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RBOG 2021 Nr. 33

Geschwindigkeitsüberschreitung auf einem Autobahnabschnitt mit einer permanent signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h; Ausnahmefall zur Schwellenwertpraxis des Bundesgerichts


Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 90 Abs. 1 SVG, Art. 90 Abs. 2 SVG


1. Der Berufungsbeklagte fuhr mit seinem Personenwagen auf der Autobahn bei einer signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h 31 km/h schneller als erlaubt. Das Bezirksgericht sprach den Berufungsbeklagten – entgegen der Anklage - nicht einer groben, sondern der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 SVG und Art. 4a Abs. 5 VRV[1] schuldig. Gegen diesen Entscheid erhob die Staatsanwaltschaft Berufung.

2. a) Nach Art. 90 Abs. 1 SVG wird mit Busse bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. Nach Art. 90 Abs. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.

b) aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts setzt der objektive Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG voraus, dass die Verkehrssicherheit ernsthaft gefährdet wurde. Dabei genügt eine erhöhte abstrakte Gefährdung. Wesentliches Kriterium für die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefahr ist die Nähe der Verwirklichung. Die allgemeine Möglichkeit der Verwirklichung einer Gefahr genügt nur dann zur Erfüllung des Tatbestands von Art. 90 Abs. 2 SVG, wenn in Anbetracht der Umstände der Eintritt einer konkreten Gefährdung oder gar einer Verletzung naheliegt[2].

bb) Die geschaffene Gefahr muss stets im Einzelfall und abhängig von den konkreten Verhältnissen, zum Beispiel von Strassen-, Verkehrs- und Witterungsverhältnissen, beurteilt werden[3]. Eine ausschliesslich auf abstrakte Fallumstände abstellende Beurteilung wäre mit dem Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG, der eine ernstliche Gefahr im konkreten Einzelfall verlangt, nicht zu vereinbaren. Für die in der Praxis häufigen Fallgruppen von Geschwindigkeitsüberschreitungen führte die Rechtsprechung des Bundesgerichts allerdings Schwellenwerte ein, um eine rechtsgleiche Praxis zu gewährleisten[4].

cc) Nach dieser Rechtsprechung ist ungeachtet der konkreten Umstände der Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung im Sinn von Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h innerorts, 30 km/h ausserorts und 35 km/h auf einer Autobahn überschritten wird[5]. Bis Ende 2007 fanden sich die Schwellenwerte auch in Art. 38 Abs. 2 lit. a aVZV[6], welcher jedoch mit der Änderung vom 28. März 2007 mit Wirkung per 1. Januar 2008 aufgehoben wurde[7]. Die Praxis beruht auf der Überlegung, mit bestimmten Strassen seien typische Gefahren verbunden. Zunächst wendete das Bundesgericht die Schwellenwerte nur auf Strassen inner- und ausserorts an, später dehnte es sie auf Autobahnen aus und trug dabei der anlagebedingten Gefahr Rechnung. Eine weitere Unterteilung zwischen Autostrassen, auf denen die allgemeine Höchstgeschwindigkeit 100 km/h beträgt, und anderen Strassen ausserhalb von Ortschaften, auf denen die allgemeine Höchstgeschwindigkeit 80 km/h beträgt, nahm das Bundesgericht nicht vor[8].

dd) Das Bemühen um eine rechtsgleiche Praxis auf der einen Seite und die Würdigung der konkreten Umstände auf der anderen Seite stehen in einem Spannungsverhältnis. In der Literatur wurde die Rechtsprechung des Bundesgerichts denn auch als schematisch kritisiert[9]. Die Problematik ist jedoch bereits im Gesetz selbst angelegt. Die von Art. 90 Abs. 2 SVG verlangte Gefährdung lässt sich begrifflich nicht verlässlich graduieren. Im Rechtsalltag muss daher zur Konkretisierung des Tatbestands auf eine Kasuistik zurückgegriffen werden. Daraus erklärt sich die Tendenz zur Regelbildung und Schematisierung, was zwar der Praktikabilität dient, aber nicht immer zu befriedigenden Lösungen führt[10].

ee) Das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsgleichheit und Praktikabilität entschärft die bundesgerichtliche Praxis bis zu einem gewissen Punkt, indem sie den Anwendungsbereich der schematisierenden Rechtsprechung einschränkt. Diese kommt nicht zur Anwendung bei aussergewöhnlichen Umständen[11]. Beispielsweise erkannte das Bundesgericht auf eine einfache Verkehrsregelverletzung bei einem Autofahrer, der eine vorübergehende Geschwindigkeitsherabsetzung von 120 km/h auf 80 km/h bei einer Baustelle nicht realisierte[12] sowie bei einem Automobilisten, der eine erst vor kurzem umgesetzte Temporeduktion im Rahmen eines Verkehrsberuhigungskonzepts ignorierte[13]. Hier wie da befasste sich das Bundesgericht auch mit den konkreten örtlichen Gegebenheiten und der geschaffenen Gefahr[14]. Die Unterscheidung zwischen grober und einfacher Verkehrsregelverletzung nahm das Bundesgericht indessen auf Ebene des subjektiven Tatbestands vor[15].

ff) In dem von beiden Parteien angerufenen Urteil vom 3. April 2017[16] entschied das Bundesgericht, eine vorübergehende Einschränkung der auf einer Autobahn geltenden Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf 80 km/h führe dazu, dass die Rechtsprechung für Geschwindigkeitsübertretungen ausserorts (und nicht für Geschwindigkeitsübertretungen auf Autobahnen) zur Anwendung gelange. Grund für die Temporeduktion war eine Baustelle. Das Bundesgericht führte aus, in gewissen Situationen[17] könne eine Baustelle mit Blick auf die potenzielle Gefahrensituation vergleichbar sein mit einer Ausserortsstrecke. Dann sei die Rechtsprechung für die grobe Verkehrsregelverletzung ausserorts anwendbar[18]. Dieser Entscheid gliedert sich durchaus in die dargestellten Praxislinien ein, denn auch er berücksichtigt die konkreten örtlichen Gegebenheiten. Nicht die Signalisation einer bestimmten Geschwindigkeit wirkt qualifizierend, sondern die im Einzelfall geschaffene Gefahr.

c) aa) Der subjektive Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG erfordert ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, das heisst ein schweres Verschulden, bei fahrlässiger Begehung grobe Fahrlässigkeit[19]. Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen. Die Annahme von Rücksichtslosigkeit ist jedoch restriktiv zu handhaben. Es kann nicht unbesehen von einer objektiven auf eine subjektiv schwere Verkehrsregelverletzung geschlossen werden. Nicht jede Unaufmerksamkeit, die wegen der Schwere des Erfolgs objektiv als gravierende Verletzung der Vorsichtspflicht zu betrachten ist, wiegt subjektiv auch schwer[20].

bb) Der subjektive Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG wirkt ausgleichend und korrigierend: In Fällen, in denen der objektive Tatbestand aufgrund der – aus Gründen der Rechtsgleichheit - eingeführten Grenzwerte erfüllt ist, dem Fahrzeuglenker aufgrund sämtlicher Umstände aber kein rücksichtsloses Verhalten vorgeworfen werden kann, liegt nur eine leichte Verkehrsregelverletzung vor[21]. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss in diesem Sinn die Annahme der subjektiven Rücksichtslosigkeit streng gehandhabt werden. Will man das Schuldprinzip auch im Strassenverkehrsstrafrecht ernst nehmen, darf nicht unbesehen von der objektiven auf die subjektive schwere Verkehrsregelverletzung gefolgert werden[22].

cc) In den bereits erwähnten "Ausnahmefällen" zur Schwellenwertpraxis verneinte das Bundesgericht in Anwendung der dargelegten, eher restriktiven Interpretation des subjektiven Tatbestands jeweils besondere Rücksichtslosigkeit[23].

d) aa) Gegenstand des hier zu beurteilenden Sachverhalts ist unstrittig ein Autobahnabschnitt. Die Staatsanwaltschaft stellt sich in rechtlicher Hinsicht auf den Standpunkt, die von einer spezialisierten Behörde angeordnete Höchstgeschwindigkeit sei für das Strafgericht in gewisser Weise verbindlich. Einen direkten Rückschluss von der signalisierten Geschwindigkeit auf das (abstrakte) Gefahrenpotenzial sieht die Rechtsprechung jedoch nicht vor. Die verfügte Höchstgeschwindigkeit ist in rechtlicher Hinsicht Anknüpfungspunkt für die vom Bundesgericht entwickelten Abstufungen; in tatsächlicher Hinsicht gibt sie einen Hinweis auf die zu beurteilende anlagebedingte Gefahr. Ob diese Gefahr im konkreten Einzelfall zu prüfen ist, hängt davon ab, ob besondere Umstände[24] vorliegen[25].

bb) Sind besondere Umstände zu beurteilen, kann die aus Gründen der Rechtsgleichheit eingeführte "Schematisierung" nicht zur Anwendung gelangen. Vielmehr drängt das Rechtsgleichheitsgebot – in Form des Differenzierungsgebots[26] – zur Einzelfallprüfung. In solchen Konstellationen, die gewissermassen aus dem Fallraster herausfallen, muss aus Gründen der Rechtsgleichheit differenziert werden. Im von beiden Parteien angerufenen Urteil vom 3. April 2017[27] befasste sich das Bundesgericht dementsprechend mit dem konkreten Gefahrenpotenzial des fraglichen Strassenabschnitts und wendete erst in einem zweiten Schritt die Rechtsprechung für einen Strassenabschnitt mit Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h an[28].

cc) Die Befürchtung der Staatsanwaltschaft, künftig müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine abstrakte Gefahr geschaffen wurde, selbst wenn die Schwellenwerte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erfüllt sind, ist unbegründet. Wie dargelegt, sind nur bei besonderen Umständen Überlegungen zur Gefahrensituation anzustellen. Im Übrigen verkennt der Einwand der Staatsanwaltschaft, dass eine Einzelfallprüfung spätestens auf Ebene des subjektiven Tatbestands erforderlich ist.

3. a) Die vorstehenden Grundsätze sind auf den konkreten Fall anzuwenden.

b) Der Berufungsbeklagte war am frühen Morgen im September, um ungefähr 05.57 Uhr, auf der Autobahn unterwegs. Ab dem Autobahnzubringer verläuft die Autobahn zunächst zweispurig. Eine erste Signaltafel senkt die Maximalgeschwindigkeit auf 100 km/h, später folgt eine weitere Senkung auf 80 km/h im Einzugsbereich der Autobahnausfahrt. Die linke Spur wird danach in die rechte Spur überführt, und die vereinigte Spur vollzieht eine Linkskurve. Unmittelbar nach der Linkskurve führt eine Autobahnzufahrt auf die Autobahn. Nach einem kurzen gemeinsamen Sektor, der für das Einspuren vorgesehen ist, vollzieht die Fahrbahn eine leichte Rechtskurve, in deren Verlauf die Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h mit dem Signal "Ende der Maximalgeschwindigkeit" aufgehoben wird, und mündet dann in die wiederum zweispurig geführte Autobahn. Die Autobahn wird rechterhand von einem Pannenstreifen begleitet bis nach der leichten Linkskurve, wo Fahrzeuge einspuren können.

c) aa) Auf dem hier fraglichen Autobahnabschnitt ist die reguläre Geschwindigkeit (permanent) von 120 km/h auf 80 km/h reduziert. Deshalb liegen besondere Umstände im Sinn der Rechtsprechung vor, und es sind die Verhältnisse des Einzelfalls zu betrachten.

bb) aaa) Am fraglichen Tag war die Strasse trocken. Der Berufungsbeklagte sagte anlässlich der Hauptverhandlung aus, andere Verkehrsteilnehmer seien nicht unterwegs gewesen. Hinweise auf ein bestimmtes Verkehrsaufkommen ergeben sich (auch) nicht aus den Akten.

bbb) Die vom Berufungsbeklagten ausgelöste Radarfalle war vor dem Zusammenführen der beiden in Richtung A verlaufenden Spuren installiert. Die auf diesem Abschnitt geltende Geschwindigkeitslimitierung erklärt sich aus der (frühzeitig signalisierten) Verengung von zwei Spuren auf eine Spur[29]. Ungeachtet dessen zeigt dieser Strassenabschnitt typische Eigenschaften einer Autobahn (zweispurig mit Pannenstreifen) auf und unterscheidet sich von einer Autostrasse. Nach der Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 3 VRV weisen Autobahnen eine getrennte Fahrbahn für jede der beiden Richtungen auf und sind frei von höhengleichen Kreuzungen. Auf einer Autobahn wird der Gegenverkehr erstens auf einer separierten Spur geführt, wohingegen Autostrassen über richtungsgetrennte Spuren verfügen. Das Gefahrenpotenzial bei Autostrassen ist höher, weil sich entgegenkommende Fahrzeuge auf gleicher Höhe kreuzen. Zweitens kann die richtungsgetrennte Spur für Überholmanöver verwendet werden. Auf einer Autobahn steht mit der linken Spur eine eigens für Überholmanöver vorgesehene Fahrbahn zur Verfügung. Bei Autostrassen muss die Gegenfahrbahn verwendet werden. Die Qualifikation als Autobahn bringt drittens mit sich, dass auf dem zu beurteilenden Strassenabschnitt kein Mischverkehr stattfindet. Begegnungen zwischen Schnell- und Langsamverkehr sind ausgeschlossen. Viertens kann die Autobahn als Erschliessung eines Privatgrundstücks ausgeschlossen werden, was bei einer Kantonsstrasse nicht der Fall ist[30]. Diese vier Eigenschaften erfüllt der fragliche Abschnitt der Autobahn. Die Vorinstanz ging somit zutreffend davon aus, der Abschnitt sei nicht mit einer Strecke ausserorts zu vergleichen.

ccc) Die Besonderheit des zu beurteilenden Strassenverlaufs liegt in der Spurverengung kombiniert mit der Autobahneinfahrt. Der Zubringer ist mit einem "kein Vortritt"-Signal belegt; die sich bereits auf der Autobahn befindlichen Fahrzeuge sind demnach vortrittsberechtigt.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts in Administrativsachen nimmt an, im Einzugsbereich eines Autobahnzubringers sei von einer erhöhten Gefahr auszugehen, weil die Kurvenführung die Sicht nach vorne beeinträchtige[31]. Diese primär auf die Sichtverhältnisse abstellende Praxis ist analog auf die vorliegende Situation anzuwenden. Die leichte Linkskurve der vom Berufungsbeklagten befahrenen Fahrbahn schränkt die Sicht kaum ein. Der Einmündungsbereich ist grosszügig ausgestaltet. Während einer längeren Strecke sind beide Spuren zunächst durch eine schraffierte Fläche getrennt. Auf der linken Seite der Spur ist ebenfalls eine schraffierte Fläche vorhanden. Zwar ist eine Gefahr durch zu schnell vorfahrende Fahrzeuge auf der Einspurstrecke nicht von der Hand zu weisen; es käme dann zu einer Situation, die vergleichbar ist mit einem Überholmanöver. Allerdings ist der Berufungsbeklagte auf der von ihm befahrenen Fahrspur vortrittsberechtigt, weshalb er nicht mit einer derartigen Situation zu rechnen hat. Ausserdem kann aufgrund der baulichen Anlage des Strassenabschnitts nicht von einer gesteigerten, mit einer Autostrasse vergleichbaren Gefahrenlage ausgegangen werden. Die grosszügige Anlage gibt Brems- und Ausweichmanövern Raum, was bereits die grundsätzliche Problematik eines zu schnellen Vorfahrens relativiert. Im Unterschied zu einer Autostrasse ist sodann nicht mit Gegenverkehr und Bremsmanövern wegen höhengleicher Kreuzungen zu rechnen. Somit bleibt es bei der Feststellung, der Strassenabschnitt der Autobahn weise im hier fraglichen Abschnitt die typische Gefahrenlage einer Autobahn auf.

cc) Demnach kommen die für Autobahnen geltenden Grenzwerte zur Anwendung; die vom Berufungsbeklagten begangene Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge) stellt in objektiver Hinsicht eine einfache Verletzung der Verkehrsregeln im Sinn von Art. 90 Abs. 1 SVG dar. Die vorinstanzliche Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

d) aa) Selbst wenn der objektive Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG bejaht würde, bliebe es bei einem Freispruch vom Vorwurf der groben Verkehrsregelverletzung, weil der subjektive Tatbestand fehlt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Berufungsbeklagten ausdrücklich Unachtsamkeit vor. Eine vorsätzliche Begehung steht nicht zur Diskussion. Der subjektive Tatbestand in der Variante von Fahrlässigkeit setzt indessen – wie dargelegt – ein rücksichtsloses Verhalten voraus.

bb) Der Berufungsbeklagte sagte anlässlich der Hauptverhandlung aus, er fahre schon seit vielen Jahren Auto. Diese Strecke fahre er oft und er sei sich gewohnt, mit Tempomat zu fahren. Dieser sei sehr modern. Wäre etwas im Weg gewesen, hätte der Tempomat reagiert. An diesem Morgen habe er vergessen, den Tempomaten rauszunehmen. Es habe überhaupt keine anderen Autos gehabt. Weil er den Tempomaten nicht "rausgenommen" habe, sei er bei der Radarfalle "reingelaufen".

cc) Unter Berücksichtigung der bereits dargelegten örtlichen Gegebenheiten kann dem Berufungsbeklagten kein rücksichtsloses Verhalten vorgeworfen werden. Dieser fuhr um ca. 05.57 Uhr zunächst korrekt auf einem Autobahnabschnitt. Er vergass in der Folge, den Tempomaten auszuschalten und behielt die Geschwindigkeit bei. Zwar hätte der Berufungsbeklagte aufgrund seiner Streckenkenntnis erkennen müssen, dass er zu schnell fuhr. Da er aber zu früher Stunde, allein, bei trockener Witterung und auf einer gut ausgebauten Autobahnstrecke unterwegs war, kann sein Verhalten nicht als rücksichtslos qualifiziert werden.

4. Im Ergebnis hat die Vorinstanz den Berufungsbeklagten zu Recht der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinn von Art. 90 Abs. 1 SVG schuldig gesprochen.

Obergericht, 1. Abteilung, 11. November 2020, SBR.2020.44


[1] Verkehrsregelnverordnung, SR 741.11

[2] BGE 142 IV 96; BGE 131 IV 136

[3] Fiolka, Basler Kommentar, Basel 2014, Art. 90 SVG N. 51; Jürg Boll, Grobe Verkehrsregelverletzung, Davos 1999, S. 31 (bezogen auf grobe Verkehrsregelverletzungen auf Autobahnen)

[4] "Afin d’assurer l’égalité de traitement"; BGE vom 20. September 2018, 6B_672/2018, Erw. 1.1; BGE vom 3. April 2017, 6B_444/2016, Erw. 1.1

[5] BGE 132 II 237 f.; BGE vom 26. Oktober 2017, 6B_774/2017, Erw. 5.1

[6] Verkehrszulassungsverordnung, SR 741.51

[7] AS 2007 S. 2185

[8] BGE vom 25. August 2004, 6S.99/2004, Erw. 2.3

[9] Fiolka, Art. 90 SVG N. 67

[10] Fiolka, Art. 90 SVG N. 52 f.

[11] "Circonstances exceptionnelles"; BGE 143 IV 512 f.

[12] BGE vom 13. Juni 2008, 6B_109/2008, Erw. 3.2

[13] BGE vom 23. Oktober 2009, 6B_622/2009, Erw. 3.5

[14] Vgl. insbesondere BGE vom 23. Oktober 2009, 6B_622/2009, Erw. 3.5

[15] BGE vom 20. September 2018, 6B_672/2018, Erw. 1.1; BGE vom 6. Oktober 2020, 6B_630/2020, Erw. 3.2

[16] BGE vom 3. April 2017, 6B_444/2016

[17] "Dans certaines situations"

[18] BGE vom 3. April 2017, 6B_444/2016, Erw. 1.3.1: "Dans certaines situations, un tronçon auto-routier régi par une limite de vitesse inférieur à 120 km/h, plus particulièrement en cas de limitation à 80 km/h, est comparable, eu égard au danger potentiel, à une route située en dehors d’un localité et non à une autoroute."

[19] BGE 131 IV 136

[20] BGE 142 IV 96

[21] Vgl. Fiolka, Art. 90 SVG N. 96, der von einer "Umgehung" des Schematismus spricht.

[22] BGE vom 13. Juni 2008, 6B_109/2008, Erw. 3.1; seither ständige Praxis: vgl. zum Beispiel BGE vom 20. November 2009, 6B_563/2009, Erw. 1.4.2; BGE vom 26. Oktober 2017, 6B_774/2017, Erw. 5.2; BGE vom 6. Oktober 2020, 6B_630/2020, Erw. 3.2

[23] BGE vom 13. Juni 2008, 6B_109/2008, Erw. 3.2; BGE vom 23. Oktober 2009, 6B_622/2009, Erw. 3.5; BGE vom 20. September 2018, 6B_672/2018, Erw. 1.1; BGE vom 6. Oktober 2020, 6B_630/2020, Erw. 3.2

[24] "Circonstances exceptionnelles"

[25] BGE 143 IV 512 f.

[26] BGE 129 I 6: "Das Differenzierungsgebot verlangt, dass Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird."

[27] BGE vom 3. April 2017, 6B_444/2016

[28] BGE vom 3. April 2017, 6B_444/2016, Erw. 1.3.1

[29] Gemäss Information des Bundesamts für Strassen (ASTRA)

[30] Soll ein Grundstück von einer Kantonsstrasse her erschlossen werden, ist nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über Strassen und Wege (RB 725.1) vorgängig eine Genehmigung des Kantons einzuholen.

[31] BGE 128 II 132

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