz vorliegt (§ 11 Nr. 2 DPatG) - aufgrund der beiden Entscheide des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 1995 und vom 17. April 1997 (BGHZ 130, 259 ff. und 135, 217 ff.), welche vom Bundesverfassungsgericht gestützt wurden (Nichtannahmebeschluss vom 10. Mai 2000), jedes planmässige Vorgehen zur Gewinnung von Erkenntnissen erlaubt, um eine bestehende Unsicherheit über die Wirkungen und die Verträglichkeit eines Arzneimittel-Wirkstoffs zu beseitigen. Klinische Versuche, bei denen die Wirksamkeit und die Verträglichkeit eines den geschützten Wirkstoff enthaltenden Arzneimittels an Menschen geprüft wird, sind auch dann zulässig, wenn die Erprobungen mit dem Ziel vorgenommen werden, Daten für die arzneimittelrechtliche Zulassung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zu gewinnen; die gewerbliche Ausrichtung von Versuchen und die Intention, die gewonnenen Ergebnisse zu gewerblichen Zwecken zu verwerten, machen die Versuchshandlungen selbst nicht zu unzulässigen Patentverletzungen. Vorbehalten bleiben Fälle, wo der Versuch keinen Bezug zur technischen Lehre hat, oder wenn Erprobungen in einem vom Versuchszweck nicht mehr gerechtfertigten grossen Umfang vorgenommen oder die Versuche in der Absicht durchgeführt werden, den Absatz des Erfinders mit seinem Produkt zu stören oder zu hindern (Zitat nach den Regesten von BGHZ 135, 217). Diese Haltung des deutschen Bundesgerichtshofs wurde durch den Entscheid eines WTO-Panels im Streit zwischen der Europäischen Union und Kanada gestützt (Entscheid vom 17. März 2000; vgl. Erläuternder Bericht vom 29. Oktober 2001 zu einem Bundesbeschluss zu drei Übereinkommen auf dem Gebiet des Patentrechts und zur Änderung des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente, S. 39), woran auch das Urteil des neuseeländischen Court of Appeal vom 21. März 1991 (GRUR int. 1993 S. 342 ff.) wohl offensichtlich nichts (mehr) ändert. Das Urteil des BGH vom 21. Februar 1989 (BGHZ 107, 46 ff.) ist gemäss ausdrücklichem Hinweis des BGH insofern überholt, als es nur die Rechtslage nach dem früheren § 6 DPatG betrifft (BGHZ 130, 267 und 135, 234); auch wenn jene frühere deutsche Bestimmung im Wesentlichen dem heutigen Art. 8 PatG entspricht (Stieger, N 12.57), kann nicht davon ausgegangen werden, der Entscheid habe ohne weiteres Gültigkeit für die heutige Rechtslage in der Schweiz. Jedenfalls gehen die Bundesbehörden offenbar nach wie vor davon aus, ob "die Forschung zu gewerblichen Zwecken, namentlich mit dem Ziel der Vorbereitung der Marktzulassung durchgeführte Versuche, vom Versuchsprivileg erfasst sind, (sei) für das schweizerische Recht nicht geklärt" (Erläuternder Bericht, S. 39).

f) Entsprechend dem Entscheid des Präsidenten des Obergerichts Basel Landschaft würde es einerseits tatsächlich zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung führen, wenn Hersteller von Produkten, welche vor Einführung auf dem Markt einer sanitäts- oder anderweitigen polizeilichen Überprüfung unterzogen werden müssten, bei der Lancierung von dem Patentschutz unterstehenden Produkten nach Ablauf des Patentschutzes im Vergleich zu solchen, die ohne ein derartiges Verfahren auf den Markt gebracht werden könnten, faktisch einen längeren Patentschutz des Vorproduktes auf sich nehmen müssten; dass eine solche Benachteiligung vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen wurde, kann nicht ernsthaft angenommen werden. Andererseits ist jedenfalls die Befürchtung nicht völlig auszuschliessen, dass nach Ablauf des Patents zahlreiche an der Herstellung von Produkten mit der nun frei gewordenen Erfindung interessierte Produzenten gleichzeitig an die Bewilligungsinstanz gelangen und diese nicht in der Lage ist, die betreffenden Begehren so zeitgerecht zu behandeln, dass daraus keine Benachteiligungen entstehen.

Dazu kommt nun aber, dass in der bisherigen Diskussion der strittigen Frage offenbar der Rolle der Swissmedic nur sehr beschränkt nachgegangen wurde. Dieser Umstand folgt wohl daraus, dass allgemein davon ausgegangen wurde, es gebe in der Schweiz gar keine Zulassungsverfahren, welche nicht (mindestens) die Einreichung des zuzulassenden Produkts bedingten (vgl. Stieger, N 12.107).

Im Vorbescheid gegenüber der Gesuchsgegnerin 2 hielt die Swissmedic fest, auf eine Musterprüfung werde verzichtet; gleichzeitig bestätigte sie, es sei für den betreffenden Sponsor kein klinischer Versuch mit Amlodipin (inklusive Salze) notifiziert worden. Bei der Gesuchsgegnerin 4 bestätigte die Swissmedic, die in diesem Gesuch eingereichte Bioaequivalenzstudie sei nicht in der Schweiz durchgeführt worden, und andere klinische Studien seien nicht notwendig gewesen; seitens der Gesuchsgegnerin 4 wird hingegen zugestanden, dass sie der Swissmedic Muster einreichen musste. Die Gesuchsgegnerin 1 und die Gesuchsgegnerin 3 weisen durch Vorlage der entsprechenden Vorbescheide nach, dass sie keine Muster einreichten noch dazu von der Swissmedic aufgefordert wurden; umgekehrt wird geltend gemacht, es sei wenig wahrscheinlich, dass die Gesuchsgegnerinnen klinische Versuche in der Schweiz durchgeführt hätten, was auch tatsächlich nicht der Fall sei, wobei allerdings entsprechende Belege fehlen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Swissmedic offenbar teils Muster verlangt, aber keine Versuche, teils Versuche, aber keine Muster, und teils weder Muster noch Versuche.

Nun ist freilich davon auszugehen, dass für diese unterschiedlichen Ansätze objektive Gründe seitens der Swissmedic bestehen, die in der Sache selbst liegen. Das gilt umso mehr, als offenbar in allen diesen Fällen dieselben Sachbearbeiter verantwortlich zeichneten. Tatsächlich führen diese wenn auch intern objektiv begründbaren Unterschiede in der Vorgehensweise der Swissmedic aber faktisch dazu, dass betrachtet man die Einreichung von Mustern beziehungsweise die Durchführung von Versuchen als Patentverletzung die Frage, ob vor Ablauf des Patentschutzes eine Patentverletzung "nötig" wird oder nicht, vom Entscheid der Organe der Swissmedic abhängt; ein Resultat, das an sich schon nicht befriedigen kann.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber, dass auch der Präsident des Handelsgerichts St. Gallen offensichtlich davon ausging, es gebe im vorliegenden Zusammenhang ein einheitliches, "nach Schema" ablaufendes und im Wesentlichen gleichbleibendes Registrierungsverfahren. Dies ist indessen, wie dieses Massnahmeverfahren ergeben hat, aufgrund der zwar nachvollziehbaren, aber bisher offenbar wenig bekannten Praxis der Swissmedic gerade nicht der Fall: Wie das Beispiel der Gesuchsgegnerin 2 zeigt, gibt es Generika-Hersteller, die aufgrund der in ihrem Fall gegebenen Verhältnisse der Swissmedic weder Muster einreichen noch Versuche durchführen müssen; diese Hersteller können mit ihrem Produkt nach Ablauf des Patentschutzes - sofern ihnen kein Massnahmeentscheid in die Quere kommt - ohne irgendwelchen zeitlichen Verzug und ohne Einschränkung auf den Markt. Demgegenüber gibt es andere Generika-Hersteller, wie etwa die Gesuchsgegnerinnen, welche Muster einreichen bzw. Versuche durchführen müssen und damit, sofern entsprechende Handlungen als patentverletzend qualifiziert würden, zwingend gewisse zeitliche Vorgaben einhalten müssen und damit gegenüber dem Vorsprung der Konkurrenten zwangsläufig Marktanteile einbüssen. Dass diese Unterschiede letztlich auf zulassungsrechtlichen und damit polizeirechtlichen Gründen beruhen, ändert an der Problematik nichts: Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang nämlich einzig, dass sich unter diesen Umständen die Frage der so genannten "Privilegierung" des Generika-Herstellers gegenüber dem Patentinhaber ganz anders darstellt, als ursprünglich angenommen. Gerade die Vermeidung einer angeblichen Privilegierung wird indessen im Werk von Heinrich als einzige Begründung für Zweifel am Entscheid des Präsidenten des Obergerichts Basel Landschaft angeführt und bildete dementsprechend wesentliche Entscheidungsgrundlage auch im Entscheid des Präsidenten des Handelsgerichts St. Gallen.

g) Ergänzend rechtfertigt sich auch eine kurze Sicht de lege ferenda: Im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Bundesbeschluss zu drei Übereinkommen auf dem Gebiet des Patentrechts und der Änderung des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente soll das Forschungsprivileg klargestellt werden (Erläuternder Bericht, S. 39 f.). Mit einem Art. 10a soll die Formulierung von § 11 Nr. 1 DPatG aufgegriffen und erlaubt werden, die geschützte Erfindung für Versuchszwecke zu verwenden, etwa um ihre Tauglichkeit oder Weiterentwicklungsmöglichkeit zu prüfen. Die Formulierung der Bestimmung will klarstellen, dass das Forschungsprivileg nur gilt, wenn die patentierte Erfindung Gegenstand der Forschung ist, d.h. deren Untersuchungsobjekt darstellt. In diesem Rahmen sind aber alle Versuchshandlungen freigestellt, soweit sie der Gewinnung von Erkenntnissen und damit der wissenschaftlichen Forschung über den Gegenstand der Erfindung einschliesslich seiner Verwendungen dienen. Unter das Versuchsprivileg sollen dabei auch Versuche fallen, mit denen die Wirksamkeit und die Verträglichkeit eines den geschützten Wirkstoff enthaltenden Arzneimittels im Hinblick auf seine Marktzulassung geprüft werden.

h) Im Gesamtzusammenhang sind durchaus auch Aspekte der Rechtssicherheit zu beachten; das gilt insbesondere auch mit Blick auf die in der Sache zwar einleuchtende Praxis der Swissmedic, wonach je nach Einzelfall Muster vorgelegt oder Versuche durchgeführt werden müssen, welche je nach Rechtslage allerdings unerfreuliche Resultate zeitigen kann. Im Wesentlichen dürfte bisher - jedenfalls bis vor kurzem - nur der Entscheid des Präsidenten des Obergerichts Basel Landschaft bekannt gewesen sein, insbesondere in der Branche selbst. Es versteht sich von selbst, dass aus dieser Tatsache allein nichts zugunsten der Gesuchsgegnerinnen geschlossen werden kann, doch kann ihnen kaum vorgeworfen werden, wenn sie sich als Richtlinie an den einzigen in der Schweiz bekannt gewordenen Gerichtsentscheid hielten.

i) Zusammenfassend ist mit Rücksicht auf alle diese Umstände Art. 8 PatG dahingehend auszulegen, dass die Vorlage von Mustern gegenüber der Swissmedic nicht als Verletzung von Schutzrechten gelten kann. Mit Bezug auf die Frage von Versuchen ist durch blosse Auslegung von Art. 8 PatG keine Regel zu gewinnen, so dass faktisch von Art. 1 Abs. 2 ZGB auszugehen ist (Stieger, N 12.130); dabei wird mit Rücksicht auf die erwähnten Gegebenheiten bei der Regelbildung ebenfalls der Schluss gezogen werden müssen, dass vorbehältlich von Ausnahmefällen (wie sie etwa in BGHZ 135, 217 ff. definiert wurden) keine Schutzrechtsverletzung gegeben ist.

Präsident des Obergerichts, 7. April 2005, PO.2005.1


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