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RBOG 2007 Nr. 18

Arglist im Pferdehandel


Art. 146 StGB


1. Die Vorinstanz sprach den Berufungskläger des Betrugs schuldig; er habe mit dem Geschädigten einen Kaufvertrag über ein Pferd abgeschlossen, nachdem er ihm arglistig vorgespiegelt habe, zah­lungskräftig und zahlungswillig zu sein. Im Berufungsverfahren ist das Tatbestandselement "Arglist" strittig.

2. a) Der Zweck des unbestimmten Rechtsbegriffs der Arglist besteht darin, diejenigen Lügen vom Tatbestand des Betrugs auszuscheiden, vor denen sich die betroffene Person mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen können (Opfermitverantwortung)[1]. Unter Berücksichtigung dieses Zwecks konkretisierte das Bundesgericht den Begriff dahingehend, dass eine Überprüfung der vorgetäuschten Tatsachen für das Opfer unmöglich, besonders schwierig, unzumutbar oder nicht handelsüblich sein muss. Mit anderen Worten geht es um die Feststellung, ob das Opfer Vorkehren zur Prüfung der Angaben des Täters unterliess, die es aufgrund der subjektiven Opfereigenschaften sowie der objektiven Umstände hätte treffen müssen[2].

Abstrakt betrachtet wären für den Geschädigten verschiedene Vorkehren in Frage gekommen: Erstens hätte er das Pferd entweder nur gegen Barzahlung oder Teilzahlung verkaufen können; zweitens hätten Sicherheitsleistungen (Pfand, Sicherungszession, Bürgschaft) verlangt werden können. Drittens hätte er beim Betreibungsamt gestützt auf Art. 8a Abs. 2 SchKG einen Betreibungsregisterauszug oder viertens Referenzen von Personen verlangen können, bei denen der Berufungskläger bereits zuvor Pferde gekauft hatte.

b) Sowohl bei einer Täuschung über die Zahlungswilligkeit als auch bei einer Täuschung über die Zahlungsfähigkeit kommt es nur darauf an, ob das Opfer eine mögliche und zumutbare Überprüfung der Zahlungsfähigkeit unterliess; die fehlende Zahlungswilligkeit kann nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus der fehlenden Zahlungsfähigkeit gefolgert werden[3].

3. a) Der Berufungskläger fuhr im August 2004 beim Geschädigten vor. Er interessierte sich für den Kauf des Pferdes Fury. Der Berufungskläger sah sich das Pferd an und ritt es zur Probe. Nach dem Proberitt äusserte er sich über dieses sehr positiv und erklärte seinen Kaufwunsch. Dabei erwähnte er, dass er in A (Kanton Basel-Land­schaft) wohne und dort an der B-Strasse 2 einen Reitbetrieb mit eigener Halle, fünf eigenen Pferden und weiteren Pensionspferden unterhalte, was aber alles nicht der Wahrheit entsprach. Der Berufungskläger verfügte weder über ein regelmässiges Einkommen noch über Vermögen, jedoch nicht unerhebliche Schulden. Das Geländefahrzeug, mit welchem er vorfuhr, war ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Den modernen Pferdetransportanhänger, welcher Platz für drei bis vier Pferde bot, hatte er für Fr. 463.00 pro Monat geleast, wobei er sowohl die Eigentumsverhältnisse beim Zugfahrzeug als auch beim Pferdetransportanhänger verschwieg. Als Verwendungszweck für Fury gab der Berufungskläger wahrheitswidrig an, er suche ein Pferd für den Nachwuchs (Kinder) im Vierkampf. Die Parteien schlossen einen schriftlichen Kaufvertrag ab, wobei ein Kaufpreis von Fr. 10'500.00 vereinbart wurde. Mündlich vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Kaufpreis entsprechend der im Pferdehandel üblichen neuntägigen Mängelrügefrist[4] bis längstens am 26. August 2004 zu bezahlen oder das Pferd im Fall gravierender Mängel innert derselben Frist zurückzugeben sei. Als Adresse nannte der Berufungskläger "B-Strasse 2 in A (Basel-Landschaft)", an welcher er jedoch längst, d.h. seit Ende März 2004 nicht mehr angemeldet war. Auch nannte er dem Geschädigten eine Telefonnummer mit der Vorwahl "052", was letzterem jedoch erst nach dessen Wegfahrt auffiel.

b) Damit machte sich der Berufungskläger des gewerbsmässigen Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 1 und 2 StGB schuldig. Das konkludente Vorspiegeln seiner Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit stellt - entgegen seinen Ausführungen anlässlich der Berufungsverhandlung - eine arglistige Täuschung dar.

Aufgrund des Sachverhalts steht nämlich fest, dass für den Geschädigten keine weiteren Vorkehren zur Prüfung zumutbar waren. Zunächst sprechen die dem Geschädigten bekannten Gebräuche im Pferdehandel gegen deren Zumutbarkeit: Erstens findet eine Bonitätsprüfung (Betreibungsregisterauszug, Auskünfte bei Kreditoren des Käufers) erst beim Kauf von Pferden ab Fr. 20'000.00 statt, wozu der Geschädigte beim Verkaufspreis von Fr. 10'500.00 für Fury keinen Anlass hatte. Zweitens stellt der Pferdekauf grundsätzlich einen Kreditkauf ohne Sicherheiten dar; der Kauf wird gewöhnlich per Handschlag - hier ausnahmsweise schriftlich - abgeschlossen und das Pferd nach erfolgtem Vertragsschluss dem Käufer übergeben. Innerhalb der anschliessenden neuntägigen Gewährleistungsfrist hat der Käufer sich zu entscheiden, ob er das Pferd behalten und den Kaufpreis bezahlen oder das Tier wegen Mängeln zurückgeben will. Gründe, welche einen derartigen Kreditkauf hier als leichtsinnig erscheinen liessen, sind nicht ersichtlich. So zeigte der Berufungskläger - von Beruf Bereiter - gegenüber dem Geschädigten einen professionellen Umgang mit Pferden, er fuhr mit einem modernen Pferdetransporter vor, der sogar Platz für drei bis vier Pferde bot, und er gab dem Geschädigten wahrheitswidrig an, einen Reitbetrieb mit eigener Halle und fünf eigenen sowie Pensionspferden zu unterhalten.

Der Berufungskläger ist der Ansicht, der Geschädigte hätte nähere Abklärungen treffen müssen, als er feststellte, dass die vom Berufungskläger angegebene Telefonvorwahl "052" nicht mit derjenigen von dessen behauptetem Wohnort im Kanton Basel-Landschaft übereinstimmen konnte. Der Einwand geht schon von daher fehl, weil der Geschädigte diese Unstimmigkeit erst nach dem Weggang des Berufungsklägers feststellte, was nach der Lebenserfahrung keineswegs ungewöhnlich ist. Zudem würde man im Rechtsverkehr völlig unverhältnismässige Anforderungen an die Prüfungspflicht eines Pferdeverkäufers stellen, wollte man von diesem verlangen, ein Verkaufsgespräch ständig auf irgendwelche Unstimmigkeiten zu überprüfen - zumal wenn es sich in so lockerem Rahmen wie im Pferdehandel abspielt.

Zusammenfassend war die Täuschung über die fehlende Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Berufungsklägers arglistig.

Obergericht, 22. Februar 2007, SBO.2006.10


[1] Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, BT I, 6.A., S. 344; zur Opfermitverantwortung: BGE vom 6. November 2006, 6S.168/2006, Erw. 1

[2] Cassani, Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, in: ZStR 117, 1999, S. 152 ff., 158

[3] BGE 118 IV 361

[4] Art. 202 OR

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