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RBOG 2012 Nr. 23

"Reichsführerschein" – keine unechte Urkunde, und als falsche Urkunde nicht glaubwürdig; Einziehung


Art. 69 StGB, Art. 251 f StGB


1. Der Berufungskläger ersuchte beim Strassenverkehrsamt um Ausstellung eines Schweizer Führerausweises und legte dazu einen Ausweis der "Exilregierung des 2. Deutschen Reiches" vor. Das Strassenverkehrsamt verweigerte die Umschreibung und damit die Abgabe eines Schweizer Führerausweises. Die Rekurskommission für Strassenverkehrssachen und das Bundesgericht[1] bestätigten diese Verfügung. Daraufhin beschlagnahmte das Bezirksamt den Ausweis.

2. In der Folge forderte das Strassenverkehrsamt den Berufungskläger auf, wegen Erlöschens der Haftpflichtversicherung innert zehn Tagen die Kontrollschilder abzugeben oder innert derselben Frist einen gültigen Versicherungsnachweis einzureichen. Dieser Aufforderung kam er nicht nach.

3. Die Staatsanwaltschaft sprach den Berufungskläger der Fälschung von Ausweisen und der Nichtabgabe entzogener Kontrollschilder trotz behördlicher Aufforderung schuldig. Dieser erhob dagegen Einsprache; das Bezirksgericht hiess diese teilweise gut. Der Berufungskläger beantragte, dieses Urteil sei teilweise aufzuheben. Zur Begründung führte er zusammenfassend aus, er habe den Ausweis des Zweiten Deutschen Reiches nicht gefälscht. Er sei der Meinung gewesen, er erwerbe einen Führerausweis von jener Institution, der er angehöre, und dass dies seine Richtigkeit habe. Das Zweite Deutsche Reich sei nach wie vor existent, und es sei nur mangels Institutionen nicht regierungsfähig.

4. a) Gemäss Art. 252 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer in der Absicht, sich oder einem anderen das Fortkommen zu erleichtern, Ausweisschriften, Zeugnisse, Bescheinigungen fälscht oder verfälscht, eine Schrift dieser Art zur Täuschung gebraucht oder echte, nicht für ihn bestimmte Schriften dieser Art zur Täuschung missbraucht.

Geschütztes Rechtsgut bei der Ausweisfälschung ist das öffentliche Vertrauen, das Ausweisschriften, Zeugnissen und Bescheinigungen im Rechtsverkehr entgegengebracht wird[2]. Ausweisschriften sind Papiere, die der Feststellung der Identität, der Standes- oder Familienverhältnisse einer Person dienen[3]. Dasselbe gilt für Dokumente, die jemandem die Erteilung einer Bewilligung attestieren, zum Beispiel dem Führerausweis[4].

b) "Fälschen" meint den Fall, dass die ganze Urkunde nicht von dem darauf angegebenen oder aus ihr ersichtlichen Aussteller, sondern von einem anderen angefertigt wird[5]. Eine Urkunde ist echt, wenn der tatsächliche Urheber und der aus ihr ersichtliche Aussteller identisch sind. Die Urkunde ist unecht – falsch oder gefälscht – wenn sie nicht von dem aus ihr ersichtlichen Aussteller, sondern von einem anderen stammt, beziehungsweise wenn sie den Anschein erweckt, von einem anderen als ihrem tatsächlichen Urheber herzurühren. Mit anderen Worten ist die Urkundenfälschung eine Täuschung über die Identität ihres Urhebers. Echtheit ist danach die richtig dokumentierte rechtliche Zuordnung der verkörperten Erklärung zu ihrem Aussteller, und unecht ist die Urkunde, wenn sich der erkennbare Aussteller die in ihr verkörperte Erklärung nicht mehr als die seine zurechnen lassen muss[6].

c) In der Lehre ist umstritten, ob unter die Tathandlungsvarianten von Art. 252 StGB auch die Falschbeurkundung fällt, welche im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird[7]. Die ursprünglich naheliegende Erklärung hiefür, dass der Gesetzgeber bei der nachträglichen Einfügung der Falschbeurkundung in Art. 251 StGB vergessen hat, Art. 252 StGB entsprechend zu ergänzen, lässt sich nach der Teilrevision im Jahr 1994 nicht ohne weiteres aufrechterhalten, zumal der bundesrätliche Entwurf die private Falschbeurkundung entgegen dem Expertenentwurf beibehalten hatte[8]. Die frühere Rechtsprechung hat die Falschbeurkundung unter den Tatbestand von Art. 252 StGB gefasst, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, hier sei die Falschbeurkundung im Begriff des Fälschens enthalten[9].

Falschbeurkundung ist das Errichten einer echten, aber unwahren Urkunde, bei welcher der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen[10].

5. a) Die Vorinstanz warf dem Berufungskläger vor, er habe beim Strassenverkehrsamt einen Führerausweis vorgelegt, um diesen gegen einen Schweizer Führerausweis einzutauschen. Es habe sich jedoch nicht um einen Führerausweis der zuständigen deutschen Behörde – eines Landratsamts – gehandelt. Gemäss Angaben des Berufungsklägers anlässlich der Hauptverhandlung sei der Ausweis von der "Interims-Partei" ausgestellt worden. Dass es sich bei einer Partei nicht um eine staatliche Stelle handeln könne, sei offensichtlich. Damit sei aber auch klar, dass die Partei nicht berechtigt sei, Führerausweise auszustellen. Ob der Berufungskläger über die notwendigen Voraussetzungen zur Erlangung eines Führerausweises verfüge, sei damit nicht rechtsgültig bestätigt. Beim Führerausweis des Berufungsklägers handle es sich demnach um eine unechte Urkunde, also um eine Fälschung. Der Berufungskläger habe diesen Ausweis in Täuschungsabsicht – mindestens eventualvorsätzlich – dem Strassenverkehrsamt vor­gelegt, um damit einen echten staatlichen Führerausweis zu erlangen. Er habe offensichtlich gewusst, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Landratsämter und nicht die Parteien zur Ausstellung von Führerausweisen zuständig seien, und dass er somit nicht über einen von der zuständigen deutschen Behörde ausgestellten Führerausweis verfüge, welchen er gegen einen Schweizer Führerausweis hätte eintauschen können.

b) Der Berufungskläger machte demgegenüber geltend, er habe das Ausweispapier nicht gefälscht; es sei ihm vom damaligen Aussteller zugestellt worden. Er habe gehofft, dass dies seine Richtigkeit habe, da in der Bundesrepublik Deutschland mit den entsprechenden Ausweispapieren Auto gefahren und dies auch bei Tagungen propagiert werde. Da er der Meinung gewesen sei, er habe einen Führerausweis von jener Institution erworben, der er angehöre, und dies auch seine Richtigkeit habe, sei er zum Strassenverkehrsamt gegangen und habe prüfen lassen wollen, ob ein Umtausch möglich sei. Er sei Bürger des Zweiten Deutschen Reiches und nicht ein Vasall der Bundesrepublik Deutschland und der dort regierenden Politiker. Das Zweite Deutsche Reich sei noch existent und nicht untergegangen. Es sei nur mangels Institutionen (noch) nicht regierungsfähig. Er habe in Spanien so auch einen Ausweis erhalten, weshalb er dies in der Schweiz ebenfalls habe machen wollen. Er fühle sich daher völlig unschuldig. Er habe auch nicht über Umwege zu einer Fahrerlaubnis kommen wollen, denn er habe nicht gewusst, dass dieser Ausweis in der Schweiz nicht gültig sei.

6. a) aa) Eine unechte Urkunde liegt dann vor, wenn der wirkliche Aussteller mit dem erkennbaren Aussteller offensichtlich nicht übereinstimmt. Als Aussteller einer Urkunde gilt derjenige, der sie eigenhändig niedergeschrieben und unterzeichnet hat, beziehungsweise dem eine Erklärung zugerechnet wird[11].

Als Aussteller des in Frage stehenden Führerscheins wird die "Exilregierung 2. Deutsches Reich" und als ausstellende Behörde die "Reichsmeldestelle Hamburg" genannt. Auf der Rückseite des Ausweises sind die Erteilungsdaten der einzelnen Fahrzeugkategorien aufgeführt. Zudem enthält der Ausweis folgenden Hinweis: "Dieser Führerschein beruht auf der gültigen Verfassung des 2. Deutschen Reiches vom 08.08.1919 (Verfassung der Weimarer Republik). Der Inhaber dieses Führerscheins unterliegt damit der Gerichtsbarkeit der gültigen Gesetze des 2. Deutschen Reiches und steht der am 18.07.1990 / 0:00 Uhr erloschenen BRD exterritorial gegenüber. Zudem gelten die Bestimmungen des Reichs-Passgesetzes von 1871. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an das Reichsministerium des Inneren: E-Post: Info(a)zweites-Deutsches-Reich.com".

Die deutsche Reichsmeldestelle ist im Internet abrufbar; bei ihr kann man online Reichsdokumente bestellen[12]. Auch die Exilregierung des Zweiten Deutschen Reiches ist mit einer eigenen Internetseite präsent[13]. Als Aussteller des hier strittigen Ausweises erscheint die Reichsmeldestelle der Exilregierung des Zweiten Deutschen Reiches, welche diesen offensichtlich auch tatsächlich erstellte. Der erkennbare und der tatsächliche Aussteller dieses Ausweises sind hier identisch.

bb) Trotz Verwendung des richtigen Namens ist die Urkunde unecht, wenn damit eine andere Person assoziiert wird. Dies kann durch das Ausnützen der Namensgleichheit oder durch die Beifügung namensergänzender irreführender Zusätze wie Berufsbezeichnung oder Titel geschehen. Auch hier muss aber eine Täuschung über die Identität des Ausstellers vorliegen, das heisst die Urkunde muss den Anschein erwecken, der Aussteller sei eine andere Person als der wirkliche Urheber. Eine blosse Titelanmassung – ohne Täuschung über die Person des Ausstellers – bewirkt noch keine unechte Urkunde[14]. Fügt eine Privatperson einen Behördenstempel bei, so liegt eine unechte Urkunde vor, wenn damit über die Identität des Ausstellers getäuscht wird[15].

Das Oberlandesgericht Stuttgart schloss in einem Entscheid vom 25. April 2006[16] eine Verwechslungsgefahr zwischen den vom "Reichspräsidenten", "Präsidenten des Deutschen Reiches" oder "Präsidenten der Nationalversammlung" ausgestellten Ausweise und amtlichen Dokumenten aus. Dasselbe muss auch für den hier strittigen Ausweis der Reichsmeldestelle Hamburg gelten. Mit dem Oberlandesgericht Stuttgart ist dafür zu halten, dass der Führerschein in seiner äusseren Aufmachung zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem entsprechenden bundesdeutschen Dokument aufweisen kann, in jedem Fall aber die Elemente überwiegen, aus denen der unbefangene Betrachter sogleich unzweifelhaft ihren nichtamtlichen Charakter erkennt: Die Ausstellerbezeichnung "Exilregierung des 2. Deutschen Reiches" macht deutlich, dass es sich nicht um ein amtliches Dokument handeln kann, weil es eine solche offiziell gar nicht gibt. Auch aus den auf der Rückseite angebrachten Bemerkungen, wonach der Inhaber der Karte nicht der Gerichtsbarkeit der erloschenen Bundesrepublik Deutschland, sondern jener des Zweiten Deutschen Reiches unterliege, und dass die Verfassung von 1919 sowie das Passgesetz aus dem Jahre 1871 gälten, kann nicht ernsthaft auf ein amtliches Dokument geschlossen werden[17].

Auch das Oberlandesgericht Koblenz führte in einem Urteil vom 10. Oktober 2007[18] aus, dass eine Körperschaft "Deutsches Reich" und eine Behörde von "Gross-Berlin", welche auf einer – in jenem Fall strittigen – Identitätskarte als Aussteller bezeichnet wurden, nicht existent seien. Diese Begriffe seien heute selbst als Synonym für ein bestehendes Staatsgebilde beziehungsweise die Bundeshauptstadt Berlin nicht mehr gebräuchlich. Somit könne keine gedankliche Verbindung zu staatlichen Stellen der Gegenwart hergestellt werden. Zudem wertete es den Text auf dieser strittigen Identitätskarte, welcher von der Geltung der "Gerichtsbarkeit des Deutschen Reiches und der Besatzungsmächte" und der "Exterritorialität gegenüber der Rechtsordnung der am 17. Juli 1990 de jure erloschenen Bundesrepublik Deutschland" etc. spricht, als derart sinnlose Phrasen, dass es schlichtweg unmöglich sei, diese einer amtlichen Stelle der Bundesrepublik Deutschland zuzuordnen.

Aus diesen Gründen assoziiert man auch in der Schweiz die Bezeichnung "Reichsmeldestelle" nicht mit einer Behörde mit hoheitlichen Funktionen, denn auch hier sollte bekannt sein, dass es keine rechtsstaatlich anerkannte Exilregierung des Zweiten Deutschen Reiches und dementsprechend auch keine Amtsträger dieses Reiches mit hoheitlichen Funktionen gibt. Der Leser erkennt hier also sofort, dass der Aussteller nicht – beziehungsweise nicht mehr – existiert[19]. Überdies ist das Symbol des Reichsadlers sofort erkennbar und somit auch, dass es sich nicht um ein gültiges amtliches Dokument handelt. Dieses Wissen darf zumindest von jenen Personen erwartet werden, an welche die Beurkundungen in den Führerausweisen in erster Linie gerichtet sind, nämlich an die Mitarbeiter der Polizei und des Strassenverkehrsamts. Beim in Frage stehenden Führerschein handelt es sich somit nicht um eine unechte Urkunde.

b) Die Falschbeurkundung ist das Herstellen einer echten, aber unwahren Urkunde, das heisst die unrichtige Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache. Nicht jede schriftliche Lüge stellt jedoch eine Falschbeurkundung dar[20]. Eine Falschbeurkundung liegt nur dann vor, wenn die Schrift dazu bestimmt oder geeignet ist, gerade die erlogene Tatsache zu beweisen[21]. Die Falschbeurkundung im Sinn von Art. 251 StGB setzt allerdings unter anderem voraus, dass der Urkunde gegenüber der gewöhnlichen schriftlichen Äusserung eine erhöhte, ein besonderes Vertrauen begründende Glaubwürdigkeit zukommt[22]. Nur jenen Schriftstücken kommt strafrechtlicher Urkundencharakter zu, die eine erhöhte Glaubwürdigkeit geniessen und denen der Adressat daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt, sodass eine Überprüfung der Urkunde weder nötig noch zumutbar erscheint. Eine im Verhältnis zur straflosen schriftlichen Lüge erhöhte Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit der Urkunde kann nur angenommen werden, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten. Der Tatbestand der Falschbeurkundung ist restriktiv anzuwenden[23].

Zweifel bestehen hier über die Richtigkeit der in diesem Ausweis angegebenen Führerzulassungen. Der Berufungskläger gab selber zu Protokoll, der deutsche Führerausweis sei ihm vom deutschen Staat eingezogen und vernichtet worden, wobei er den Grund dafür nicht kenne. Mit einer Auskunft bei den entsprechenden Behörden[24] hätte dies verifiziert werden können, was das Ergebnis jedoch auch nicht beeinflussen würde.

Dass der Führerausweis nicht von einer amtlichen Stelle ausgestellt wurde und damit keine Garantie für die Richtigkeit des Inhalts, namentlich in Bezug auf die Führerzulassung erweckt, ist offensichtlich. Zwar mag zutreffen, dass das Zweite Deutsche Reich formell nie aufgelöst wurde; indessen ist aus dem Namen der Ausstellerin, der "Exilregierung des 2. Deutschen Reiches, Reichsmeldestelle Hamburg", unschwer zu erkennen, dass es sich dabei nicht um eine mit hoheitlichen Kompetenzen ausgestattete Behörde handelt und diese folglich keine gültigen Angaben über die Führerzulassung machen kann. Das Mass an Ähnlichkeit ist hier so gering, dass der Ausweis nicht mit einem wirksamen deutschen Führerausweis verwechselt werden kann[25]. Für eine Falschbeurkundung fehlt dem Ausweis somit die notwendige Glaubwürdigkeit. So hat denn auch der Kriminaltechnische Dienst der Kantonspolizei richtigerweise festgestellt, dass es sich beim Ausweis des Berufungsklägers um ein Fantasieprodukt handelt. Bei diesem Ergebnis kann offen gelassen werden, ob der Gebrauch einer falschen Urkunde im Sinn von Art. 252 StGB überhaupt strafbar ist.

Die Tatbestandsmerkmale der Fälschung von Ausweisen sind folglich nicht erfüllt. Allenfalls könnte von einem Versuch dazu gesprochen werden; indessen wäre dieser als untauglich zu qualifizieren und somit straflos[26].

7. a) Gemäss Art. 69 Abs. 1 StGB verfügt das Gericht ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die beispielsweise zur Begehung einer Straftat bestimmt waren, wenn sie unter anderem die öffentliche Ordnung gefährden. Jede Art von Straftat kann Anlasstat sein, auch ein Versuch dazu[27]. Es genügt bereits eine straflose Vorbereitungshandlung, wenn der fragliche Gegenstand ernstlich als Tatmittel in Aussicht genommen wurde und die Tat, zu deren Begehung der Gegenstand bestimmt war, ein Stadium der Verwirklichung erreicht hat, das mindestens mit Strafe bedroht ist[28]. Die allgemeine Erhältlichkeit eines Gegenstands schliesst die Einziehbarkeit nicht aus. So sind Tatwerkzeuge unabhängig davon einzuziehen, ob sie nur rechtswidrigem oder auch anderem Gebrauch dienen können[29]. Entscheidend ist die durch den Täter realisierte oder beabsichtigte Verwendung, aufgrund welcher sich beurteilt, ob der Gegenstand beispielsweise die öffentliche Ordnung gefährdet[30]. Neben dem Deliktskonnex ist erforderlich, dass vom einzuziehenden Gegen­stand eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Ordnung ausgeht. Dabei ist eine Prognose für die Zukunft nötig; vorausgesetzt ist, dass die Gefahr auch in der Zukunft besteht und somit – unter Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit – die Einziehung rechtfertigt[31].

b) Der beschlagnahmte Ausweis – ausgestellt am 22. Juni 2007 durch die Reichsmeldestelle Hamburg – hat keine Aussagekraft und ist für den Berufungskläger als Führerausweis unbrauchbar beziehungsweise nutzlos. Der Berufungskläger ist "Besitzer" eines Personenwagens und als selbstständiger Kaufmann tätig. Er hat sich den in Frage stehenden Führerausweis offensichtlich deshalb beschafft, um sich beim Autofahren wieder ausweisen zu können, nachdem ihm die deutschen Behörden seinen offiziellen Führerausweis eingezogen hatten. Der Berufungskläger musste somit beabsichtigt haben, ohne gültigen Führerausweis Auto zu fahren, was strafbar ist[32]. Einen anderen Grund für den Erwerb des in Frage stehenden Führerausweises gab der Berufungskläger jedenfalls nicht an und ist auch nicht ersichtlich. Dass der Berufungskläger nicht gewusst haben will, dass der Ausweis der Exilregierung des Zweiten Deutschen Reiches nicht als offizielle Bestätigung seiner Führerzulassung gilt, ist unglaubwürdig, nachdem der Berufungskläger früher über einen offiziellen Führerausweis der Deutschen Behörden verfügt hatte und dieser ihm wieder entzogen wurde. Gemäss Art. 14 Abs. 1 SVG wird der Führerausweis erst erteilt, wenn die amtliche Prüfung ergeben hat, dass der Bewerber die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge der Kategorie, für die der Ausweis gilt, sicher zu führen versteht. Der Berufungskläger kann diesen Nachweis nicht erbringen. Indem der Berufungskläger ohne anerkannten Führerausweis Auto fährt, gefährdet er die öffentliche Ordnung. Die Verhältnismässigkeit ist mit dem Einzug ohne weiteres gewahrt, da der Ausweis für den Berufungskläger völlig nutzlos ist. Trotz Freispruchs betreffend das Fälschen von Ausweisen sind die Voraussetzungen von Art. 69 StGB folglich erfüllt, und der beschlagnahmte Ausweis ist einzuziehen.

Obergericht, 1. Abteilung, 18. Januar 2012, SBR.2011.34


[1] BGE vom 9. Februar 2009, 1C_510/2008

[2] Boog, Basler Kommentar, Art. 252 StGB N 1

[3] Boog, Art. 252 StGB N 5

[4] Rehberg, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 2.A., S. 136

[5] Rehberg, S. 125

[6] Boog, Basler Kommentar, Art. 251 StGB N 3

[7] Rehberg, S. 138; Boog, Art. 252 StGB N 10; Stratenwerth/Bommer, Schweizerisches Strafrecht, BT II, 6.A., S. 179

[8] Vgl. BBl 1991 II 990 f., 1078 f.

[9] BGE 70 IV 172 f.

[10] Boog, Art. 251 StGB N 36 und Art. 252 StGB N 10; Trechsel/Erni, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar (Hrsg.: Trechsel et al.), 2.A., Art. 252 N 5; Rehberg, S. 126

[11] Boog, Art. 251 StGB N 3

[12] Vgl. www.reichsmeldestelle.info/antrag/index.php; http://www.reichsmeldestelle. info/ gebuehren.php

[13] Vgl. http://friedensvertrag.info; http://www.reichsmeldestelle.info/verweise.html

[14] Boog, Art. 251 StGB N 13

[15] Stratenwerth/Bommer, S. 154

[16] Vgl. www.justizportal-bw.de; Entscheidungen

[17] Vgl. Entscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 25. April 2006, N 10

[18] Vgl. Entscheid des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. Oktober 2007, in: Justizblatt Rheinland-Pfalz, 14/2007, S. 378 ff.

[19] Vgl. Krüger, Strafbarkeit rund um den sog. "Reichsführerschein", in: NZV 2008, S. 611 Ziff. 1

[20] BGE 126 IV 67

[21] BGE 73 IV 50

[22] Boog, Art. 251 StGB N 48; Trechsel/Erni, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar (Hrsg.: Trechsel et al.), 2.A., Art. 251 StGB N 9

[23] BGE 123 IV 64; Weder, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch (Hrsg.: Donatsch), 18.A., Art. 251 StGB N 20 ff.; Stratenwerth/Wohlers, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 2.A., Art. 251 N 11; Boog, Art. 251 StGB N 40 ff.

[24] Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt

[25] Vgl. Krüger, S. 611

[26] Art. 22 Abs. 2 StGB

[27] Baumann, Basler Kommentar, Art. 69 StGB N 6

[28] Baumann, Art. 69 StGB N 10

[29] Baumann, Art. 69 StGB N 10; BGE 125 IV 185

[30] Baumann, Art. 69 StGB N 10; BGE 114 IV 99

[31] Baumann, Art. 69 StGB N 13 f.

[32] Art. 96 Ziff. 1 SVG

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