RBOG 2005 Nr. 31
Nur mit Bezug auf erkenntlich abgegrenzte Plätze kann Hausfriedensbruch begangen werden
1. Gemäss Art. 186 StGB wird auf Antrag mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Haus gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt.
2. Eine entsprechende Umfriedung bestand im vorliegenden Fall offenbar nicht; zumindest ergibt sich nichts Derartiges aus der Anklageschrift, und es ging auch die Vorinstanz von fehlender Umfriedung aus. Sie schloss sich allerdings der im Gegensatz zur herrschenden Lehre vertretenen Meinung von Thormann/ von Overbeck (Das Schweizerische Strafgesetzbuch, BT II, Zürich 1941, Art. 186 N 5) an, welche nebst den durch irgend ein Hindernis, z.B. Mauer, Zaun oder Lebhag, abgetrennten Plätzen auch offene Plätze, die unmittelbar zum Haus gehören und häuslichen Zwecken dienen (Platz unter dem Vordach, auf einer Freitreppe, bei Bauernhöfen der Platz zwischen Haus und daneben stehendem Brunnen), dazu zählt. Zu eng sei der französische Text, welcher auf die in der Westschweiz übliche Einschliessung (Ummauerung) der Hofplätze hindeute. Diese Meinung steht fast allein da und wird offenbar einzig noch von Stucki in einer Dissertation vertreten, was einem entsprechenden Hinweis von Trechsel (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2.A., Art. 186 StGB N 4) entnommen werden kann. Wohl wäre auch nach der Meinung von Stratenwerth (Schweizerisches Strafrecht, BT I, 5.A., § 6 N 5) eine Ausdehnung des Schutzes auf offene Plätze, die unmittelbar zum Haus gehören und häuslichen Zwecken dienen, sinnvoll, jedoch mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren, welcher die unmittelbare Zugehörigkeit zu einem Haus ohnedies voraussetze. Auch Delnon/Rüdy (Basler Kommentar, Art. 186 StGB N 12) schliessen sich der herrschenden Lehre an, wonach offene Plätze auch dann nicht geschützt seien, wenn sie zu einem Haus gehörten. Massgebend für die Frage, ob ein Platz umfriedet ist, ist nicht die Lückenlosigkeit der Abgrenzung, sondern deren Erkennbarkeit (Rehberg/Schmid/Donatsch, Strafrecht III, 8.A., S. 394). Dementsprechend könnte wohl ein Hofplatz als eingefriedet im Sinn von Art. 186 StGB qualifiziert werden, wenn mehrere Gebäude diesen umfassten und ihn in diesem Sinn als eingefriedet erscheinen liessen. In welcher Art der vom Berufungskläger betretene Hofplatz umfriedet sein soll, ergibt sich weder aus den Akten noch aus der Anklageschrift. Zu weit geht die Auffassung der Vorinstanz, dass jeglicher Innenbereich eines Bauernhofs, der zwischen dem Bauernhaus und einem Ökonomiegebäude liege, als durch das Hausrecht geschützt zu betrachten sei. Hieran vermag auch der Hinweis auf BGE 104 IV 107 nichts zu ändern, da sich jener auf die Anwendung der Bestimmungen des SVG auf einen privaten Platz bezog. Dabei ging es einzig um die Abgrenzung einer ausschliesslich dem privaten Gebrauch oder dem öffentlichen Verkehr dienenden Verkehrsfläche. Das Obergericht geht mit der herrschenden Lehre davon aus, dass Art. 186 StGB nur auf solche Plätze anwendbar ist, die umfriedet, d.h. erkenntlich abgegrenzt sind; nur diese Lösung entspricht auch der ländlichen Tradition. Dabei muss die Art der Umfriedung in den Akten festgehalten sein. Der Berufungskläger ist deshalb vom Vorwurf des mehrfachen Hausfriedensbruchs freizusprechen.
Obergericht, 8. März 2005, SBR.2004.36