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RBOG 2005 Nr. 36

Öffentlich- oder privatrechtlicher Arbeitsvertrag eines Schulhausabwarts


§ 1 ZPO


1. a) Der Rekurrent hatte mit dem Präsidenten der Schulgemeinde für letztere einen Anstellungsvertrag für Hauswarte abgeschlossen. Nachdem er die Kündigung erhalten hatte, erhob er einerseits gegen den Präsidenten Aufsichtsbeschwerde, auf welche die Gesamtbehörde der Schulgemeinde nicht eintrat. Andererseits reichte er Klage ein mit dem Antrag, die Schulgemeinde sei zu verpflichten, ihm ein Arbeitszeugnis mit detailliert umschriebenem Inhalt auszustellen und Fr. 4'777.50 sowie eine angemessene Entschädigung gemäss Art. 336a OR zu bezahlen. Die Schulgemeinde beantragte Abweisung der Klage.

b) Obwohl beide Parteien ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis behaupteten, lud die Vorinstanz sie ein, zur sachlichen Zuständigkeit Stellung zu beziehen. Beide Parteien gingen in der Folge ausdrücklich von einem dem Privatrecht unterstehenden Arbeitsvertrag aus und beantragten Eintreten auf die Klage. Die Vorinstanz trat jedoch mangels sachlicher Zuständigkeit auf die Klage nicht ein. Sie erwog, entgegen den Darlegungen der Parteien sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag abgeschlossen worden. Es liege daher keine Zivilrechtsstreitigkeit vor.

2. Der Rekurrent beantragt, die Vorinstanz sei anzuweisen, auf die Streitsache einzutreten und diese materiell zu beurteilen. Zur Begründung macht er geltend, entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei es zulässig, einen Hauswart privatrechtlich anzustellen. Der Anstellungsvertrag sei seinerzeit nach dem unbestrittenen Willen der Volksschulgemeinde (Rekursgegnerin) auf privatrechtlicher Basis erfolgt. Diese Wahlfreiheit sei ihr zugestanden, weil der Rekurrent als Hauswart keine unmittelbare öffentliche Aufgabe zu erfüllen gehabt habe. Eine bloss mittelbare Aufgabenerfüllung genüge nicht, um ein Rechtsverhältnis zwingend dem öffentlichen Recht zu unterstellen. Bestehe Wahlfreiheit, dürfe der klare Wille der Parteien nicht einfach übergangen werden. Die gemäss Anstellungsvertrag zusätzlich geltenden Richtlinien 84 des Schweizerischen Fachverbands der Hauswarte seien ein privatrechtliches Regelwerk. Dass darin allenfalls auf die Anwendbarkeit öffentlich-rechtlicher Normen verwiesen werde, könne dessen zivilrechtlichen Charakter nicht beeinflussen. Die aktuellen Richtlinien 2003, die ebenfalls einen rein privatrechtlichen Charakter aufweisen würden und letztlich nur die Richtlinien 84 auf einen zeitgemässen Stand hätten bringen sollen, hätten auch mit einem privatrechtlichen Einzelarbeitsvertrag Gültigkeit.

3. Die Vorinstanz kam mit einer sehr ausführlichen Begründung zum Schluss, der zwischen den Parteien abgeschlossene Anstellungsvertrag für Hauswarte sei als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren. Dem wäre wohl auch zuzustimmen, wenn der Vertrag unter Ausserachtlassung des Verhaltens und der Vorbringen der Parteien lediglich aufgrund der Akten qualifiziert würde. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass verschiedene Indizien, die auf den ersten Blick auf ein öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis hinweisen mögen, durchaus auch bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen vorkommen: Das Dienstverhältnis oder der Dienstvertrag ist die früher gebräuchliche Bezeichnung für alle Arbeitsverträge. Der Rekurrent erhielt zwar am 1. Februar 2000 ausdrücklich einen "Verweis", was einer Disziplinarmassnahme im Sinn von § 25 des Personalreglements der Rekursgegnerin entsprach. Er wurde aber am 5. Dezember 2003 auch ausdrücklich verwarnt. Zudem werden auch in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen Verweise erteilt. Feste Besoldungsverordnungen mögen ein Indiz für ein öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis sein; Besoldungsordnungen, Lohntabellen und Einreihungspläne finden sich aber auch bei Unternehmungen der Privatwirtschaft. Dass der vom Präsidenten der Volksschulgemeinde unterzeichnete Arbeitsvertrag von der Schulgemeinde noch genehmigt werden musste, ist jedenfalls durch einen entsprechenden Beschluss nicht belegt; Anstellungsbestätigungen von übergeordneten Gremien kommen im Übrigen auch bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen vor.

4. a) Die Vorinstanz erwog, es bestehe allenfalls Raum für eine rechtsgeschäftliche Gestaltung des Vertragsverhältnisses seitens der Parteien. Es sei mit Einschränkungen möglich, dass das Gemeinwesen mit einem Angestellten auch ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis begründe. Allerdings verneine die neuere Lehre und Rechtsprechung die Wahlfreiheit weitgehend und lasse die Begründung eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses nur in Ausnahmefällen zu. Ein solcher Ausnahmetatbestand liege hier nicht vor. Auch die Parteien hätten keinen Grund geltend gemacht, weshalb dem zur Diskussion stehenden Rechtsverhältnis eine Besonderheit zukomme und es vom Grundsatz der öffentlich-rechtlichen Regelung ausgenommen sei. Allein der Umstand, dass sich die Parteien heute über die Zugehörigkeit des Vertrags zum Privatrecht einig seien, genüge nicht, um von dem in der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsatz abzuweichen. Diese Auffassung stützt sich auf die im angefochtenen Entscheid erwähnte Lehre und Rechtsprechung. Inwieweit diese noch der Rechtswirklichkeit entsprechen, erscheint angesichts der Tendenz, staatliche Aufgaben vermehrt auszulagern und Privatrechtssubjekten zu übertragen, aber fraglich.

b) Es existiert keine gesetzliche Bestimmung, wonach die öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Kantons Thurgau mit ihren Angestellten ausschliesslich öffentlich-rechtliche Arbeitsverträge abschliessen dürfen. Mithin ist es ihnen nicht verwehrt, Mitarbeiter auf privatrechtlicher Basis anzustellen. Davon geht auch das Verwaltungsgericht aus (vgl. TVR 1994 Nr. 12 und 1991 Nr. 4). Ein Hauswart nimmt wenn überhaupt höchstens mittelbar oder am Rande öffentlich-rechtliche Aufgaben wahr. Daran ändert auch seine "indirekte Disziplinargewalt gegenüber Schülern" nichts. Über eine solche verfügt beispielsweise auch ein Wachmann der Securitas, der im Auftrag des Grundeigentümers ein Areal zu überwachen hat. Unter diesem Gesichtspunkt ist es einem Gemeinwesen somit grundsätzlich nicht verwehrt, mit einem Hauswart auch einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag abzuschliessen. Davon ging letztlich auch die Rekursgegnerin aus, die der Vorinstanz die neuen Musterverträge aus dem Handbuch für Hauswartungen (Stand Oktober 2002) einreichte, die eine öffentlich-rechtliche sowie eine privatrechtliche Anstellung ausdrücklich vorsehen. Es ist denn auch kein Grund ersichtlich, weshalb solche Anstellungsverhältnisse nur mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag begründet werden sollen.

c) Der Rekurrent machte an der Hauptverhandlung geltend, die Rekursgegnerin habe die Wahl- und Gestaltungsfreiheit genutzt und ihn auf rein privatrechtlicher Basis angestellt. Die Rekursgegnerin schloss sich mit Bezug auf die Frage der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Anstellung ausdrücklich den Ausführungen des Rekurrenten an. Sie wies zudem darauf hin, es bestünden neu zwei Musterverträge, die ausdrücklich auf den privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Charakter des jeweiligen Arbeitsvertrags hinweisen würden. Im vorliegenden Arbeitsvertrag würden keine öffentlich-rechtlichen Normen zugrunde gelegt. Der Präsident der Rekursgegnerin wies schliesslich darauf hin, alle Verwaltungsangestellten und Hauswarte einschliesslich die Schulzahnklinik seien privatrechtlich angestellt, was allerdings mit Bezug auf die Anstellung einer Hauswartsangestellten im Jahre 2003 offenbar nicht zutrifft.

Die Parteien behaupteten somit, sie hätten einen privatrechtlichen Vertrag abgeschlossen, was aufgrund des öffentlichen Rechts hier nicht ausgeschlossen ist. Das stellt keine rechtliche Auffassung bezüglich der sachlichen Zuständigkeit dar, an die das Gericht nicht gebunden wäre (§ 96 Abs. 1 ZPO). Es handelt sich vielmehr um Tatsachenbehauptungen im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss. Darüber musste nicht Beweis abgenommen werden, da die Rekursgegnerin diese Behauptung nicht bestritt, sondern sie im Prozess sogar ausdrücklich anerkannte (§ 180 Abs. 1 ZPO).

Aufgrund dieser Vorbringen der Parteien ist davon auszugehen, dass sie ursprünglich einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag abschliessen wollten. Letzteres bestätigte die Rekursgegnerin sogar in ihrer Stellungnahme an das Obergericht, hielt sie doch ausdrücklich fest, ursprünglich von einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis ausgegangen zu sein. In dieser Hinsicht liegen unbestrittenermassen übereinstimmende Willensäusserungen vor; jedenfalls gingen beide Parteien davon aus. Bei der Beurteilung des Vertrags nach Form und Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum gebraucht wird (Art. 18 Abs. 1 OR). Gestützt auf die Parteivorbringen ist somit ein privatrechtlicher Vertrag zustande gekommen (Art. 1 OR).

d) In der Rekursantwort machte die Rekursgegnerin geltend, sie sei sich nie ganz sicher gewesen, ob ein privatrechtliches oder eher ein öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis vorgelegen habe. Sie habe sich daher zu den Vorbringen des Rekurrenten nicht geäussert und sei auf den Sachverhalt nicht eingegangen. Sie stellte sich zudem auf den Standpunkt, es liege ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis vor.

Aufgrund der Akten nicht zutreffend ist die Behauptung der Rekursgegnerin, sie habe sich an der Hauptverhandlung den Ausführungen des Rekurrenten über die sachliche Zuständigkeit nicht angeschlossen. Vielmehr trifft das Gegenteil zu. Wenn die Rekursgegnerin geltend macht, entgegen dem Protokoll der Hauptverhandlung habe sie sich nicht weiter zur Einstufung des Arbeitsverhältnisses geäussert, ist sie damit nicht zu hören. Sie hätte dies innert Frist mit einem bei der Vorinstanz einzureichenden Protokollberichtigungsbegehren vorbringen müssen (§ 101 Abs. 1 ZPO).

Gestützt auf das Novenrecht (§ 240 i.V.m. § 230 Abs. 1 ZPO) kann die Rekursgegnerin allerdings neue Tatsachen behaupten, selbst wenn sie den von der Vorinstanz gemachten widersprechen (Merz, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung, Bern 2000, § 230 N 2). Die Rekursgegnerin kann mithin im Rekursverfahren entgegen ihren früheren Ausführungen geltend machen, sie sei beim Vertragsabschluss nicht von einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag ausgegangen. Das hilft ihr indessen nichts, weil diese Bestreitung im Sinn einer antizipierten Beweiswürdigung als unglaubwürdig zu betrachten ist: Einerseits sagte der Präsident der Rekursgegnerin vor Vorinstanz selbst aus, alle Verwaltungsangestellten und Hauswarte seien privatrechtlich angestellt. Im Entscheid der Schulbehörde über die Aufsichtsbeschwerde wurde andererseits der Nichteintretensentscheid ausdrücklich damit begründet, "gegen die Auflösung des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses hätte der Beschwerdeführer (Rekurrent) in der Folge bis zum Ende der Kündigungsfrist bei der Schulbehörde schriftlich Einsprache erheben und hernach wegen angeblich missbräuchlicher Kündigung eines Arbeitsvertrags an das Zivilgericht gelangen können. Von diesem ordentlichen Rechtsmittel hat der Beschwerdeführer indes keinen Gebrauch gemacht ... Stattdessen ergriff der Beschwerdeführer das subsidiäre Rechtsmittel der Aufsichtsbeschwerde, um einen 'Kündigungswiderruf' zu erreichen, was jedoch offensichtlicherweise unzulässig ist. Entsprechend ist auf die Aufsichtsbeschwerde ... nicht einzutreten". Unter diesen Umständen erweist sich der im Rekursverfahren eingenommene Standpunkt der Rekursgegnerin, sie sei bei Vertragsabschluss und auch nach der Kündigung nicht von einem privatrechtlichen, sondern von einem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis ausgegangen, als unglaubwürdige Schutzbehauptung. Es widerspricht zudem Treu und Glauben, im Nachhinein das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zu behaupten, wenn selbst die Aufsichtsbehörde ausdrücklich von einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis ausging. Damit steht als Beweisergebnis fest, dass die Parteien bei Vertragsabschluss übereinstimmend von einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag ausgingen und einen solchen abschlossen.

e) Unter diesen Umständen liegt eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinn von § 1 ZPO vor, weshalb auf die Klage einzutreten ist. Die Streitsache ist daher zum materiellen Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Obergericht, 25. Juli 2005, ZR.2005.44


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