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RBOG 2018 Nr. 3

Rechtsschutzinteresse des Kollokationsklägers bei mutmasslicher Null-Dividende


Art. 250 SchKG, Art. 59 Abs. 2 ZPO, Art. 60 ZPO


1. Berufungsgegenstand ist die Kollokation der Forderung des Berufungsklägers in Höhe von Fr. 15'105'000.00 im Konkurs der früheren X AG. Der Berufungskläger begründete seine kollozierte Forderung zusammengefasst mit durch die Konkursitin verursachten Altlasten auf den drei Parzellen des ehemaligen Areals "X" und einer Parzelle des Areals "X-Werk". Die Vorinstanz liess die Forderung des Berufungsklägers im Grundsatz zu, allerdings unter Einschränkungen und Bedingungen. Der Berufungskläger beantragte im Berufungsverfahren die Bestätigung der Kollokation seiner gesamten Forderung in Höhe von Fr. 15'105'000.00; der Berufungsbeklagte, früherer Verwaltungsrat der X AG und Mitgläubiger, verlangte demgegenüber im Anschlussberufungsverfahren mit seinem Hauptantrag die vollständige Wegweisung der Forderung des Berufungsklägers aus dem Kollokationsplan.

2. a) Umstritten ist das schutzwürdige Interesse des Berufungsbeklagten an der Kollokationsklage gegen den Berufungskläger.

b) aa) Prozessvoraussetzung ist unter anderem ein schutzwürdiges Interesse der klagenden oder gesuchstellenden Partei[1]. Obwohl ausdrücklich als Prozessvoraussetzung und damit als prozessrechtliches Institut genannt, ist das schutzwürdige Interesse gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung dem Privatrecht zuzuordnen. Als Prozessvoraussetzung führt fehlendes Rechtsschutzinteresse zum Nichteintreten und nicht zur Abweisung der Klage[2]. Das Rechtsschutzinteresse muss bereits im Zeitpunkt der Prozesseinleitung vorliegen; es kann nicht nachträglich hergestellt werden[3].

bb) Ein schutzwürdiges Interesse ist vorhanden, wenn die Durchsetzung des materiellen Rechts gerichtlichen Rechtsschutz nötig macht[4]. Wer richterlichen Schutz anruft, muss ein nach vernünftigem Ermessen wesentliches Interesse daran haben, dass seine Rechtsbehauptung (Klagebegehren) gerichtlich bestätigt wird[5]. Das Rechtsschutzinteresse kann tatsächlicher oder rechtlicher Natur sein. Es genügt somit auch ein Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art[6]. Erforderlich ist im Regelfall ein persönliches Interesse des Petenten an der Klage[7]. Das Interesse muss aktuell und praktisch sein[8]. In Situationen, in welchen zwar durchaus eigene Interessen auf dem Spiel stehen, die Interessen anderer jedoch mehr oder weniger stark mitbetroffen sind, gilt es abzuwägen, ob das Eigeninteresse genügend Gewicht hat, um die Prozessführung zu rechtfertigen. So genügt für die aktienrechtliche Anfechtungsklage die Absicht, Gesellschaftsinteressen wahrzunehmen, wobei die Rechtsstellung des anfechtenden Aktionärs zumindest berührt sein muss. Entscheidend ist die Wertung, ob das wahrgenommene Interesse tatsächlich schutzwürdig ist. Beispielsweise hat der Gegner einer Partei, welcher die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt wird, durchaus ein faktisches Interesse an der Anfechtung dieser Bewilligung, nämlich um ihre Prozessführung zu torpedieren, doch kann dieses Interesse grundsätzlich nicht als schutzwürdig gelten, ausser, wenn es um die Befreiung von einer Parteikostensicherheit geht[9]. Ein schutzwürdiges Interesse fehlt auch, wenn die Prozessführung rechtsmissbräuchlich erscheint[10].

cc) Ein Richter, der das Interesse des Klägers als schutzwürdig anerkennt, bejaht damit nicht bereits die materielle Begründetheit der Klage, sondern stellt lediglich fest, dass sich der Schutz des Begehrens positiv auf die rechtliche Situation des Klägers auswirken würde. Die Richtigkeit des Begehrens wird somit unterstellt und bloss untersucht, ob ein hinreichendes Interesse des Klägers an dessen Beurteilung besteht[11].

dd) Im Wegweisungsprozess ist die Frage des schutzwürdigen Interesses an der Kollokationsklage besonders zu beachten. Das Rechtsschutzinteresse an der Kollokationsklage, mit welcher die Zulassung eines anderen Gläubigers bestritten wird, fällt mit der vollständigen Befriedigung des klagenden Gläubigers nicht dahin. Auch der Kläger im Kollokationsprozess gegen einen Mitgläubiger klagt zwar auf eigenes Risiko, doch anstelle der Masse, und übt im Prozess deren Rechte aus. Der Wegweisungskläger nimmt nicht nur sein persönliches Interesse an der Deckung seiner eigenen Forderung wahr, sondern auch das Interesse der Masse an einem allfälligen Überschuss. Eine Klageführung ohne persönliches Interesse des klagenden Gläubigers ist daher ohne weiteres denkbar, solange ein Interesse der Masse an der Klage besteht[12]. Wenn die mutmasslich auf eine strittige Forderung entfallende Konkursdividende 0% beträgt, kann mit der Kollokationsklage im laufenden Konkurs kein geldwerter Prozessgewinn erzielt werden[13]. "Wenn es nichts zu verteilen gibt, soll man nicht darüber prozessieren, wer nichts bekommt."[14] Daher fehlt es bei einer Null-Dividende grundsätzlich an einem schutzwürdigen Interesse für die Anhebung einer Kollokationsklage, und ein Rechtsschutzinteresse wird nur in Ausnahmefällen bejaht[15].

c) Hier liegt eine Null-Dividende im Konkurs einer juristischen Person vor, weshalb es grundsätzlich an einem schutzwürdigen Interesse des Berufungsbeklagten an der Anhebung einer Kollokationsklage gegen den Berufungskläger fehlt. Es ist daher zu prüfen, ob das Rechtsschutzinteresse ausnahmsweise dennoch gegeben ist.

d) Bei einer Null-Dividende kann sich der Berufungsbeklagte nicht darauf berufen, unabhängig von einem allfälligen persönlichen Interesse seinerseits genüge für die Klageführung ein Interesse der Konkursmasse an einem allfälligen Überschuss. Hier weist das Konkursinventar einen Betrag von Fr. 1'330.00 auf; nach Abzug der Konkurskosten verbleibt folglich kein verwertbares Vermögen und mithin kein Überschuss. Es kann demnach kein Interesse der Konkursmasse an einem allfälligen Überschuss bestehen. Die Konkursdividende bleibt Null. Ob dabei eine Konkursforderung mehr oder weniger vorhanden ist, spielt keine Rolle.

e) aa) Das Rechtsschutzinteresse des Kollokationsklägers bei mutmasslicher Null-Dividende kann ausnahmsweise darin liegen, den Kollokationsbeklagten davon abzuhalten, die Abtretung von Verantwortlichkeitsansprüchen oder von solchen Ansprüchen, die sich gegen den Kollokationskläger richten, zu verlangen[16].

bb) Der Berufungsbeklagte hat als langjähriger Verwaltungsratspräsident der Konkursitin ein Interesse daran, dass der Berufungskläger nicht als Abtretungsgläubiger Verantwortlichkeitsansprüche der Konkursmasse gegen ihn einklagen kann. Er hat somit grundsätzlich auch ein Interesse daran, dass dessen Konkursforderung aus dem Kollokationsplan weggewiesen wird, da dadurch die Möglichkeit entfällt, sich Verantwortlichkeitsansprüche abtreten zu lassen[17]. Allein das Interesse an der Verhinderung von Abtretungen an den Kollokationsbeklagten, um sich selber nicht einem Prozess stellen zu müssen, ist allerdings nicht schutzwürdig. Damit vergleichbar ist die Situation, in welcher einer Partei die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wird und die Gegenpartei den entsprechenden Entscheid anficht, um ihre Prozessführung zu torpedieren. Auch das ist nicht schutzwürdig. Wegen der Null-Dividende verbessert der Berufungsbeklagte seine eigene Position durch die Führung einer Kollokationsklage nicht; zudem besteht auch für die Konkursmasse kein Interesse an der Kollokationsklage. Es erscheint daher zweckwidrig und mithin rechtsmissbräuchlich, wenn der Berufungsbeklagte bloss aufgrund seines Interesses an der Verhinderung von Abtretungen von Rechtsansprüchen an den Berufungskläger zur Kollokationsklage legitimiert wäre.

f) aa) Als weitere Ausnahme bejaht das Bundesgericht trotz Null-Dividende ein Rechtsschutzinteresse des ehemaligen Verwaltungsrats an der Kollokationsklage, wenn er die zu kollozierende Forderung mit eventuellen Verantwortlichkeitsansprüchen verrechnen will[18].

bb) Diese Ausnahme kann nur für den Fall einer Kollokationsklage gegen die Konkursmasse nach Art. 250 Abs. 1 SchKG von Bedeutung sein, das heisst, wenn die Konkursverwaltung die zur Kollokation angemeldete Forderung des Organs ganz oder teilweise abwies oder nicht im beanspruchten Rang zuliess. Diesfalls hat das Organ ein schutzwürdiges Interesse daran, dass es im Konkurs den von der Konkursverwaltung geltend gemachten Verantwortlichkeitsansprüchen gegen das Organ eigene (berechtigte) Ansprüche entgegenstellen kann. Hier handelt es sich jedoch um eine Kollokationsklage gegen Mitgläubiger gestützt auf Art. 250 Abs. 2 SchKG. Die Forderung des Berufungsbeklagten ist unbestritten und rechtskräftig kolloziert, weshalb er nicht vorbringen kann, sein Interesse an der Kollokationsklage bestehe darin, dass er seine zu Unrecht nicht kollozierte Forderung mit eventuellen Verantwortlichkeitsansprüchen verrechnen wolle. Vielmehr liegt das Interesse des Berufungsbeklagten an der Kollokationsklage gegen den Berufungskläger im Wesentlichen darin zu verhindern, dass sich der Berufungskläger Verantwortlichkeitsansprüche abtreten lässt, welche die Konkursmasse nicht geltend machte. Ein solches Interesse ist, wie bereits dargelegt, nicht schutzwürdig.

g) aa) Das Bundesgericht anerkannte bei einer Null-Dividende ausnahmsweise auch ein bloss mittelbares Interesse als schutzwürdig. Es erwog, der Kollokationskläger mache weder für sich noch für die Masse ein unmittelbares Prozessinteresse geltend, da bei einer mutmasslichen Dividende von 0% ein frei werdender Betrag für den Kollokationskläger nicht zu erwarten sei, ebensowenig ein Überschuss für die Masse. Das Streitinteresse des Kollokationsklägers und der Masse sei hier ein mittelbares, denn es setze vorab die erfolgreiche Geltendmachung eines gemäss Art. 260 SchKG abgetretenen Anspruchs voraus, die zu einem Überschuss nach Art. 260 Abs. 2 SchKG führe. Offenbar gehe es um die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen gegen natürliche Personen in Millionenhöhe. Dass die Vorinstanz dem Kollokationskläger im Ergebnis ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse zugestanden habe, um die Kollokationsklage zu führen, sei nicht zu beanstanden[19]. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist demnach so zu verstehen, dass durch die erfolgreiche Geltendmachung eines gemäss Art. 260 SchKG abgetretenen Anspruchs Mittel für die Verteilung gemäss dem Kollokationsplan frei werden, weshalb jeder Kollokationsgläubiger ein Interesse daran hat, dass ein anderer Kollokationsgläubiger nicht beziehungsweise mit einem weniger hohen Betrag kolloziert wird.

bb) aaa) Auch hier ist das schutzwürdige Interesse bei einer Null-Dividende als Ausnahmefall genau zu prüfen. Wie bei allen Prozessvoraussetzungen erfolgt die Prüfung von Amtes wegen durch das Gericht[20]. Damit verweist die ZPO auf den Untersuchungsgrundsatz[21]. Zur Anwendung kommt dabei grundsätzlich die beschränkte Untersuchungsmaxime. Dies bedeutet, dass sich das Gericht zwar ohne Rücksicht auf eine allfällige Bestreitung durch den Beklagten davon zu überzeugen hat, dass die vorgebrachten Sachumstände, welche die Zulässigkeit der Klage begründen sollen, tatsächlich bestehen. Es ist aber nicht verpflichtet, entsprechend dem unbeschränkten Untersuchungsgrundsatz den Sachverhalt zu erforschen und nach Zulässigkeitsgründen zu suchen, die sich aus den klägerischen Tatsachenvorbringen nicht ergeben. Die Beschaffung des entsprechenden Tatsachenmaterials ist Aufgabe der hinsichtlich der fraglichen Prozessvoraussetzung beweisbelasteten Partei[22]. Die Beweislast hinsichtlich der Prozessvoraussetzungen ist nach der allgemeinen Regel von Art. 8 ZGB verteilt. Kann das Vorliegen einer Prozessvoraussetzung nicht nachgewiesen werden, trifft dies diejenige Partei zu ihrem Nachteil, die aus dem Vorhandensein der Prozessvoraussetzung Rechte ableitet[23].

bbb) Der Berufungsbeklagte hat somit die Sachumstände zu substantiieren und zu beweisen, welche den Schluss auf sein Rechtsschutzinteresse zulassen; er hat darzulegen, dass und weshalb trotz Null-Dividende mit einem Überschuss für die Konkursmasse zu rechnen ist. Ein Überschuss für die Konkursmasse ist dabei nur denkbar, wenn der Berufungskläger die abgetretene Forderung erfolgreich einklagt und der Prozesserlös höher als seine kollozierte Forderung ist.

cc) aaa) Der Berufungskläger bestritt in der Klageantwort das Rechtsschutzinteresse des Berufungsbeklagten. Der Berufungsbeklagte wendete dagegen nebst Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung lediglich ein, genauso wie der Berufungskläger und die Gemeinde Y ein Interesse an der Durchsetzung etwaiger Anfechtungs- beziehungsweise Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber ihm hätten, habe er ein rechtsgenügliches Interesse an der Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche, die gegen ihn erhoben würden, wobei er auf BGE 138 III 675 ff. verwies. Ihm gehe es in sehr hohem Mass darum, dass sich im Rahmen der Sanierung des Areals "X" niemand ungerechtfertigt bereichert habe. Zudem verstehe sich von selbst, dass bei Wegweisung der Forderungen des Berufungsklägers und der Gemeinde Y aus dem Kollokationsplan, die zusammen 99,3% der kollozierten Forderungen in der dritten Klasse ausmachten, seine allfällige Dividende sehr viel höher ausfallen würde.

bbb) Der Berufungsbeklagte setzte sich folglich weder mit den abgetretenen Ansprüchen noch mit der Frage, ob diese eingeklagt sind beziehungsweise werden, oder mit deren Erfolgsaussichten auseinander. Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich, dass eine nach Art. 260 SchKG abgetretene paulianische Anfechtungsklage auf Rückführung einer Kaufpreisforderung von Fr. 8'300'000.00 in die Konkursmasse hängig ist. Anfechtungskläger ist der Berufungskläger. Dem angefochtenen Entscheid ist zudem zu entnehmen, dass sich der Berufungskläger und die Gemeinde Y weitere Ansprüche abtreten liessen, unter anderem Verantwortlichkeits- und Versicherungsansprüche, welche im Inventar der Konkursmasse vom 13. März 2014 pro memoria vorgemerkt seien. Im Konkursinventar vom 13. beziehungsweise 17. März 2014 sind pro memoria Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber den Organen der Konkursitin gemäss Art. 752 ff. OR, eine mögliche Forderung gegenüber der B Versicherung (zur Deckung allfälliger Umweltkosten) und eine mögliche Regressforderung gegenüber R (aus Sanierungskosten auf seinem Grundstück), aufgeführt. Gemäss der Abtretungsanzeige des Konkursamts als Konkursverwaltung vom 7. August 2015 wurden diese Ansprüche sowie der paulianische Anfechtungsanspruch, der sich allerdings nicht im bei den Akten liegenden Konkursinventar vom 13. beziehungsweise 17. März 2014 findet, gemäss Art. 260 SchKG an den Berufungskläger und die Gemeinde Y sowie an das Verwaltungsgericht abgetreten[24].

ccc) Der Berufungsbeklagte klagte in seinem Hauptantrag auf Wegweisung der Kollokationsforderung des Berufungsklägers. Er bestritt damit dessen Gläubigerstellung im Konkurs der X AG. Es handelt sich dabei insofern um eine spezielle Konstellation, als der Kollokationsbeklagte gleichzeitig auch der klagende Abtretungsgläubiger ist. Bei Schutz der Kollokationsklage fiele somit die Gläubigerstellung des Berufungsklägers und mithin auch seine Aktivlegitimation im Anfechtungsprozess dahin. Diesfalls könnte der Anfechtungsprozess nicht erfolgreich geführt werden, und es würde folglich kein Überschuss für die Konkursmasse resultieren.

ddd) Da das Eventualbegehren des Berufungsbeklagten ebenfalls kein schutzwürdiges Interesse zu begründen vermag, kann offen bleiben, ob dieses für das Rechtsschutzinteresse überhaupt massgebend wäre. An sich wäre für den Ausnahmefall einer Null-Dividende einzig auf das Hauptbegehren abzustellen, wenn dieses wie hier das Rechtsschutzinteresse ausschliesst. Dafür spräche auch, dass das Rechtschutzinteresse unter der Annahme beurteilt wird, das Klagebegehren sei richtig.

eee) Der Berufungsbeklagte beantragte im Eventualbegehren seiner Kollokationsklage, die Forderung des Berufungsklägers sei bloss in einem tieferen Betrag zu kollozieren. In diesem Fall bliebe der Berufungskläger Konkursgläubiger. Ein Überschuss für die Konkursmasse wäre grundsätzlich möglich, wenn die kollozierte Forderung im Kollokationsprozess (also in diesem Verfahren) so weit reduziert würde, dass sie geringer ist als das Ergebnis für den Berufungskläger im hängigen Anfechtungsprozess. Es läge dabei am Berufungsbeklagten darzulegen, dass dieser Fall mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten könnte. Dazu hätte er sich mit der Höhe der Reduktion der Kollokationsforderung des Berufungsklägers sowie mit dem mutmasslichen Ergebnis im Anfechtungsprozess auseinandersetzen müssen.

Angesichts der Klagesumme der Anfechtungsklage von Fr. 8'300'000.00 und der bestrittenen Kollokationsforderung von Fr. 15'105'000.00 müsste die Kollokationsklage um mindestens knapp die Hälfte reduziert und die Klage folglich in weiten Teilen abgewiesen werden, damit für die Konkursmasse überhaupt ein möglicher Überschuss entstehen könnte. Der Berufungsbeklagte argumentierte vor Vorinstanz indessen für den Schutz seiner Klage und nicht für deren Abweisung in beträchtlichem Umfang. Es ist daher fraglich, wie das Gericht in dieser Situation eine Reduktion im passenden Umfang bejahen soll. Es dürfte dabei den Grundsatz, die Richtigkeit des (Haupt-)Klagebegehrens zu unterstellen, nicht beachten. Zudem könnte eine bloss summarische Prüfung aufgrund der Komplexität der Streitsache kaum zu einem entsprechenden, passenden Resultat führen.

Selbst wenn von einer einschlägigen Reduktion der Kollokationsforderung des Berufungsklägers auszugehen wäre, fehlen Ausführungen darüber, inwiefern die Konkursmasse überhaupt zu namhaften Erträgen aus den abgetretenen Ansprüchen kommen soll. Der Berufungsbeklagte behauptete nicht, die Abtretungsansprüche seien oder würden eingeklagt. Bekannt ist lediglich, dass der an den Berufungskläger abgetretene Rechtsanspruch gegenüber der Z AG auf Anfechtung "des abgetretenen beziehungsweise zugeführten, mit Verkauf vom 26. März 2009 erzielten Erlöses von Fr. 8'300'000.00 für die Parzellen Nrn. 3 und 12 im Grundbuch Y und Rückübertragung dieses Verkaufserlöses beziehungsweise Betrags an die Konkursmasse, eventuell Ersatzansprüche für den nicht mehr vorhandenen Verkaufserlös" rechtshängig ist. Allein gestützt darauf kann das Gericht noch nicht davon ausgehen, dieser Anspruch sei begründet und werde einen genügend hohen Prozessertrag abwerfen. Die bei der Prüfung des Rechtsschutzinteresses zu treffende Annahme, das Rechtsbegehren sei begründet, betrifft nur die Klage, für welche der Kläger ein Rechtsschutzinteresse geltend machte, nicht auch andere Klagen. Weder aus den Akten noch aus den Ausführungen der Parteien lassen sich weitere Anhaltspunkte zum mutmasslichen Ergebnis des Anfechtungsprozesses entnehmen. Da der Berufungsbeklagte in Bezug auf sein Rechtsschutzinteresse substantiierungs- und beweispflichtig ist, hätte er zumindest in groben Zügen nachvollziehbar darlegen müssen, weshalb mit einem passenden Prozessergebnis gerechnet werden kann.

h) Das schutzwürdige Interesse des Berufungsbeklagten an der Anhebung einer Kollokationsklage bei Null-Dividende kann folglich auch nicht ausnahmsweise bejaht werden.

i) aa) Im Übrigen ist das schutzwürdige Interesse des Berufungsbeklagten auch deshalb zu verneinen, weil seine Prozessführung widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich erscheint.

bb) Der Berufungsbeklagte bestritt in seiner Kollokationsklage die Gläubigerstellung des Berufungsklägers im Konkurs und damit dessen Legitimation als Abtretungsgläubiger beziehungsweise dessen Berechtigung zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen der Masse im Sinn von Art. 260 SchKG. Im Widerspruch dazu berief er sich gleichzeitig auf den Schutz von Abtretungsansprüchen in Millionenhöhe, woraus sich überhaupt erst ein Interesse der Konkursmasse ergebe, welches er vertreten könnte.

cc) Ein (mittelbares) schutzwürdiges Interesse des Berufungsbeklagten könnte sich zudem nur ergeben, wenn seine Klage mindestens etwa zur Hälfte abgewiesen würde. Eine Klage einzureichen, welche aufgrund des ansonsten fehlenden Rechtsschutzinteresses nicht geschützt werden kann, sondern etwa zur Hälfte abgewiesen werden muss, erscheint widersprüchlich.

dd) Ein weiterer Widerspruch zeigt sich auch bei der abgetretenen, rechtshängigen paulianischen Anfechtungsklage. Diese Klage soll geschützt werden, damit ein Teil der dort eingeklagten Forderung von Fr. 8'300'000.00 in die Konkursmasse zurückfliessen und auf diesem Umweg ein schutzwürdiges Interesse an der Kollokationsklage bejaht werden könnte. Mit Vertrag vom 26. März 2009 verkaufte die Konkursitin der B AG die Parzellen Nrn. 3 und 12 des Areals "X" für Fr. 8'300'000.00. Mit einem weiteren Vertrag vom 26. März 2009 verpflichtete sich die Konkursitin, der Z AG sämtliche Kaufpreiszahlungen der B AG unter bestimmten Bedingungen abzutreten. Beide Verträge unterzeichnete nebst einem zweiten Unterzeichnungsberechtigten der Berufungsbeklagte für die Konkursitin. Die Anfechtungsklage betrifft den Abtretungsvertrag zwischen der Konkursitin und der Z AG. Zweck der paulianischen Anfechtung gemäss Art. 285 ff. SchKG ist, Vermögenswerte, die der späteren Zwangsvollstreckung zum Nachteil der Gläubiger durch bestimmte Rechtsgeschäfte entzogen wurden, derselben wieder zuzuführen[25]. Die Anfechtungsklage gegen die Z AG bezweckt somit die Rückführung von Geldern, welche der Konkursitin durch den Abtretungsvertrag vom 26. März 2009, welchen der Berufungsbeklagte für die Konkursitin mitunterzeichnete, entzogen wurden. Um ein schutzwürdiges Interesse an der Kollokationsklage zu begründen – soweit überhaupt genügende Ausführungen dazu gemacht wurden –, müsste der Berufungsbeklagte demnach für eine zum Nachteil der Gläubiger vorgenommene Abtretung der Kaufpreiszahlungen an die Z AG plädieren, für welche er selber mitverantwortlich war.

ee) Ferner ergibt sich auch bei der Berücksichtigung des abgetretenen Verantwortlichkeitsanspruchs gegen den Berufungsbeklagten als ehemaliges Organ der Konkursitin ein Widerspruch. Der Berufungsbeklagte will die Geltendmachung dieses Anspruchs verhindern, was nachvollziehbar ist, da sich dieser Anspruch direkt gegen ihn richtet. Gleichzeitig müsste er sein schutzwürdiges Interesse – soweit er überhaupt genügende Ausführungen dazu machte – mit dem Schutz der abgetretenen Verantwortlichkeitsklage gegen ihn begründen.

3. a) Zusammenfassend fehlt dem Berufungsbeklagten ein schutzwürdiges Interesse an der Kollokationsklage gegen den Berufungskläger. Auf die Kollokationsklage ist somit nicht einzutreten.

b) Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine materielle Prüfung des angefochtenen Entscheids. Ebenso hat sich das Obergericht nicht mit dem Einwand des Berufungsklägers auseinanderzusetzen, der Berufungsbeklagte handle generell und nicht nur in Bezug auf seine Prozessführung rechtsmissbräuchlich.

c) Die Berufung ist somit begründet, da es bei der Kollokation der Forderung des Berufungsklägers gemäss dem Kollokationsplan ohne die Einschränkungen und Bedingungen des angefochtenen Entscheids bleibt. Die Anschlussberufung erweist sich demgegenüber als unbegründet.

Obergericht, 2. Abteilung, 27. Februar 2018, ZBR.2017.20

Eine dagegen gerichtete Beschwerde ist beim Bundesgericht hängig (5A_535/2018).


[1] Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO

[2] Gehri, Basler Kommentar, Art. 59 ZPO N 5

[3] Gehri, Art. 59 ZPO N 6

[4] Gehri, Art. 59 ZPO N 7; Zürcher, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 3.A., Art. 59 N 12

[5] Zingg, Berner Kommentar, Art. 59 ZPO N 32

[6] Zingg, Art. 59 ZPO N 35; Gehri, Art. 59 ZPO N 7

[7] Zingg, Art. 59 ZPO N 42; Gehri, Art. 59 ZPO N 7

[8] Zingg, Art. 59 ZPO N 45 ff.

[9] Zingg, Art. 59 ZPO N 43

[10] Zingg, Art. 59 ZPO N 48

[11] Zingg, Art. 59 ZPO N 32

[12] Hierholzer, Basler Kommentar, Art. 250 SchKG N 31

[13] BGE 138 III 678; BGE vom 20. Dezember 2010, 5A_484/2010 und 5A_485/2010, Erw. 4.2

[14] Hierholzer, Art. 250 SchKG N 31

[15] Vock/Müller, SchKG-Klagen nach der Schweizerischen ZPO, Zürich/Basel/ Genf 2012, S. 263

[16] Hierholzer, Art. 250 SchKG N 31; vgl. Vock/Müller, S. 263

[17] Die Abtretung von Rechtsansprüchen ist gemäss Art. 260 Abs. 1 SchKG an die Gläubigerstellung geknüpft.

[18] BGE vom 20. Dezember 2010, 5A_484/2010 und 5A_485/2010, Erw. 4.2.4; Vock/Müller, S. 263

[19] BGE 138 III 679

[20] Art. 60 ZPO

[21] Art. 55 Abs. 2 ZPO

[22] Zingg, Art. 60 ZPO N 4

[23] Zingg, Art. 60 ZPO N 15

[24] Die Abtretung erfolgte ebenfalls an die Gemeinde Y sowie an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, wobei die rechtskräftig zugelassene Konkursforderung des Verwaltungsgerichts Fr. 2'000.00 beträgt. Die Gemeinde Y verlor mit dem von ihr nicht angefochtenen Entscheid der Vorinstanz ihre Stellung als kollozierte Gläubigerin und damit ihre Aktivlegitimation als Abtretungsgläubigerin. Dass das Verwaltungsgericht wegen Gerichtskosten von Fr. 2'000.00 das Prozessrisiko für einen Abtretungsprozess eingehen wird, kann ausgeschlossen werden.

[25] Staehelin, Basler Kommentar, Art. 285 SchKG N 1

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