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RBOG 2019 Nr. 2

Subsidiarität der Feststellungsklage


Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO, Art. 88 ZPO


1. a) Der Geschädigte verlor bei Eindeckarbeiten auf dem Dach eines Neubaus den Halt, fiel rund 5,5 m in die Tiefe und prallte in unmittelbarer Nähe des Fusses eines Baukrans auf den Boden. Dabei zog er sich erhebliche Verletzungen zu. Als verantwortlicher Dachdecker hatte es der Berufungsbeklagte unterlassen, der ihm bekannten Absturzgefahr durch Erstellen einer Sicherung entgegenzuwirken. Anschliessend meldete der Berufungsbeklagte den Schaden der Berufungsklägerin in ihrer Funktion als Versicherungsgesellschaft, welche ihm jedoch mitteilte, dass sie für diesen Vorfall keinen Versicherungsschutz biete.

b) In der Folge gelangte der Berufungsbeklagte an das Bezirksgericht und beantragte, es sei die Versicherungsdeckung respektive der Versicherungsschutz durch die Berufungsklägerin für das Schadensereignis im Grundsatz festzustellen. Die Berufungsklägerin bestritt indessen, dass hiefür ein Feststellungsinteresse gegeben sei. Die Verfahrensleitung beschränkte das Verfahren sodann auf diese Frage und bejahte mit Zwischenentscheid das Feststellungsinteresse. Gegen diesen Zwischenentscheid richtet sich die Berufung der Berufungsklägerin.

2. Mit der Feststellungsklage verlangt die klagende Partei die gerichtliche Feststellung, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht[1].

a) Zur Feststellungsklage legitimiert sind Parteien, zwischen denen ein ausreichendes Feststellungsinteresse besteht[2]. Dies ergibt sich nicht aus Art. 88 ZPO, sondern aus Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO; danach hat die klagende Partei ein schutzwürdiges Interesse rechtlicher oder tatsächlicher Natur an der Feststellungsklage nachzuweisen. Das Interesse muss erheblich sein. Es ist gemäss langjähriger Rechtsprechung des Bundesgerichts gegeben, wenn kumulativ eine erhebliche Ungewissheit über Bestand und Inhalt der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien herrscht und diese Ungewissheit mit einem Feststellungsurteil beseitigt werden kann, sodann das Fortdauern der Ungewissheit eine Unzumutbarkeit für den Kläger darstellt, weil sie ihn in seiner (wirtschaftlichen) Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit behindert, und schliesslich diese Unsicherheit nicht mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage zu beheben oder zu beseitigen ist (Subsidiarität der Feststellungsklage)[3].

Beispiele einer erheblichen Ungewissheit sind die drohende Verjährung oder die Ungewissheit über die gültige Kündigung eines Mietvertrags oder die Ungewissheit darüber, ob ein Konkurrenzverbot eine bestimmte Tätigkeit umfasst. Dagegen ist es üblicherweise zumutbar abzuwarten, ob und bis die behauptete Gläubigerschaft Leistungs- oder Gestaltungsklage erhebt[4]. Allerdings hat das Bundesgericht die Voraussetzungen, unter denen die negative Feststellungsklage des betriebenen Schuldners, der Rechtsvorschlag erhoben hat, zuzulassen ist, in BGE 141 III 70 gelockert. Ein schutzwürdiges Interesse fehlt in der Regel, wenn der Kläger über eine blosse Feststellung hinaus eine vollstreckbare Leistung verlangen könnte. Dies gilt auch, wenn der Schaden noch nicht vollständig beziffert werden kann. Diesfalls stehen die unbezifferte Forderungsklage i.S.v. Art. 85 ZPO respektive die Ermessensklage nach Art. 42 Abs. 2 OR zur Verfügung. Ausserdem kann bei einem Personenschaden ungewissen Umfangs ein Rektifikationsvorbehalt nach Art. 46 Abs. 2 OR zugelassen werden[5].

b) In seiner Rechtsprechung vor Inkrafttreten der ZPO vertrat das Bundesgericht die Auffassung, die Feststellungsklage diene dem Schutz des materiellen Rechts und leite sich daher aus diesem ab. Das materielle Recht bestimme dementsprechend auch abschliessend die Voraussetzungen des Feststellungsinteresses[6]. Seit BGE 144 III 175 ff. ist das Bundesgericht jedoch der Auffassung, das Feststellungsinteresse sei als Prozessvoraussetzung dem Prozessrecht zuzuordnen. Kann somit das Feststellungsinteresse nicht bejaht werden, fehlt es an einer Prozessvoraussetzung und das Gericht hat ohne Prüfung der materiellen Rechtslage auf die Klage nicht einzutreten. Damit kommt es nicht zu einem materiellen (Sach–)Urteil mit Wirkung einer res iudicata[7].

3. a) Durch das Erfordernis des Feststellungsinteresses werden diejenigen Feststellungsklagen, an deren Behandlung ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, von den übrigen getrennt. Dem Feststellungsinteresse kommt damit eine "Filterfunktion" zu. Massgebend ist dabei, ob die Klage im Fall ihres Schutzes geeignet ist, einem von der Rechtsordnung geschützten Interesse des Klägers zum Durchbruch zu verhelfen[8]. Das Bundesgericht spricht auch vom erheblichen schutzwürdigen Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtslage[9]. Wird das Interesse des Klägers an der Beurteilung einer Feststellungsklage als nicht schutzwürdig erachtet, entfällt der Anspruch auf Rechtsschutz[10].

b) Bei der Beantwortung der Frage, in welchem Umfang ein schutzwürdiges Interesse an der Beurteilung einer Feststellungsklage eingeräumt werden soll, sind die unterschiedlichen Interessen der Akteure im Zivilprozess zu berücksichtigen. Dazu zählen erstens das Interesse des Klägers, möglichst umfassenden Rechtsschutz zu erhalten, sowie zweitens das Interesse der öffentlichen Hand, keine unnötigen Feststellungsprozesse finanzieren zu müssen, und drittens das Interesse des Beklagten, vor unnötigen Feststellungsprozessen geschützt zu werden. Diese Interessen können im Widerspruch zueinander stehen. Im Falle sich widersprechender Interessen ist anhand einer wertenden Abwägung zu entscheiden, welches der betreffenden Interessen als schützenswerter zu erachten ist[11]. Weil der Beklagte vor einer Feststellungsklage zu schützen ist, an der kein schützenswertes Interesse besteht, ist stets eine Interessenabwägung vorzunehmen[12].

c) Nach einhelliger Meinung der Lehre und Rechtsprechung ist ein Rechtsschutzinteresse nur dann als schutzwürdig zu erachten, wenn der Kläger ein persönliches, eigenes Interesse am ersuchten Rechtsschutz hat[13]. Damit ist es grundsätzlich ausgeschlossen, eine Feststellungsklage zur Wahrung von Interessen Dritter zu führen[14]. Zur Wahrung fremder Interessen steht die Feststellungsklage nicht zur Verfügung[15]. Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtsbeziehung Dritter ist allerdings ausnahmsweise gegeben, wenn Bestand und Inhalt der Rechtsbeziehung unter den Parteien vom Bestehen eines bestimmten Rechtsverhältnisses zwischen Dritten beziehungsweise zwischen einer der Prozessparteien und einem Dritten abhängen[16]. Diese Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, weil sich die Frage der Versicherungsdeckung erst stellt, wenn feststeht, dass der Berufungsbeklagte gegenüber dem Geschädigten haftbar ist.

4. a) Hier stehen der Berufungsbeklagte und der Geschädigte in einer engen persönlichen Beziehung zueinander. Dies ist auch der Grund, weshalb der Geschädigte bislang nicht versuchte, seine Haftpflichtansprüche gegen den Berufungsbeklagten gerichtlich durchzusetzen.

Der Berufungsbeklagte und der Geschädigte haben nicht nur zusammen auf der gleichen Baustelle gearbeitet, sie kennen sich auch (schon ewig) "vom Dorf beziehungsweise von der Familie her". Der Geschädigte wohnt derzeit auf dem Hof des Berufungsbeklagten und seiner Familie und hilft – ohne Lohn zu beziehen – auf dem landwirtschaftlichen Betrieb mit. Dadurch kommt der Geschädigte in den Genuss von sozialen Kontakten; ohne dieses soziale Umfeld wäre der Geschädigte isoliert, weil er sich durch die schwere Gehirnverletzung im Leben nicht mehr zurechtfindet. Somit gehört der Geschädigte gewissermassen zur Familie des Berufungsbeklagten. Dies erklärt auch, weshalb der Berufungsbeklagte und der Geschädigte den gleichen Rechtsvertreter mandatiert haben, und weshalb es für den Berufungsbeklagten selbstverständlich ist, dass er die Verantwortung für sein Fehlverhalten übernimmt und zwar in strafrechtlicher, zivilrechtlicher und vor allem auch in persönlicher Hinsicht. Bezeichnenderweise führte der Berufungsbeklagte vor Vorinstanz diesbezüglich aus, es sei unbestritten, dass derjenige, der strafrechtlich für eine schwere Körperverletzung verantwortlich sei, auch zivilrechtlich die Folgen tragen müsse. Zivilrechtlich – so der Berufungsbeklagte weiter - habe er genau für solche schädlichen Ereignisse eine Versicherung abgeschlossen; er habe "eine Absicherung gemacht", damit er dann, wenn ihm ein Fehlverhalten "fahrlässig passiere", finanziell Rückendeckung habe. Dies sei ja schliesslich das Geschäftsmodell der Berufungsklägerin als Versicherungsgesellschaft. Folglich habe dies nichts mit der Frage zu tun, ob der Geschädigte jetzt zuerst eine Leistungsklage gegen ihn führen müsse oder nicht. Vielmehr hätten er und der Geschädigte "abgemacht", wie sie das Problem lösen wollten. Der Geschädigte wolle den Schaden ersetzt haben; dabei habe er gesagt, er, der Berufungsbeklagte, solle dies zuerst mit seiner Versicherung klären. Dies sei ein "zwischenmenschlicher Entscheid"; der Geschädigte wolle ihn finanziell nicht zu sehr belasten. Es gehe um einen siebenstelligen Betrag als Direktschaden, weshalb es um seine Existenz gehe; dies wolle ihm der Geschädigte nicht antun, wenn er nicht müsse. Der Geschädigte wolle ihn nicht ins Recht fassen, solange nicht geklärt sei, ob die Versicherung zahle oder nicht. Dies sei legitim. Dies sei nicht irgendwie ein Trick, sondern einfach nur "menschlich".

b) Bei der Frage, ob der Berufungsbeklagte ein (rechtlich) schutzwürdiges Feststellungsinteresse hat, greift die Vorinstanz zu kurz:

aa) Das Erfordernis der Ungewissheit des Berufungsbeklagten über den Bestand der Versicherungsdeckung ist zwar mit der Vorinstanz zu bejahen; insofern erscheint die Einleitung eines Feststellungsprozesses als plausibel. Mit Blick auf die Unzumutbarkeit der Fortdauer dieser Rechtsungewissheit ist aber ausschliesslich von Interesse, ob der Versicherungsschutz für das Unfallereignis respektive für die Haftpflichtansprüche des Geschädigten gegenüber dem Berufungsbeklagten besteht. Diese Präzisierung ist deshalb wichtig, weil im Feststellungsprozess Rechtsfragen nur in Bezug auf einen bereits verwirklichten Sachverhalt und nicht allgemeingültig beantwortet werden können. Nur Feststellungsbegehren, denen ein konkreter Sachverhalt zugrunde liegt, sind schutzwürdig. An der gerichtlichen Beurteilung abstrakter Rechtsfragen besteht nie ein Rechtsschutzinteresse. Weist die festzustellende Rechtsbehauptung also keinen konkreten Sachverhaltsbezug auf, ist das Feststellungsinteresse zu verneinen[17]. Entscheidend ist somit, ob mit Bezug auf das Unfallgeschehen und die daraus folgenden Haftpflichtansprüche des Geschädigten gegen den Berufungsbeklagten eine Versicherungsdeckung der Berufungsklägerin besteht oder nicht. Damit ist der "Link" zur Frage der Haftung, welche der Frage der Versicherungsdeckung (logisch) vorgelagert ist, zentral.

bb) Die Vorinstanz bejahte auch die Unzumutbarkeit der Fortdauer der Ungewissheit für den Berufungsbeklagten, weil sich dieser für den Fall, dass die Versicherungsdeckung nicht festgestellt werde, mit hohen Zivil- beziehungsweise Schadenersatzforderungen des Geschädigten konfrontiert sehe. Damit blendete die Vorinstanz jedoch aus, dass der Geschädigte längst gegen den Berufungsbeklagten den Rechtsweg hätte beschreiten können. Der Geschädigte verzichtete jedoch darauf, weil er sich mit dem Berufungsklagten – wie weiter oben ausführlich dargelegt – verbunden fühlt, und weil er auch weiss, dass dieser finanziell ausserstande wäre, den Schaden zu liquidieren. Daher "schont" der Geschädigte den Berufungsbeklagten bewusst, was letztlich nur aufgrund der anwaltlichen Doppelvertretung von Geschädigtem und Schädiger möglich ist. Erst diese Konstellation ermöglichte es überhaupt, dass der Geschädigte bislang nicht gegen den Schädiger vorging, und dass stattdessen der Berufungsbeklagte gegen seine Versicherung auf Feststellung des Versicherungsschutzes klagte. Ist der Versicherungsschutz erst einmal festgestellt, wird der Berufungsbeklagte seine zivilrechtliche Haftung gegenüber dem Geschädigten anerkennen und die Berufungsklägerin zur Schadensübernahme anhalten. Sollte der Versicherungsschutz indessen nicht festgestellt werden können, so scheint der Geschädigte nicht gewillt, den Berufungsbeklagten dergestalt haftbar zu machen, dass dieser in seiner wirtschaftlichen Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit erheblich beeinträchtigt würde.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch das Vorbringen des Berufungsbeklagten, Sinn und Zweck des vorliegenden Feststellungsprozesses lägen gerade darin, die Ungewissheit eines allfälligen Forderungsprozesses zu beseitigen. Damit wird nach Auffassung des Berufungsbeklagten seine wirtschaftliche Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit primär durch eine allfällige zivilrechtliche Haftung aus dem Unfallereignis gefährdet. Jedoch nur beziehungsweise erst wenn diese Haftung besteht, bedroht die Ungewissheit über den Versicherungsschutz die wirtschaftliche Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit des Berufungsbeklagten. Diese Reihenfolge der Bedrohungsszenarien spielt auch bei der Prüfung der Subsidiarität eine Rolle.

cc) Die Vorinstanz bejahte schliesslich die Subsidiarität der Feststellungsklage, weil der Berufungsbeklagte die Unsicherheit nicht mit einer Leistungsklage beseitigen könne. Diese Argumentation greift ebenfalls zu kurz: Es liegt auf der Hand, dass der Berufungsbeklagte als potentieller Schuldner keine Leistungsklage gegen den Geschädigten als Gläubiger erheben kann. Ebenso wenig aber kann der Berufungsbeklagte gegen die Berufungsklägerin auf Leistung aus Versicherungsvertrag klagen, solange der Geschädigte keine Ansprüche gegen ihn geltend macht. Der Verzicht auf eine Leistungsklage des Geschädigten gegen den Berufungsbeklagten ist jedoch die Folge ihres einvernehmlichen Zusammenwirkens. Erst dieses Zusammenspiel führt dazu, dass der Berufungsbeklagte keinen Leistungsanspruch gegen die Berufungsklägerin geltend machen kann. Ohne dieses Einvernehmen hätte der Geschädigte längst zumindest eine unbezifferte Forderungsklage i.S.v. Art. 85 ZPO oder eine Ermessensklage nach Art. 42 Abs. 2 OR gegen den Berufungsbeklagten eingereicht. Dies ergibt sich ohne weiteres aus den Schreiben des Rechtsvertreters des Geschädigten vom 8. Juni 2017, der gleichzeitig auch die Interessen des Berufungsbeklagten vertritt. Danach warte der Geschädigte mit der klageweisen Durchsetzung seiner Haftpflichtansprüche zu, weil der Berufungsbeklagte der Auffassung sei, die Berufungsklägerin müsse für den Schaden aufkommen. Im Schreiben vom 20. Oktober 2014 hatte derselbe Rechtsbeistand noch ausgeführt, es wäre dem Geschädigten unangenehm, wenn er seine Forderung gegen den Berufungsbeklagten durchsetzen müsste; gleichzeitig wurde dem Berufungsbeklagten nahegelegt, sich anwaltlich vertreten zu lassen, um eine allfällige Versicherungsdeckung bei der Berufungsklägerin "doch noch durchzusetzen". Schliesslich sprang der Rechtsvertreter des Geschädigten diesbezüglich gleich selbst ein.

Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass der Geschädigte ohne die anwaltliche Doppelvertretung sowie ohne die persönliche Verbindung zum Berufungsbeklagten längst geklagt hätte. Immerhin sind seit dem Schadensereignis schon sieben Jahre verstrichen, und die IV- und SUVA-Renten des Geschädigten stehen seit geraumer Zeit fest, womit sich der Direktschaden berechnen liesse. Hätte nun aber der Geschädigte geklagt, hätte der Berufungsbeklagte der Berufungsklägerin den Streit verkündet[18] oder mittels einer Streitverkündungsklage seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend gemacht, die er im Fall des Unterliegens gegen die Berufungsklägerin zu haben glaubt[19]. Eventuell hätte der Berufungsbeklagte auch selbstständig, nunmehr als Leistungsbegehren, auf Versicherungsdeckung geklagt. Nicht um die Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses geht es nämlich, wenn auf Feststellung geklagt wird, dass Kostendeckung durch eine Versicherung besteht; vielmehr liegt diesfalls ein Leistungsbegehren auf Kostengutsprache durch eine Versicherung vor[20]. Somit fehlt hier die Subsidiarität, weil ohne Doppelvertretung aufgrund der persönlichen Verbindung von Schädiger und Geschädigtem eine Leistungsklage gegen die Berufungsklägerin (längst) möglich wäre.

c) Alles in allem ergibt sich damit, dass der Berufungsbeklagte, welcher sich für straf- und zivilrechtlich verantwortlich für das Unfallgeschehen erachtet, und der möchte, dass der ihm nahe verbundene Geschädigte schadlos gehalten wird, für diesen dafür "kämpft", dass seine Versicherung, die Berufungsklägerin, für dessen Direktschaden aufkommt. Dafür strengt er als Kläger extra einen Feststellungsprozess gegen seine Versicherung an und geht damit ein beträchtliches Kosten- respektive Prozessrisiko ein. Dabei könnte er es, würde er nur an sich denken, weitaus einfacher und risikoärmer haben. So könnte er abwarten, bis der Geschädigte seine Haftpflichtansprüche gegen ihn einklagt, um alsdann der Berufungsklägerin den Streit zu verkünden, damit diese die gegen ihn erhobenen Zivilansprüche abwehrt respektive qua Versicherungsschutz an seiner Stelle leistet. Dann - und erst dann - hätte er ein aktuelles und konkretes, persönliches Interesse an der Feststellung seiner Versicherungsdeckung. Dann aber hätte er diesbezüglich einen Leistungsanspruch gegen die Berufungsklägerin; mit anderen Worten bräuchte es den vorliegenden Feststellungsprozess nicht, was auch der Berufungsbeklagte zugibt.

Dementsprechend fehlt dem Berufungsbeklagten ein eigenes, persönliches, schutzwürdiges Feststellungsinteresse. Zwar mag dieses aus seiner Sicht gegeben sein, weil er sich schuldig und dem Geschädigten gegenüber verantwortlich fühlt, doch kommt es darauf nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass der Berufungsbeklagte diesen Feststellungsprozess bei eigener Interessenwahrung nicht eingeleitet hätte.

Damit steht fest, dass der Berufungsbeklagte diesen Feststellungsprozess zur Wahrung der Interessen des Geschädigten und somit eines Dritten führt. Die vom Berufungsbeklagten eingereichte Feststellungsklage dient mit anderen Worten nicht dazu, eine Unsicherheit im Verhältnis zwischen ihm und der Berufungsklägerin zu beseitigen, denn dafür könnte er die Forderungsklage des Geschädigten abwarten und sich dann in jenem Forderungsprozess an die Berufungsklägerin halten. Demzufolge lässt sich das Ziel des Berufungsbeklagten auf andere Weise als durch die von ihm geforderte gerichtliche Feststellung erreichen, weshalb die Feststellungsklage wegen ihrer Subsidiarität unzulässig ist.

Obergericht, 2. Abteilung, 11. Juli 2019, ZBR.2019.11

Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht am 21. April 2020 ab, soweit es darauf eintrat (4A_532/2019).


[1] Art. 88 ZPO

[2] Weber, Basler Kommentar, 3.A., Art. 88 ZPO N. 4

[3] BGE 144 III 182 und 186, 141 III 71, 136 III 524, 135 III 379 f., 131 III 324 f., 123 III 429, 120 II 22; vgl. Markus, Berner Kommentar, Bern 2012, Art. 88 ZPO N. 15; Weber, Art. 88 ZPO N. 9

[4] Markus, Art. 88 ZPO N. 20

[5] Markus, Art. 88 ZPO N. 21 f.

[6] BGE 131 III 324, 129 III 299

[7] Bessenich/Bopp, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 3.A., Art. 88 N. 8

[8] Weber, Die Feststellungsklage nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Basel 2013, S. 27

[9] Weber, Diss., S. 28 Anm. 111 a.E.

[10] Weber, Diss., S. 73

[11] Weber, Diss., S. 75

[12] BGE vom 17. August 2004, 4C.147/2004, Erw. 2

[13] Weber, Diss., S. 77; BGE 101 II 190

[14] Weber, Diss., S. 77

[15] BGE vom 14. Mai 2008, 4A_530/2007, Erw. 2.3

[16] BGE vom 17. August 2004, 4C.147/2004, Erw. 2; BGE vom 8. November 2002, 4C.290/2001, Erw. 1.3

[17] Weber, Diss., S. 76 f.

[18] Art. 78 ZPO

[19] Art. 81 ZPO

[20] Markus, Art. 88 ZPO N. 44

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