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RBOG 2010 Nr. 12

Kann eine Gemeinde die Versetzung eines Hydranten auf dem zivilrechtlichen Weg verbieten lassen?


Art. 676 Abs. 1 ZGB, § 163 ZPO


1. a) Der Berufungskläger, der Geschäftsführer der Y AG, beantragte bei der Gemeinde die Versetzung eines Hydranten um ungefähr zwei Meter. Die Gemeinde teilte ihm mit, das Anliegen müsse von der Feuerschutzkommission geprüft werden, und es könne keine "kurzfristige Bewilligung" erteilt werden. Die Bauverwaltung werde zwecks Terminvereinbarung demnächst mit ihm Kontakt aufnehmen, um die Lage vor Ort besser beurteilen zu können.

b) Rund zwei Monate später beantragte die Gemeinde beim Bezirksgerichtspräsidium eine superprovisorische Verfügung. Sie habe festgestellt, dass auf dem Grundstück der Y AG mit den Versetzungsarbeiten des Hydranten begonnen worden sei. Das Bezirksgerichtspräsidium verbot der Y AG superprovisorisch, die Arbeiten zur Versetzung des Hydranten weiterzuführen. Zudem wurde die Y AG angewiesen, alles vorzukehren, was zur sofortigen Sicherung des Funktionierens des Hydranten am bisherigen Standort notwendig sei. Bei Widerhandlung gegen diese Anordnung könne die Gemeinde die Überweisung der verantwortlichen Personen der Y AG an den Strafrichter wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB verlangen.

c) Gemäss Polizeirapport meldete ein Angestellter der Gemeinde die Versetzung des Hydranten und damit die Missachtung der superprovisorischen Verfügung durch die Y AG. Das Bezirksamt sprach den Berufungskläger mit Strafverfügung gestützt auf Art. 292 StGB des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung schuldig. Der Berufungskläger beantragt, er sei freizusprechen.

2. Umstritten ist, ob die Gemeinde beim Bezirksgerichtspräsidium eine superprovisorische Verfügung beantragen durfte. Der Berufungskläger macht geltend, das Bezirksgerichtspräsidium hätte in dieser rein öffentlich-rechtlichen Angelegenheit keine Verfügung erlassen dürfen; stattdessen hätte ein öffentlich-rechtliches Verfahren stattfinden müssen.

3. a) Gemeinden sind öffentlich-rechtliche Körperschaften auf territorialer Grundlage, die zur Besorgung von lokalen öffentlichen Aufgaben mit weitgehender Autonomie ausgestattet sind[1]. So definiert auch das EG ZGB Gemeinden als öffentlich-rechtliche Körperschaften gemäss Art. 59 Abs. 1 ZGB[2]. Bei der Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben sind die Behörden mit Hoheitsgewalt ausgestattet. Bei der Besorgung seiner öffentlichen Aufgaben kann der Staat aber in beschränktem Rahmen auch als Privatrechtssubjekt auftreten; dasselbe gilt für die Politische Gemeinde. Sie verkehrt alsdann auf gleicher Ebene mit den Privaten[3]. Ist eine Materie abschliessend durch das öffentliche Recht geordnet, so besteht als Folge der Bindung an das Legalitätsprinzip kein Raum für privatrechtliche Regelungen. Liegt aber keine abschliessende öffentlich-rechtliche Regelung vor, so ist zu prüfen, ob nach deren Sinn und Zweck öffentlich-rechtliches oder privatrechtliches Handeln geboten ist[4]. Fälle zulässigen zivilrechtlichen Handelns eines Verwaltungsträgers sind namentlich denkbar in der wirtschaftenden Verwaltung, in Teilen der Bedarfsverwaltung und der Leistungsverwaltung[5]. Handelt ein Verwaltungsträger zivilrechtlich, ohne dabei unmittelbar Verwaltungsaufgaben zu erfüllen, so unterliegt er keinen anderen Rechtsbindungen als ein beliebiger Privater[6].

b) Wer zur Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe sachlich, örtlich und funktionell zuständig ist, ist auch zuständig, damit verbundene Verwaltungsrechtsverhältnisse durch Verfügung zu regeln[7]. Verwaltungsrechtliche Sanktionen sind die Mittel, mit welchen die Erfüllung von verwaltungsrechtlichen Pflichten erzwungen wird[8].

4. Grundsätzlich hätte die Gemeinde die Möglichkeit gehabt, die Versetzung des Hydranten auf dem verwaltungsrechtlichen Weg zu verhindern. Sie hätte beispielsweise einen entsprechenden Baustopp erlassen können. Es erscheint allerdings fraglich, ob diese Verfügung geeignet gewesen wäre, um unverzüglich gegen die bevorstehende Gefahr - die Versetzung des Hydranten - vorzugehen. Zudem liegt hier entgegen der Auffassung des Berufungsklägers gerade nicht ein rein verwaltungsrechtliches Verhältnis vor. So statuiert Art. 676 Abs. 1 ZGB, dass Wasserleitungen und dergleichen als Zugehör des Werkes und als Eigentum des Werkeigentümers betrachtet werden, von dem sie ausgehen. Die Wasserleitungen können den verschiedensten Zwecken dienen, so z.B. der Hydrantenversorgung[9]. Der belastete Grundeigentümer ist in solchen Fällen nicht berechtigt, die Verlegung der Leitung vorzunehmen. Er hat lediglich einen Anspruch gegenüber dem berechtigten Werkeigentümer, dass dieser selbst die Verlegung durchführe, falls sich die Verhältnisse ändern[10]. Art. 676 ZGB bezieht sich nur auf Transitleitungen, d.h. auf solche Leitungen, die nicht dem Grundstück dienen, in oder auf dem sie sich befinden, sondern kraft ihrer Transportfunktion dem wirtschaftlichen Zweck des Werks, von dem sie ausgehen. Leitungsvorrichtungen, die dem Grundstück, auf welchem sie angebracht sind, unmittelbar dienen (wie Hausanschlussleitungen mit Motoren, Lampen, Klingeln und sonstigen Apparaten), sind im Zweifel Bestandteil oder Zugehör dieses Grundstücks. Die Vermutung von Art. 676 ZGB endet, sobald die Leitung auf das Grundstück eintritt, von welchem die transportierten Stoffe verbraucht werden. Indessen kann ausdrücklich vereinbart werden, dass auch die auf dem Verwendungsgrundstück befindlichen Leitungen und sonstigen Apparate Zugehör des Werks und Eigentum des Werkeigentümers sein sollen, dass sie also dem Eigentümer dieses Grundstücks nur zum Gebrauch überlassen werden[11].

5. Die öffentliche Wasserversorgung ist Sache der Gemeinden[12]. Die Gemeinden erlassen ein Reglement über die Wasserversorgung[13]. Zuständig für die Wasserversorgung sind die Technischen Betriebe der Gemeinde. Gemäss den Statuten der inzwischen aufgelösten Wasserkorporation ist sie Eigentümerin des gesamten Röhrenleitungsnetzes vom Anschluss im Reservoir bis und mit Abstellhahnen innerhalb der Grundmauern der Gebäude; Hydranten stehen im Eigentum der betreffenden Ortsgemeinde und sind von dieser zu unterhalten. Folglich galt für die Wasserkorporation ausdrücklich, dass Hydranten nicht Eigentum der Grundeigentümer, sondern der Ortsgemeinde waren. Infolge der Gemeindereorganisation und der damit zusammenhängenden Abschaffung der Ortsgemeinde sind die Hydranten in das Eigentum der zuständigen Politischen Gemeinde übergegangen[14]. Der fragliche Hydrant wurde dem Berufungskläger deshalb nur zum Gebrauch überlassen und befand sich nicht in seinem Eigentum. Zudem verpflichtet § 83 Abs. 1 Planungs- und Baugesetz[15] den Grundeigentümer dazu, die Anbringung von Hydranten auf seinem Grundstück zu dulden. Das eigenmächtige, unbewilligte Verschieben von Hydranten durch den Grundeigentümer ist infolgedessen nicht zulässig.

6. Wie die Vorinstanz zu Recht festhielt, war die Gemeinde als Eigentümerin im Rahmen einer vorläufigen Verfügung somit durchaus berechtigt, auf dem zivilrechtlichen Weg ein Befehlsverfahren zu beantragen. Liegt Gefahr in Verzug, kann der Richter auf Antrag vorläufige Verfügungen treffen[16].

Obergericht, 2. Juli 2010, SBR.2010.8


[1] Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5.A., N 1356

[2] § 37 EG ZGB

[3] Häfelin/Müller/Uhlmann, N 272

[4] Häfelin/Müller/Uhlmann, N 275

[5] Tschannen/Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2.A., § 42 N 2

[6] Tschannen/Zimmerli, § 42 N 4

[7] Tschannen/Zimmerli, § 28 N 19

[8] Häfelin/Müller/Uhlmann, N 1134

[9] Romer, Die Behandlung der Leitungen nach schweizerischem Zivilrecht, in: ZSR 65, 1946, S. 70

[10] Romer, S. 87; Art. 693 Abs. 1 ZGB

[11] Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Art. 676 ZGB N 11 f.

[12] § 20 Abs. 1 Wassernutzungsgesetz, RB 721.8

[13] § 20 Abs. 4 Wassernutzungsgesetz

[14] Es ist nicht ersichtlich und wurde hier auch nicht geltend gemacht, dass und aus welchen Gründen eine andere Regelung gelten sollte.

[15] RB 700

[16] § 163 ZPO

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