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RBOG 2014 Nr. 5

Einsetzung, Rechte, Pflichten und Absetzung der Vertrauensperson


Art. 432 ZGB, Art. 447 Abs. 1 ZGB


1. Der Beschwerdeführer ist in der psychiatrischen Klinik fürsorgerisch untergebracht und ernannte A und B als Vertrauenspersonen. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde aberkannte A und B die Funktion als Vertrauenspersonen des Beschwerdeführers und widerrief deren Ernennung. Gegen diesen Entscheid erhoben der Beschwerdeführer und A Beschwerde. Beide beantragten, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Zudem verlangte der Beschwerdeführer, es sei anzuordnen, dass A und B wieder als seine Vertrauenspersonen ihre Aufgaben erfüllen könnten.

2. a) Gemäss Aktennotiz des Präsidiums der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde teilten die Psychiatrischen Dienste Thurgau der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde telefonisch mit, für die Klinik sei die Situation mit dem Beschwerdeführer schwierig und kaum noch tragbar. Er sei sehr aggressiv sowohl gegenüber den Mitpatienten als auch Mitarbeitenden, welche er zudem bedrohe. Er habe deshalb in das Isolationszimmer verlegt werden müssen. Ausserhalb des Isolationszimmers werde er immer von einem Mitarbeiter begleitet. Der Beschwerdeführer sei hoch gefährlich und müsse forensisch begutachtet und auf eine forensische Station verlegt werden, da eine normale Akutstation mit diesem Patienten überfordert sei. Hinzu komme, dass die Medikamente nicht wie gewünscht wirkten, da der Beschwerdeführer aufgrund seiner hirnorganischen Schädigungen und der Herzprobleme nur mit geringen Dosen behandelt werden könne. Erschwert werde die ganze Situation überdies einerseits durch das Verhalten seines Anwalts und andererseits durch die neuen Vertrauenspersonen des Patienten. Diese würden sehr aggressiv auftreten, forderten Einsicht in die Akten und drohten der Klinik, wenn ihnen diese nicht umgehend zugestellt würden. Das Präsidium der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde machte den zuständigen Arzt darauf aufmerksam, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde für die Anordnung einer forensischen Begutachtung nicht zuständig sei. Die Einweisung auf eine forensische Abteilung sei nur durch die Strafbehörde beziehungsweise das Strafgericht möglich. Entsprechend wurde dem Arzt empfohlen, bei erneuten Übergriffen des Patienten dafür zu sorgen, dass das Klinikpersonal beziehungsweise der betroffene Patient Strafantrag stelle. Bezüglich der Vertrauensperson wurde ihm zugesichert, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die erforderlichen Abklärungen treffen und sich wieder mit ihm in Verbindung setzen werde. Es wurde ihm ausserdem empfohlen, in einem Bericht die aktuelle Situation und die bestehenden Probleme zu schildern, damit die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die erforderlichen Abklärungen tätigen könne.

b) Im Oktober 2014 stellte die Ärztliche Direktion der Psychiatrischen Klinik bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde den Antrag, A und B als Vertrauenspersonen für den Beschwerdeführer abzulehnen. Beim Beschwerdeführer bestehe eine schwere paranoid-halluzinatorische Schizophrenie. Er sei unter anderem in Bezug auf gesundheitliche Angelegenheiten einschliesslich ausreichende medizinische Betreuung urteilsunfähig. Aufgrund seiner krankheitsbedingten veränderten Wahrnehmung halte er sich für gesund und könne die damit im Zusammenhang stehenden Fragen mit seinem Gesundheitszustand nicht überblicken. Er sei suggestibel, und seine Sicht der Dinge sei stark polarisierend. Er fasse Vertrauen zu den Personen, die eine antipsychiatrische Haltung vertreten würden, und sei nicht in der Lage, Pro und Kontra abzuwägen. Er sei damit auch nicht in der Lage, die Folgen einer Unterlassung der angemessenen Behandlung abzuschätzen. Wegen der grundlegend ablehnenden Haltung gegenüber der Psychiatrie seien eine Vertrauensbasis für eine Zusammenarbeit und ein konstruktiver Dialog, zu dem die Klinik grundsätzlich bereit sei, mit A und B nicht möglich. So hätten sie auf telefonische Anfrage von A ein Gesprächsangebot für den folgenden Tag angekündigt. Dennoch seien A und B kurze Zeit später unangekündigt auf der Station erschienen und hätten mitgeteilt, dass sie nicht gekommen seien, um den Patienten zu besuchen. Sie hätten vom Pflegepersonal mit starkem Druck sofortige Gespräche gefordert, sofortige Akteneinsicht, sofortiges Ausdrucken der kompletten Krankengeschichte einschliesslich des Voraufenthalts. Trotz Aufforderung durch das Pflegepersonal seien sie nicht bereit gewesen, die Station bis zur Klärung dieser Anliegen wieder zu verlassen. Stattdessen hätten sie weiteres Personal angesprochen und versucht, Zustimmung für ihre Anliegen zu finden. Zudem hätten sie die Interventionen des Pflegepersonals in Bezug auf andere Patienten kommentiert. Aufgrund dieses grenzüberschreitenden Verhaltens sei die geordnete Versorgung der übrigen 23 Patienten gefährdet gewesen. Bereits in der Vorwoche sei ein ausführliches Gespräch ebenfalls durch plötzliches Erscheinen und unter hohem Druck vorgebrachten Forderungen geführt worden. Bereits damals habe die Oberarztvisite unterbrochen werden müssen, um eine Eskalation der Situation zwischen den Vertrauenspersonen und dem Pflegepersonal vor Beendigung der Oberarztvisite zu verhindern. Erst durch oberärztliche Intervention und ein Gesprächsangebot nach Beendigung der Visite sei es gelungen, die Situation zu entspannen. Der weitere Verlauf habe jedoch gezeigt, dass das sehr zeitintensive Gespräch nicht zielführend gewesen sei. Ein sachdienliches Gespräch im geordneten Rahmen sei bisher nicht möglich gewesen. Es habe sich gezeigt, dass auf dieser Grundlage der gewollte Diskurs mit den Vertrauenspersonen nicht zustande kommen könne. Die Klinik befürchte daher langfristig negative Folgen für den Patienten aufgrund der unbehandelten Psychose. Gleichzeitig bleibe die Gefährdung Dritter durch impulsive Gewaltdurchbrüche aufgrund der Realitätsverkennung bestehen. Die Diagnose "Schizophrenie" werde von den Vertrauenspersonen bezweifelt, und die damit zusammenhängenden individuellen Gefährdungsaspekte würden bagatellisiert und unterschätzt. Immer wieder sei der Eindruck entstanden, dass wichtige Teile der Vorgeschichte des Patienten den Vertrauenspersonen nicht bekannt seien. Stattdessen seien allgemeine Vermutungen mit antipsychiatrischer Haltung vorgetragen worden. Auch die Fachkompetenz des Behandlungsteams sei in Frage gestellt worden. Eine sehr druckvolle Situation sei erzeugt worden, indem gefordert worden sei, dass man ihren Forderungen besser sofort nachkomme, ansonsten man umfangreichere Forderungen zu erfüllen habe. Überdies sei mit einer Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde gedroht worden. Durch dieses vehemente Auftreten sei nicht nur der Betrieb der Station gestört und die weitere Versorgung der anderen Patienten gefährdet worden; auch der Patient gerate dadurch immer wieder in starke Anspannungszustände, die häufiger und intensiver als sonst aufträten.

c) Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde widerrief beziehungsweise aberkannte die Ernennung von A und B als Vertrauenspersonen des Beschwerdeführers anfangs Oktober 2014 gestützt auf dieses, ihr gleichentags per Fax übermittelte Schreiben der Psychiatrischen Klinik.

3. In formeller Hinsicht ist festzustellen, dass vor einem solchen endgültigen Entscheid dem Betroffenen und damit dem durch die Vertrauensperson Vertretenen und der Vertrauensperson selbst das rechtliche Gehör gewährt werden muss. Dies hat unabhängig von der Beurteilung der materiellen Frage, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen überhaupt die Ernennung einer Vertrauensperson durch den fürsorgerisch Untergebrachten von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde aberkannt werden kann, zu geschehen. Es stehen erhebliche Vorwürfe der Psychiatrischen Klinik gegen die Vertrauenspersonen im Raum, zu welchen sich die Vertrauenspersonen äussern können müssen. Indem die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ihren Entscheid einzig aufgrund des schriftlich begründeten Antrags der Psychiatrischen Klinik fällte, ohne die Betroffenen zu den erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen zu lassen, verletzte sie das rechtliche Gehör sowohl der Vertrauenspersonen als auch des Beschwerdeführers. Dementsprechend muss die Streitsache zwingend an die Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückgewiesen werden.

4. a) In materieller Hinsicht stellt sich die Frage, ob die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde überhaupt berechtigt ist, einer Vertrauensperson die dieser zustehenden Rechte zu entziehen und sie als Vertrauensperson faktisch abzusetzen. Ein Widerruf der Ernennung durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ist allerdings von vornherein ausgeschlossen, da die Vertrauensperson vom Beschwerdeführer ernannt wurde und nicht von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde.

b) aa) Jede Person, die in einer Einrichtung beziehungsweise Klinik untergebracht wird, kann eine Person ihres Vertrauens beiziehen, die sie während des Aufenthalts und bis zum Abschluss aller damit zusammenhängenden Verfahren unterstützt[1]. Mit dem Institut der Vertrauensperson wird ein doppelter Zweck verfolgt: Einerseits soll jemand vorhanden sein, der die betroffene Person bei der Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber den Behörden und der Klinik unterstützt, und andererseits soll sie den Kontakt zur Gesellschaft ausserhalb der Klinik sicherstellen und damit der Vereinsamung entgegenwirken[2]. Der Vertrauensperson obliegt die Aufgabe, die betroffene Person über ihre Rechte und Pflichten zu informieren, ihr gegebenenfalls bei der Formulierung und Weiterleitung von Anliegen zu helfen, bei Konflikten zu vermitteln und sie im Verfahren zu begleiten[3]; sie sollte die betroffene Person bei Konflikten unterstützen und ihr helfen, die Kontakte mit der Aussenwelt aufrechtzuerhalten[4]. Bei entsprechend sorgfältiger Wahrnehmung dieser Aufgaben kann die Vertrauensperson die Klinik durchaus entlasten[5]. Die Aufgaben der Vertrauensperson sind sehr vielfältig; sie umfassen insbesondere die Information der betroffenen Person über ihre Rechte und Pflichten, die Kontrolle der Einhaltung der zugunsten der betroffenen Person geltenden Gesetze, Verordnungen und Reglemente, die Prüfung der Krankengeschichte, Patientenakten sowie des Behandlungsplans und soweit geboten deren Besprechung mit der betroffenen Person, die Beratung und die soziale Betreuung der betroffenen Person, die Förderung ihrer Eingliederung in den Klinikbetrieb, die Mitwirkung bei der Einweisung, Behandlung und Entlassung sowie gegebenenfalls Nachbetreuung der betroffenen Person, die Übermittlung und Vertretung der Anliegen, Wünsche und Beschwerden der betroffenen Person bezüglich ihrer Behandlung und bezüglich des Klinikaufenthalts sowie ihrer besonderen Bedürfnisse, die Vermittlung bei Konflikten zwischen der betroffenen Person einerseits und der Klinik beziehungsweise der Ärzteschaft und dem Pflegepersonal sowie den Behörden andererseits[6]. Die Vertrauensperson kann ausschliesslich von der betroffenen Person selber bezeichnet werden. Es handelt sich um einen absolut höchstpersönlichen Akt; eine Vertretung ist daher ausgeschlossen. Die Vertrauensperson kann auch nicht von einem Beistand ernannt werden. Ihre Funktion ist es - neben den gegebenenfalls von den Behörden oder Dritten ernannten Betreuern -, als Vertrauter der betroffenen Person zu handeln. Sie braucht folglich deren tatsächliches Vertrauen[7]. Die Vertrauensperson wird von der betroffenen Person frei bestimmt. Es kann sich um eine beliebige Person handeln. Das Gesetz stellt keinerlei Anforderungen auf. Die Botschaft erwähnt allerdings in erster Linie Angehörige oder andere nahestehende Personen, aber auch Patientenanwälte oder Mitarbeitende anderer Dienste[8]. Die Klinik kann grundsätzlich die vom Patienten bezeichnete Person nicht ablehnen. Soweit die betroffene Person eine entsprechende Vollmacht erteilt, kann die Vertrauensperson auch in die Krankengeschichte und in die übrigen Akten Einsicht nehmen[9].

Das Gesetz verwendet immer nur die Einzahl. Von daher erscheint es fraglich, ob der Betroffene auch mehrere Vertrauenspersonen bezeichnen kann. Grundsätzlich ist das Recht der betroffenen Person so wenig wie möglich einzuschränken. Insofern muss auch die Bezeichnung mehrerer Personen möglich sein. Die Klinik kann allerdings - ebenso wie alle übrigen involvierten Personen und Institutionen - sehr wohl ein Interesse daran haben, dass sie nicht eine Mehrzahl oder gar Vielzahl von Personen in die Betreuung und Behandlung einbeziehen muss. Überdies ist der Zweck des Rechtsinstituts, nämlich ein besonderes Vertrauensverhältnis zur betroffenen Person aufzubauen und zu erhalten, bei einer Mehrzahl von Personen kaum und bei einer Vielzahl von Personen sicher nicht erfüllbar. Entsprechend müssen zahlenmässige Beschränkungen möglich sein. Allerdings können diese nicht von der Klinik, sondern nur von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde verfügt werden[10].

bb) Wie sich dem Schreiben der Ärztlichen Direktion der Psychiatrischen Klinik vom Oktober 2014 entnehmen lässt, scheint es für die Aufrechterhaltung des Klinikbetriebs und im Verkehr mit der Klinik sehr schwierig zu sein, wenn der Beschwerdeführer gleichzeitig mehrere Vertrauenspersonen hat. Das Gesetz gibt dem Beschwerdeführer grundsätzlich keinen Anspruch auf mehrere Vertrauenspersonen. Darüber hinaus können die der Vertrauensperson zufallenden Aufgaben jedenfalls in diesem Fall sehr wohl auch von einer Person allein wahrgenommen werden; Gründe, welche für eine Mehrzahl von Vertrauenspersonen sprechen oder diese notwendig machen würden, sind nicht zu erkennen und wurden in diesem Verfahren auch nicht vorgebracht. Damit hat sich der Beschwerdeführer zu entscheiden, welche der beiden Vertrauenspersonen ihn weiterhin begleiten soll; andernfalls muss die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde einen entsprechenden Entscheid fällen.

c) aa) Die Bezeichnung einer Vertrauensperson setzt bei der betroffenen Person Urteilsfähigkeit voraus. An diese dürfen allerdings keine hohen Anforderungen gestellt werden. Die betroffene Person muss nur in der Lage sein, die Tragweite der Informationsrechte und -pflichten zu erfassen, welche mit der Funktion der Vertrauensperson verbunden sind. Urteilsfähig muss selbstverständlich auch die Vertrauensperson sein, wobei volle Handlungsfähigkeit weder bei der betroffenen Person noch bei der Vertrauensperson erforderlich ist[11]. Erweist sich die bezeichnete Person als für die Interessen der betroffenen Person schädlich, so ist gemäss der Auffassung von Geiser/Etzensberger ein Einschreiten der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde möglich. Diese könne nötigenfalls die Ernennung aberkennen. Sie könne aber auch die Vertrauensperson ausschliesslich in ihren Funktionen beschränken, wenn dies der schwächere Eingriff sei. In jedem Fall sei mit solchen Eingriffen äusserste Zurückhaltung zu üben[12]. Dieser Auffassung schloss sich Häfeli an, wonach eine Person, die für die Interessen der betroffenen Person schädlich sei, durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde suspendiert oder in ihren Funktionen beschränkt werden könne[13].

bb) Die Urteilsfähigkeit des Beschwerdeführers muss sich nicht darauf beziehen, dass er erkennen kann, dass die Vertrauensperson eine vermittelnde Position zwischen der Klinik und ihm einnehmen können muss. Die Urteilsfähigkeit des Beschwerdeführers hat sich lediglich darauf zu beziehen, ob er der Vertrauensperson Akteneinsicht gewähren möchte, ob sie bei der Erstellung beziehungsweise Abänderung des Behandlungsplans beigezogen werden soll, und ob ihr ein grundsätzliches Vertretungsrecht zukommen soll. Wenn die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde dem Beschwerdeführer die Urteilsfähigkeit zur Ernennung einer Vertrauensperson absprechen will, dann müsste sie zu dieser Frage ein Gutachten einholen, welches sich spezifisch zur Frage der Urteilsfähigkeit des Beschwerdeführers bezüglich der Ernennung einer Vertrauensperson ausspricht. Es reicht nicht, dass die Behörde lediglich auf ein Gutachten, das mit Bezug auf die Frage der fürsorgerischen Unterbringung des Beschwerdeführers und damit in einem anderen Zusammenhang erstellt wurde, verweist. Ausserdem müsste die Behörde den Beschwerdeführer nötigenfalls anhören, um sich ein eigenes Bild über seine Urteilsfähigkeit bezüglich der Ernennung der Vertrauensperson zu machen.

d) aa) Schon aus grundsätzlichen Erwägungen geht es nicht an, dass Vertrauenspersonen, die der Psychiatrie völlig kritisch gegenüberstehen, nur aufgrund ihrer Einstellung als nicht geeignet bezeichnet werden[14]: Die Vertrauensperson hat nämlich - unabhängig von ihrem Fachwissen - letztlich die Aufgabe, die vorgesehene Behandlung zu prüfen und nötigenfalls zu hinterfragen; nur so erhält sie das notwendige Wissen und die erforderlichen Grundlagen, um das weitere Vorgehen auch mit der betroffenen Person sachgerecht besprechen zu können. Allerdings liegt auf der Hand, dass eine generelle Ablehnung psychiatrischer Behandlung seitens der Vertrauensperson sowie ein entsprechendes Verhalten ihrerseits der betroffenen Person mehr schadet als nützt, zumal die Vertrauensperson bei genereller Ablehnung jeglicher psychiatrischer Behandlungsmethoden in der Regel Gefahr läuft, relativ rasch nicht mehr ernst genommen zu werden. Sowohl die Vertrauensperson als auch die Klinik sind im Interesse der betroffenen Person verpflichtet, gemeinsam eine konstruktive Zusammenarbeit aufzubauen; andernfalls kann die Vertrauensperson ihre Aufgabe, bei Konflikten oder Problemen der betroffenen Person zu vermitteln, gar nicht vernünftig und sinnvoll wahrnehmen. Eine "Abberufung" der Vertrauensperson in dem Sinn, dass ihr die ihr zustehenden Rechte seitens der Behörden - gegen den Willen der von ihr betreuten Person - entzogen werden, kann nur möglich sein, wenn die Vertrauensperson letztlich zum Schaden der betroffenen Person agiert; dies kann allerdings unter Umständen schon dann der Fall sein, wenn die Vertrauensperson sich in einer Weise verhält, welche eine sinnvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit der Klinik verunmöglicht oder zumindest stark erschwert. Um den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren, sind vor der "Abberufung" allerdings in der Regel weniger einschneidende Massnahmen zu prüfen, welche die Rechte der Vertrauensperson beschränken.

bb) Die Vertrauensperson hat Akteneinsichtsrecht und ist in die Behandlung des Betroffenen miteinzubeziehen. Das Gesetz verpflichtet den behandelnden Arzt, die betroffene Person und ihre Vertrauensperson bei der Erstellung des Behandlungsplans beizuziehen[15]. Dieser Beizug bedeutet umfassende Information über die in Aussicht genommenen Massnahmen, nicht aber ein Erfordernis der Zustimmung der Vertrauensperson zur Behandlung[16]. Die betroffene Person und ihre Vertrauensperson müssen aber über alle Umstände informiert werden, die im Hinblick auf die Behandlung wesentlich sind; vorgeschrieben ist die Information über die Gründe, den Zweck, die Art und die Modalitäten der Behandlung, deren Risiken und Nebenwirkungen, über die Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten[17]. Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst[18]. Die betroffene Person und die Vertrauensperson sind in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und aufzuklären. Wenn es sich aber um eine blosse Anpassung des Behandlungsplans handelt, können sich die jeweilige Aufklärung und auch die schriftliche Ausfertigung ausschliesslich auf die Änderungen am ursprünglichen Behandlungsplan beziehen[19]. Prinzipiell ist es Aufgabe der Vertrauensperson, die Anliegen der betroffenen Person zu vermitteln und zu vertreten; dabei darf sie im Rahmen der massgebenden gesetzlichen Vorschriften engagiert auftreten sowie in den Grenzen des nach Moral und Sitte Zulässigen durchaus auch einen gewissen Druck ausüben. Die Vertrauensperson muss sich aber stets bewusst sein, dass (psychischer) Druck häufig auch Gegendruck erzeugt und damit beim Gegenüber zu Unsicherheit, Argwohn, Misstrauen, Widerstand oder innerer Ablehnung führen kann, so dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit alsdann regelmässig gefährdet wird. Der richtige Weg kann nur sein, das Zusammenwirken mit Respekt und Verständnis für die anderen Beteiligten und ihre jeweiligen Aufgaben und Funktionen sowie mit Höflichkeit und dem nötigen Anstand anzugehen.

cc) Die Klinik hat die Eignung einer Vertrauensperson nicht zu überprüfen[20], und sie hat auch keine Möglichkeit, eine Vertrauensperson abzulehnen[21]; sie hat die Vertrauensperson grundsätzlich zwingend beizuziehen, wenn die betroffene Person dies wünscht. Ist die Vertrauensperson allerdings nicht innert nützlicher Frist erreichbar, darf dadurch eine sinnvolle und notwendige Behandlung, die nicht aufgeschoben werden kann, nicht verhindert werden[22]. Insgesamt gilt der Grundsatz, dass die Vertrauensperson in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht behindert oder benachteiligt werden darf; vorbehalten bleibt allerdings ein schuldhaftes Fehlverhalten ihrerseits oder aber das Vorliegen besonderer objektiver Umstände, welche ein sinnvolles Zusammenwirken mit den übrigen Beteiligten ausschliesst oder stark erschwert[23]. In diesem Kontext ist es vorab Sache der Klinik, im Rahmen ihres Hausrechts und in Erfüllung ihres - letztlich auf gesetzlichen Grundlagen abgestützten - Auftrags mit entsprechenden organisatorischen Mitteln auf Probleme mit Vertrauenspersonen zu reagieren. Insbesondere darf die Klinik zum Schutz der übrigen Patienten und der innerbetrieblichen Abläufe die notwendigen Vorkehrungen treffen, damit diese und das Pflegepersonal nicht in ihren Interessen gefährdet werden; die Klinik ist deshalb auch ohne weiteres berechtigt, ihre Hausordnung nicht nur gegenüber dem Patienten, sondern auch gegenüber seiner Vertrauensperson durchzusetzen[24]. Die Gespräche mit den behandelnden Ärzten können gegebenenfalls zeitlich eingeschränkt werden, und die Klinik kann auf der Einhaltung entsprechender Termine bestehen; es geht nicht an, dass eine Vertrauensperson in der Klinik erscheint mit der Erwartung, dort werde nun alles ihretwegen stehen und liegen gelassen. Falls nötig kann der Kontakt mit den behandelnden Ärzten auch weitgehend auf telefonischen oder schriftlichen Verkehr beschränkt werden. Besuche der Vertrauensperson beim Patienten sind - im Rahmen der Hausordnung - grundsätzlich jederzeit möglich[25], doch kann auch hier nötigenfalls eine Beschränkung in Betracht kommen[26]. Sollte eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Vertrauensperson und Klinik nicht mehr möglich sein, etwa bezüglich des Behandlungsplans der betroffenen Person oder bezüglich der Unterstützung im Klinikalltag, kann sich die Klinik an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde wenden, insbesondere wenn die Klinik der Auffassung ist, dass die bezeichnete Vertrauensperson den Interessen der untergebrachten Person schadet[27]. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hat die Möglichkeit, die Funktion der Vertrauensperson zu beschränken beziehungsweise deren Einsatz in vernünftige Bahnen zu lenken, beispielsweise bezüglich Terminen, Zeit und Art von Kontakt mit Ärzten und Pflegepersonal. Die Vertrauensperson hat die Möglichkeit, gegen solche Einschränkungen durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Beschwerde zu führen; sie muss aber rechtskräftige Einschränkungen akzeptieren, und für die Durchsetzung solcher Entscheide sind die Vollstreckungsmittel gemäss Art. 343 ZPO gegeben.

dd) Einer Vertrauensperson gegen den Willen des Patienten ihre Rechte abzuerkennen beziehungsweise den Patienten aufzufordern, eine neue Vertrauensperson zu ernennen, kommt für die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde lediglich als "ultima ratio" in Betracht. Das kann regelmässig nur der Fall sein, wenn die Vertrauensperson ihren Aufgaben nachhaltig und so schwerwiegend nicht gerecht geworden ist, dass eine ordnungsgemässe Tätigkeit ihrerseits nicht mehr erwartet werden kann, und zwar unabhängig davon, ob seitens der Vertrauensperson ein schuldhaftes Verhalten gegeben ist. In Betracht kommen insbesondere Fälle, in welchen die Vertrauensperson in offensichtlicher Weise gegen die Interessen der von ihr betreuten Person verstösst, oder wenn sich die Vertrauensperson nicht an allfällige Einschränkungen seitens der Klinik oder der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hält oder sich trotz entsprechender Abmahnungen wiederholt fehlverhält.

e) Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hat demnach zunächst abzuklären, welche der beiden Vertrauenspersonen den Beschwerdeführer weiterhin begleiten soll. Danach hat sie, am besten wohl im Rahmen einer persönlichen Anhörung, der Vertrauensperson die Möglichkeit einzuräumen, zu den Vorwürfen der Klinik Stellung zu nehmen. Allenfalls hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde alsdann in einem nächsten Schritt mögliche Einschränkungen bezüglich des Vorgehens der Vertrauensperson auszuloten, so dass diese einerseits ihre Funktion in sinnvollem Mass noch ausüben kann, und dass andererseits ein reibungsloser Betrieb der Klinik weiterhin garantiert werden kann. Nur wenn diese Bemühungen nichts fruchten, dürfen der Vertrauensperson ihre Rechte entzogen werden.

Obergericht, 1. Abteilung, 10. November 2014, KES.2014.91/ KES.2014.92


[1] Art. 432 ZGB

[2] Geiser/Etzensberger, Basler Kommentar Erwachsenenschutz, Art. 432 ZGB N 1

[3] Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, N 589

[4] Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 5.A., N 20.177

[5] Häfeli, Grundriss zum Erwachsenenschutzrecht, Bern 2013, N 27.18

[6] Die Vermittlungstätigkeit versteht sich allerdings nicht als unabhängige Mediation, sondern als Vertretung der wohlverstandenen Interessen der betroffenen Person; vgl. Positionspapier von Pro Mente Sana zur Vertrauensperson vom Januar 2014, S. 3; www.promentesana.ch.

[7] Geiser/Etzensberger, Art. 432 ZGB N 5; Häfeli, N 27.16

[8] Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 28. Juni 2006, BBl 2006 S. 7067

[9] Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das neue Erwachsenenschutzrecht, Bern 2010, N 20.168 f. mit Hinweis auf Art. 433 ZGB

[10] Geiser/Etzensberger, Art. 432 ZGB N 7

[11] Geiser/Etzensberger, Art. 432 ZGB N 9

[12] Art. 432 ZGB N 10

[13] N 27.17

[14] Anderer Meinung das Positionspapier von Pro Mente Sana zur Vertrauensperson, S. 2: Klar mangelnde Eignung dürfte wohl nur vorliegen, wenn der Schwächezustand der betroffenen Person von der Vertrauensperson aus offensichtlichem Eigennutz ausgenutzt wird, oder wenn eine eigentliche Indoktrination aus Übereifer aufgrund falsch verstandener Ethik oder Religiosität erfolgt.

[15] Art. 433 Abs. 1 ZGB

[16] Häfeli, N 28.03; Geiser/Etzensberger, Art. 433 ZGB N 13

[17] Leitfaden des Amts für Kindes- und Erwachsenenschutz des Kantons Zug für Ärztinnen und Ärzte vom Dezember 2012, S. 7

[18] Art. 433 Abs. 4 ZGB

[19] Geiser/Etzensberger, Art. 433 ZGB N 20

[20] Anderer Meinung offenbar das Positionspapier von Pro Mente Sana zur Vertrauensperson, S. 2

[21] Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, N 20.178. Die Klinik kann eine Vertrauensperson auch nicht ablehnen, selbst wenn diese aus dem Kreis der Mitpatienten ernannt wurde; vgl. Positionspapier von Pro Mente Sana zur Vertrauensperson, S. 2.

[22] Vgl. Leitfaden der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich zum neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht für die Spitäler vom 17. Dezember 2012, S. 23 f.

[23] Solche objektiven Umstände können etwa lang dauernde Krankheit oder Abwesenheit der Vertrauensperson sowie in extremen Fällen mangelnde Erreichbarkeit oder fehlende zeitliche Verfügbarkeit sein; in Betracht kommt auch der Verlust ihrer Urteilsfähigkeit oder das Auftreten von unerwarteten Konstellationen, die zu einer Interessenkollision führen können.

[24] Vgl. Leitfaden der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, S. 24

[25] Die Klinik darf der Vertrauensperson den Besuch des Patienten nicht verbieten, selbst wenn das Besuchsrecht gegenüber anderen Personen eingeschränkt wird; BBl 2006 S. 7067.

[26] Das Recht der betroffenen Person auf Besuch der Vertrauensperson darf nicht grundsätzlich eingeschränkt werden. Im Interesse der Mitpatientinnen und Mitpatienten sowie zur Gewährleistung des ordentlichen Betriebs der Klinik ist die Hausordnung aber auch von den Vertrauenspersonen zu beachten. So sollen Besuche grundsätzlich während der üblichen Besuchszeiten erfolgen, sofern die spezifischen Aufgaben der Vertrauensperson nicht deren Anwesenheit ausserhalb der Besuchszeiten erfordern; vgl. Leitfaden der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, S. 24. Vgl. auch das Positionspapier von Pro Mente Sana zur Vertrauensperson vom Januar 2014, S. 5, mit Bezug auf Besuche spätabends oder nachts; dort wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass eine grosszügige Gewährung des Besuchsrechts sinnvoll ist und die Klinik gewisse organisatorische Erschwernisse, die sich im Zusammenhang mit dem erweiterten Besuchsrecht der Vertrauensperson ergeben, in Kauf nehmen muss.

[27] Vgl. Leitfaden der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, S. 24

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