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RBOG 2024 Nr. 07

Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Faksimileunterschrift

Art. 14 Abs. OR Art. 165 Abs. 1 OR


Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Einzelrichterin des Bezirksgerichts bewilligte die provisorische Rechtsöffnung gestützt auf eine Schuldanerkennung, die der ursprüngliche Gläubiger an die Beschwerdegegnerin abgetreten hatte. Der Beschwerdeführer als Schuldner machte vor Obergericht geltend, der Gebrauch von Faksimileunterschriften für Abtretungserklärungen sei nicht verkehrsüblich, weshalb die Abtretung nichtig sei.

Aus den Erwägungen:

[…]

2.2.

2.2.1.

Die Abtretung bedarf laut Art. 165 Abs. 1 OR zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form. Diese ist Gültigkeitserfordernis und beurteilt sich nach Art. 11 ff. OR. Der Zweck der Formvorschrift von Art. 165 OR besteht hauptsächlich darin, Verkehrssicherheit und Klarheit zu schaffen und die Zession für Dritte leicht erkenntlich zu machen[1]. Insbesondere für den Schuldner der zedierten Forderung soll ersichtlich sein, wem die Forderung zusteht[2]. Ferner dient die Formvorschrift dem Schutz der Gläubiger des Abtretenden und des Erwerbers. In deren Interesse soll festgestellt werden können, ob eine Forderung in einem bestimmten Zeitpunkt zum Vermögen des Zedenten gehört oder einem anderen zusteht[3]. Kein primärer Zweck der Formvorschrift ist – anders als etwa bei der Bürgschaft – der Schutz des Zedenten vor einer übereilten Abtretung[4]. Gemäss Bundesgericht ist im Hinblick auf den Zweck der Formvorschrift "jede nicht gebotene formale Strenge zu vermeiden"[5].

Eine formungültige Zession ist nichtig im Sinn von Art. 20 OR[6].

2.2.2.

Ein Vertrag, für den die schriftliche Form gesetzlich vorgeschrieben ist, muss gemäss Art. 13 OR die Unterschriften aller Personen tragen, die durch ihn verpflichtet werden sollen. Die Unterschrift ist nach Art. 14 Abs. 1 OR eigenhändig zu schreiben. Eine Nachbildung der eigenhändigen Schrift auf mechanischem Wege wird laut Art. 14 Abs. 2 OR nur da als genügend anerkannt, wo deren Gebrauch im Verkehr üblich ist, insbesondere wo es sich um die Unterschrift auf Wertpapieren handelt, die in grosser Zahl ausgegeben werden. Die Verkehrsüblichkeit ist nicht Rechts-, sondern Tatfrage[7]. Die Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift in Anerkennungspflicht mithilfe mechanischer Mittel, namentlich mit Stempel, Drucker oder Fotokopierer, stellt eine sogenannte Faksimileunterschrift dar[8]. Diese ist grundsätzlich nicht verkehrsüblich[9]. Als Hauptbeispiel für die Verkehrsüblichkeit erwähnt das Gesetz selbst die Wertpapiere, die in grosser Zahl ausgegeben werden. Auf einem an eine Vielzahl von Personen gerichteten Gewinnversprechen, das als Schenkungsversprechen qualifiziert wurde, wurde sie ebenfalls als verkehrsübliche und somit als gültige Unterschrift taxiert[10].

Kann eine Person nicht unterschreiben, so ist es, mit Vorbehalt der Bestimmungen über den Wechsel, gemäss Art. 15 OR gestattet, die Unterschrift durch ein beglaubigtes Handzeichen zu ersetzen oder durch eine öffentliche Beurkundung ersetzen zu lassen.

2.3.

2.3.1.

Die Parteien des Pfändungsverlustscheins und des Zahlungsbefehls sind identisch. In der Schuldanerkennung hingegen ist als Gläubiger nicht die Beschwerdegegnerin, sondern der Zedent vermerkt. Wie ausgeführt, ging der Ausstellung des Verlustscheins augenscheinlich ein Rechtsöffnungsverfahren voraus, was unbestritten blieb. In jenem Rechtsöffnungsverfahren musste die Zession von der Beschwerdegegnerin urkundlich nachgewiesen werden. Somit stellt der ausgestellte Verlustschein ein Indiz dafür dar, dass der Abtretung der Forderung aus der Schuldanerkennung an die Beschwerdegegnerin eine gültige Abtretungserklärung zugrunde liegt.

2.3.2.

Die Beschwerdegegnerin reichte auf Begehren des Beschwerdeführers im Verfahren vor der Vorinstanz das Original der "Abtretung/Zession" ein. Daraus ergibt sich unbe­strittenermassen, dass die Abtretungserklärung den Stempelabdruck der Unterschrift des Zedenten trägt. Diesbezüglich gab die Beschwerdegegnerin an, der Zedent unterzeichne bereits seit 1994 geschäftlich mittels Stempel. Nur weil ein solches Unterzeichnen für den Zedenten üblich war, kann noch nicht von einer Verkehrsüblichkeit gesprochen werden. Eine solche wäre nur zu bejahen, wenn das entsprechende Unterzeichnen in einem gewissen Branchenzweig oder insbesondere für Abtretungserklärungen an der Tagesordnung wäre. Das wurde jedoch weder geltend gemacht noch ist dies gerichtsnotorisch. Auch wurde nicht geltend gemacht, dass der Zedent aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, eigenhändig seine Unterschrift zu leisten. Insofern ist die Faksimileunterschrift des Zedenten auf der Abtretungserklärung als ungültig zu taxieren, weshalb die Abtretung nichtig ist.

2.4.

Dies führt dazu, dass die betriebene Forderung gemäss der Schuldanerkennung nicht der Beschwerdegegnerin zusteht. Die Beschwerde ist somit zu schützen. Dispositiv Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids ist aufzuheben und das Gesuch um provisorische Rechtsöffnung abzuweisen.

[…]

Obergericht, 2. Abteilung, 8. Dezember 2023, BR.2023.36


[1]    BGE 122 III 361 E. 4.c; Girsberger/Hermann, Basler Kommentar, 7.A., Art. 165 OR N. 1

[2]   Urteil des Bundesgerichts 4A_616/2012 vom 19. Februar 2013 E. 5.2; Girsberger/Hermann, Art. 165 OR N. 1

[3]   Urteil des Bundesgerichts 4A_59/2017 vom 28. Juni 2017 E. 3.5.1; Girsberger/Hermann, Art. 165 OR N. 1

[4]   BGE 82 II 48 E. 1; Girsberger/Hermann, Art. 165 OR N. 1

[5]   Urteil des Bundesgerichts 4A_172/2018 vom 13. September 2018 E. 4.5.2; Girsberger/Hermann, Art. 165 OR N. 2

[6]   Girsberger/Hermann, Art. 165 OR N. 11

[7]   BGE 113 II 25 E. 1a

[8]   Müller, Berner Kommentar, Art. 14 OR N. 31

[9]   Müller, Art. 14 OR N. 33

[10] Entscheid des Bezirksgerichts Unterrheintal vom 3. Mai 2003, in: SJZ 2004 S. 292 und 293 f.


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