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RBOG 2005 Nr. 28

Gehilfenschaft: Strafbarkeit von Alltagshandlungen oder berufstypischen Dienstleistungen


Art. 25 StGB


1. X liess sich von der als Taxifahrerin tätigen Berufungsklägerin nach A fahren, wo er die dortige Bank überfiel. Nach der Tat bestieg X wiederum das vor dem Bankgebäude wartende Taxi der Berufungsklägerin und wies diese an, wegzufahren.

2. Die Vorinstanz sprach die Berufungsklägerin der Gehilfenschaft zu Raub schuldig. Diese habe zumindest in Kauf genommen, dass der Haupttäter mit ihr als Taxifahrerin einen Raub verübe, zumal sie genaue Kenntnis von dessen Absicht gehabt habe. Die Berufungsklägerin bestreitet die Erfüllung des objektiven Tatbestands nicht; sie macht aber geltend, den subjektiven Tatbestand nicht erfüllt zu haben.

3. a) Gemäss Art. 25 StGB kann milder bestraft werden, wer zu einem Verbrechen oder einem Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet. In subjektiver Hinsicht verlangt Art. 25 StGB Vorsatz: Der Gehilfe weiss oder rechnet damit, eine bestimmt geartete Straftat zu unterstützen, und er will dies oder nimmt es in Kauf (BGE 121 IV 120). Sein Tatbeitrag ist jedoch untergeordneter Natur und für die Verwirklichung des Delikts nicht derart wesentlich, dass dieses mit ihm steht und fällt. Im Gegensatz zum Mittäter will der Gehilfe an der Verwirklichung der Haupttat nicht in massgebender Weise mitwirken, denn er sieht die Tat nicht als seine eigene (Forster, Basler Kommentar, Art. 25 StGB N 3). Umstritten ist, wie weit an und für sich harmlose Alltagsgeschäfte beziehungsweise berufstypische Dienstleistungen, die im Einzelfall aber der Förderung einer Straftat dienen, als Gehilfenschaft strafbar sein können: Das Bundesgericht nahm dazu bisher nicht abschliessend Stellung (BGE 120 IV 272); es behandelt die Frage als solche des subjektiven Tatbestands und begnügt sich mit der Feststellung, dass der Gehilfe nach Lage der Dinge von möglichen deliktischen Absichten des Täters gewusst oder sie doch in Kauf genommen haben müsse (BGE 121 IV 122 f.). Nach Auffassung von Stratenwerth kann dies nicht der entscheidende Gesichtspunkt sein: Wie schon die eigentliche Tathandlung, so stelle auch die Hilfeleistung zur Tat nur strafrechtlich relevantes Unrecht dar, wenn sie ein über das zulässige Mass hinausgehendes, unerlaubtes Risiko schaffe. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sei es kaum vertretbar, Alltagshandlungen, die mit dem Recht äusserlich in Einklang stünden, nur zu kriminalisieren, weil der Handelnde im Einzelfall mehr oder weniger zufällig wisse oder damit rechne, dass ein anderer sie zu deliktischen Zwecken missbrauchen könnte. Ihr sozialer Sinn werde durch die Konventionen definiert, denen sie folgten. Anders dürfte es nur dort liegen, wo eine im Allgemeinen unverfängliche Handlung unter den gegebenen Umständen allein den Sinn haben könne, zur Begehung eines Delikts beizutragen, und der Gehilfe sich dessen bewusst sei (Schweizerisches Strafrecht, AT I, 2.A., § 13 N 115). Forster (Art. 25 StGB N 31 ff.) dagegen weist darauf hin, dass die Figur des erlaubten Risikos für sich allein betrachtet noch keine überzeugende Lösungen ermögliche. Die Frage, ob sich eine auf den ersten Blick harmlose Dienstleistung als sozialadäquat einstufen lasse, könne nicht ohne Würdigung der konkreten Umstände und insbesondere nicht ohne Rücksicht auf das Wissen und Wollen des Teilnehmers beurteilt werden. Bei näherer Betrachtung würden sich hinter der Problematik der harmlosen Alltagsgeschäfte Subsumtionsfragen des objektiven und insbesondere des subjektiven Beihilfetatbestands verstecken. Zwar möge es zulässig und sozialadäquat sein, Pfeffer zu verkaufen, nicht aber damit bewusst ein Vergehen oder Verbrechen zu unterstützen. Wer wisse und in Kauf nehme, dass der verkaufte Pfeffer nicht zum Würzen diene, sondern gezielt einem Opfer in die Augen verabreicht werden solle, könne genauso als Gehilfe strafwürdig und strafbar erscheinen wie derjenige, der wisse, dass dem Raubopfer (mit einem zur Verfügung gestellten Spray) Tränengas in die Augen gesprüht werden solle. Bei Alltagsgeschäften müsse die (ausnahmsweise) deliktische Verwendung für den Leistungserbringer naheliegend und erkennbar sein. Daher sei zu prüfen, wie alltäglich beziehungsweise harmlos die fragliche Ware oder Dienstleistung nach den Umständen und der nachvollziehbaren Sicht der Beteiligten erscheine.

b) Das Obergericht zieht die Auffassung Forsters derjenigen Stratenwerths vor. So überzeugt der Hinweis, wonach eine Beschränkung der Strafbarkeit für übliche Alltags- und Massengeschäfte über die Kriterien des objektiven und subjektiven Beihilfetatbestands eher möglich erscheine als (allein) über die wenig justiziablen und kaum objektivierbaren Gesichtspunkte der Sozialadäquanz beziehungsweise des erlaubten Risikos, gerade auch aus praktischer Sicht (Forster, Art. 25 StGB N 37). Abgesehen davon setzt das Kriterium der Sozialadäquanz die Schwelle für die Strafwürdigkeit bei Alltagsgeschäften in der Tendenz zu hoch an. Das Verkaufen von Mineralwasser oder Pfeffer oder das Ausleihen eines Sackmessers etwa stellen wohl unstrittig sozial adäquate Handlungen dar (Stratenwerth, § 13 N 115; Forster, Art. 25 StGB N 31, 42): Wenn der Verkäufer oder der Verleiher bei solchen Geschäften - wenn auch nur zufällig - weiss oder lediglich in Kauf nimmt, dass der Käufer oder Entlehner mit der Mineralwasserflasche jemanden erschlagen, den Pfeffer zur Blendung des Raubopfers oder das Sackmesser zur Sachbeschädigung verwenden will, vermag aber nicht einzuleuchten, weshalb nach Stratenwerth (§ 13 N 115) hierin kein strafwürdiges Verhalten liegen soll. Auch wenn der Verkauf von Pfeffer sozial adäquat ist, ändert dies nichts daran, dass es nicht zulässig sein darf, damit bewusst ein Vergehen oder Verbrechen zu unterstützen. Schliesslich ist auch nicht unberücksichtigt zu lassen, dass die Auffassung Forsters näher bei der vom Bundesgericht angewandten rein subjektiven Betrachtungsweise liegt.

Letztlich ist im hier zu entscheidenden Fall aber gar nicht ausschlaggebend, welcher Auffassung gefolgt wird, denn auch Stratenwerth anerkennt, dass eine im Allgemeinen unverfängliche Handlung strafbar sein könne, wenn sie unter den gegebenen Umständen allein den Sinn haben könne, zur Begehung eines Delikts beizutragen und der Gehilfe sich dessen bewusst sei (§ 13 N 115). Nach der Auffassung des Obergerichts wusste die Berufungsklägerin schon frühzeitig um den Plan von X, und sie wollte mit ihrem Fahrdienst den geplanten Raub fördern. Die Taxifahrt hatte daher einzig den Sinn, den Haupttäter für die Begehung eines Raubs zu einer Bank zu führen und ihn vom Tatort wieder wegzubringen. Eine ernsthafte andere Bedeutung ist nicht zu erkennen und konnte insbesondere auch durch die Berufungsklägerin nicht dargetan werden. Angesichts des direkten Vorsatzes der Berufungsklägerin kann auch die von Forster aufgeworfene Frage offen gelassen werden, ob bei "echten" Alltagshandlungen wie etwa beim Verkauf von Mineralwasser, bei Taxifahrten oder beim Verkauf von Blumen an einen Heiratsschwindler Eventualvorsatz ausgeschlossen und direkter Vorsatz gefordert werden sollte (Art. 25 StGB N 39). Immerhin ist festzustellen, dass sich diese Auffassung mit der geltenden Rechtslage wohl kaum in Einklang bringen lässt (vgl. Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2.A., Art. 18 N 17).

Obergericht, 15. März 2005, SBO.2004.14


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