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RBOG 2010 Nr. 28

Voraussetzungen für die Rückführung widerrechtlich zurückbehaltener Kinder


Art. 5 BG-KKE, Art. 8 BG-KKE, Art. 16 BG-KKE, Art. 1 lit. a HKÜ, Art. 3 HKÜ, Art. 12 f. HKÜ


1 a) Die Rekurrentin (Mutter) beantragte, der Rekursgegner (Vater) sei zu verpflichten, die gemeinsamen zwei Kinder unverzüglich auf seine Kosten nach Kroatien zurückzuführen. Gemäss dem anwendbaren Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen sei dem Gesuch zu entsprechen, wenn erstens die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor der Zurückhaltung durch den Vater in Kroatien gehabt hätten, zweitens die Zurückhaltung widerrechtlich erfolgt sei und drittens die Mutter vor der Zurückhaltung das Sorgerecht ausgeübt habe. Seit dem Wegzug der Mutter und der Kinder aus der Schweiz im Jahr 2005 seien die Kinder verschiedene Male bei ihrem Vater in der Schweiz gewesen, wobei sie mit Ausnahme des letzten Aufenthalts stets von der Mutter begleitet worden seien. Ausserdem seien die Kinder seit April 2007 bis zur Zurückhaltung Ende Oktober 2008 nur zweimal während je drei Wochen beim Vater in den Ferien gewesen. Folglich hätten die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor der Zurückhaltung in Kroatien gehabt. Deswegen und weil die Mutter dem Zurückhalten der Kinder in der Schweiz nicht zugestimmt habe, sei dieses als widerrechtlich zu qualifizieren.

b) Der Vater machte im Wesentlichen geltend, es sei zwischen den Parteien Mitte Oktober 2008 wegen der desolaten Situation der Mutter aufgrund ihrer Alkoholsucht vereinbart worden, dass die Kinder den Winter wie schon in den Vorjahren in der Schweiz verbringen würden. Im August 2008 hätten die Kinder ferienhalber beim Vater geweilt und ab Mitte Oktober habe die Überwinterung hier in der Schweiz begonnen. Auch aus der Tatsache, dass die Mutter die Kinder erst im Januar 2008 bei den kroatischen Behörden angemeldet habe, könne indirekt der Schluss gezogen werden, dass nie vereinbart worden sei, die Kinder sollten künftig in Kroatien leben. Vereinbart worden sei nur, dass die Kinder, solange sie nicht schulpflichtig seien, den Sommer in Kroatien verbringen würden. Die Kinder hätten demnach nicht gewöhnlichen Aufenthalt in Kroatien gehabt. Wegen des Einverständnisses der Mutter, dass die Kinder über den Winter 2008/2009 wiederum in der Schweiz wohnen sollten, liege auch kein widerrechtliches Vorgehen vor.

2. Das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung[1] kommt zur Anwendung, wenn die Kinder unmittelbar vor dem geltend gemachten rechtswidrigen Zurückhalten in der Schweiz ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Kroatien hatten.

a) Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist staatsvertragsautonom auszulegen. Es ist daher für diese Frage nicht auf das Recht des angerufenen Gerichts abzustellen, sondern es muss der gewöhnliche Aufenthalt nach Sinn und Zweck des Übereinkommens ausgelegt werden. Als Folge der autonomen Auslegung ist auch die ausländische Rechtsprechung zu berücksichtigen. Das HKÜ gehört zusammen mit dem Minderjährigenschutzabkommen von 1961 und den beiden Übereinkommen im Bereich des Unterhaltsrechts von 1956 und 1973 zu den Haager Konventionen, die als Anknüpfungsbegriff den gewöhnlichen Aufenthalt verwenden. Daher kann auch die Rechtsprechung zu den erwähnten Haager Übereinkommen beigezogen werden. Gemäss Rechtsprechung und Lehre befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes dort, wo sich der tatsächliche Mittelpunkt seiner Lebensführung befindet. Abzustellen ist in erster Linie auf faktische Umstände. Auf die Willensbildung kommt es nicht an; der gewöhnliche Aufenthalt kann auch ohne oder gegen den Willen des Kindes begründet worden sein. Mehrere gewöhnliche Aufenthalte sind nicht möglich[2].

b) Der Vater macht eine Vereinbarung der Parteien geltend, dass die Kinder im Sommer jeweils in Kroatien bei ihrer Mutter leben und den Winter bei ihrem Vater in der Schweiz verbringen würden. Eine schriftliche diesbezügliche Vereinbarung liegt nicht vor. Immerhin weist aber die unbestrittene Zusammenstellung des Vaters über die Aufenthalte der Kinder in der Schweiz aus, dass die Kinder am 1. Juni 2005 mit ihrer Mutter nach Kroatien ausreisten und sich danach vom 17. Oktober 2005 bis zum 14. April 2006, vom 16. Oktober bis 22. Dezember 2006 und vom 22. Januar bis 4. April 2007 in der Schweiz aufhielten. Im Herbst 2007 waren sie aber lediglich vom 20. Oktober bis zum 10. November in der Schweiz und im Jahr 2008 vom 11. August bis 1. September, ehe sie am 16. Oktober vom Vater wiederum in die Schweiz mitgenommen wurden. Die Kinder hatten sich also seit Frühjahr 2007 bis zu diesem 16. Oktober 2008 während anderthalb Jahren dauernd in Kroatien aufgehalten und den Vater lediglich zweimal während drei Wochen im Oktober/November 2007 und im August/September 2008 besucht. Bei dieser Sachlage besteht kein Zweifel, dass sich im Oktober 2008 der Lebensmittelpunkt der Kinder in Kroatien befand[3]. Damit stimmt überein, dass die Kinder seit Dezember 2007 nachgewiesenermassen den Kindergarten am Wohnort der Mutter besuchen. Keine andere Beurteilung herbeizuführen vermag die Tatsache, dass die Kinder die ganze Zeit über in der Schweiz angemeldet blieben, da diese Formalie auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt keinen Einfluss hat.

c) Somit ist das HKÜ anwendbar.

3. a) Vor diesem Hintergrund und gestützt auf Art. 8 und 16 des am 1. Juli 2009 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen[4] ordnete das Obergericht eine Mediation an. Mit der Durchführung wurde die Schweizerische Stiftung des Internationalen Sozialdienstes beauftragt, die ihrerseits einen Rechtsanwalt als Mediator einsetzte. Den Kindern wurde für die Mediation ein Kinderanwalt zur Seite gestellt.

b) Gemäss Mitteilung des Mediators musste die Mediation aufgrund der diametral auseinanderliegenden Standpunkte der Parteien allerdings abgebrochen werden.

4. a) Nach Art. 1 lit. a HKÜ ist es Ziel dieses Übereinkommens, die sofortige Rückgabe widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder sicherzustellen. Nach Art. 3 gilt das Verbringen eines Kindes als widerrechtlich, wenn (lit. a) dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person, Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und (lit. b) dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte. Das unter lit. a genannte Sorgerecht kann insbesondere kraft Gesetzes, aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung oder aufgrund einer nach dem Recht des betreffenden Staats wirksamen Vereinbarung bestehen. Ist ein Kind im Sinn von Art. 3 HKÜ widerrechtlich verbracht oder zurückgehalten worden und ist bei Eingang des Antrags beim Gericht des Vertragsstaats, in dem sich das Kind befindet, eine Frist von weniger als einem Jahr seit dem Verbringen oder Zurückhalten verstrichen, so ordnet das zuständige Gericht gemäss Art. 12 Abs. 1 HKÜ die sofortige Rückgabe des Kindes an. Ungeachtet von Art. 12 HKÜ ist das Gericht des ersuchten Staates gemäss Art. 13 Abs. 1 HKÜ nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die Person, Behörde oder sonstige Stelle, die sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, nachweist, dass (lit. a) die Person, Behörde oder sonstige Stelle, der die Sorge für die Person des Kindes zustand, das Sorgerecht zur Zeit des Verbringens oder Zurückhaltens tatsächlich nicht ausgeübt, dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt oder dieses nachträglich genehmigt hat, oder dass (lit. b) die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Die Rückführung bringt das Kind nach Art. 5 lit. a BG-KKE insbesondere in eine unzumutbare Lage, wenn die Unterbringung beim gesuchstellenden Elternteil offensichtlich nicht dem Wohl des Kindes entspricht. Das Gericht kann es gemäss Art. 13 Abs. 2 HKÜ ferner ablehnen, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn festgestellt wird, dass sich das Kind der Rückgabe widersetzt und dass es ein Alter und eine Reife erreicht hat, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen. Bei Würdigung der in Art. 13 HKÜ genannten Umstände hat das Gericht nach Art. 13 Abs. 3 HKÜ die Auskünfte über die soziale Lage des Kindes zu berücksichtigen, die von der zentralen Behörde oder einer anderen zuständigen Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes erteilt worden sind.

b) aa) Der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder der Parteien befand sich vor ihrem Besuch in der Schweiz im Oktober 2008 in Kroatien. Auf die Frage, wem das Sorgerecht zustand, ist demnach gemäss Art. 3 lit. a HKÜ kroatisches Recht anwendbar. Nach § 99 Abs. 1 des kroatischen Familiengesetzes (FamG)[5] kommt den Eltern das Sorgerecht ungeachtet, ob sie zusammen- oder getrennt leben, gemeinsam zu. Nach § 99 Abs. 2 FamG sorgt nur ein Elternteil für das Kind, wenn der andere verstorben oder für tot erklärt ist, wenn ihm die elterliche Sorge entzogen wurde, wenn er für vollständig oder in Bezug auf die elterliche Sorge beschränkt geschäftsunfähig erklärt wurde oder wenn er verhindert ist. Der Vater machte nie geltend, der Mutter sei die elterliche Sorge entzogen worden; vielmehr wird im Zusammenhang mit dem Sorgerecht nur ausgeführt, mittlerweile sei in Kroatien der Ehescheidungsprozess hängig, wo alsdann über das Sorgerecht entschieden werde. Demgemäss ist davon auszugehen, dass das Sorgerecht den Parteien gemeinsam zustand, wobei der Entscheid, dass sich die Kinder gewöhnlich in Kroatien aufhalten sollen, offensichtlich von beiden Parteien getragen worden sein muss, denn dass der Aufenthalt in Kroatien gegen den Willen des Vaters stattgefunden hätte, machte dieser nicht geltend. Allerdings behauptet er, es sei zwischen den Parteien vereinbart gewesen, dass die Kinder die Sommer in Kroatien und die Winter in der Schweiz verbringen würden. Hinweis für eine solche Vereinbarung ist, dass die Kinder das Winterhalbjahr 2005/2006 vollständig und das Winterhalbjahr 2006/2007 wenigstens teilweise in der Schweiz verbrachten. Gegen eine entsprechende Vereinbarung spricht hingegen, dass die Kinder den Winter 2007/2008 nicht in der Schweiz verbrachten und der Vater gleichwohl nichts dagegen unternahm. Erst recht gegen die behauptete einvernehmliche Regelung spricht, dass der Vater die Kinder nach dem Winter 2008/2009 nicht nach Kroatien zurückbrachte, was er hätte tun sollen, wenn es mit der von ihm behaupteten Vereinbarung etwas auf sich hätte. Unter diesen Umständen gelingt dem Vater nicht, die behauptete Vereinbarung zu beweisen oder auch nur glaubhaft zu machen. Unbestritten ist schliesslich, dass die Mutter die elterliche Sorge im Zeitpunkt des Zurückhaltens der Kinder im Oktober 2008 im Sinn von Art. 3 lit. b HKÜ auch tatsächlich ausübte.

bb) Somit ist das Zurückhalten der Kinder in der Schweiz anlässlich ihres Besuchs vom Oktober 2008 widerrechtlich im Sinn von Art. 3 HKÜ[6]. Weil die Mutter das Gesuch um Rückführung ausserdem innerhalb weniger als einem Jahr nach dem Zurückhalten der Kinder durch den Rekursgegner stellte, ist gemäss Art. 12 Abs. 1 HKÜ die sofortige Rückgabe der Kinder anzuordnen.

cc) Davon wäre nur unter den Voraussetzungen von Art. 13 HKÜ und Art. 5 BG-KKE abzusehen. Der Vater macht in diesem Zusammenhang zunächst geltend, die Mutter habe das Zurückhalten der Kinder nachträglich genehmigt, denn sie sei einverstanden gewesen, dass die Kinder nach ihrem Besuch im April 2010 in Kroatien wieder in die Schweiz zurückgekehrt seien. Bewiesen werden kann diese Darstellung durch den Vater nicht, und sie ist auch alles andere als glaubhaft. So würde nicht einleuchten, weshalb die Mutter dieses Verfahren weiterführen sollte, wenn sie die Zurückhaltung der Kinder tatsächlich genehmigt haben sollte. Insofern ist vielmehr davon auszugehen, dass sie sich gegen die Rückreise der Kinder einfach nicht zur Wehr setzte, was sehr im Interesse des Wohls der beiden Kinder lag und der Mutter diesbezüglich ein gutes Zeugnis ausstellt. Sodann nimmt der Vater den Standpunkt ein, die Rückführung der Kinder würde nicht in deren wohlverstandenem Interesse liegen: Zum einen sei im Rahmen der Ehescheidung in Bälde mit einem Entscheid über die Zuteilung des Sorgerechts zu rechnen, weshalb es dem Kindeswohl widerspreche, diese (möglicherweise nur für wenige Monate) nach Kroatien zurückzuführen. Zum anderen leide die Mutter an psychischen Problemen und Alkoholsucht, und es sei im Februar 2009 im Haus der Mutter ein Brand ausgebrochen, weshalb dieses unbewohnbar sei.

Der Vater bestreitet die Angaben in der Replik der Mutter nicht, das Haus sei zwischenzeitlich wieder bewohnbar. Diese Darstellung scheint denn auch durchaus glaubhaft, zumal selbst nach der Schilderung des Vaters lediglich der Dachstuhl gebrannt haben soll. Was den immer wieder thematisierten Vorwurf der Alkoholsucht der Mutter anbelangt, so konnte dieser nicht nur nicht bewiesen, sondern nicht einmal glaubhaft gemacht werden, denn es würde ausgesprochen seltsam anmuten, wenn der Vater die Kinder während anderthalb Jahren der Mutter mehrheitlich allein in Kroatien überlassen hätte, obwohl diese seit Jahren dem Alkohol verfallen sein soll. Schliesslich machte gemäss dem für die Mediation bestellten Kinderanwalt niemand, der in die Mediation eingebunden war, entsprechende Feststellungen, was aber seiner Einschätzung nach hätte der Fall sein müssen, da der erste Aufenthalt zu Mediationszwecken längere Zeit gedauert habe und die Mutter dabei dicht begleitet gewesen sei. Widerlegt ist ferner auch der Vorwurf, die Mutter habe psychische Probleme, denn aus dem im Februar 2010 in Kroatien von einer staatlichen Stelle (Zentrum für Soziales) erstellten psychologischen Gutachten ergibt sich, dass die Mutter gemäss ihren intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit zur Erziehung der beiden Kinder fähig sei. Insbesondere sei sich die Mutter der Wichtigkeit der Vaterrolle bezüglich der Entwicklung der Kinder bewusst, und sie habe die Absicht, die Beziehung zwischen dem Vater und den Kindern zu unterstützen und zu fördern. Es gibt keinen Anlass, an diesen Feststellungen und Schlüssen zu zweifeln, und dass das Gutachten ohne psychologische Begutachtung des Vaters erstattet wurde, tut seiner Glaubwürdigkeit keinerlei Abbruch, geht es in diesem Verfahren doch nicht um die Zuteilung der Obhut oder der elterlichen Sorge, sondern einzig um die Beurteilung der Mutter bezüglich ihrer Fähigkeiten. Nicht gegen eine Rückführung sprechen kann ferner auch der Umstand, dass in Kroatien angeblich in Bälde mit dem Entscheid über die Regelung der elterlichen Sorge zu rechnen ist: Zum einen geht es nicht an, dass der Vater mit diesem Argument Nutzen aus dem (aufgrund der umfangreichen und entsprechend zeitraubenden Bemühungen der mit der Mediation betrauten Fachkräfte) lang dauernden Verfahren zieht. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass dem Kindeswohl auch ein weiterer baldiger Wechsel des Aufenthaltsorts ernsthaft schaden würde, denn die Kinder sind sich mit Hinweis auf die Aufenthalte in den letzten Jahren gewohnt, zwischen beiden Elternteilen zu pendeln, was umso leichter zu ertragen sein dürfte, als sie nach den Feststellungen des Kinderanwalts zu beiden Elternteilen eine gute und liebevolle Beziehung haben. Alles in allem ist - insbesondere auch mit Blick auf den von der Schweizerischen Stiftung des Internationalen Sozialdienstes erwirkten Bericht über die soziale Lage der Kinder in Kroatien - nicht ersichtlich, dass die Kinder bei einer Rückführung zur Mutter irgendwelchen Schaden erleiden oder sonst in eine unzumutbare Lage kommen könnten: Allein die Tatsache, dass sich das Leben in Kroatien auf einem bescheideneren Niveau abspielt als in der Schweiz, vermag keine Gefährdung des Kindeswohls zu begründen. Schliesslich bestehen auch keine Hinweise dafür, die Kinder würden sich einer Rückführung widersetzen: Die Kinder sind derzeit sechseinhalb und fünf Jahre alt, so dass eine Befragung, wie sie der Vater verlangt, an sich nicht von vornherein ausgeschlossen wäre. Indessen macht selbst der Vater nicht geltend, die Kinder hätten ihm gegenüber je geäussert, nicht zur Mutter zurückkehren zu wollen. Insofern kann von einer Befragung der Kinder durch das Obergericht abgesehen werden, zumal im Bericht des Kinderanwalts, der mit den Kindern Kontakt hatte, zu diesem Punkt ausführlich und klar Stellung genommen wurde. Weshalb ein Kinderanwalt wie der konkret ausgewählte nicht als Fachperson im Sinn von Art. 9 Abs. 2 BG-KKE gelten können sollte, ist nicht ersichtlich, denn dieser ist entgegen der Auffassung des Vaters offensichtlich nicht nur dazu da, für eine korrekte Abwicklung des Verfahrens zu sorgen.

Obergericht, 10. Mai 2010, ZR.2009.35

Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht am 8. Juli 2010 ab, soweit es darauf eintrat (5A_436/2010).


[1] HKÜ, SR 0.211.230.02

[2] Walter / Jametti Greiner / Schwander, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, Bd. 2, Nr. 84E N 14; Schmid, Neuere Entwicklungen im Bereich der internationalen Kindsentführungen, in: AJP 2002 S. 1326; BGE 117 II 337

[3] In der Literatur zum Minderjährigenschutzabkommen gilt als grobe Faustregel ein Aufenthalt von sechs Monaten als ausreichend (Schwander, Basler Kommentar, Art. 85 IPRG N 29).

[4] BG-KKE, SR 211.222.32

[5] Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 169. Lieferung, Register Kroatien, S. 57

[6] Walter / Jametti Greiner / Schwander, Nr. 84E N 15; Schmid, S. 1328

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