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RBOG 2013 Nr. 19

Zechprellerei


Art. 149 StGB


1. Die Beschwerdeführerin stellte bei der Kantonspolizei Strafantrag gegen den Beschwerdegegner wegen Zechprellerei. Der Beschwerdegegner habe seit März 2013 in einem ihrer Privatzimmer logiert, wobei er ihr am 5. eines jeden Monats einen Mietzins von Fr. 800.00 entrichtet habe. Am 5. Juni 2013 habe er ihr gesagt, es gebe Probleme mit der Lohnzahlung, weshalb er erst am 20. Juni 2013 bezahlen könne. Am 19. Juni 2013 habe sie den Beschwerdegegner das letzte Mal angetroffen. Tags darauf habe sie festgestellt, dass er ausgezogen sei, ohne ihr den Monat Juni 2013 bezahlt zu haben. Deshalb schulde ihr der Beschwerdegegner 20 Tage à Fr. 26.50, zuzüglich Fr. 30.00 für die Endreinigung des Zimmers, insgesamt somit Fr. 560.00. Die Staatsanwaltschaft verfügte, es werde keine Untersuchung an die Hand genommen, weil der Tatbestand der Zechprellerei nicht erfüllt sei.

2. a) Zechprellerei im Sinn von Art. 149 StGB begeht, wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt.

aa) Die Staatsanwaltschaft nahm auf den Basler Kommentar und somit auf den Kommentator Arzt[1] Bezug. Dieser plädiert für eine Abschaffung oder wenigstens für eine restriktive Auslegung des Straftatbestands der Zechprellerei. Entsprechend seien "Bed & Breakfast", Campingplätze, Spitäler, Taxis usw. nicht unter Art. 149 StGB zu subsumieren.

bb) Unter "Bed & Breakfast", kurz "B&B", wird eine Unterkunft bei Privaten, in deren Preis immer ein Frühstück enthalten ist, verstanden. Pensionen dagegen gibt es mit oder ohne Frühstück. Davon abgesehen sind keine weiteren Unterschiede auszumachen[2]. Mit dem Ausschluss der "B&B-Betriebe" steht Arzt im Kreis jener wenigen Autoren, welche sich zum Begriff des "Gastwirtschaftsbetriebs" überhaupt geäussert haben, allein da[3].

aaa) Nach Trechsel/Crameri wird der Inhaber eines Gastgewerbebetriebs, also eines gewerbsmässigen Beherbergungs- und Bewirtungsbetriebs, von Art. 149 StGB geschützt, und zwar unabhängig davon, ob ein Patent besteht oder nicht. Eine Pension ist immer ein Betrieb nach Art. 149 StGB. Auch Kliniken geniessen den Schutz, nicht dagegen die blosse Zimmervermietung oder ein Zeltplatz[4]. Nach diesen Autoren ist ein "B&B-Betrieb" somit nicht vom Anwendungsbereich von Art. 149 StGB ausgeschlossen.

bbb) Der heutige Art. 149 StGB ist seit 1. Januar 1995 in Kraft und entspricht weitestgehend dem früheren Art. 150 aStGB[5]. Nach jenem Art. 150 aStGB wurde, wer sich in einem Gasthaus oder in einer Pension beherbergen liess, wer sich in einer Wirtschaft oder in einer Pension Speisen oder Getränke vorsetzen liess, und den Wirt um die Bezahlung prellte, auf Antrag, mit Gefängnis, Haft oder Busse bestraft. Hiezu hielten Schubarth/Albrecht fest, unter "Gasthaus" seien auch Hotels, Motels und Jugendherbergen sowie Privatunterkünfte zu verstehen, nicht aber die Miete eines Campingplatzes[6].

ccc) Die Rechtsprechung musste sich mit dem Straftatbestand der Zechprellerei - soweit ersichtlich - nur vereinzelt auseinandersetzen. BGE 125 IV 124 ff. betraf einen Hotelbetrieb. Das Bundesgericht setzte sich aber in diesem Entscheid mit dem Begriff "Gastwirtschaftsbetrieb" nicht weiter auseinander. Auch BGE 75 IV 15 ff. beinhaltet diesbezüglich keine weiterführenden Erwägungen. Das Obergericht des Kantons Zürich erwog in ZR 56, 1957, Nr. 62, die Geschädigte habe sich vor dem Untersuchungsrichteramt als Pensionsinhaberin ausgegeben. Aus ihren weiteren Ausführungen ergebe sich aber, dass sie dem Angeklagten und dessen Ehefrau lediglich ein Zimmer vermietet habe. Diese Tatsache sowie der Umstand, dass sie während der schönen Jahreszeit allgemein Zimmer vermietet habe, mache sie indessen aber noch nicht zur Inhaberin einer Pension oder eines Gasthauses im Sinn von Art. 150 aStGB. Das Kantonsgericht Graubünden stellte in PKG 1998 Nr. 30 fest, zu den Betrieben des Gastgewerbes, deren Inhaber den verstärkten strafrechtlichen Schutz gegen betrugsähnliche Machenschaften ihrer Gäste geniessen, gehörten nebst den im Gesetz ausdrücklich genannten Gasthäusern, Pensionen und Wirtschaften auch die Hotels. Geschützt seien dabei nicht nur die Forderungen für Unterkunft, Verpflegung und Getränke, sondern ebenso jene für andere typische Dienstleistungen wie die Taxen für Telefongespräche, das Entgelt für die Besorgung der Wäsche und dergleichen mehr. Nach der offenbar seit längerer Zeit nicht mehr überprüften bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei der Wirt geprellt, wenn er sich in seiner Erwartung, für die Beherbergung oder Bewirtung des Gastes bezahlt zu werden, enttäuscht sehe.

b) aa) aaa) Die Beschwerdeführerin beherbergte den Beschwerdegegner unbestritten in einem ihrer Privatzimmer, welche sie mit Möbeln und Fernseher, Kühlschrank, Bett- und Frotteewäsche ausgestattet anbot. Frühstück gab es gemäss Prospekt "auf Wunsch im Haus oder im Garten", wobei diesfalls ein anderer, höherer Preis geschuldet war.

bbb) Allerdings steht (noch) nicht zweifelsfrei fest, welche Dienstleistungen hier von der Beschwerdeführerin im Einzelnen erbracht wurden, wurde doch bislang allein der Beschwerdegegner protokollarisch zur Sache befragt. Gemäss seinen Ausführungen beinhaltete die Entschädigung in Höhe von monatlich Fr. 800.00 die Benutzung des Zimmers, des WCs und der Dusche auf dem Flur sowie die zeitweise Nutzung der Küche im Parterre. "Essen" sei nicht eingeschlossen gewesen; zudem habe er "selber waschen und reinigen müssen". Sollten diese Ausführungen zutreffen, so wäre tatsächlich von einer "reinen Zimmervermietung" auszugehen, womit Art. 149 StGB nach einem Teil der Lehre und Rechtsprechung nicht anwendbar wäre[7]. Ob dem hier indessen so war, ist aber (noch) unklar. Die Staatsanwaltschaft wird nicht umhin kommen, dazu auch die Beschwerdeführerin einzuvernehmen.

bb) Allein der Umstand, dass der Beschwerdegegner monatelang bei der Beschwerdeführerin logierte und mit ihr dafür eine Entschädigung von pauschal Fr. 800.00 pro Monat vereinbart hatte, schliesst die Anwendbarkeit von Art. 149 StGB nicht aus, trifft doch der Straftatbestand der Zechprellerei keine dahingehende Unterscheidung. Ansonsten wäre ein Gast, welcher längere Zeit in einem Hotel logiert und eine Pauschale aushandelt, kein Zechpreller, wenn er das Hotel um die Bezahlung prellt.

c) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist die Anwendbarkeit von Art. 149 StGB nicht ohne weiteres zu verneinen. Es ist durchaus denkbar, dass der Logierbetrieb der Beschwerdeführerin im Verhältnis zum Beschwerdegegner einen Gastgewerbebetrieb im Sinn von Art. 149 StGB darstellte. Dazu ist (auch) die Beschwerdeführerin zu befragen. Handelte es sich um einen Gastgewerbebetrieb, ist weiter abzuklären, ob der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin um die Bezahlung prellte. Zusammenfassend erfolgte die Nichtanhandnahmeverfügung vom 6. September 2013 zu Unrecht.

Obergericht, 2. Abteilung, 31. Oktober 2013, SW.2013.120


[1] Arzt, Basler Kommentar, Art. 149 StGB N 10

[2] Vgl. Begriffsumschreibung "bed and breakfast" in "Wikipedia"

[3] Nicht geäussert haben sich: Donatsch, in: StGB Kommentar (Hrsg.: Donatsch), 19.A., Art. 149 N 1 ff.; Stratenwerth/Jenny/Bommer, Schweizerisches Strafrecht, BT I, 7.A., § 16 N 44 ff.; Stratenwerth/Wohlers, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 3.A., Art. 149 N 1 ff.; Donatsch, Strafrecht III, 10.A., S. 260 ff.

[4] Trechsel/Crameri, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar (Hrsg.: Trechsel/Pieth), 2.A., Art. 149 N 3

[5] Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Strafbare Handlungen gegen das Vermögen und Urkundenfälschung) vom 24. April 1991, in: BBl 1991 II 1028: "Entgegen dem Entwurf der Expertenkommission schlagen wir Ihnen vor, den Tatbestand der Zechprellerei - von einer kleinen Korrektur abgesehen - unverändert beizubehalten".

[6] Schubarth/Albrecht, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, BT, Bd. 2, Bern 1990, Art. 150 N 4

[7] Trechsel/Crameri, Art. 149 StGB N 3; ZR 1957 Nr. 62

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