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RBOG 2024 Nr. 05

Analoge Anwendung der Bestimmungen des Erwachsenenschutzes auf die Ablehnung des vorgeschlagenen Beistands im Kindesschutz

Art. 401 Abs. 3 ZGB Art. 401 Abs. 1 ZGB Art. 400 Abs. 1 ZGB Art. 308 Abs. 1 ZGB Art. 308 Abs. 2 ZGB


A.

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdeführerin ist die alleinerziehende Mutter eines 13-jährigen Kindes. Für das Kind besteht seit September 2019 eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB. Seit März 2022 amtete A. von der Berufsbeistandschaft als Beiständin. Von Juli bis Herbst 2023 fiel A. aus gesundheitlichen Gründen aus. Als Ersatzbeiständin amtete B., ebenfalls von der Berufsbeistandschaft. Per Ende März 2024 beendete A. ihr Arbeitsverhältnis bei der Berufsbeistandschaft. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde teilte der Beschwerdeführerin und ihrem Kind mit, es sei vorgesehen, dass B. die neue Beiständin werde. Damit war die Beschwerdeführerin nicht einverstanden. In der Folge ernannte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde B. zur neuen Beiständin. Dagegen wehrte sich die Beschwerdeführerin; zudem beantragte sie sinngemäss die Aufhebung der Beistandschaft.

Aus den Erwägungen:

[…]

4.

4.1.

Es geht um eine Beistandschaft als Massnahme des Kindesschutzes. Diese ist nur fragmentarisch geregelt[1]. Das Gesetz enthält weder eine ausdrückliche Anordnung über das Anforderungsprofil noch über das Ernennungsverfahren einer Beistandsperson für ein Kind. Solche Regeln sieht das Gesetz – insbesondere mit Art. 400 und Art. 401 ZGB – indes für die Beistandsperson eines Erwachsenen vor.

4.2.

Gemäss Art. 400 Abs. 1 ZGB ernennt die Erwachsenenschutzbehörde als Beistand oder Beiständin eine natürliche Person, die für die vorgesehenen Aufgaben persönlich und fachlich geeignet ist, die dafür erforderliche Zeit einsetzen kann und die Aufgabe selbst wahrnimmt. Diese Bestimmung und die daraus abgeleiteten Grundsätze sind ohne Weiteres auf Kindesbeistände anwendbar[2].

Damit eine Massnahme des Kindes- und Erwachsenenschutzes ihren Zweck erreicht, ist nicht nur die Anordnung der richtigen Massnahme durch die Behörde wichtig, sondern in vielen Fällen die Ernennung der richtigen Person als Beistand oder Beiständin[3]. Das Kriterium der Eignung in persönlicher und fachlicher Hinsicht ist als umfassende Eignung im Sinn von Sozial-, Selbst- und Fachkompetenz zu verstehen. Die persönliche Eignung setzt eine ausreichende psychische und physische Belastbarkeit voraus; zur Übernahme einer Beistandschaft ist nicht geeignet, wer dadurch übermässig belastet wird[4]. Zur Sozialkompetenz im Besonderen gehören Empathiefähigkeit, kommunikative Fähigkeiten, Team-, Motivation- und Konfliktfähigkeit, Rollenbewusstsein, Durchsetzungsfähigkeit, aber auch die Fähigkeit, zum verbeiständeten Kind (und den Eltern) ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und ihm mit Respekt sowie Achtung zu begegnen[5]. Die Eignung der Beistandsperson beurteilt sich nach den im konkreten Fall zu erfüllenden Aufgaben[6]. Die Wahl der Beistandsperson hängt damit stark von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb der Behörde bei ihrem Entscheid ein grosses Ermessen zukommt[7].

4.3.

4.3.1.

Schlägt die betroffene Person eine Vertrauensperson als Beistand oder Beiständin vor, so entspricht die Erwachsenenschutzbehörde laut Art. 401 Abs. 1 ZGB ihrem Wunsch, wenn die vorgeschlagene Person für die Beistandschaft geeignet und zu deren Übernahme bereit ist. Nach Art. 401 Abs. 2 ZGB berücksichtigt sie, soweit tunlich, Wünsche der Angehörigen oder anderer nahestehender Personen. Lehnt die betroffene Person eine bestimmte Person als Beistand oder Beiständin ab, entspricht die Erwachsenenschutzbehörde gemäss Art. 401 Abs. 3 ZGB, soweit tunlich, diesem Wunsch.

4.3.2.

Art. 401 Abs. 1 und 3 ZGB statuiert das sogenannte Vorschlags- und Ablehnungsrecht. Das Vorschlagsrecht ist sowohl bei der Ersternennung als auch bei einem Mandatsträgerwechsel einzuholen. Bei einem Beistandswechsel wegen Kündigung oder Pensionierung des bisherigen Berufsbeistands oder bei einem Wechsel des Wohnsitzes der betreuten Person kann die neue Beistandsperson auch im entsprechenden Entscheid ernannt und der betroffenen Person ein Widerspruchsrecht innert bestimmter Frist eingeräumt werden[8]. Lehnt die betroffene Person eine als Beiständin oder Beistand vorgeschlagene Person ab, ohne gleichzeitig einen eigenen Vorschlag zu machen, steht es der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde frei, ihr unter Einräumung einer angemessenen Frist ein neues Vorschlagsrecht zuzugestehen[9].

4.3.3.

Nach der Praxis zu Art. 401 Abs. 3 ZGB gilt was folgt: Werden Ablehnungswünsche zu Beginn des Auswahlverfahrens bekannt gegeben, so hat ihnen die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde bei der Suche nach der geeigneten Beistandsperson Rechnung zu tragen[10]. Das Recht der betroffenen Person, eine Beistandsperson abzulehnen, gilt jedoch nicht absolut. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hat ihm lediglich "soweit tunlich" zu entsprechen. Sie verfügt dabei über ein grosses Ermessen. Deshalb ist sie auf eine minimale Begründung der Ablehnung angewiesen. Damit soll verhindert werden, dass die betroffene Person aus reiner Opposition gegen die Massnahme von ihrem Ablehnungsrecht Gebrauch macht und durch mehrmalige Ablehnung die Massnahme zu vereiteln versucht[11]. Kritisch zu hinterfragen sind insbesondere Ablehnungen von Personen, mit denen die betroffene Person bisher nichts zu tun hatte[12]. Macht die betroffene Person Einwände geltend, muss die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde nach pflichtgemässem Ermessen prüfen, ob die Ablehnung objektiv auf plausiblen Gründen beruht[13]. Weniger streng ist die Beurteilung, wenn die betroffene Person erstmals Einwände gegen die Ernennung einer Person zum Beistand erhebt und die Massnahme als solche nicht anficht[14]. Diese Grundsätze gelten nicht nur bei der erstmaligen Errichtung einer Beistandschaft, sondern auch bei einem Wechsel der Beistandsperson[15]. Ablehnungsberechtigt ist die betroffene Person dann, wenn sie urteilsfähig ist. An die Urteilsfähigkeit sind in diesem Zusammenhang keine hohen Anforderungen zu stellen[16].

4.3.4.

Das Bundesgericht hat sich bis anhin nicht deutlich dazu geäussert, ob Art. 401 ZGB (analog) auch im Kindesschutzrecht Anwendung findet[17]. Dies wird vom überwiegenden Teil des Schrifttums tendenziell befürwortet[18], zumindest wenn die Eltern und das betroffene (urteilsfähige) Kind mit Bezug auf die Beistandsperson gleicher Meinung sind[19]. Art. 401 Abs. 3 ZGB gibt die Befugnis, eine bestimmte Person als Beistand abzulehnen. Grundgedanke ist die Förderung des Selbstbestimmungsrechts. Darüber hinaus trägt die Norm auch dem Umstand Rechnung, dass das für eine erfolgreiche Betreuung wünschenswerte Vertrauensverhältnis eher entsteht und es für das Gelingen einer Massnahme offensichtlich von Vorteil ist, wenn die betroffene Person zumindest nicht eine negative Einstellung gegenüber der Beistandsperson hat[20]. Diese Überlegungen gelten auch im Bereich des Kindesschutzrechts. Wohl geht im Kindesschutzrecht bei der Wahl der Beiständin oder des Beistands das Kriterium der fachlichen Eignung jenem der persönlichen Nähe regelmässig vor[21], was dagegen spricht, dass das urteilsfähige Kind oder die Eltern gestützt auf Art. 401 Abs. 1 ZGB eine Vertrauensperson zur Beistandsperson bestimmen können. Soweit es aber um Art. 401 Abs. 3 ZGB (Ablehnungsrecht) geht und die Anwendung dieser Bestimmung mit Sinn und Zweck des Kindesschutzrechts in Einklang steht, ist ihr Rechnung zu tragen, zumal eine repetitive Ablehnung verschiedener Personen nach dem Gesagten gerade ausgeschlossen ist. Möglich ist einzig die gezielte Ablehnung einer bestimmten Person, mit der das Kind – wenn auch aus seiner subjektiven Warte – schlechte Erfahrungen gemacht hat. Die Berücksichtigung einer solchen gezielten Ablehnung stellt sicher, dass die Beistandsperson nicht von Anfang an auf Opposition stösst und die Beziehung zum Kind auf einer tragfähigen Grundlage beruht. Sie ist mithin dem Kindeswohl und der Akzeptanz einer Massnahme dienlich. Dies gilt zumindest, wenn die Eltern und das urteilsfähige Kind übereinstimmend eine bestimmte Person ablehnen[22].

5.

5.1.

Die Beschwerdeführerin begründete ihre Ablehnung im E-Mail an die Vorinstanz allgemein damit, dass der letzte Kontakt mit B. der Horror gewesen, Vieles hinter ihrem Rücken gelaufen und sie sich über das genaue Problem respektive den Vorwurf nicht im Klaren gewesen sei. Sie erläuterte nicht näher, welche konkreten Situationen oder Gegebenheiten Anlass für ihre Unzufriedenheit gaben.

5.2.

Die Vorinstanz holte daraufhin bei A., B. und der Fachleiterin der Berufsbeistandschaft Stellungnahmen ein.

5.2.1.

B. – die von Juli bis Herbst 2023 als Ersatzbeiständin eingesetzt war – berichtete, dass sie vom Kind und der Schulpsychologin um einen Termin im September 2023 ersucht worden sei. Das Kind habe dort geschildert, dass es wöchentlich geschlagen werde und sich zu Hause nicht verstanden fühle. Daraufhin habe B. die Beschwerdeführerin zu einem Austausch eingeladen. Die Beschwerdeführerin habe erklärt, wie schwierig das Zusammenleben mit dem Kind sei und dass sie sich gut schauen müsse, damit sie nicht wieder wie im Jahr 2019 in eine Überforderung laufe. B. habe die Installation einer familiären Unterstützung vorgeschlagen, was von der Beschwerdeführerin indes abgelehnt worden sei. Bei einem Telefonat habe die Beschwerdeführerin eine Platzierung des Kindes ausserhalb von ihrem Wohnort favorisiert.

5.2.2.

Die bisherige Beiständin, A., gab an, dass die Familie seit Herbst 2023 wieder in ihre Zuständigkeit gefallen sei. Anfang November 2023 habe das Kind mit ihr Kontakt aufgenommen und über Handgreiflichkeiten der Beschwerdeführerin berichtet. A. habe der Beschwerdeführerin daraufhin klar aufgezeigt, dass sie als Mutter ein Teil des Systems sei und ihre Mitarbeit bei der Unterstützung sowie Weiterentwicklung des Kindes notwendig sei. Sie hätten die Möglichkeit eines Jugendcoachings besprochen.

5.2.3.

Die Fachleiterin der Berufsbeistandschaft führte aus, sie sehe aufgrund des Verlaufs keine stichhaltigen Gründe gegen die Einsetzung von B. als Beiständin. Diese sei hierfür geeignet.

5.3.

5.3.1.

Die Beschwerdeführerin konnte keine konkreten Gründe nennen, die gegen die Ernennung der vorgeschlagenen Beiständin sprechen. Auch vor Obergericht beschränkt sie sich auf den pauschalen Vorwurf, es bestehe keinerlei Vertrauensbasis mit der neuen Beiständin, was erhebliche Bedenken hinsichtlich der Fairness und Objektivität des Verfahrens aufwerfe. Aus welchem konkreten Grund das Vertrauensverhältnis gestört sein soll, ergibt sich weder aus der Begründung der Beschwerdeführerin noch aus den Akten. Die Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin zeigt denn auch, dass es ihr weniger um die Person B. geht, die sie ablehnt. Vielmehr zielt ihre Kritik allgemein auf die behördliche Massnahme ab, die ihrer Ansicht nach unverhältnismässig sei und nicht zu ihrem Wohl sowie dem Wohl ihres Kindes beigetragen habe. Sie wehrt sich generell gegen die "Einmischung" der Vorinstanz und sieht sich selbst in der Lage, die Bedürfnisse der Familie angemessen zu befriedigen. Da sich ihr Widerstand in erster Linie gegen die Beistandschaft als Massnahme und nicht gegen B. als Beistandsperson richtet, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auch andere Beistandspersonen ablehnen würde.

5.3.2.

Es bestehen überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beziehung zwischen dem Kind und B. in irgendeiner Weise beeinträchtigt wäre. Im Gegenteil ist den Akten zu entnehmen, dass das Kind (zusammen mit der Schulpsychologin) Ende September 2023 von sich aus auf B. zuging, um von der Situation zu Hause (Schläge, Gefühl des Unverstandenseins) zu berichten. Es folgten weitere Kontakte zwischen dem Kind und B. So war das Kind im Oktober 2023 nochmals bei B., um über eine Platzierung und mögliche Überbrückungslösungen zu sprechen. Das Verhältnis zwischen dem Kind und B. scheint auf einer tragfähigen Grundlage zu beruhen. Dies ist für das Gelingen der Massnahme von Vorteil. Entsprechend hat das heute dreizehnjährige Kind – das hinsichtlich der Frage, welche Person als Beiständin oder Beistand eingesetzt wird, ohne Weiteres als urteilsfähig erscheint – B. auch nicht abgelehnt.

5.3.3.

Weiter fällt ins Gewicht, dass es nach Angabe der Fachleiterin der Berufsbeistandschaft wichtig sei, die von der bisherigen Beiständin angedachten Massnahmen (konkret ein Jugendcoaching) zeitnah umzusetzen, zumal die Beschwerdeführerin diese Unterstützung seit letztem Jahr hinauszögere. Mit der Ablehnung der vorgeschlagenen Beiständin verhindert die Beschwerdeführerin den nahtlosen Übergang der Beistandschaft, was nicht im Interesse des Kindes liegt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Verhältnis der Beschwerdeführerin zu ihrem Kind zumindest als angespannt bezeichnet werden muss. Davon zeugen einerseits die Schilderungen des Kindes über körperliche Gewalt und andererseits Berichte der Beiständin, wonach die Beschwerdeführerin "überhaupt nicht wohlwollend" über ihr Kind spreche, "stark auf alles Negative an und mit ihm" fokussiert sei und "kein positives Wort" über es verliere. Vor diesem Hintergrund kann es nicht angehen, dass die Beschwerdeführerin eine im Kindeswohl liegende Massnahme durch Ablehnung einer Beistandsperson – die soweit ersichtlich einen guten Bezug zum verbeiständeten Kind hat – untergräbt.

5.4.

Im Übrigen behauptete die Beschwerdeführerin zu Recht nicht, dass die persönliche Eignung von B. namentlich hinsichtlich ihrer Sozial-, Selbst- und Fachkompetenz eingeschränkt sei. Auch die Akten lassen einen solchen Schluss nicht zu.

5.5.

Folglich konnte die Beschwerdeführerin keine plausiblen Gründe gegen die Ernennung von B. als Beiständin vorbringen. Vielmehr beruht das Verhältnis zwischen dem Kind sowie B. auf einer tragfähigen Grundlage, und ein nahtloser Übergang der Beistandschaft liegt im Kindeswohl. B. ist zudem persönlich und fachlich geeignet, die vorgesehenen Aufgaben wahrzunehmen. Die Vorinstanz entschied bei dieser Ausgangslage unter Ausübung des ihr zustehenden Ermessens somit korrekt. Es ist nicht zu beanstanden, dass sie B. zur Beiständin ernannte. Demnach ist die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen.

[…]

Obergericht, 3. Abteilung, 7. Mai 2024, KES.2024.18

 

B.

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Für die drei Geschwister, den 17-jährigen M., den 16-jährigen N. und den 13-jährigen O. besteht seit Februar 2023 eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB. Als Beiständin amtete C. von der Berufsbeistandschaft. Per Ende Januar 2024 beendete C. ihr Arbeitsverhältnis bei der Berufsbeistandschaft. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde teilte M., N., O. und deren Eltern mit, es sei vorgesehen, dass D. von der Berufsbeistandschaft die neue Beiständin für die drei Söhne werde. Damit waren M., N., O. und deren Eltern nicht einverstanden. In der Folge ernannte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde D. zur neuen Beiständin. Dagegen wehrten sich M., N., O. und deren Eltern.

Aus den Erwägungen:

[…]

4.

4.1.

Die Vorinstanz ging von der Anwendbarkeit von Art. 401 ZGB aus. Sie wahrte das Vorschlagsrecht der Beschwerdeführer, indem sie diesen sowie deren Eltern je einzeln mitteilte, es sei vorgesehen, D. zur neuen Beiständin der drei Kinder zu ernennen. Die Beschwerdeführer machten vom Vorschlagsrecht in der Folge keinen Gebrauch, erklärten sie doch lediglich und ohne Begründung, es sei eine andere Beiständin zu ernennen.

4.2.

Die Sozialen Dienste reichten im Februar 2019 eine Gefährdungsmeldung ein. Dieser ging ein Bericht von D. vom Januar 2019 voraus, die als Familienbegleitung für die Beschwerdeführer im Einsatz war. Der Bericht von D. umfasst einen Abklärungszeitraum von November 2018 bis Januar 2019 und spricht sich über einen Austausch und Besuche bei der Mutter und beim Vater, mit den Kindern und den Klassenlehrpersonen, der Schulleitung, den Sozialen Diensten und dem Hausarzt aus. Er endet mit der Empfehlung, als Sofortmassnahme sei die Mutter durch die sozialpädagogische Familienbegleitung (SPF) zu unterstützen, zwecks Stabilisierung des Familiensystems. Es sei eine Kindeswohlgefährdung infolge Vernachlässigung gegeben. Die ganze Familie scheine psychologische Unterstützung zu benötigen. Sofern sich die Mutter auf diese Hilfestellungen einlassen könne, sei ein Verbleib der Kinder in der Familie wünschens- und unterstützenswert, da die Eltern ihre Kinder offensichtlich liebten und nur das Beste für sie wollten.

4.3.

Das Ablehnungsrecht gilt nicht absolut. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hat ihm nur "soweit tunlich" zu entsprechen. Dabei verfügt die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde über ein grosses Ermessen. Sie hat die gesamten Umstände zu berücksichtigen und übt ihr Ermessen pflichtgemäss aus. Deshalb ist sie auf eine minimale Begründung der Ablehnung angewiesen. Obwohl die Beschwerdeführer gegenüber der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde nicht weiter begründeten, weshalb sie mit der vorgeschlagenen Beiständin nicht einverstanden sind, führte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde von sich aus Abklärungen durch und tauschte sich telefonisch mit der Fachleiterin Soziale Dienste aus. D. war im Rahmen einer freiwilligen sozialpädagogischen Begleitung der Beschwerdeführer involviert. Der Fachleiterin sind keine Konflikte bekannt. Erstmals in der Beschwerdebegründung findet sich der Hinweis, die Beschwerdeführer verstünden sich nicht gut mit D., und sie bezichtigten sie, vor einigen Jahren im Zusammenhang mit anderen problematischen Situationen in der Familie die Unwahrheit gesagt zu haben. Belege dafür gebe es nicht, auch keinen Streit oder eine Beschwerde. Trotzdem sei sie in der Familie unerwünscht.

4.4.

Die Eltern sind geschieden. Der Vater lebt im selben Haus wie die Mutter und die Kinder, in der Wohnung nebenan. Die Kinder werden durch die Mutter betreut, die jedoch überfordert ist und diese vernachlässigt. Dies geht aus den Akten hervor. So erklärte der Vater anlässlich seiner Anhörung im März 2019, er habe D. bereits gesagt, es müsse etwas unternommen werden. Die Mutter schiebe immer alles auf andere. Sie sei nie an etwas schuld. Gemäss einem Journalausdruck der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vom März 2019 habe eine telefonische Unterredung mit der Berufsbeistandschaft und D. von der Familienbegleitung stattgefunden. Es scheine, dass D. den Draht zur nicht einfachen Mutter gefunden habe.

Aus dem Protokoll der Anhörung der Mutter durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vom November 2019 ergibt sich, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Februar 2019 zuerst mit der Mutter und im März 2019 mit dem Vater sprach. Nachdem die Mutter und die Kinder zuerst durch D. betreut worden seien, würden sie nun durch E. betreut. E. habe ein Vertrauensverhältnis aufbauen können. Aus der Erstbeurteilung des KJPD vom Juli 2019 ergibt sich zudem, dass M. sowie seine beiden Brüder N. und O. von D. an das KJPD zugewiesen wurden. Aktuell sei nicht mehr D., sondern E. für die Familie zuständig.

Gemäss einer Aktennotiz der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde bezüglich einer Besprechung mit der Mutter vom April 2021 habe ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen der Mutter und E. von der Familienbegleitung bestanden, das mittlerweile angeschlagen, wenn nicht gar zerrüttet sei. Die Mutter reagiere nur auf Druck. Im August 2021 meldete E. der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, sie sei nicht mehr an die Mutter herangekommen. Gemäss Aktennotiz der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vom Oktober 2022 habe die Mutter E. zuletzt ins Leere laufen lassen. Mit der Errichtung einer Beistandschaft für die drei Kinder erklärte sich die Mutter – im Gegensatz zum Vater – nicht einverstanden, was im Protokoll der Anhörung vom Dezember 2022 so festgehalten wurde. Sie begründete dies damit, sie hätte bereits Erfahrungen mit den Sozialen Diensten gemacht. Dies habe mehr Chaos gebracht. Sie hätten die Probleme anders beurteilt als die Fachpersonen. Zudem sei sie auch mit einer kinder-/jugendpsychiatrischen oder sozialpädagogischen Familienbegleitung nicht einverstanden.

4.5.

Im Februar 2023 wurden für die drei Kinder Beistandschaften errichtet. Es wurde C. zur Beiständin ernannt. In einer Aktennotiz der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vom April 2023 berichtet die Beiständin, es sei ihr nicht gelungen, den Kontakt zum Vater herzustellen. Es sei ihr seit der Anhörung der Mutter (im Dezember 2022) auch nicht mehr gelungen, mit der Mutter in Kontakt zu treten.

4.6.

Die Fachleiterin der Berufsbeistandschaft erklärte bei einem telefonischen Austausch mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im November 2023, sie sei verwundert, dass die Eltern und die drei Söhne das Schreiben, in dem sie D. ablehnten, unterzeichnet hätten. Der Vater sei für die Beiständin nicht existent gewesen, da er noch nie an einem Gespräch teilgenommen habe. Aus ihrer Sicht könne es nicht der Wunsch der Kinder sein, D. nicht als Beiständin einzusetzen.

4.7.

Die Mutter erklärte sich bereits mit der Errichtung der Beistandschaft nicht einverstanden. Die Zusammenarbeit gestaltet sich für die zuständigen Personen der SPF und die bisherige Beiständin schwierig, da die Mutter keine solche Zusammenarbeit wünscht. Sie sieht die Notwendigkeit behördlicher Intervention nicht ein, dies im Gegensatz zum Vater. Die Beschwerdeführer können keine konkreten Gründe nennen, weshalb die vorgeschlagene Beiständin nicht eingesetzt werden soll. Sie begnügen sich mit pauschalen Vorhalten. Dies erstaunt. M., N. und O. sind 17, 16 und 13 Jahre alt. Es ist davon auszugehen, dass sie urteilsfähig sind hinsichtlich der Frage, welche Person als Beistand eingesetzt werden soll, zumal sie sich in früheren Verfahrensstadien (Anordnung der Beistandschaft, Fremdplatzierung) stets sehr differenziert und teilweise auch positiv zu solchen Fragen und damit verbundenen behördlichen Eingriffen geäussert haben. Es wäre also von den Kindern zu erwarten gewesen, dass sie die Ablehnung substantiierter begründen, wenn es denn konkrete Gründe gäbe. Dass sich die Beschwerdeführer angeblich nicht gut mit D. verstehen, ist kein stichhaltiges Argument, und es wird auch nicht begründet. Die Behauptung, D. habe die Unwahrheit gesagt, ist ebenfalls viel zu pauschal. D. musste damals die Situation beurteilen und darüber berichten. Dass ihre Feststellungen vermutlich nicht allen in der Familie passten, ist nachvollziehbar. Ihre Beurteilung passt aber in das Bild, das sich aufgrund der gesamten Akten ergibt. Dort finden sich keine Hinweise, dass das Verhältnis der Familie zu D. zerrüttet ist. Die Zusammenarbeit mit D. dauerte nur kurz und endete bereits Anfang 2019, mithin vor fünf Jahren. Seither ist sie für die Familie nicht mehr tätig geworden. Die Beschwerdeführer schlagen ferner keine andere geeignete Beistandsperson vor.

4.8.

Es geht der Mutter offenbar nicht um die Person D., die sie ablehnt, sondern um die behördlichen Massnahmen, die sie nicht für notwendig erachtet. Mit der Ablehnung der vorgeschlagenen Beiständin verhindert sie den nahtlosen Übergang der Beistandschaft ab Februar 2024. Dies ist in erster Linie zum Nachteil der Kinder. N. ist seit April 2023 fremdplatziert. Er hatte zu Beginn erhebliche Schwierigkeiten, sich im Heim einzuleben. Bei ihm stand im Herbst 2023 die Berufswahl an. Aktuelle Angaben zur beruflichen Situation von N. fehlen. Es findet sich in den Akten ein Strafbefehl der Jugendanwaltschaft vom Oktober 2023 betreffend M. M. ist straffällig geworden, da er mehrfach ohne Fahrschein die öffentlichen Verkehrsmittel benutzte. Es ist deshalb ohne Verzug die neue Beiständin zu installieren, damit sie sich um die Belange der Kinder kümmern kann, was in deren Interesse ist. Die Mutter tut dies offenbar nicht ausreichend. Zudem steht nicht fest, dass sie eine andere Beistandsperson akzeptieren würde. Eigene Vorschläge machte sie nicht.

5.

Es liegen keine plausiblen Einwände der Beschwerdeführer vor, und der implizite Vorwurf der mangelnden persönlichen Eignung von D. ist nicht begründet. Zusammenfassend entschied die Vorinstanz unter Ausübung des ihr zustehenden Ermessens korrekt, indem sie D. zur Beiständin ernannte. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

[…]

Obergericht, 3. Abteilung, 7. Februar 2024, KES.2024.6


[1]   Vgl. Art. 306 Abs. 2, Art. 308 und Art. 325 ZGB

[2]   Affolter-Fringeli/Vogel, Berner Kommentar, Bern 2016, Art. 308 ZGB N. 150

[3]   Reusser, Basler Kommentar, 7.A., Art. 400 ZGB N. 11

[4]   Urteil des Bundesgerichts 5A_310/2016 vom 3. März 2017 E. 5.1

[5]   Reusser, Art. 400 ZGB N. 12; Cantieni/Blum, in: Fachhandbuch Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (Hrsg.: Fountoulakis/Affolter-Fringeli/Biderbost/Steck), Zürich/Basel/Genf 2016, N. 15.46

[6]   Urteile des Bundesgerichts 5A_310/2016 vom 3. März 2017 E. 5.1; 5A_4/2014 vom 10. März 2014 E. 7

[7]   Urteil des Bundesgerichts 5A_310/2016 vom 3. März 2017 E. 5.1

[8]   Häfeli, Berner Kommentar, Bern 2023, Art. 401 ZGB N. 47 (nachfolgend: Häfeli, Berner Kommentar)

[9]   Häfeli, Berner Kommentar, Art. 401 ZGB N. 48

[10]  Reusser, Art. 401 ZGB N. 21

[11]  BGE 140 III 1 E. 4.3.2; Häfeli, Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, 3.A, N. 478 f.; Häfeli, Berner Kommentar, Art. 401 ZGB N. 45

[12]  Reusser, Art. 401 ZGB N. 22

[13]  Urteile des Bundesgerichts 5A_345/2015 vom 3. Juni 2015 E. 3.1; 5A_904/2014 vom 17. März 2015 E. 2.2

[14]  BGE 140 III 1 E. 4.3.2

[15]  Reusser, Art. 401 ZGB N. 7

[16]  Meier, Zürcher Kommentar, Zürich 2021, Art. 401 ZGB N. 36; Reusser, Art. 401 ZGB N. 8; Urteil des Bundesgerichts 5A_904/2014 vom 17. März 2015 E. 2.2

[17]  Vgl. Urteile des Bundesgerichts 5A_385/2019 und 5A_386/2019 vom 8. Mai 2020 E. 4.1.1; 5A_232/2016 vom 6. Juni 2016 E. 5; 5A_869/2015 vom 18. März 2016 E. 2.2.1; 5A_868/2015 vom 18. März 2016 E. 1.2

[18]  Breitschmid, Basler Kommentar, 7.A, Art. 308 ZGB N. 3; Cottier, in: Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Kurzkommentar (Hrsg.: Büchler/Jakob), 2.A., Art. 308 N. 2; Meier, Art. 401 ZGB N. 27 und dort Fn. 41; Reusser, Art. 400 ZGB N. 13a und Art. 401 ZGB N. 7

[19]  Affolter-Fringeli/Vogel, Art. 308 ZGB N. 151

[20] Siehe Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vom 28. Juni 2006, BBl 2006 S. 7050 f.

[21]  Meier, Art. 401 ZGB N. 27

[22] Vgl. Affolter-Fringeli/Vogel, Art. 308 ZGB N. 151; Reusser, Art. 400 ZGB N. 13a


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