Skip to main content

RBOG 2022 Nr. 26

Zulässigkeit der Ergänzung eines Kollokationsplans nach Art. 57 KOV um eine versehentlich nicht genannte zweite Gläubigerin einer kollozierten Forderung


Art. 57 KOV Art. 67 Abs. 3 KOV Art. 17 Abs. 1 SchKG Art. 260 Abs. 1 SchKG


  1. Die Beschwerdeführerin wurde im Kollokationsplan nachträglich im Sinn von Art. 57 KOV handschriftlich als zweite Gläubigerin für eine gemeinsame Forderung neben dem Beschwerdeführer ergänzt. Das Konkursamt trat der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdeführer und weiteren Gläubigern die Verantwortlichkeitsansprüche (nach Art. 752 ff. OR) gestützt auf Art. 260 Abs. 1 SchKG ab. Die Beschwerdeführer erhoben gegen den Ermächtigungsentscheid Beschwerde, wobei die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin strittig ist.

  2. Zur Beschwerde nach Art. 17 f. SchKG ist legitimiert, wer ein schutzwürdiges, praktisches und im Entscheidzeitpunkt aktuelles Interesse am Ausgang des Verfahrens aufweist. Dieses Interesse ist nicht (mehr) gegeben, wenn sich die Gutheissung der Beschwerde vollstreckungsrechtlich nicht auswirken würde. Kann nur noch die Rechtswidrigkeit einer fehlerhaften Behördenhandlung festgestellt werden, ist auf die Beschwerde mangels aktuellem und praktischem Interesse nicht einzutreten[1].

  3. a)    Der Kollokationsplan führt nur den Beschwerdeführer als kollozierten Gläubiger auf. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass die Beschwerdeführer ausdrücklich im Namen beider Ehepartner ihre Forderung anmelden liessen. Dem Konkursamt unterlief in der Folge ein Erfassungsfehler. Die Sachbearbeiterin ergänzte den Kollokationsplan daraufhin handschriftlich und setzte den Namen der Beschwerdeführerin neben denjenigen des Beschwerdeführers. Bei dieser Ausgangslage ist die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin fraglich. Das Beschwerdeverfahren würde sich nur auf ihre Rechtsstellung auswirken, wenn sie als kollozierte Gläubigerin zu betrachten wäre. Die Verfahrensbeteiligten ‑ die anderen Gläubiger ‑ bestreiten ihre Beschwerdelegitimation ausdrücklich. Beim Beschwerdeführer ist die Legitimation hingegen offenkundig und unbestritten.

    b)    Der Kollokationsplan bildet die Grundlage des Konkursverfahrens. Er enthält die erwahrten Forderungen und die Rangordnung der Gläubiger[2]. Der Kollokationsplan wird beim Konkursamt zur Einsicht aufgelegt[3] und die Auflegung muss in den gleichen Blättern publiziert werden wie die Konkurseröffnung[4]. Nach Art. 65 Abs. 1 KOV darf die Konkursverwaltung die im Kollokationsplan getroffenen Entscheidungen nur solange abändern, als nicht eine Klage gegen die Masse oder einen anderen Gläubiger angehoben wurde. Die Änderung ist neu zu publizieren[5]. Von der Änderung des Kollokationsplans abzugrenzen ist dessen Abänderung, Erläuterung und Vervollständigung im Sinn von Art. 57 KOV. Dem Konkursamt wird durch diese Bestimmung die Gelegenheit eingeräumt, untergeordnete Mängel des Kollokationsplans zu bereinigen. Insbesondere Verfahrensmängel können durch eine Abänderung im Sinn von Art. 57 KOV korrigiert werden[6]. Eine erneute Auflage ist nicht erforderlich. Die Änderung darf handschriftlich und beglaubigt als Randbemerkung des Kollokationsplans erfolgen[7].

    c)    Die Ergänzung des Kollokationsplans wurde unstrittig nicht erneut publiziert. Die Form der Änderung lässt darauf schliessen, dass das Konkursamt von einer Abänderung im Sinn von Art. 57 KOV ausging. Auch die Beschwerdeführer machen geltend, es handle sich um keine materiellrechtliche Änderung. Tatsächlich veränderte sich der Aussagegehalt des Kollokationsplans durch die Aufnahme der Beschwerdeführerin nicht massgeblich; insbesondere blieb das Quantum der kollozierten Forderungen gleich. Die Tragweite der handschriftlichen Ergänzung spricht dafür, von einer Abänderung im Sinn von Art. 57 KOV auszugehen. Die Beschwerdeführerin ist folglich als kollozierte Gläubigerin zu betrachten.

    d)    aa)    Selbst, wenn ‑ mit den Verfahrensbeteiligten ‑ eine Änderung im Sinn von Art. 67 KOV anzunehmen wäre, würde dies am Ergebnis nichts ändern. Weder der ursprüngliche Kollokationsplan noch der handschriftlich ergänzte Kollokationsplan wurde angefochten. Sämtliche Gläubiger erhielten spätestens mit der Anzeige der Abtretung Kenntnis von der Kollokation der Beschwerdeführerin. Keiner der Gläubiger hat dies jedoch angefochten. Bei dieser Ausgangslage könnte die Beschwerdeführerin nur dann als nicht kollozierte Gläubigerin gelten, wenn die Ergänzung des Kollokationsplans als nichtig zu betrachten wäre.

          bb)    Verstossen Verfügungen gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen worden sind, so sind sie nichtig. Unabhängig davon, ob Beschwerde geführt worden ist, stellen die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen die Nichtigkeit einer Verfügung fest[8]. Die Nichtigkeit, das heisst die absolute Unwirksamkeit einer Verfügung, ist nur ausnahmsweise anzunehmen. Materiellrechtliche Mängel führen im Regelfall zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit einer Verfügung[9]. Erweist sich eine Verfügung aus den in Art. 22 Abs. 1 SchKG genannten Gründen als nichtig, ist die Aufsichtsbehörde von Amtes wegen verpflichtet, die Nichtigkeit festzustellen[10].

          cc)    Die erneute Publikation eines geänderten Kollokationsplans schützt die weiteren Gläubiger vor einer unvorhergesehenen Veränderung im Bestand der Gläubigergesamtheit oder der angemeldeten Forderungen. Insofern schützt Art. 67 Abs. 3 KOV die Interessen von Dritten im Sinn von Art. 22 Abs. 1 SchKG. Die Besonderheit der vorliegenden Konstellation liegt darin, dass nicht eine neue Forderung kolloziert wurde. Das Konkursamt ergänzte vielmehr einen bereits bestehenden Forderungseintrag um den Namen der Beschwerdeführerin. Dadurch wurde die Rechtsstellung der übrigen Gläubiger nicht tangiert. Diese hätten sich, wenn sie mit der Forderung der Beschwerdeführer nicht einverstanden gewesen wären, rechtzeitig dagegen zur Wehr setzen müssen. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern öffentliche Interessen durch die nachträgliche Korrektur des Kollokationsplans verletzt worden sein sollten. Demnach wäre nicht von einer Nichtigkeit auszugehen, sollte tatsächlich eine publikationspflichtige Änderung nach Art. 67 Abs. 3 KOV vorliegen.

    e)    Die Beschwerdelegitimation von beiden Beschwerdeführern ist somit zu bejahen und auf die Beschwerde ist folglich einzutreten.

    Obergericht, 1. Abteilung, 7. Juni 2022, BS.2022.5


[1]  BGE 120 III 108 f.; BGE vom 17. April 2018, 5A_555/2017, Erw. 1.2; Maier/Vagnato, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG (Hrsg.: Kren Kostkiewicz/Vock), 4.A., Art. 17 N. 8; Cometta/Möckli, Basler Kommentar, 3.A., Art. 17 SchKG N. 40 ff.

[2]  Vgl. Art. 247 Abs. 1 SchKG

[3]  Art. 249 Abs. 1 SchKG

[4]  Art. 67 Abs. 1 KOV (Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter, SR 281.32)

[5]  Art. 67 Abs. 2 KOV

[6]  Milani/Wohlgemuth, in: Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV). Kommentar (Hrsg.: Milani/Wohlgemuth), Zürich/St. Gallen 2016, Art. 57 N. 7

[7]  Vgl. Milani/Wohlgemuth, Art. 57 KOV N. 23 ff.

[8]  Art. 22 Abs. 1 SchKG

[9]  Cometta/Möckli, Art. 22 SchKG N. 9

[10] Cometta/Möckli, Art. 22 SchKG N. 16


JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.