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RBOG 2024 Nr. 09

Keine Anwendung von Art. 8 UWG auf Produktevereinbarungen mit einer Bank

Art. 8 UWG


Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Berufungskläger ist Bankkunde und Hypothekarnehmer einer Schweizer Bank und schloss mit dieser zwei Basiskreditverträge für zwei Liegenschaften ab. In der Folge kam es zu sechs Produktevereinbarungen betreffend die beiden Liegenschaften. Der Berufungskläger klagte gegen die Bank auf teilweise Rückerstattung von Kreditzinsen. Er stützte sich auf Art. 8 UWG und machte im Wesentlichen geltend, die Bank habe einseitig einen 0%-Zinsfloor ohne Zinscap vorgesehen. Dies stelle eine asymmetrische, ungleiche und treuwidrige Verteilung von Rechten und Pflichten dar. Die Bank habe in der massgeblichen Zeitperiode, als der Basissatz Libor negativ notiert habe, in sämtlichen Produktevereinbarungen eine Marge von 0,9% veranschlagt. Aufgrund der Ungültigkeit des 0%-Floors hätte sie die Marge auf den jeweils negativen Libor aufrechnen müssen.

Aus den Erwägungen:

[…]

3.

3.1.

Unstrittig ist, dass zwischen den Parteien zwei Basiskreditverträge unterzeichnet wurden. Fest steht zudem, dass die Parteien insgesamt sechs Produktevereinbarungen gültig[1] abgeschlossen haben (LiborFlex-Hypothek). Bei allen sechs Vereinbarungen wurde als Basiszinssatz der 3-Monats-CHF-Libor-Satz vereinbart sowie festgehalten, dass bei negativem Libor-Satz für die entsprechende Zinsperiode ein Basiszinssatz von 0% zur Anwendung gelange. Der Kundenzinssatz betrage im Minimum den vereinbarten Zuschlag von 0,9%.

Fest steht im Weiteren, dass der 3-Monats-CHF-Libor ab 1. Januar 2015 negativ notierte.

3.2.

Streitig ist vorliegend hingegen, ob die Berufungsbeklagte auch bei einem negativen 3-Monats-CHF-Libor-Zinssatz vom Berufungskläger einen Hypothekarzins von 0,9% fordern durfte, oder ob von diesem der negative Libor-Zinssatz hätte abgezogen werden müssen.

4.

Der Berufungskläger stützt sich bei seiner Begründung ausschliesslich auf eine Verletzung von Art. 8 UWG. Er macht die wettbewerbsrechtliche Ungültigkeit der – zufolge Konsens zustande gekommenen – Vereinbarung der Zinsuntergrenze ohne gleichzeitige Zinsobergrenze geltend.

5.

Das UWG bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten[2]. Art. 8 UWG hält fest, dass insbesondere unlauter handle, wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwende, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen. Der persönliche Anwendungsbereich von Art. 8 UWG beschränkt sich auf Konsumentinnen und Konsumenten als Schutzsubjekte, der sachliche Anwendungsbereich auf die Verwendung allgemeiner Geschäfts­bedingungen[3].

Es ist daher in einem ersten Schritt zu prüfen, ob Art. 8 UWG vorliegend zur Anwendung gelangt. Ist dies zu bejahen, würde sich in einem zweiten Schritt die Frage nach einer konkreten Verletzung von Art. 8 UWG stellen, mithin der Missbräuchlichkeit der Klausel betreffend die Zinsuntergrenze und deren Folgen.

[…]

7.

7.1.

Eine Berufung auf Art. 8 UWG kann nur dann erfolgen, wenn allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) beanstandet werden. Davon geht der Berufungskläger aus, wogegen die Berufungsbeklagte dies für die Produktevereinbarungen bestreitet.

7.2.

7.2.1.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind im Wirtschaftsleben weit verbreitet. Es werden zahlreiche Verträge geschlossen, die neben individuell vereinbarten Vertragsinhalten auch standardisierte Klauseln inkorporieren[4]. Eine Definition des Begriffs enthält Art. 8 UWG nicht. Eine Umschreibung findet sich in der Botschaft zum UWG 1983: "Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind Vertragsklauseln, die vom Anbieter in vorformulierten Texten festgelegt werden, um für eine Vielzahl individueller Geschäfte eine standardisierte Ordnung zu schaffen, welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Partner im Voraus möglichst präzise festlegt". Eine ähnliche Formulierung verwendet auch das Bundesgericht: "Allgemeine Vertragsbedingungen oder vorgeformte Vertragsinhalte sind vertragliche Bestimmungen, die im Hinblick auf typische Verträge von Privaten standardmässig vorformuliert sind und insbesondere der Rationalisierung des Vertragsschlusses dienen. Derartige vorformulierte Vertragsklauseln gelten, wenn und soweit die Parteien sie für ihren Vertrag ausdrücklich oder konkludent übernommen haben (Urteil 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1 mit Hinweisen). Ob dies der Fall ist, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (BGE 135 III 1 E. 2 S. 6, 410 E. 3.2 S. 412 f.)"[5]. Im Kern lassen sich damit drei Elemente herausschälen, die für die Begriffsbildung prägend sind: die Vorformulierung der Bedingungen; ihr Zweck, einer Vielzahl von Verträgen zugrunde gelegt zu werden; und schliesslich die Verwendung der AGB, welche darin besteht, dass der Verwender die AGB dem Vertragspartner "stellt"[6]. Faktisch wird der Vertragspartner deshalb meist vor die Wahl gestellt, die allgemeinen Geschäftsbedingungen als solche zu akzeptieren oder auf den Abschluss des Vertrags zu verzichten[7].

7.2.2.

Der Zinssatz bei variabel verzinslichen Kreditverträgen ergibt sich regelmässig aus der Summe eines Referenzzinssatzes und einer Marge. Hat der vereinbarte Referenzzinssatz ins Negative gedreht, stellt sich die Frage, ob, beziehungsweise wie, dieser Umstand bei der Zinsberechnung zu berücksichtigen ist. In der heutigen Vertragspraxis wird diese Frage häufig direkt geregelt, zum Beispiel, indem festgehalten wird, dass der Referenzzinssatz für Zwecke der Zinsberechnung nie kleiner als null sein kann. Haben die Parteien dagegen keine ausdrückliche vertragliche Regelung getroffen, handelt es sich um eine Frage der Vertragsauslegung[8]. Dies hat das Bundesgericht höchstrichterlich bestätigt[9]. Das Bundesgericht ging somit von einem diesbezüglich individuellen Vertrag der Parteien aus, der ausgelegt werden kann, und nicht von allgemeinen Geschäfts­bedingungen.

7.3.

7.3.1.

Der Berufungskläger hat mit der Berufungsbeklagten zwei Basiskreditverträge abgeschlossen. Nach der herrschenden Lehre handelt es sich dabei um Rahmenverträge "sui generis", in denen sich der Kreditgeber verpflichtet, dem Kreditnehmer wiederholt und laufend bis zur Kreditlimite Geld oder Geldsurrogate zur Verfügung zu halten[10]. Diese Basisverträge enthalten keine Regelungen zum Umgang mit negativen Referenzzinsen. Jedoch kann die Kreditgeberin in den Produktevereinbarungen ausdrücklich vorsehen, dass der Referenzzinssatz für Zwecke der Zinsberechnung immer mindestens mit 0% zu veranschlagen ist (sogenannter "zero floor"). Enthält die Produktevereinbarung einer im Negativzinsumfeld abgeschlossenen neuen Geldmarkthypothek einen "zero floor" (was in der Regel der Fall sein dürfte), findet diese Regelung zweifellos auf die in der betreffenden Produktevereinbarung geregelten Hypothek Anwendung, da Bestimmungen im Einzelvertrag allfälligen abweichenden Regelungen des Rahmenvertrags vorgehen. Die Produkteverein­barung stellt daher einen Einzelvertrag dar, den die Parteien entsprechend individuell ausgestalten können und der im Grundsatz Spielraum für Verhandlungen zulässt. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Zürcher Obergerichts, das ausführte, eine spezifische, vom Rahmenvertrag unabhängige Produktevereinbarung stelle von vorneherein keine allgemeine Geschäftsbedingung dar[11].

7.3.2.

7.3.2.1.

Die Vorinstanz erwog, dass dem Berufungskläger eine Wahlmöglichkeit verblieben sei: Hätte er die Produktevereinbarungen nicht abgeschlossen, hätten gemäss den Basisverträgen die dort vereinbarten Zinssätze von 2,875% gegolten. Der Berufungskläger hätte – gemäss der Vorinstanz – aber auch ein anderes Produkt, zum Beispiel eine Festhypothek abschliessen können. Sodann ging die Vorinstanz im Ergebnis aber von allgemeinen Geschäftsbedingungen aus. Dies vermag aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen:

7.3.2.2.

Wie die Vorinstanz zu Recht ausführte, hatte der Berufungskläger diverse Wahlmöglichkeiten. Er musste den vorgeschlagenen Vertrag mit der Nullzinsfloor-Klausel nicht abschliessen. Er hätte beim Basiskreditvertrag bleiben, eine Festhypothek abschliessen oder den Basiskreditvertrag mit einer Frist von sechs Monaten kündigen und die Bank wechseln können. Er stand somit unter keinerlei Druck zum Abschluss der Produktevereinbarungen. Der Fall lässt sich auch nicht ohne Weiteres mit den allgemeinen Bestimmungen in Mietverträgen vergleichen. Typischer Inhalt von solchen sind die Rechte und Pflichten der Parteien im Zusammenhang mit der Übergabe des Mietobjekts, dem Unterhalt, den Änderungen an der Mietsache, den Rückgabemodalitäten und präzisierende Bestimmungen zu den Nebenkosten[12], wobei im Mietrecht häufig noch zwischen den AGB und den Branchenbedingungen unterschieden wird[13]. Dabei handelt es sich um vorformulierte Vertragsinhalte, die von den Parteien nicht im Einzelfall ausgehandelt werden können[14]. Dies dürfte vorliegend auf Teile der beiden Basiskreditverträge zutreffen. Die Produktevereinbarungen stellen demgegenüber grundsätzlich frei verhandelbare Verträge dar und diese Verträge wurden dem Berufungskläger so von der Berufungsbeklagten angeboten und mit ihm – zumindest telefonisch – auch besprochen; daran ändert nichts, dass die Berufungsbeklagte wohl mit einem Weglassen des Basiszinsatzes von 0% nicht einverstanden gewesen wäre und die Verträge dann allenfalls nicht abgeschlossen hätte. Insbesondere steht es ihr frei, was für Verträge sie mit welchen Konditionen anbieten und abschliessen will.

7.3.3.

Nicht von Bedeutung ist im Weiteren, dass die Berufungsbeklagte wohl Verträge mit ähnlichem oder gleichem Inhalt mit verschiedenen Kunden abschliesst. Dies ist in vielen geschäftlichen Beziehungen der Fall, ohne dass diese Einzelverträge dadurch zu allgemeinen Geschäfts­bedingungen mutieren.

7.4.

Weshalb es sich vorliegend um allgemeine Geschäftsbedingungen und nicht um Einzelverträge handeln sollte, führt der Berufungskläger nicht näher aus.

7.5.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den Produktevereinbarungen mit dem enthaltenen Basiszinssatz von 0% nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, weshalb eine Berufung auf Art. 8 UWG nicht möglich ist.

8.

8.1.

Selbst wenn die entsprechenden Produktevereinbarungen als allgemeine Geschäftsbedingungen in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 8 UWG fallen würden, würde die Mindestzinsabrede von 0% nicht einer inhaltlichen Kontrolle durch das Gericht nach Art. 8 UWG unterliegen.

8.2.

8.2.1.

Gegenstand der AGB-Kontrolle nach Art. 8 UWG bilden allein die AGB selbst. Nicht überprüft werden kann der Inhalt von Individualvereinbarungen[15]. Wurde ein Teil der vertraglichen Vereinbarung von den Parteien individuell festgelegt, ein anderer aber durch AGB geregelt, sind diese Bestimmungen zu trennen und nur die AGB der Kontrolle nach Art. 8 UWG zu unterstellen. Nicht Gegenstand der AGB-Kontrolle bilden der Hauptgegenstand des Vertrags und das Preis-Leistungsverhältnis. Hauptgegenstand des Vertrags sind die vertraglichen Hauptleistungen, um deren Erlangen willen die Parteien den Vertrag abgeschlossen haben. Den Hauptgegenstand bilden damit auf jeden Fall die wesentlichen Vertragspunkte, ohne deren Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Vertrag mangels Konsens nicht zustande gekommen wäre[16]. Es ist nicht die Aufgabe einer AGB-Inhaltskontrolle, sich mit Fragen des Preismissbrauchs und der wirtschaftlichen Angemessenheit von Vertragsbeziehungen zu beschäftigen[17].

8.2.2.

Das Zustandekommen eines Vertrags setzt nach Art. 1 Abs. 1 OR die Einigung über sämtliche wesentlichen Vertragspunkte voraus[18]. Bei einem Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darleiher zur Übertragung des Eigentums an einer Summe Geld und der Borger zur Rückerstattung der erhaltenen Summe. Wird zusätzlich ein Zins vereinbart, erweitert die Zinszahlungspflicht die vertragliche Leistungspflicht auf Seiten des Borgers. Die Regelung dieser synallagmatischen Leistungen sind die Essentialia einer Darlehensabrede, über die ein Konsens bestehen muss[19]. Bei der Vereinbarung der Zinsen innerhalb der Zinsschranken beziehungsweise der Höchstzinsvorschriften sind die Parteien frei[20].

8.3.

Der Zinssatz und die Berechnung des Zinssatzes – wozu vorliegend auch der Basiszinssatz von 0% gehört – sind somit klar als wesentliche Vertragspunkte zu bezeichnen. Dieser Teil der Verträge ist folglich sowohl als Individualvereinbarung wie auch als Hauptgegenstand des Vertrags zu qualifizieren, was eine Überprüfung gemäss Art. 8 UWG ausschliesst.

8.4.

Dem hält auch der Berufungskläger nichts Substanzielles entgegen, zumal er in der Replik lediglich ausführte, er vertraue darauf, dass das Obergericht die AGB-Kontrolle entlang bewährter Lehre und Rechtsprechung durchführe und sich nicht von unzutreffenden tatsächlichen, prozessualen und/oder materiell-rechtlichen Behauptungen der Berufungsbeklagten beirren lasse.

9.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass es sich bei den Produktevereinbarungen nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, weshalb eine Berufung auf Art. 8 UWG nicht möglich ist. Selbst wenn dies anders beurteilt und der AGB-Charakter grundsätzlich bejaht würde, wäre eine Überprüfung des vereinbarten Basiszinssatzes von 0% gestützt auf Art. 8 UWG durch das Gericht nicht möglich, da es sich dabei um einen Hauptgegenstand der abgeschlossenen Hypothekarverträge (LiborFlex-Hypothek) handelt. Daher kann und braucht nicht weiter beurteilt zu werden, ob die Nullzinsfloor-Klausel als missbräuchlich im Sinn von Art. 8 UWG zu qualifizieren wäre, wobei die Vorinstanz ein Missverhältnis bei der Verteilung von Rechten und Pflichten zwischen den Parteien verneinte. Auf die diesbezüglichen umfangreichen Ausführungen des Berufungsklägers in seinen Eingaben ist daher nicht weiter einzugehen.

[…]

Obergericht, 2. Abteilung, 29. August 2024, ZBR.2024.1


[1]    Über den Konsens besteht Einigkeit.

[2]    Art. 1 UWG

[3]    Heiss, in: Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb, Kommentar (Hrsg.: Heizmann/Loacker), Zürich 2017, Art. 8 N. 71 ff. und 95 ff.

[4]    Heiss, Art. 8 UWG N. 1

[5]    Urteil des Bundesgerichts 4A_47/2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.1

[6]    Heiss, Art. 8 UWG N. 71 ff.

[7]    Thouvenin, Art. 8 UWG N. 86

[8]    Maurenbrecher/Eckert, Negativzinsen im Kreditgeschäft, in: GesKR 2020 S. 403 f.

[9]    BGE 145 III 241 Regeste

[10]  Maurenbrecher/Eckert, S. 404 f.

[11]  Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LB200029 vom 19. Januar 2021 E. 10; vgl. dazu auch die Entscheidbesprechung, in: AJP 2021 S. 947

[12]  Wyttenbach, Abschluss des Mietvertrages, in: Mietrecht für die Praxis, 10.A., S. 202

[13]  Tschudi, SVIT-Kommentar Mietrecht, 4.A., Art. 256 OR N. 63 f.

[14]  Thouvenin, Art. 8 UWG N. 2 f.

[15]  Vgl. dazu auch Widmer, Missbräuchliche Geschäftsbedingungen nach Art. 8 UWG, Zürich/St. Gallen 2015, N. 16

[16]  Vgl. dazu die überzeugenden Ausführungen von Thouvenin, Art. 8 UWG N. 94 ff.

[17]  Widmer, N. 150 mit Hinweisen

[18]  Zellweger/Gutknecht, Basler Kommentar, 7.A., Art. 1 OR N. 20 ff.

[19]  Maurenbrecher/Schärer, Basler Kommentar, 7.A., Art. 312 OR N. 1

[20]  Vgl. Maurenbrecher/Schärer, Art. 313 OR N. 10 ff.


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