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RBOG 2012 Nr. 11

Bei teilweiser Anerkennung der Klage im Schlichtungsverfahren sind die Kosten aufzuteilen


Art. 95 ff. ZPO, Art. 106 ff. ZPO, Art. 207 ZPO


1. a) Anlässlich der Schlichtungsverhandlung wurde ein Teil der Klagebegehren anerkannt; für die übrigen Begehren stellte der Friedensrichter die Klagebewilligung aus. Die Kosten- und Entschädigungsfolgen wurden nicht geregelt.

b) Die Beschwerdeführer forderten, dass hinsichtlich derjenigen Klagepunkte, welche von der Beschwerdegegnerin anerkannt worden seien, die Schlichtungsbehörde von Amtes wegen über die Festsetzung und Verteilung der Kosten zu entscheiden habe. Eine Klageanerkennung habe die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids. Die Klagebewilligung beziehe sich nur auf Ziff. 3 ihres Rechtsbegehrens, welches die Aufteilung von Sanierungskosten auf die Gemeinschaft und die einzelnen Stockwerkeigentümer betreffe. Die von ihnen angefochtenen Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung seien dagegen nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Art. 207 ZPO regle nicht, wie zu verfahren sei, wenn die Klage von der beklagten Partei anerkannt werde und das Verfahren insoweit vor dem Friedensrichter seinen Abschluss finde. Diese Frage beantworte sich nach den allgemeinen Verteilungsgrundsätzen gemäss Art. 106 ff. ZPO. Danach würden die Gerichtskosten der unterliegenden Partei auferlegt. Bei Anerkennung der Klage gelte die beklagte Partei als unterliegend. Folglich hätte der Friedensrichter die Kosten des Schlichtungsverfahrens verteilen müssen, und zwar zulasten der Beschwerdeführer, soweit sich die Parteien nicht hätten einigen können und die Klagebewilligung erteilt worden sei, und zulasten der Beschwerdegegnerin im Umfang der Klageanerkennung. Würden die Kosten des Schlichtungsverfahrens bei einer Teileinigung nicht vom Friedensrichter geregelt, laufe die klagende Partei Gefahr, im anschliessenden Prozess als unterliegende Partei die gesamten Kosten des Schlichtungsverfahrens tragen zu müssen. Das Gericht habe nämlich keine Möglichkeit, Kosten bezüglich eines Streitgegenstands zu verlegen, über den sich die Parteien bereits vor dem Friedensrichter geeinigt hätten.

c) Die Beschwerdegegnerin machte hingegen geltend, Art. 207 ZPO regle die Kosten des Schlichtungsverfahrens abschliessend. Hier sei eine Klagebewilligung erteilt worden, und gemäss Art. 207 Abs. 1 lit. c ZPO würden die Kosten des Schlichtungsverfahrens in diesem Fall der klagenden Partei, also den Beschwerdeführern, auferlegt. Selbst wenn der Auffassung der Beschwerdeführer gefolgt und die definitive Verlegung der Kosten des Friedensrichteramts im Sinn von Art. 104 ff. ZPO vorgenommen würde, sei zu berücksichtigen, dass die Ziff. 1 und 2 des Rechtsbegehrens des Hauptverfahrens gegenüber Ziff. 3 vom Streitwert her völlig unbedeutend seien. Aus diesem Grund und in Anwendung von Art. 207 Abs. 1 lit. c ZPO habe der Friedensrichter die Kosten nur den Beschwerdeführern überbunden.

2. a) Für das Schlichtungsverfahren gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Prozesskosten gemäss Art. 95 ff. ZPO. In Art. 207 ZPO findet sich zudem eine besondere Regelung zur Kostenverteilung. Die Gerichtskosten sind die Gebühren für die Beanspruchung der Justizbehörden. Der Gebührenrahmen für die Schlichtungs- und die Entscheidgebühr ergibt sich sodann aus dem anwendbaren kantonalen Tarif[1].

b) Wird die Klagebewilligung erteilt und reicht der Kläger die Klage ein, hat er zwar für die Kosten des Schlichtungsverfahrens aufzukommen, doch werden im nachfolgenden Prozess die Kosten zur Hauptsache geschlagen und zusammen mit den Prozesskosten verteilt. Unterliegt die beklagte Partei im Prozess, hat sie im Umfang ihres Unterliegens die Kosten des Schlichtungsverfahrens an die klagende Partei zurückzuerstatten[2]. Anerkennt die beklagte Partei die gestellten Rechtsbegehren im Verfahren vor der Schlichtungsbehörde, so hat sie in analoger Anwendung von Art. 106 Abs. 1 ZPO die Verfahrenskosten zu tragen[3].

c) In Verfahren mit einem bestimmbaren Streitwert erhebt der Friedensrichter eine streitwertabhängige Gebühr[4]. Gleiches gilt für die Verfahrenskosten im gerichtlichen Verfahren. Der massgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Streitwerts ist dabei der Zeitpunkt der Klageeinreichung beim Gericht. Dies ist nicht der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, da diese bereits mit der Einreichung eines Schlichtungsgesuchs eintritt[5]. Der Streitwert eines gerichtlichen Verfahrens wird somit vermindert, wenn die beklagte Partei die Klageforderung vor der Schlichtungsbehörde teilweise anerkannt oder wenn die klagende Partei ihren Anspruch nach dem Schlichtungsversuch, der ohne Einigung geblieben ist, reduziert hat[6]. Zudem gilt als massgebender Zeitpunkt zur Bestimmung der Identität des Streitgegenstands die Einreichung der Klage beim Gericht. Hat ein Schlichtungsversuch stattgefunden, ist das Verfahren zwar bereits mit Einreichung des Schlichtungsgesuchs rechtshängig geworden. Die Festlegung des Streitgegenstands wird bei den Wirkungen der Rechtshängigkeit jedoch gerade nicht genannt[7]. Das Rechtsbegehren der klagenden Partei beziehungsweise der Streitgegenstand wird daher erst mit der Ausstellung der Klagebewilligung auf seinen Wortlaut fixiert[8]. Kommt es im Schlichtungsverfahren zu einer Teileinigung zwischen den Parteien – beispielsweise in Form einer Teilanerkennung – so ist die Teileinigung ins Protokoll aufzunehmen, während für diejenigen Streitfragen, über welche die Parteien sich uneinig bleiben, die Schlichtungsbehörde über den noch verbleibenden strittigen Teil eine teilweise Klagebewilligung ausstellt, einen Urteilsvorschlag unterbreitet oder einen Entscheid fällt[9].

d) Eine Teilanerkennung bewirkt folglich, dass der anerkannte Teil der Klage nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildet. Dies führt dazu, dass diesem bei der Kostenverteilung durch das Gericht nicht mehr Rechnung getragen werden kann. Da auch im Schlichtungsverfahren die allgemeinen Grundsätze der Kostenverteilung gelten, ist die Anerkennung der Klage durch die beklagte Partei auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nur teilweise erfolgt. Die Anerkennung der Klage entspricht gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO einem Unterliegen und führt dazu, dass die anerkennende Partei im Schlichtungsverfahren die Kosten zu tragen hat[10]. Obsiegt keine Partei vollständig, werden die Prozesskosten gemäss Art. 106 Abs. 2 ZPO nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt. Dementsprechend hätte der Friedensrichter hier, nachdem die Beschwerdegegnerin einen Teil der Rechtsbegehren anerkannte, die unbestritten gebliebenen Kosten für das Schlichtungsverfahren aufteilen müssen.

e) Die Beschwerdeführer beantragten die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Beschwerdeinstanz kann jedoch, wenn sie die Beschwerde schützt und die Angelegenheit spruchreif ist, neu entscheiden. Angesichts des geringen Streitwerts und aus prozessökonomischen Gründen würde sich rechtfertigen, die Kosten im Beschwerdeverfahren selber zu verteilen. Da die Beschwerdeführer jedoch nicht darlegten, welcher Streitwert den einzelnen Rechtsbegehren zukommt, dies aus den Akten nicht ersichtlich und der Friedensrichter mit der Streitsache besser vertraut ist, wird die Sache zurückgewiesen.

Obergericht, 1. Abteilung, 19. September 2012, ZR.2012.51


[1] Dolge/Infanger, Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 69

[2] Art. 207 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ZPO; Honegger, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 207 N 5

[3] Honegger, Art. 207 ZPO N 7 f.; Gloor/Umbricht Lukas, in: Schweizerische Zivilprozessordnung (Hrsg.: Oberhammer), Basel 2010, Art. 207 N 9 f.

[4] § 7 GebV

[5] Art. 62 ZPO; Rüegg, Basler Kommentar, Art. 91 ZPO N 7

[6] Rüegg, Art. 91 ZPO N 7

[7] Vgl. Art. 64 ZPO

[8] Frei/Willisegger, Basler Kommentar, Art. 227 ZPO N 4

[9] Vgl. Egli, in: Schweizerische Zivilprozessordnung (Hrsg.: Brunner/Schwander/Gas­ser), Zürich/St. Gallen 2011, Art. 209 N 8; Gloor/Umbricht Lukas, Art. 208 ZPO N 6

[10] Art. 207 ZPO im Umkehrschluss; Art. 106 Abs. 1 ZPO

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