Skip to main content

RBOG 2023 Nr. 32

Keine definitive Nachlassstundung bei fehlender Aussicht auf das Weiterbestehen des Unternehmens aus eigener Kraft; Novenrecht im Beschwerdeverfahren gegen die Verweigerung der Stundung

Art. 294 Abs. 1 SchKG Art. 295c Abs. 1 SchKG Art. 326 Abs. 1 ZPO Art. 174 SchKG


Zusammenfassung des Sachverhalts:

Über die Beschwerdeführerin wurde auf Antrag von A, ihrem Verwaltungsrat, die provisorische Nachlassstundung bewilligt und ein Sachwalter eingesetzt. Die provisorische Nachlassstundung wurde mehrfach und zuletzt auf die maximal zulässige Dauer verlängert. Danach eröffnete das Bezirksgericht als unteres Nachlassgericht den Konkurs über die Beschwerdeführerin, da der vorgeschlagene Sanierungsversuch nicht ausreichend glaubhaft gemacht sei, kein Nachlassvertrag zustande gekommen sei und keine ausreichende Aussicht auf Sanierung bestehe. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde und verlangte die Gewährung der definitiven Nachlassstundung.

Aus den Erwägungen:

[…]

2.

2.1.

2.1.1.

Das Nachlassverfahren kann durch ein Gesuch des Schuldners eingeleitet werden[1]. Das Nachlassgericht bewilligt unverzüglich eine provisorische Stundung und trifft von Amtes wegen weitere Massnahmen, die zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens notwendig sind. Die provisorische Stundung kann vom Nachlassgericht auf Antrag verlängert werden[2]. Die Dauer der provisorischen Stundung darf vier Monate nicht überschreiten. Auf Antrag des Sachwalters oder, wenn kein solcher eingesetzt wurde, des Schuldners kann die provisorische Stundung in begründeten Fällen um höchstens vier Monate verlängert werden[3]. Besteht offensichtlich keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrags, so eröffnet das Nachlassgericht (ohne Gewährung einer provisorischen Stundung) von Amtes wegen den Konkurs[4]. Zur näheren Prüfung der Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrags setzt das Nachlassgericht einen oder mehrere provisorische Sachwalter ein[5]. Dem Sachwalter stehen insbesondere folgende Aufgaben zu: Er entwirft den Nachlassvertrag, sofern dies erforderlich ist, er überwacht die Handlungen des Schuldners, er erfüllt die in den Artikeln 298-302 und 304 SchKG bezeichneten Aufgaben, er erstattet auf Anordnung des Nachlassgerichts Zwischenberichte und orientiert die Gläubiger über den Verlauf der Stundung[6]. Die provisorische Stundung hat die gleichen Wirkungen wie eine definitive Stundung[7]. In begründeten Fällen kann auf die öffentliche Bekanntmachung bis zur Beendigung der provisorischen Stundung verzichtet werden, sofern der Schutz Dritter gewährleistet ist und ein entsprechender Antrag vorliegt. In einem solchen Fall unterbleibt die Mitteilung an die Ämter, kann gegen den Schuldner eine Betreibung eingeleitet, aber nicht fortgesetzt werden, tritt die Rechtsfolge von Art. 297 Abs. 4 SchKG nur und erst dann ein, wenn die provisorische Stundung dem Zessionar mitgeteilt wird, ist ein provisorischer Sachwalter einzusetzen[8]. Die Bewilligung der provisorischen Stundung und die Einsetzung des provisorischen Sachwalters sind nicht anfechtbar[9].

2.1.2.

Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrags besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate; es entscheidet von Amtes wegen vor Ablauf der provisorischen Stundung[10]. Der Schuldner und gegebenenfalls der antragstellende Gläubiger sind vorgängig zu einer Verhandlung vorzuladen. Der provisorische Sachwalter erstattet mündlich oder schriftlich Bericht. Das Gericht kann weitere Gläubiger anhören[11]. Besteht keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrags, so eröffnet das Gericht von Amtes wegen den Konkurs[12].

2.2.

Der Schuldner und die Gläubiger können den Entscheid des Nachlassgerichts mit Beschwerde nach der ZPO[13] anfechten[14].

2.2.1.

Die Beschwerde hat von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung[15]. Allerdings kann die Beschwerdeinstanz nach allgemeiner Regel die Vollstreckung des angefochtenen Entscheids aufschieben[16]. Diese Möglichkeit ist im Beschwerdeverfahren wiederum in der Weise von Gesetzes wegen eingeschränkt, als der Beschwerde gegen die Bewilligung der (definitiven) Nachlassstundung keine aufschiebende Wirkung erteilt werden kann[17]. Dieser Fall liegt hier allerdings nicht vor.

Hebt die Beschwerdeinstanz die Bewilligung der definitiven Nachlassstundung durch das Nachlassgericht auf und eröffnet sie den Konkurs gemäss Art. 294 Abs. 3 SchKG, so ist der Zeitpunkt der Konkurseröffnung "ex nunc" auf den Entscheid der Beschwerdeinstanz zu verlegen, das heisst nicht auf den Zeitpunkt des Entscheids des Nachlassgerichts, da eine rückwirkende Konkurseröffnung nicht praktikabel wäre[18]. Dies gilt ebenso, wenn das Nachlassgericht zwar wie hier den Konkurs eröffnete, die Beschwerdeinstanz der Beschwerde jedoch die aufschiebende Wirkung gewährte, und sie alsdann entscheidet, der Konkurs werde eröffnet, oder wenn, wie hier, die Verfahrensleitung die aufschiebende Wirkung nachträglich wieder entzog, ihrerseits den Konkurs neu eröffnete, und die Beschwerdeinstanz die Beschwerde abweist.

2.2.2.

Beschwerdegegenstand ist der Entscheid des Nachlassgerichts. Damit sind zunächst sämtliche Anordnungen im Entscheid über die definitive Stundung gemeint, namentlich die Abweisung oder die Bewilligung der definitiven Nachlassstundung, die Person des Sachwalters und die Dauer der definitiven Nachlassstundung[19]. Wird infolge der Nichtbewilligung der definitiven Stundung der Konkurs eröffnet[20], sind sowohl die Verweigerung der Stundung wie auch die Konkurseröffnung anzufechten, wenn im Entscheid des Nachlassgerichts gleichzeitig beides verfügt wurde[21]. In seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die Voraussetzungen zur Bewilligung der definitiven Stundung gemäss Art. 294 SchKG erfüllt sind[22]. Dies entspricht der Begründungspflicht beziehungsweise -last gemäss Art. 321 Abs. 1 ZPO.

Gemäss BGE 147 III 176 gelten bei der Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO grundsätzlich die gleichen Begründungsanforderungen wie bei der Berufung nach Art. 308 ff. ZPO: Nach der Rechtsprechung zur Berufung[23] zeichnet sich das zweitinstanzliche Verfahren dadurch aus, dass bereits eine richterliche Beurteilung des Streits vorliegt. Wer den erstinstanzlichen Entscheid mit Berufung anficht, hat deshalb anhand der erstinstanzlich festgestellten Tatsachen oder der daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse aufzuzeigen, inwiefern sich die Überlegungen der ersten Instanz nicht aufrechterhalten lassen. Die Berufungsinstanz ist nicht gehalten, den erstinstanzlichen Entscheid losgelöst von konkreten Anhaltspunkten in der Berufungsbegründung von sich aus in jede Richtung hin auf mögliche Mängel zu untersuchen, die eine Gutheissung des Rechtsmittels ermöglichen könnten. Abgesehen von offensichtlichen Mängeln beschränkt sie sich vielmehr darauf, die Beanstandungen zu beurteilen, welche die Parteien in ihren schriftlichen Begründungen[24] gegen das erstinstanzliche Urteil erheben. Inhaltlich ist die Rechtsmittelinstanz dabei weder an die Argumente, welche die Parteien zur Begründung ihrer Beanstandungen vorbringen, noch an die Erwägungen der ersten Instanz gebunden; sie wendet das Recht von Amtes wegen an[25] und verfügt über freie Kognition in Tatfragen, weshalb sie die Berufung auch mit einer anderen Argumentation gutheissen oder diese auch mit einer von der Argumentation der ersten Instanz abweichenden Begründung abweisen kann. Die vorgebrachten Beanstandungen geben zwar das Prüfprogramm vor, binden die Rechtsmittelinstanz aber nicht an die Argumente, mit denen diese begründet werden. Die beschriebenen Anforderungen an die Begründung des Rechtsmittels gelten auch für die Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO[26]. Gemäss BGE 142 III 413, worauf das Bundesgericht im soeben zitierten BGE 147 III 176 verweist, heisst dies, dass die Berufungs- beziehungsweise hier die Beschwerdeinstanz nicht gehalten ist, von sich aus wie eine erstinstanzliche Gerichtsbehörde alle sich stellenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn die Parteien diese in oberer Instanz nicht mehr vortragen. Sie hat sich – abgesehen von offensichtlichen Mängeln – grundsätzlich auf die Beurteilung der in der schriftlichen Begründung[27] gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Beanstandungen zu beschränken, das heisst den erstinstanzlichen Entscheid aufgrund von erhobenen Beanstandungen zu überprüfen. Die Beanstandungen am angefochtenen Entscheid haben die Parteien innert der Berufungs- beziehungsweise Berufungs­antwortfrist respektive Beschwerde- beziehungsweise Beschwerdeantwortfrist grundsätzlich vollständig vorzutragen[28].

Allerdings ergibt sich bei der Beschwerde im Vergleich zur Berufung insofern eine wesentliche Einschränkung, als mit der Beschwerde nur die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden kann[29], während mit der Berufung die unrichtige Feststellung des Sachverhalts gerügt werden kann[30]. Mit Bezug auf das Vorbringen unrichtiger Rechtsanwendung dagegen ist die Prüfungsbefugnis der Rechtsmittelinstanz im Beschwerde- und Berufungsverfahren dieselbe[31]. Die in tatsächlicher Hinsicht auf Willkür eingeschränkte Kognition ist hier relevant, da die Beschwerdeführerin über weite Strecken die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen bemängelt. Willkür liegt vor, wenn der festgestellte Sachverhalt qualifiziert falsch, das heisst schlechthin unhaltbar beziehungsweise offensichtlich unrichtig ist. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Gericht eine Feststellung aufgrund einer willkürlichen Beweiswürdigung trifft oder eine beweisbedürftige Tatsache als bewiesen annimmt, obwohl die Akten darüber keinen Aufschluss geben. Die offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung muss für den Verfahrensausgang kausal sein[32].

2.2.3.

Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren nach Art. 326 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Besondere Bestimmungen des Gesetzes bleiben vorbehalten[33]. Mangels abweichender gesetzlicher Regelung in Art. 293 ff. SchKG ist Art. 326 Abs. 1 ZPO auf das Nachlassverfahren und damit auch auf das Rechtsmittelverfahren gegen die Abweisung der provisorischen wie auch definitiven Nachlassstundung anwendbar, weshalb in der Beschwerde gegen den Entscheid des Nachlassgerichts keine Noven vorgebracht werden dürfen[34].

Soweit die Beschwerde gegen die Konkurseröffnung von Amtes wegen im Sinn von Art. 294 Abs. 3 SchKG geführt wird, richtet sich das Beschwerdeverfahren allerdings nach Art. 174 SchKG[35]. Demnach können die Parteien neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind (unechte Noven)[36]. Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht[37]. Der Schuldner hat die Zahlungsfähigkeit mit der Beschwerde glaubhaft zu machen, zumal sich gemäss der bundesgerichtlichen Praxis die Konkurshinderungsgründe (echte Noven) innert der Rechtsmittelfrist verwirklicht haben und geltend gemacht werden müssen[38].

Im Fall hier sind folglich unechte Noven betreffend die Zahlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin bis zur Spruchreife und echte Noven bis und mit Beschwerdeergänzung zu berücksichtigen. Die mit Eingabe nach der Beschwerdeergänzung vorgebrachten echten Noven sind demgegenüber verspätet geltend gemacht worden und nicht zu hören. Das gilt namentlich für das neue Vorbringen, die Überschuldung sei nunmehr beseitigt.

[…]

5.

Im Rahmen der am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Änderung des SchKG[39] wurde das gerichtliche Nachlassverfahren neu geordnet. Unter anderem wurde der Zugang zur Nachlassstundung und zum Nachlassvertrag in verschiedener Weise erleichtert. Insbesondere ist nach Einleitung des Nachlassverfahrens zunächst immer eine provisorische und sodann erst eine definitive Nachlassstundung zu prüfen.

5.1.

Die provisorische Stundung ist einzig zu verweigern und der Konkurs zu eröffnen, wenn "offensichtlich keine Aussicht" auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrags besteht[40]. An die Bewilligung der provisorischen Stundung sind somit keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie ist zu bewilligen, sofern nicht von Beginn an klar erkennbar ist, dass keine Aussichten auf eine Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrags bestehen. Nur in aussichtslosen beziehungsweise hoffnungslosen Fällen soll das Nachlassgericht keine provisorische Stundung bewilligen, wobei zur Beurteilung ein Ermessen besteht[41].

5.2.

5.2.1.

Im Gegensatz dazu ist für die definitive Stundung "Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrags" erforderlich[42], das heisst, ein Gelingen der Sanierung ist zu erwarten, oder ein Nachlassvertrag hat realistische Chancen. Bezüglich der Erreichung beider (alternativer) Stundungsziele genügt im Zeitpunkt des Entscheids das Vorhandensein der "Aussicht". Diese ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln[43]. Das Ziel, den Schuldner im Rahmen der Nachlassstundung zu sanieren, steht seit der Revision klar im Vordergrund. In dieser Zielsetzung konkurriert das SchKG mit dem im Gesellschaftsrecht geregelten Konkursaufschub, der ebenfalls nur angeordnet werden darf, wenn "Aussicht auf Sanierung" besteht[44]. Indessen ist die Ausgangslage beim Konkursaufschub eine andere, da sich die AG jeweils in einem überschuldeten Zustand befindet. Die anzustrebende Sanierung ist dort lediglich auf die Beseitigung der Überschuldung ausgerichtet. Das SchKG äussert sich demgegenüber nicht zur Ursache, die der Krise zugrunde liegt und setzt dementsprechend für die Bewilligung der Nachlassstundung auch nicht eine Überschuldung voraus. Diese kann, muss aber nicht gegeben sein. Selbst Liquiditätsprobleme müssen noch nicht derartig drängend sein, dass in Kürze Zahlungsprobleme bestehen oder unmittelbar bevorstehen. Immerhin muss ein Sanierungsbedarf gegeben sein, der sich aus betrieblichen Gründen ergeben kann, wenn die Fortführung des Unternehmens gefährdet und die Nachlassstundung geeignet ist, die Gefährdung zu beseitigen[45].

5.2.2.

Für die Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung genügte der negative Schluss, dass die Nichterreichung des Stundungsziels nicht offensichtlich war[46]. Demgegenüber sind nunmehr die zugrunde gelegten Prognosen (Aussicht auf Sanierung, Aussicht auf Abschluss eines Nachlassvertrags) auf der Grundlage der während des Provisoriums getroffenen Abklärungen einzeln zu erhärten und zu konkretisieren. Die Anforderungen an die Bewilligung der definitiven Nachlassstundung sind demnach deutlich höher. Die dem Nachlassgericht zu erbringenden Nachweise beziehen sich in tatsächlicher Hinsicht auf den Zustand des Schuldners und in zukunftsbezogener Hinsicht auf die Art der Sanierung, auf die hierzu ins Auge gefassten Sanierungsmassnahmen (Sanierungsplan), die Darstellung ihrer Realisierungschance sowie auf die Erforderlichkeit der Stundung zum Zweck der Umsetzung der Sanierungsmassnahmen[47].

5.2.3.

Für die definitive Nachlassstundung ist entscheidend, dass die Aussichten auf Sanierung realistisch sind. Bei der Sanierung sind grundsätzlich alle Gläubiger voll zu befriedigen, soweit nicht individuelle Lösungen getroffen werden können. Neben dem Zuschuss neuer Mittel kommen auch betriebswirtschaftliche Massnahmen wie der Verkauf einzelner Unternehmensbestandteile in Frage[48]. Dementsprechend hat der Schuldner die Aussicht auf Sanierung darzulegen, indem er die Ergebnisse seiner Vorabklärungen, die in Aussicht genommenen Sanierungsmassnahmen (zum Beispiel durch Zuschuss neuer finanzieller Mittel, Forderungsverzichte sowie organisatorische und personelle Massnahmen), deren Wirkungsweise und Zeitdauer sowie deren Erfolgswahrscheinlichkeit beschreibt. Seine Darlegungen müssen dem Gericht eine positive Prognose ermöglichen[49]. Dafür ist der anlässlich des Stundungsgesuchs eingereichte provisorische Sanierungsplan zusammen mit einem bereinigten Liquiditätsplan anzupassen, zu konkretisieren und zu erläutern. Dabei ist auch darzulegen, wie der Schuldner während der definitiven Nachlassstundung den fortlaufenden Betrieb des Unternehmens finanziert, ohne dabei die Gläubiger schlechter zu stellen[50].

5.2.4.

Keine realistische Chance auf Sanierung liegt vor, wenn der Schuldner keine operative Tätigkeit oder Erträge nachweisen und dementsprechend seine laufenden Kosten nicht decken kann. Genauso wenig reichen die Begleichung einzelner Schulden oder die blosse Aussicht auf einen Verzicht des antragstellenden Gläubigers auf dessen Forderung aus, um eine realistische Chance auf Sanierung darzulegen. Dies gilt umso mehr, als der Schuldner weder einen Sanierungsplan noch aktuelle Bilanzen erstellt hat. Eine Konkurseröffnung kann auch auf Antrag des Sachwalters hin angeordnet werden, wenn der Schuldner sich den Weisungen des Sachwalters widersetzt und es dem Sachwalter aufgrund mangelnder Kooperation des Schuldners verunmöglicht wird, eine Aussicht auf Sanierung oder Abschluss eines Nachlassvertrags zu evaluieren[51].

5.2.5.

Die Nachlassstundung soll den Schuldner vor dem Angriff der Gläubiger schützen, damit er in Ruhe unter Aufsicht des Sachwalters die notwendigen Schritte zur Sanierung oder Ausarbeitung eines Nachlassvertrags unternehmen kann. Der Schuldner kann (anders als im Konkurs) während der Stundung seine Geschäftstätigkeit grundsätzlich weiterführen und ist im Rahmen der erlaubten Tätigkeit beziehungsweise gestützt auf die richterliche Ermächtigung befugt[52], über sein Vermögen zu verfügen[53].

[…]

7.

7.1.

Da die Einwände der Beschwerdeführerin am angefochtenen Entscheid unberechtigt sind, kann sie den Konkurs im Beschwerdeverfahren nur noch abwenden, wenn sie gestützt auf das vorinstanzliche Tatsachenmaterial eine Aussicht auf Sanierung oder gestützt auf die neuen Tatsachenbehauptungen und Beweise in der Beschwerde(ergänzung) ihre Zahlungsfähigkeit glaubhaft machen könnte.

7.2.

Im Vordergrund steht eine allfällige Aussicht auf Sanierung. Ein Nachlassvertrag kam während der maximal möglichen Dauer der provisorischen Nachlassstundung von acht Monaten nicht zustande und wird von A auch nicht angestrebt, wie er anlässlich der Verhandlung vor Vorinstanz selbst erklärte. Die Aussicht auf Sanierung hängt vom Sanierungsbedarf ab, und dieser wiederum vom Ausmass der Überschuldung und der Liquiditätsprobleme. Sowohl die Überschuldung als auch die Liquiditätsprobleme sind enorm, und damit ist auch der Sanierungsbedarf immens. Die Beschwerdeführerin hätte nur dann noch eine realistische Chance auf eine (nachhaltige) Sanierung, wenn sie nebst weiterem Kapital von A eine namhafte operative Tätigkeit ausüben könnte. Sie müsste dadurch Erträge und mithin Liquidität generieren können, welche nicht nur die laufenden Kosten (unter anderem die Löhne und Sozialversicherungsabgaben) deckt, sondern mit welcher auch die Schulden bezahlt werden könnten. Es müsste mit anderen Worten ernsthaft davon ausgegangen werden können, die Beschwerdeführerin könne aus eigenen Kräften weiter existieren. Eine solche Annahme kann gestützt auf die im Recht liegenden Tatsachen und Beweismittel jedoch nicht getroffen werden.

[…]

Obergericht, 2. Abteilung, 15. Februar 2023, BR.2022.44


[1]    Art. 293 lit. a SchKG

[2]    Art. 293a Abs. 1 SchKG

[3]    Art. 293a Abs. 2 SchKG

[4]    Art. 293a Abs. 3 SchKG

[5]    Art. 293b Abs. 1 Satz 1 SchKG

[6]    Art. 293b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 295 Abs. 2 lit. a-d SchKG

[7]    Art. 293c Abs. 1 SchKG

[8]    Art. 293c Abs. 2 lit. a-d SchKG

[9]    Art. 293d SchKG

[10]  Art. 294 Abs. 1 SchKG

[11]  Art. 294 Abs. 2 SchKG

[12]  Art. 294 Abs. 3 SchKG

[13]  Gemeint sind offensichtlich die Art. 319 ff. ZPO.

[14]  Art. 295c Abs. 1 SchKG

[15]  Art. 325 Abs. 1 ZPO

[16]  Art. 325 Abs. 2 ZPO; Bauer/Luginbühl, Basler Kommentar, 3.A., Art. 295c SchKG N. 8

[17]  Art. 295c Abs. 2 SchKG

[18]  Bauer/Luginbühl, Art. 295c SchKG N. 12a

[19]  Bauer/Luginbühl, Art. 295c SchKG N. 4

[20]  Art. 294 Abs. 3 SchKG

[21]  Bauer/Luginbühl, Art. 295c SchKG N. 5a

[22]  Hunkeler, in: Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Kurzkommentar (Hrsg.: Hunkeler), 2.A., Art. 295c N. 14

[23]  Art. 311 ff. ZPO

[24]  Art. 311 Abs. 1 und Art. 312 Abs. 1 ZPO

[25]  Art. 57 ZPO

[26]  BGE 147 III 179

[27]  Mit Verweis auf Art. 311 Abs. 1 und Art. 312 Abs. 1 ZPO

[28]  BGE 142 III 417

[29]  Art. 320 lit. b ZPO

[30]  Art. 310 lit. b ZPO

[31]  Art. 320 lit. a und Art. 310 lit. a ZPO; BGE 147 III 180

[32]  Spühler, Basler Kommentar, 3.A., Art. 320 ZPO N. 3

[33]  Art. 326 Abs. 2 ZPO

[34]  Bauer/Luginbühl, Art. 293d SchKG N. 5a

[35]  Bauer/Luginbühl, Art. 295c SchKG N. 6a

[36]  Art. 174 Abs. 1 Satz 2 SchKG

[37]  Art. 174 Abs. 2 Satzteil 1 SchKG

[38]  BGE 139 III 491 ff.; BGE 136 III 294 f.; BGE vom 29. September 2021, 5A_108/2021, Erw. 3

[39] AS 2013 4111

[40] Art. 293a Abs. 3 SchKG

[41] BGE 147 III 229 f.

[42] Art. 294 Abs. 1 SchKG

[43] Bauer/Luginbühl, Art. 294 SchKG N. 3

[44] Art. 725a Abs. 1 OR

[45] Bauer/Luginbühl, Art. 294 SchKG N. 4

[46] Art. 293a Abs. 3 SchKG

[47] Bauer/Luginbühl, Art. 294 SchKG N. 5

[48] BGE vom 11. November 2016, 5A_495/2016, Erw. 3.1

[49] Bauer/Luginbühl, Art. 294 SchKG N. 8

[50] Bauer/Luginbühl, Art. 294 SchKG N. 9

[51] Bauer/Luginbühl, Art. 294 SchKG N. 16a

[52] Art. 298 Abs. 1 und 2 SchKG

[53] BGE 147 III 234


JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.