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RBOG 2005 Nr. 18

Rechtsnatur des Anspruchs auf Veröffentlichung des Urteils


Art. 9 Abs. 2 UWG


1. Gemäss Art. 9 Abs. 2 UWG kann verlangt werden, dass eine Berichtigung oder das Urteil Dritten mitgeteilt oder veröffentlicht wird. Unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Urteilspublikation besteht, wird durch das Gesetz nicht weiter spezifiziert (von Büren/Marbach, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 2.A., N 850). Aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich allerdings, dass die Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 1 Halbsatz 1 UWG erfüllt sein müssen, d.h. der Kläger muss durch unlauteren Wettbewerb in seinen geschützten Interessen bedroht oder verletzt werden (Baudenbacher/Glöckner, in: Lauterkeitsrecht, Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [Hrsg.: Baudenbacher], Basel/Genf/München 2001, Art. 9 UWG N 146). Das schutzwürdige Interesse besteht typischerweise im Anliegen nach Aufklärung der massgeblichen Verkehrskreise bzw. nach Beseitigung anhaltender Marktverwirrung oder von Unsicherheiten im Publikum. Auch generalpräventive Überlegungen können die Urteilspublikation rechtfertigen, insbesondere in Fällen systematisch angelegter Verletzungen sowie wenn aufgrund des Verhaltens des Verletzers (oder auch seiner Uneinsichtigkeit) weitere Verstösse zu befürchten sind (von Büren/Marbach, N 850). Die Veröffentlichung muss ausserdem notwendig und geeignet sein, um die Aufklärung der betroffenen Verkehrskreise zu bewerkstelligen. Sie hängt weder vom Verschulden des Verletzers noch vom Schadenseintritt beim Verletzten ab (Baudenbacher/Glöckner, Art. 9 UWG N 149). Die Anordnung der Urteilspublikation setzt sodann eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall voraus. In diesem Rahmen sind die mit der Veröffentlichung bzw. Nichtveröffentlichung einhergehenden Interessen der Öffentlichkeit an der Aufhebung der Marktverwirrung bzw. der obsiegenden Partei an der Verhinderung weiterer nachteiliger Auswirkungen auf ihre Wettbewerbsstellung gegen diejenigen der unterliegenden Partei abzuwägen. Die Anordnung der Urteilspublikation wird häufig darauf gestützt, dass die Verwirrung in den Abnehmerkreisen und die Unsicherheit über die Rechtslage behoben werden müsse. Das ist der Fall, wenn die betreffenden Produkte bereits auf dem Markt angeboten wurden. Eine massgebende Rolle für die Anordnung der Urteilspublikation spielt insbesondere die lange Zeitdauer eines Wettbewerbsverstosses und der daraus resultierende hohe Grad an Publizität bzw. Marktverwirrung (Baudenbacher/Glöckner, Art. 9 UWG N 150 f.).

a) Die Tatsache, dass die Beklagte keine (konkreten) Einwände gegen eine Veröffentlichung vorbrachte, sondern diese lediglich allgemein bestritt, erlaubt keine umfassende Abwägung der Interessen der Parteien. Mit Blick darauf, dass die Beklagte mittlerweile seit bald fünf Jahren unlauter handelt und dadurch für erhebliche Marktverwirrung sorgte, ist das schutzwürdige Interesse der Klägerin an einer Aufklärung des Publikums und damit an einer Urteilspublikation fraglos zu bejahen. Dies gilt in ganz besonderem Mass, weil die Beklagte noch an der Hauptverhandlung keine Einsicht zeigte und offen zu erkennen gab, dass sie ohne gerichtliches Verbot bzw. Gebot von den unlauteren Handlungen nicht ablassen werde.

b) Der Anspruch auf Veröffentlichung des Urteils ist systematisch nicht leicht einzuordnen. Art. 6 aUWG ging davon aus, dass den Normadressaten im Hinblick auf die Urteilsveröffentlichung selbst keine Leistungspflicht traf. Wurde der Antrag auf Veröffentlichung des Urteils vom Gericht gutgeheissen, so war er vom Verletzten zu erfüllen. Der Normadressat wurde lediglich im Hinblick auf die Kostentragung verpflichtet. Insoweit lag die Annahme nahe, dass jedenfalls der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung selber kein Anspruch im materiellrechtlichen Sinn, sondern allein ein prozessualer Antrag - vergleichbar dem Kostenantrag sei. Anlässlich der Revision des UWG wurde die Formulierung der Bestimmung indessen geändert und der Anspruch der Urteilspublikation neben den auf Berichtigung gestellt. Damit kann die Vorschrift heute ohne weiteres so verstanden werden, dass der Normadressat dem Verletzten gegenüber die Veröffentlichung des Urteils unmittelbar schuldet. Das rechtfertigt auch insoweit die Annahme eines materiellrechtlichen Anspruchs. Allerdings wird es nach wie vor für zulässig gehalten, dass das Gericht die obsiegende Partei zur Veröffentlichung ermächtigt. Die Möglichkeit des Gerichts, die Ersatzvornahme zu gestatten, ändert nichts daran, dass der vorgelagerte Anspruch auf Urteilsveröffentlichung nach Massgabe des gesetzlichen Modellbilds vom Normadressaten zu erfüllen ist (Baudenbacher/Glöckner, Art. 9 UWG N 145 und 162; vgl. bezüglich Ermächtigung auch Schaltegger, Die Haftung der Presse aus unlauterem Wettbewerb, Diss. Basel 1992, S. 108 f.). Aus dem Rechtsbegehren der Klägerin ergibt sich nicht, ob sie die Beklagte verpflichtet sehen möchte, das Urteil zu publizieren. Vielmehr wurde lediglich beantragt, "das Urteil sei auf Kosten der Beklagten ... zu publizieren". Die Klägerin verlangte damit nicht die Verpflichtung der Beklagten, so dass sie trotz des an sich bestehenden materiellrechtlichen Anspruchs die Veröffentlichung selber vorzunehmen hat. Dazu ist sie im Sinn einer Ersatzvornahme ohne weiteres zu ermächtigen.

2. Die Modalitäten der Urteilspublikation sind vom Gericht zu bestimmen, wobei es dem Kläger frei steht, die näheren Umstände der von ihm gewünschten Veröffentlichung zu beantragen (Baudenbacher/Glöckner, Art. 9 UWG N 153). Dem Begehren, das Urteil sei in der "Thurgauer Zeitung" und dem "Bote vom Untersee und Rhein" zu publizieren, kann dabei stattgegeben werden, nachdem das Tätigkeitsgebiet der Beklagten im Einzugsgebiet beider Zeitungen liegt. Im Übrigen verzichtete die Klägerin auf eine Konkretisierung ihres Antrags, so dass Inhalt, Art und Umfang sowie der Zeitpunkt der Veröffentlichung durch das Gericht aufgrund einer Interessenabwägung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit festzulegen sind (Pedrazzini/Pedrazzini, Unlauterer Wettbewerb, 2.A., N 14.26). Mangels einer entsprechenden Stellungnahme der Beklagten fehlt abermals eine Grundlage für eine Interessenabwägung. Unter diesen Umständen ist die Urteilspublikation nach pflichtgemässem Ermessen inhaltlich auf die (hinreichend aussagekräftige) Spruchformel gemäss Ziff. 1 des Dispositivs zu beschränken. Angemessen erscheint es sodann, sie als zweispaltiges Inserat zu fassen, wobei die Veröffentlichung einmal innert längstens dreier Monate nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu erfolgen hat.

Obergericht, 20. Januar 2005, Z1.2004.2


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