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RBOG 2014 Nr. 4

Zeitlich begrenzt geführte Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft aufgrund des veränderlichen Gesundheitszustands des Beschwerdeführers


Art. 394 Abs. 1 ZGB, Art. 395 Abs. 1 ZGB


1. a) Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ordnete für den Beschwerdeführer eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung an, mit den Aufgabenbereichen, ihn beim Erledigen der administrativen und finanziellen Angelegenheiten zu vertreten, sich unter Beizug allfälliger Hilfspersonen um die Löschung der noch bestehenden GmbH zu kümmern, die notwendige Unterstützung im Haushalt sowie ein Helfernetz zu organisieren, für ambulante medizinische und psychiatrische Betreuung besorgt und Ansprechperson mit Koordinationsfunktion für alle involvierten Personen zu sein. Der Beistand wurde angewiesen, sobald als nötig, ordentlicherweise erstmals per 30. Juni 2015, einen Rechenschaftsbericht mit Rechnung und Belegen einzureichen.

b) Der Beschwerdeführer brachte dagegen vor, er sei selber in der Lage, seine finanziellen Angelegenheiten zu erledigen und sein Einkommen und Vermögen zu verwalten. Ausserdem sei ihm wichtig, dass die Beistandschaft jederzeit abgeändert oder aufgehoben werden könne.

2. a) Gemäss den Angaben der Schwester des Beschwerdeführers verschlechterte sich der gesundheitliche Zustand ihres Bruders über Monate; nach einer Fehldiagnose sei die Ursache für die Lähmungserscheinungen in Armen/Händen und Beinen/Füssen herausgefunden worden, was zu einer Notoperation am Rückenmark und Halswirbel geführt habe. Der Beschwerdeführer lebe allein in einer Wohnung und sei physisch und inzwischen auch psychisch mit allem überfordert. Er habe grosse Schwierigkeiten, seine Wohnung zu verlassen. Sie habe versucht, ihren Bruder zu unterstützen, komme jedoch an ihre Grenzen; sie lebe nicht in der Nähe und habe noch einen anderen schwerkranken Bruder, der ihre Unterstützung benötige. Der Beschwerdeführer brauche jemanden, der ihm bei Administrativem und Organisatorischem unter die Arme greife und der ihn dabei unterstütze, die nötige medizinische Betreuung zu erhalten. Der Beschwerdeführer habe sich seit 10 bis 15 Jahren komplett aus dem Berufs- und Sozialleben zurückgezogen und immer grössere Angst vor sozialen Kontakten entwickelt. Sie sei momentan dabei, eine psychotherapeutische Betreuung in die Wege zu leiten. Sie selber sei nicht in der Lage, die Unterstützung im erforderlichen Mass selbst zu leisten.

b) Gemäss Arztbericht befand sich der Beschwerdeführer während längerer Zeit in stationärer Behandlung des Zentrums für Paraplegie. Beim Austritt aus der Klinik habe der Beschwerdeführer ohne Hilfsmittel gehen können, doch seien Defizite der Handfunktion im Bereich Kraft und Feinmotorik vorhanden gewesen. Hier sei im häuslichen Umfeld gegebenenfalls eine Unterstützung durch eine Haushaltshilfe erforderlich. Durch den Krankheitsverlauf mit mehrfachen Operationen ergebe sich eine starke psychische Belastung. Bezüglich der Urteilsfähigkeit bestünden beim Beschwerdeführer keine Einschränkungen, doch liege eine verminderte Belastbarkeit vor, weshalb eine Unterstützung durch eine Vertrauensperson in den persönlichen, administrativen und finanziellen Angelegenheiten als sinnvoll erscheine.

c) Der Beschwerdeführer gab bei der Anhörung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde an, er habe im häuslichen Umfeld im Moment keine Unterstützung. Vieles bleibe liegen; putzen sei aufgrund seiner Einschränkung schwierig. Er sei derzeit nicht in der Lage, seine administrativen Angelegenheiten zu erledigen. Die Schwester unterstütze ihn in einem gewissen Rahmen; sie komme jedoch an ihre Grenzen und möchte alles abgeben. Bei den Psychiatrischen Diensten habe ein erstes Gespräch stattgefunden. Der Beschwerdeführer erklärte weiter, er sei vollumfänglich urteilsfähig, doch fehle ihm die physische und psychische Kraft, seine Angelegenheiten selber zu erledigen. Das Organisieren von weiterer Unterstützung sei auch eine finanzielle Frage. Momentan verfüge er über kein Einkommen, und sein Vermögen sei in absehbarer Zeit aufgebraucht.

d) Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ging von den zutreffenden gesetzlichen Grundlagen aus, worauf verwiesen werden kann. Die Behörde folgerte, die Schwester des Beschwerdeführers habe zwar eine Generalvollmacht, sei jedoch nicht weiter in der Lage, diese umzusetzen und den Beschwerdeführer im notwendigen Rahmen zu unterstützen. Weitere Personen in seinem näheren Umfeld gebe es nicht. Der Beschwerdeführer sei zwar noch urteilsfähig und könnte einen Dritten für die Erledigung seiner Angelegenheiten bevollmächtigen, doch fehle ihm die Kraft, selbstständig eine geeignete Person zu suchen, wodurch er mit der gesamten Situation überfordert sei. Seine physischen und psychischen Einschränkungen wiesen daher auf einen Schwächezustand und einen Schutzbedarf hin. Aufgrund der gesamten Umstände sei er in der Erledigung seiner Angelegenheiten überfordert. Durch die Defizite in seiner Handfunktion sowie die psychische Belastung sehe er sich zurzeit nicht in der Lage, sich selber um seine Angelegenheiten zu kümmern, weshalb er sich mit der Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft einverstanden erklärt habe. Er sei momentan vor allem physisch nicht in der Lage, seine Papiere selber zu sortieren. Sein Ziel sei jedoch, bei Verbesserung seines physischen und psychischen Zustands, seine Angelegenheiten wieder selber zu regeln, weshalb es ihm auch wichtig sei, dass sein Beistand jeweils in Absprache mit ihm handle. Im Übrigen müsse die noch bestehende GmbH aufgelöst und im Handelsregister gelöscht werden.

e) Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ordnete eine Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft gemäss Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB an, um dem Beschwerdeführer die notwendige administrative und finanzielle Fürsorge zu leisten beziehungsweise zu vermitteln, und um die notwendigen Vertretungen, insbesondere im Verkehr mit Behörden, Ämtern, Banken, Post, Sozial- und anderen Versicherungen, sonstigen Institutionen und Privatpersonen vornehmen zu können. Dabei stellte die Behörde das gesamte Einkommen und Vermögen des Beschwerdeführers unter die Verwaltung des Beistands und verfügte, der Beistand solle im Bereich der Personensorge für die notwendige Unterstützung in der Haushaltsführung sorgen und ein entsprechendes Helfernetz organisieren sowie für eine ambulante und medizinische Betreuung besorgt sein.

3. a) Die von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde angeordneten Massnahmen sind im Sinn von Art. 389 Abs. 2 ZGB erforderlich und geeignet. Mit einer Vertretungsbeistandschaft können die administrativen und finanziellen Angelegenheiten für den Beschwerdeführer geordnet und unter Entlastung der Angehörigen abgewickelt werden. Der Beschwerdeführer ist derzeit aufgrund seiner Einschränkungen nicht in der Lage, selber Handlungen vorzunehmen; deshalb kommt eine mildere Massnahme, wie etwa eine Begleitbeistandschaft, momentan nicht in Betracht. Insofern rechtfertigt es sich, den angefochtenen Entscheid zu bestätigen.

b) Allerdings ist festzustellen, dass insbesondere über den psychischen Zustand des Beschwerdeführers nur sehr wenig bekannt ist. Zwar ist offensichtlich, dass die körperlichen Schwierigkeiten des Beschwerdeführers, insbesondere die Operationen und die verbliebenen physischen Einschränkungen, zwangsläufig auch psychische Probleme mit sich bringen, doch liegen keine Erkenntnisse über das Ausmass dieser Probleme im konkreten Fall vor. Jedenfalls ist klar, dass die persönlichen und finanziellen Angelegenheiten des Beschwerdeführers nunmehr geregelt werden müssen; aufgrund der bisherigen Abklärungen ist es tatsächlich so, dass der Beschwerdeführer momentan überfordert ist, seine Angelegenheiten selbst zu erledigen. Dem Anliegen des Beschwerdeführers, wonach er die Beistandschaft jederzeit selber abändern oder aufheben wolle, kann nicht entsprochen werden. Die Vertretungsbeistandschaft endet auf Antrag der betroffenen oder einer nahestehenden Person oder von Amtes wegen, sobald für die Fortdauer kein Grund mehr besteht[1]. Ist sie nicht mehr notwendig, so ist sie ersatzlos aufzuheben[2]. Angesichts der hier massgebenden Verhältnisse muss die Beistandschaft relativ eng und zeitlich begrenzt geführt werden. Daher rechtfertigt es sich, in Abänderung von Ziff. 2 lit. b des angefochtenen Entscheids den Beistand zu verpflichten, seinen ersten Bericht samt Rechnung und Belegen per 31. März 2015 einzureichen. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde wird in der Folge entscheiden müssen, ob und inwieweit es sich rechtfertigt, die Vertretungsbeistandschaft weiterzuführen. Für eine Weiterführung der Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung wären alsdann aber weitere Abklärungen notwendig.

Obergericht, 1. Abteilung, 22. Oktober 2014, KES.2014.83


[1] Art. 399 ZGB

[2] Meier, in: FamKommentar Erwachsenenschutz (Hrsg.: Büchler/Häfeli/Leuba/ Stettler), Bern 2013, Art. 394 ZGB N 42

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