RBOG 2021 Nr. 30
Kosten- und Entschädigungsfolgen des unterliegenden Privatklägers; Änderung der Rechtsprechung von RBOG 2018 Nr. 20
Art. 429 Abs. 1 StPO, Art. 432 Abs. 2 StPO, Art. 436 Abs. 1 StPO
1. Die Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfahren gegen die Beschwerdegegner ein. Auf die Beschwerde der Privatklägerschaft gegen diesen Entscheid ist mangels Beschwerdelegitimation nicht einzutreten.
2. a) Entsprechend der bisherigen Praxis des Obergerichts waren nach dem Verursacherprinzip dem unterliegenden Privatkläger die Parteikosten des Beschwerdegegners aufzuerlegen[1]. Das Obergericht erwog in RBOG 2018 Nr. 20, bei einer Abweisung der Beschwerde des Privatklägers, mithin einer Bestätigung der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft, obsiege der Staat im Ergebnis, weshalb es als stossend erscheine, diesem die Kosten der Verteidigung der beschuldigten Person aufzuerlegen; dass der Staat eine Verantwortung für das Strafverfahren trage, ändere daran nichts.
b) In BGE 147 IV 47 präzisierte das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung[2] und hielt fest, die Entschädigung der beschuldigten Person für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte gehe bei einer Einstellung des Strafverfahrens oder bei einem Freispruch zulasten des Staats, wenn es sich um ein Offizialdelikt handle[3], und zulasten der Privatklägerschaft, wenn es um ein Antragsdelikt gehe[4]. Im Berufungsverfahren betreffend Offizialdelikte werde die unterliegende Privatklägerschaft entschädigungspflichtig, im Beschwerdeverfahren hingegen der Staat. Gehe es um ein Antragsdelikt, werde sowohl im Berufungs- wie im Beschwerdeverfahren die Privatklägerschaft entschädigungspflichtig[5].
c) Angesichts dieser präzisierten und mehrfach bestätigten[6] Rechtsprechung des Bundesgerichts kann an der Praxis des Obergerichts gemäss RBOG 2018 Nr. 20 nicht festgehalten werden.
d) Die staatsanwaltschaftliche Verfahrenseinstellung bezog sich auf ein Offizialdelikt. Bei diesen Delikten trägt die gegen die Einstellungsverfügung allein Beschwerde erhebende Privatklägerschaft ein latent weiterbestehendes öffentliches Strafverfolgungsinteresse mit. Deshalb geht die Entschädigung der obsiegenden beschuldigten Personen im Beschwerdeverfahren für die durch die Anträge im Schuldpunkt verursachten Aufwendungen zulasten des Staats[7]. Somit hat der Staat die Beschwerdegegner zu entschädigen.
Obergericht, 2. Abteilung, 7. Juli / 12. August 2021, SW.2020.90
[1] RBOG 2018 Nr. 20; RBOG 2017 Nr. 32
[2] Insbesondere BGE 141 IV 476 ff. und BGE 139 IV 45 ff.
[3] Art. 429 Abs. 1 StPO
[4] Art. 432 Abs. 2 StPO
[5] Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 432 Abs. 2 StPO
[6] BGE vom 12. April 2021, 6B_1144/2020, 6B_1145/2020, Erw. 6.1; BGE vom 20. Januar 2021, 6B_1254/2020, Erw. 7; vgl. BGE vom 19. Februar 2021, 6B_7/2021, Erw. 5
[7] Art. 429 StPO; BGE 147 IV 54; BGE vom 20. Januar 2021, 6B_1254/2020, Erw. 7