Skip to main content

RBOG 2019 Nr. 1

Voraussetzungen für eine Kompetenzattraktion bei objektiver Klagenhäufung


Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO, Art. 90 ZPO, § 26 Abs. 3 ZSRG


1. a) Die X ist eine Werbeagentur und produziert unter anderem Werbefilme. Die Y ist im Bereich der analogen und digitalen Fotografie tätig. Die X ist gemäss eigenen Angaben seit Jahren für die Y tätig. Aus dieser Geschäftsbeziehung machte X verschiedene Forderungen gegen die Y geltend. Vor Vorinstanz stellte sie folgende Rechtsbegehren:

"1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fr. 21'233.34 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 6. August 2016 zu bezahlen.

2. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fr. 105'516.00 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 25. Januar 2017 zu bezahlen.

3. Es sei die Beklagte

a. unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB im Unterlassungsfall zu verpflichten, der Klägerin binnen 30 Tagen seit Rechtskraft des entsprechenden Urteils über die von der Beklagten für die Werbeschaltung beziehungsweise Ausstrahlung der Filme 'A', 'B' und 'C' über sämtliche Medienkanäle (TV, Internet usw.) im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 an Drittanbieter wie Mediaagenturen, Mediaunternehmen, Vermarktungsagenturen usw., welche die Filme 'A', 'B' und 'C' ausgestrahlt und/oder die Ausstrahlung organisiert und/oder die Vermarktung der Filme vorgenommen haben, bezahlten und/oder noch zu bezahlenden Gebühren, abzüglich Rabatte und Honorare der Mediaagenturen, Mediaunternehmen und Vermarktungsagenturen (hierin 'netto Mediagebühren' genannt) Rechenschaft abzulegen. Dazu seien sämtliche zur Bezifferung und Kontrolle der netto Mediagebühren notwendigen Auskünfte zu erteilen und Informationen, Belege und Unterlagen herauszugeben, insbesondere aber Rapporte über den Ausstrahlungszeitpunkt und die Ausstrahlungsdauer sowie Kostenabrechnungen und Rechnungen der Drittanbieter wie Mediaagenturen, Mediaunternehmen, Vermarktungsagenturen usw.

b. zu verpflichten, der Klägerin mindestens Fr. 285'120.00 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 25. Januar 2017 zu bezahlen, unter dem Vorbehalt der Nachbezifferung nach erfolgter Rechenschaft gemäss Rechtsbegehren 3a vorstehend.

4. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fr. 162'000.00 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 25. Januar 2017 zu bezahlen.

5. Es sei der Rechtsvorschlag (…) zu beseitigen.

6. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen Betrag von Fr. 1'125.00 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 25. Oktober 2017 zu bezahlen.

7. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen und zusätzlich Mehrwertsteuerzusatz von 7.7% zulasten der Beklagten."

b) Die Y beantragte, es sei auf die Ziff. 3a und b der Rechtsbegehren in der Klageschrift infolge Unzuständigkeit und Unzulässigkeit nicht einzutreten. Das Verfahren sei bis zum Entscheid über diesen Antrag zu sistieren, wobei der Y die Frist zur Einreichung einer Klageantwort abzunehmen sei.

c) Mit Verfügung vom 25. April 2018 ordnete der Verfahrensleiter einen Schriftenwechsel zur Frage an, ob die Prozessvoraussetzungen betreffend Ziff. 3a und b der Rechtsbegehren in der Klageschrift erfüllt seien; nach Abschluss des Schriftenwechsels werde das Bezirksgericht vorab über diese Frage einen Entscheid fällen.

d) Am 7. Juni 2018 reichte die X eine auf dieses Thema beschränkte Replik ein; die Anträge der Y seien abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.

e) Mit Entscheid vom 10. Dezember 2018 / 14. Januar 2019 trat das Bezirksgericht auf Ziff. 3a und b der Rechtsbegehren in der Klageschrift nicht ein; die Kosten beliess es bei der Hauptsache.

f) Gegen diesen Entscheid erhob die X Berufung und beantragte, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Vor­instanz anzuweisen, auf Ziff. 3a und b der Rechtsbegehren in der Klageschrift einzutreten; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

2. a) Die Vorinstanz hielt zunächst fest, gestützt auf Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO und § 26 Abs. 3 ZSRG sei das Obergericht als einzige kantonale Instanz für Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum einschliesslich der Streitigkeiten betreffend Nichtigkeit, Inhaberschaft, Lizenzierung, Übertragung und Verletzung solcher Rechte sachlich zuständig. Sodann erwog die Vorinstanz, dass nach dem Gesetzeswortlaut von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO auch vertragliche Streitigkeiten (wie Fragen der Inhaberschaft als Voraussetzung von Vertragsabschlüssen, des Zustandekommens, der Auslegung oder Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrags) in die sachliche Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz fielen; diese umfassende Regelung habe den positiven Effekt, dass die sachliche Aufspaltung eines Prozesses auf verschiedene kantonale Instanzen nicht mehr erforderlich sei.

Ferner ging die Vorinstanz auf die in Art. 90 ZPO geregelte objektive Klagenhäufung ein, wonach die klagende Partei mehrere Ansprüche gegen dieselbe Partei in einer Klage vereinen könne, sofern das gleiche Gericht dafür sachlich zuständig (lit. a) und die gleiche Verfahrensart anwendbar sei (lit. b). Zur strittigen Frage, inwiefern die objektive Klagenhäufung unter dem Aspekt der sachlichen Zuständigkeit von Art. 5 ZPO zulässig sei, referierte die Vorin­stanz verschiedene Lehrmeinungen. Dabei kam die Vorinstanz zum Schluss, in der Lehre finde die Frage der Zulässigkeit der Kumulation mehrerer Ansprüche bei unterschiedlicher sachlicher Zuständigkeit – entgegen der Meinung der Berufungsklägerin – nur sehr beschränkt Befürwortung. In jedem Fall sei bei gehäuften Ansprüchen jedoch ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Rechtsbegehren erforderlich. Ein solcher liege jedoch bei Ziff. 3 der Rechtsbegehren (Entschädigung für die Nutzung der drei Werbefilme "A", "B" und "C" für das Jahr 2016) und den übrigen Begehren der Klageschrift gerade nicht vor. Unbestrittenermassen beträfen sämtliche vorgebrachten Streitpunkte die gleichen Vertragsparteien und gründeten auf ihrer mehrjährigen Geschäftstätigkeit. Sämtliche Rechtsbegehren in der Klageschrift beträfen jedoch eigenständige Forderungen aus diversen (Rechts-)Verhältnissen, die nicht aus demselben Lebenssachverhalt herrührten und einander nicht bedingen würden. So hänge die beantragte Rückerstattung der von der Berufungsklägerin vorgestreckten Kosten für den Fotografen für ein Fotoshooting in Z (Ziff. 1 der Rechtsbegehren) nicht mit der Forderung betreffend die Erstellung der Kampagnen-Websites[1] für die drei Filme "D", "E" und "F" (Ziff. 2 der Rechtsbegehren) zusammen. Vielmehr beruhten diese "HUBs" gemäss der Berufungsklägerin auf einem Budget gemäss der Grobofferte vom 16. August 2016, welche später vom CEO der Berufungsbeklagten freigegeben worden sei. Aber auch ein Entscheid über die geforderte Erfolgsprämie (Ziff. 4 der Rechtsbegehren), welche gemäss der Berufungsklägerin auf dem von den Parteien am 31. Mai 2016 abgeschlossenen Vertrag beruhe, berühre die übrigen Rechtsbegehren in der Klageschrift nicht. Die Schadenersatzforderung für provozierte Aufwendungen (Ziff. 6 der Rechtsbegehren) sei ebenfalls eigenständig zu behandeln. Damit wiesen weder Ziff. 1 noch Ziff. 2 noch Ziff. 4 noch Ziff. 5 noch Ziff. 6 einen sachlichen Zusammenhang mit Ziff. 3 der Rechtsbegehren auf, welcher unbestrittenermassen das geistige Eigentum betreffe. Der Entscheid über die vertraglichen Nutzungsgebühren für die Verwendung von Werbefilmen gemäss Ziff. 3 der Rechtsbegehren beschlage somit keine andere der geltend gemachten Forderungen. Damit bestehe trotz der geteilten sachlichen Zuständigkeit auch keine Gefahr, dass sich die Entscheide des Bezirksgerichts[2] und des Obergerichts[3] widersprächen. Es komme hinzu, dass die den Ziff. 1, 2, 4, 5 und 6 der Rechtsbegehren zugrundeliegenden Forderungen für sich betrachtet nicht als gleichgewichtig mit dem in Ziff. 3 der Rechtsbegehren geltend gemachten Anspruch zu qualifizieren seien. Eine Kompetenzdelegation sämtlicher Rechtsbegehren an das Spezialgericht erscheine dem Bezirksgericht jedoch keinesfalls zweck- und sinngerichtet. Eine solche stehe denn auch nicht zur Diskussion, zumal diesbezüglich auch kein Parteiantrag vorliege.

Sodann hielt die Vorinstanz fest, dass sich eine einheitliche Beurteilung durch das angerufene Bezirksgericht auch aus prozessökonomischen Gründen nicht aufdränge. Indem das Obergericht als Fachgericht die ihm zufallenden Klagen aus geistigem Eigentum als einzige kantonale Instanz behandle, verkürze sich der Rechtsweg für die Berufungsklägerin deutlich. Sie erhalte dadurch in absehbarer Zeit einen letzten kantonalen Entscheid, ohne den ordentlichen Instanzenzug über zwei Gerichte beschreiten zu müssen. Damit sei das Bezirksgericht zur Behandlung von Ziff. 3 a und b der Rechtsbegehren sachlich nicht zuständig, weshalb auf diese beiden Anträge nicht eingetreten werde.

b) Materiell warf die Berufungsklägerin (erneut) zwei Rechtsfragen auf: Es stelle sich die Frage, ob vertragliche Streitigkeiten betreffend Lizenzgebühren bedingungslos in die ausschliessliche Zuständigkeit des Obergerichts als Spezialgericht im Sinn von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO fielen, und wenn ja, ob die Berufungsklägerin für diesen Fall zwischen dem ordentlichen erstinstanzlichen Gericht (Bezirksgericht) und dem Spezialgericht (Obergericht) wählen könne, wenn die geltend gemachten Ansprüche in einem sachlichen Zusammenhang stünden.

3. a) aa) Die Berufungsklägerin machte in der Sache selbst geltend, der Gesetzeswortlaut erwähne nicht, dass auch ver­tragliche Streitigkeiten betreffend das Lizenzentgelt in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO fielen. Es mache aber keinen Sinn, dass die höchste kantonale Instanz - unabhängig vom Streitwert - jede Streitigkeit zu beurteilen habe, die einen Bezug zum Immaterialgüterrecht aufweise. Gerade in den Fällen, bei denen es – wie hier – um die Beurteilung einer simplen Forderung gehe, sei nicht ersichtlich, weshalb es der Kompetenz des Obergerichts als Spezialgericht bedürfe. Der Botschaft zur ZPO sei eine gesetzgeberische Intention, Ansprüche aus Verträgen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechten unter Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO zu subsumieren, nicht zu entnehmen. Obwohl die Frage in der Vernehmlassung rege diskutiert worden sei, habe es keine ausdrückliche Regelung im Gesetz gegeben. Dies lasse auf ein qualifiziertes Schweigen schliessen. Die Vorinstanz habe sich mit den Materialien nicht auseinandergesetzt; vielmehr habe sie einzig unter Hinweis auf eine Kommentarstelle angenommen, dass vertragliche Streitigkeiten über Lizenzgebühren unter Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO fielen.

bb) Demgegenüber brachte die Berufungsbeklagte vor, zwar lasse sich aus der Botschaft die diesbezügliche gesetzgeberische Intention nicht klar herauslesen, doch offenbare sich die Absicht des Gesetzgebers aus der Entstehungsgeschichte von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO, wie das Handelsgericht des Kantons Zürich in einem Entscheid vom 16. August 2011[4] überzeugend dargelegt habe. Danach stehe zweifelsfrei fest, dass der Gesetzeswortlaut von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO auch Vertragsklagen einschliesse. Für diese Lösung gebe es gute Gründe: Zum einen würde die sachliche Aufspaltung auf verschiedene kantonale Instanzen eine unnötige Komplizierung der Verfahren im Immaterialgüterrecht nach sich ziehen. Die sachliche Zuständigkeit einer einzigen kantonalen Instanz diene der Beschleunigung der Verfahren und entspreche dem Gesetzeszweck. Zum anderen hätten Rechtsstreitigkeiten betreffend geistiges Eigentum oft einen schutzrechtlichen und vertragsrechtlichen Hintergrund. Auch rein vertragliche Ansprüche würden oft schutzrechtliche Vorfragen aufwerfen; schutz- und vertragsrechtliche Fragestellungen hingen eng zusammen. Die Konzentration der Prozesse bei einer einzigen kantonalen Instanz gewährleiste die notwendige richterliche Fachkompetenz. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, mithin die Konzentration der Zuständigkeiten bei der einzigen kantonalen Instanz im Sinn von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO, stimme somit mit der Rechtsprechung des Handelsgerichts des Kantons Zürich sowie der herrschenden Lehre überein.

b) Nach Art. 5 Abs. 1 lit a ZPO bezeichnet das kantonale Recht das Gericht, welches als einzige kantonale Instanz für Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum einschliesslich der Streitigkeiten betreffend Nichtigkeit, Inhaberschaft, Lizenzierung sowie Übertragung und Verletzung solcher Rechte zuständig ist. Die Vorinstanz erwog unter Hinweis auf Wey[5], nach dem Gesetzeswortlaut dieser Bestimmung fielen auch vertragliche Streitigkeiten (wie Fragen nach der Inhaberschaft als Voraussetzung von Vertragsabschlüssen, dem Zustandekommen, der Auslegung oder Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrags) in die sachliche Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz. Diese umfassende Regelung habe den positiven Effekt, dass die sachliche Aufspaltung eines Prozesses auf verschiedene kantonale Instanzen nicht mehr erforderlich sei.

c) Vock/Nater[6] bejahen gestützt auf den Gesetzeswortlaut von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO ebenfalls die Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz für Vertragsklagen, welche sich auf eine Nicht- oder Schlechterfüllung von Abtretungs- oder Lizenzverträgen über Immaterialgüterrechte bezögen, weil in dieser Bestimmung auch Streitigkeiten betreffend "Lizenzierung" und "Übertragung" solcher Rechte erwähnt würden. Härtsch[7] ist ebenfalls dieser Ansicht; diese Auffassung ergebe sich aus der Botschaft zur ZPO[8]. Mit dieser umfassenden Regelung in der ZPO – so dieser Autor weiter – entschärfe sich auch die bisherige Problematik der Widerklage vor einem ordentlichen Gericht. Eine solche sei vor Inkrafttreten der ZPO insbesondere dann problematisch gewesen, wenn der Beklagte in einem obligationenrechtlichen Forderungsprozess vor einem ordentlichen Gericht die Nichtigkeit eines Immaterialgüterrechts nicht nur einredeweise habe geltend machen wollen, sondern die Nichtig­erklärung selber verlangt habe. Dies habe zu einer Trennung der Prozesse führen können, weil für die Nichtigerklärung grundsätzlich das entsprechende Spezialgericht zuständig gewesen sei. Aufgrund der neuen umfassenden Regelung bezüglich Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum sei eine solche Trennung der Prozesse nicht mehr erforderlich. Brunner[9] stellt fest, dass mit Bezug auf das Problem des Sachzusammenhangs im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eine Klarstellung erfolgt sei. So sei der Vorentwurf noch wie folgt formuliert gewesen: "Streitigkeiten betreffend In­haberschaft, Gebrauchsüberlassung und Übertragung solcher Rechte". Nach Anregungen in der Vernehmlassung habe der Bundesrat in der Botschaft den Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO vorgeschlagen, den das Parlament unverändert übernommen habe: "Streitigkeiten betreffend Nichtigkeit, Inhaberschaft, Lizenzierung, Übertragung und Verletzung solcher Rechte". Das Gesetz übernehme damit die richtige fachtechnische Terminologie. Dies bedeute zudem, dass auch Fragen des Vertragsrechts in die sachliche Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz fielen, seien doch die Lizenzierung und die Übertragung von Immaterialgüterrechten nur vertragsrechtlich denkbar. Damit werde auch einem berechtigten Postulat der Lehre zum Durchbruch verholfen, habe doch die sachliche Aufspaltung in verschiedene kantonale Instanzen seit jeher eine unnötige Komplizierung der Verfahren im Immaterialgüterrecht verursacht. Der Sach­zusammenhang mit der Spezialmaterie bringe es mit sich, dass alle Fragen des Vertragsrechts wie die Inhaberschaft als Voraussetzung von Vertragsabschlüssen oder die Vertragserfüllung in die sachliche Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz fielen. Dies diene der Beschleunigung der Verfahren und entspreche dem Gesetzeszweck. Auch Haas/Schlumpf[10] vertreten diese Auffassung. Von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO würden namentlich spezifische Bestandes- oder Abwehrklagen des gewerblichen Rechtsschutzes erfasst, einschliesslich reiner Schadenersatz-, Genugtuungs- und Herausgabeklagen. Neu fielen – zumindest nach dem Gesetzeswortlaut (Lizenzierung, Übertragung) – auch vertragliche Streitigkeiten (etwa betreffend die Nicht- oder Schlechterfüllung von Lizenzverträgen oder wegen Nichtentrichtung des Entgelts) darunter, unabhängig davon, ob sie einen genügenden Zusammenhang zum geistigen Eigentum aufwiesen. Widmer/Leis[11] halten ebenfalls fest, aus der Formulierung von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO werde ersichtlich, dass anders als unter dem alten Recht neu auch Klagen betreffend Nicht- oder Schlechterfüllung von Verträgen, welche die Lizenzierung und Übertragung von Immaterialgüterrechten betreffen würden, durch die einzige kantonale Instanz zu beurteilen seien. Die im Gesetzestext ausdrücklich aufgeführten Streitigkeiten aus Lizenzierung und Übertragung seien mit wenigen Ausnahmen vertraglicher Natur. Die Zuweisung sämtlicher Verfahren in diesem Zusammenhang an eine einzige kantonale Instanz käme damit auch der Entwicklung der erforderlichen richterlichen Fachkompetenz zugute, und die Nachteile der früheren Aufspaltung der Zuständigkeiten würden durch die Regelung in Art. 5 ZPO im Wesentlichen beseitigt, was zu begrüssen sei. Nichts anderes ist bei Stieger[12] sowie Groz/Menn[13] zu lesen.

d) Damit erweist sich die Lehre als eindeutig. Aus der Judikatur ergibt sich - soweit ersichtlich - kein anderes Bild[14]. Demzufolge erwog die Vorinstanz mit Recht, dass vertragliche Streitigkeiten betreffend Lizenzgebühren in die ausschliessliche Zuständigkeit des Obergerichts als Spezialgericht im Sinn von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO fallen.

4. a) Die Berufungsklägerin stellte sich darüber hinaus auf den Standpunkt, sie könne bei einer objektiven Klagenhäufung selbst für den Fall, dass die hier interessierenden vertraglichen Streitigkeiten wider Erwarten unter Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO fielen, zwischen dem Bezirksgericht und dem Obergericht als Spezialgericht wählen; mit anderen Worten könne sie den grundsätzlich in die Zuständigkeit des Spezialgerichts fallenden Anspruch nach ihrer Wahl auch beim erstinstanzlichen Gericht einreichen. Nach der Berufungsklägerin sei das Bezirksgericht für alle geltend gemachten Ansprüche sachlich zuständig, es sei denn, es werde gestützt auf Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO das Obergericht als Spezialgericht für die Beurteilung von Ziff. 3 der Rechtsbegehren für zuständig gehalten. Gemäss Berger, Vock/Nater und Haas/Schlumpf als "Schwergewichte in der juristischen Autorenschaft" stehe der klagenden Partei selbst in diesem Fall jedoch das Recht zu, zwischen der einzigen kantonalen Instanz und den ordentlichen Gerichten zu wählen, sofern mehrere in einem Zusammenhang stehende Ansprüche geltend gemacht würden und nur ein Anspruch in die Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz im Sinn von Art. 5 ZPO falle.

b) Die Vorinstanz referierte die Lehre ausführlich und zutreffend; darauf ist zu verweisen. Zwar sprechen Gasser/Rickli[15] von einem Wahlrecht als Relativierung des grundsätzlichen Erfordernisses der sachlichen Zuständigkeit, wie die Vorinstanz mit Recht ausführte, doch verknüpfen sie dieses Recht mit dem Erfordernis der Gleichwertigkeit der Ansprüche sowie des Sachzusammenhangs zwischen den Rechtsbegehren. Mit Berger[16] und Vock/Nater[17] betonen drei der fünf von der Berufungsklägerin zitierten "Schwergewichte in der juristischen Autorenschaft" ebenfalls, dass es nur bei einem engen sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Klagebegehren im Sinn einer Ausnahme von Art. 90 ZPO als sinnvoll erscheine, dass nicht mehrere, sondern nur ein einziges Gericht über alle Ansprüche entscheide. Haas/Schlumpf[18] erweisen sich bezüglich der von der Berufungsklägerin angegebenen Kommentarstelle als nicht einschlägig. So führen diese Autoren unter dem 6. Lemma von Art. 5 ZPO N. 14 aus: "Werden im Wege der objektiven Klagenhäufung Ansprüche im sachlichen Zusammenhang geltend gemacht (z.B. Streitigkeit aus geistigem Eigentum und kartellrechtliche Streitigkeit), die nach dem kantonalen Recht unterschiedlichen einzigen kantonalen Instanzen zugewiesen sind, dann ist jede von ihnen zur Beurteilung aller Ansprüche zuständig". Allerdings geht es hier nicht um "unterschiedliche einzige kantonale Instanzen"; vielmehr geht es um die sachliche Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts (Bezirksgericht) im Vergleich zur einzigen kantonalen Instanz (Obergericht). Zu dieser Problematik äussern sich Haas/Schlumpf etwas weiter oben unter dem 5. Lemma von Art. 5 ZPO N. 14. Dort ist zu lesen: "Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn im Wege der Klagenhäufung ein in sachlichem Zusammenhang stehender Anspruch - welcher nicht unter die spezialgesetzliche Zuständigkeit fällt - geltend gemacht wird. Teilweise wird eine solche Klagenhäufung für nicht zulässig erachtet. Anderer Auffassung nach geht der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie dem Interesse des Beklagten an der Erhaltung zweier kantonaler Instanzen vor. Danach soll die nach Art. 5 ZPO zuständige einzige kantonale Instanz auch konnexe sachfremde Begehren beurteilen können." Mit dieser Lehrmeinung lässt sich die Zuständigkeit der Vorinstanz als ordentliches Gericht somit nicht begründen[19].

c) aa) Die Vorinstanz wies mit Recht darauf hin, dass die Lehre bei gehäuften Ansprüchen für eine Kompetenzattraktion übereinstimmend einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den Klagebegehren fordert. Die Vorinstanz untersuchte gründlich den Zusammenhang zwischen Ziff. 3 und den übrigen Rechtsbegehren der Klageschrift und kam ebenfalls mit Recht zum Schluss, dass ein solcher Konnex hier fehle. Auf diese zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Urteil ist ohne weiteres zu verweisen, zumal die Berufungsklägerin auf diese Ausführungen der Vorinstanz mit keinem Wort einging.

bb) Damit bleiben mit Blick auf das Erfordernis des engen Sachzusammenhangs nur die mit der Berufungsschrift (erneut) vorgebrachten zwei Argumente, hinsichtlich derer die Berufungsklägerin vorab eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör respektive auf Begründung behauptet hatte.

aaa) Das Argument der Berufungsklägerin, wonach die Vorinstanz im Rahmen der Beurteilung von Ziff. 1, 2, 4, 5 und 6 der Rechtsbegehren auch den (bestrittenen) Vorwurf der Nichterfüllung des Vertrags vom 31. Mai 2016 zu beurteilen habe, erweist sich als unerheblich. So vermögen Verteidigungsmittel der beklagten Partei in Bezug auf die klägerischen Rechtsbegehren keinen engen sachlichen Zusammenhang zu begründen. Vielmehr kann die beklagte Partei ihre Gegenforderung mit jeder einzelnen Forderung der klägerischen Partei zur Verrechnung bringen, unabhängig davon, wie die einzelnen Ansprüche der Klägerin zueinander stehen und unabhängig davon, wo sie eingeklagt wurden. Entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin besteht hier trotz der Aufspaltung der sachlichen Zuständigkeit keine Gefahr sich widersprechender Urteile: Zwar ist nicht auszuschliessen, dass das Bezirksgericht und das Obergericht unterschiedlich über (identische) Gegenforderungen entscheiden würden, doch erscheint dies als unproblematisch, weil das Obergericht in Bezug auf die Entscheide des Bezirksgerichts alleinige Berufungsinstanz ist, womit in letzter kantonaler Instanz einheitliche Entscheide garantiert sind. Abgesehen davon würde mit der Argumentation der Berufungsklägerin die Zuständigkeit davon abhängig gemacht, ob die beklagte Partei Gegenforderungen stellt und wenn ja, zu welchen klägerischen Ansprüchen sie Gegenforderungen geltend macht. Ohnehin ist zu bedenken, dass Verrechnungsforderungen im Zeitpunkt der Einreichung der Klage noch gar nicht bekannt sind; vielmehr können Verrechnungsforderungen bis Aktenschluss geltend gemacht werden, womit hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit über einen vergleichsweise langen Zeitraum Unsicherheit bestünde[20]. Schliesslich ist noch auf einen Entscheid des Bundesgerichts[21] hinzuweisen, der mit Blick auf die örtliche Zuständigkeit festhielt, dass die blosse Verrechenbarkeit der gegenseitigen Ansprüche noch keinen genügenden sachlichen Zusammenhang zwischen Haupt- und Widerklage verschaffe. Zusammenfassend vermögen Verteidigungsmittel der beklagten Partei bezüglich der verschiedenen Klagebegehren keinen engen sachlichen Zusammenhang zu begründen; dieser muss sich vielmehr aus den klägerischen Rechtsbegehren selbst ergeben.

bbb) Als weiteres Argument für eine Kompetenzattraktion führte die Berufungsklägerin die Prozessökonomie ins Feld. Allein dieses Argument vermag indessen das fehlende Erfordernis eines engen sachlichen Zusammenhangs nicht zu ersetzen. Dem steht letztlich "de lege lata" der Wortlaut von Art. 90 lit. a ZPO entgegen, wonach die klagende Partei mehrere Ansprüche gegen dieselbe Partei nur unter der Voraussetzung, dass das gleiche Gericht dafür sachlich zuständig ist, vereinen kann.

d) Zusammenfassend gibt es bezüglich der in die sachliche Zuständigkeit des Obergerichts fallenden Ansprüche kein Wahlrecht der Berufungsklägerin; ausserdem fehlt es mit Blick auf die gemäss Lehre ausnahmsweise zulässige Kompetenzattraktion am Erfordernis des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den klägerischen Rechtsbegehren.

Obergericht, 2. Abteilung, 19. September 2019, ZBR.2019.6


[1] Im Fachjargon würden diese Kampagnen-Websites "HUBs" genannt.

[2] Das Bezirksgericht entscheide über Ziff. 1, 2, 4, 5 und 6 der Rechtsbegehren.

[3] Das Obergericht entscheide über Ziff. 3a und b der Rechtsbegehren.

[4] ZR 2011 Nr. 113, S. 318

[5] Wey, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 3.A., Art. 5 N. 11

[6] Vock/Nater, Basler Kommentar, 3.A., Art. 5 ZPO N. 4

[7] Härtsch, in: Schweizerische Zivilprozessordnung (Hrsg.: Baker&McKenzie), Bern 2010, Art. 5 N. 6 f.

[8] Vgl. Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, BBl 2006 S. 7260

[9] Brunner, in: Schweizerische Zivilprozessordnung (Hrsg.: Brunner/Gasser/Schwan­der), 2.A., Art. 5 N. 11

[10] Haas/Schlumpf, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar (Hrsg.: Oberhammer/Domej/Haas), 2.A., Art. 5 N. 4

[11] Widmer/Leis, Zuständigkeit gemäss ZPO im Immaterialgüterrechtsprozess, in: sic! 2012 S. 372 f.

[12] Stieger, in: Die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte für Prozesse über und im Zusammenhang mit Patenten ab 2011, in: sic! 2010, S. 17 f.

[13] Groz/Menn, Parteivereinbarungen betreffend die sachliche Zuständigkeit und das Verfahren des Bundespatentgerichts, in: sic! 2013, S. 423 f.

[14] ZR 2011 Nr. 113, S. 318

[15] Gasser/Rickli, Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, 2.A., Art. 90 N. 5

[16] Berger, Berner Kommentar, Bern 2012, Art. 5 ZPO N. 32

[17] Vock/Nater, Art. 5 ZPO N. 5

[18] Haas/Schlumpf, Art. 5 ZPO N. 14

[19] Es liesse sich damit höchstens die umfassende Zuständigkeit des Obergerichts als Spezialgericht begründen.

[20] Der Aktenschluss tritt unter Umständen erst in der Hauptverhandlung ein (vgl. BGE 140 III 314).

[21] BGE 129 III 232

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.