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RBOG 2024 Nr. 20

Einstimmigkeitsprinzip kann nicht mittels eines Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen im Erbteilungsverfahren ausgehebelt werden; Unzulässigkeit der Geltendmachung von Informationsansprüchen eines Erben im Rahmen eines vorsorglichen
Massnahmenverfahrens

Art. 261 Abs. 1 lit. a ZPO Art. 261 Abs. 1 lit. b ZPO Art. 602 Abs. 1 ZGB Art. 610 Abs. 2 ZGB Art. 634 Abs. 1 ZGB


Zusammenfassung des Sachverhalts:

1.

Der Erblasser hinterliess als Erben zwei Söhne und eine Tochter. Im Nachlass befindet sich insbesondere die elterliche Liegenschaft. Im Erbteilungsprozess ersuchte der eine Sohn – der Berufungskläger – um Anordnung folgender vorsorglicher Massnahmen gegen seine beiden Geschwister – die Berufungsbeklagten:

I.   Es sei festzustellen, dass die Berufungsbeklagten auf sämtliche mobilen Gegenstände und Vermögenswerte des Nachlasses, die sich am Vortag des Todestags des Erblassers auf der elterlichen Liegenschaft befunden haben oder später dorthin verbracht worden sind, rechtsgültig verzichtet haben.

II.  Die Berufungsbeklagten seien zu verpflichten, innert fünf Tagen sämtliche Schlüssel zur elterlichen Liegenschaft dem Berufungskläger zu übergeben. Der Berufungskläger sei für berechtigt zu erklären, alle ihm beliebenden Gegenstände und Vermögenswerte (gemäss Ziffer I) in sein Eigentum zu übernehmen, und im Übrigen die elterliche Liegenschaft auf Kosten des Nachlasses räumen und diese entsorgen zu lassen.

III.  Der Berufungskläger sei für berechtigt zu erklären, nach deren Räumung die vormals elterliche Wohnung auf Kosten des Nachlasses reinigen und instand stellen zu lassen, zur Vermietung auszuschreiben und im Namen der Erbengemeinschaft zu vermieten.

IV. Die Berufungsbeklagten seien je einzeln unter Ermahnung zur Wahrheit und unter Hinweis auf die Straffolgen (Art. 306 und Art. 307 StGB) zu verpflichten, dem Gericht innert zehn Tagen mitzuteilen, ob, wie oft und wann genau sie die elterliche Liegenschaft seit dem Todestag des Erblassers betreten haben, und welche Dokumente, Bargeld, Vermögenswerte oder Gegenstände sie seit dem Todestag des Erblassers aus der Liegenschaft allenfalls entfernt haben, ob ihres Wissens seit dem Todestag des Erblassers die jeweils andere berufungsbeklagte Partei in der Liegenschaft war, ob sie oder die andere berufungsbeklagte Partei seit dem Todestag des Erblassers Drittpersonen in die Liegenschaft gelassen haben, wie oft und wann die andere berufungsbeklagte Partei oder Dritte dort waren, und ob wohl welche Dokumente, Vermögenswerte oder Gegenstände diese dort mitgenommen haben. Die Berufungsbeklagten seien unter der Strafdrohung von Art. 292 StGB zu verpflichten, alle diese Dokumente, Vermögenswerte und Gegenstände innert zehn Tagen dem Berufungskläger herauszugeben.

V.  Die Berufungsbeklagten seien je einzeln unter der Strafdrohung von Art. 292 StGB im Unterlassungsfall zu verpflichten, dem Berufungskläger innert zehn Tagen alle ihnen aktuell vorliegenden, und alsdann jeweils innert spätestens zehn Tagen nach Erhalt alle ihnen zugehenden Unterlagen und Dokumente im Zusammenhang mit dem Nachlass (alle Post, Kontoauszüge etc.) in Kopie zu übermitteln.

2.

Nachdem der Einzelrichter des Bezirksgerichts das Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahmen abwies, soweit er darauf eintrat, erhob der Berufungskläger Berufung. Er beantragte die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und wiederholte die vor Vorinstanz gestellten Rechtsbegehren.

Aus den Erwägungen:

[…]

2.

2.1.

Nach Art. 261 Abs. 1 ZPO trifft das Gericht die notwendigen vorsorglichen Massnahmen, wenn die gesuchstellende Partei glaubhaft macht, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu befürchten ist (lit. a) und ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (lit. b).

2.2.

2.2.1.

Im Erbrecht setzt der Erlass einer vorsorglichen Massnahme einen Hauptsacheanspruch der gesuchstellenden Partei voraus, der auf eine Leistung positiver oder negativer Art, auf Gestaltung oder auf Feststellung gerichtet ist. Dieser erbrechtliche Hauptanspruch muss verletzt oder zumindest gefährdet sein. Das ist dann der Fall, wenn die inskünftige Vollstreckung des zu sichernden Rechts ohne den Erlass der Massnahme zumindest als gefährdet erscheint oder – speziell bei Gestaltungs- oder Feststellungansprüchen – die Veränderung des bestehenden Zustands zu einem nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil für den Gesuchsteller führen würde[1].

2.2.2.

Der nicht leicht wiedergutzumachende Nachteil im Sinn von Art. 261 Abs. 1 lit. b ZPO ist hauptsächlich tatsächlicher Natur; er umfasst jeglichen Nachteil, ob vermögensrechtlich oder immateriell, und kann sich auch allein aus dem Zeitablauf während des Prozesses ergeben. Der Nachteil ergibt sich aus dem Umstand, dass die um vorsorglichen Rechtsschutz ersuchende Partei ohne die verlangte Massnahme in ihrer materiellen Rechtsposition verletzt wäre[2].

Im Rahmen einer Erbstreitigkeit kann der Nachteil im drohenden Verkauf einer Liegenschaft oder in der Gefährdung der Restitution des vindizierten Objekts im Fall eines Obsiegens mit der Erbschaftsklage bestehen. Weiter fällt unter den drohenden Nachteil auch die Erschwerung der Vollstreckung. Der drohende Nachteil darf jedoch nicht (nur) subjektiver Natur sein. Er muss für das anordnende Gericht aufgrund objektiver Anhaltspunkte in nächster Zukunft wahrscheinlich sein. Das heisst, mit dem Eintritt des nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils muss ernsthaft gerechnet werden[3].

2.2.3.

Der Erlass einer vorsorglichen Massnahme muss zeitlich dringlich sein. Die Voraussetzung der zeitlichen Dinglichkeit ist gegeben, wenn eine akute Gefährdung und damit ein Massnahmeninteresse besteht und das gerichtliche Endurteil nicht ohne Weiteres abgewartet werden kann[4].

2.3.

2.3.1.

Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte[5]. Die Rechtslage ist grundsätzlich nur summarisch zu prüfen und vorläufig zu beurteilen, ohne die sich stellenden rechtlichen Fragen endgültig zu klären[6].

2.3.2.

Stehen aber vorsorgliche Massnahmen zur Diskussion, die einer Vollstreckung des Hauptsacheanspruchs gleichkommen und endgültige Wirkung haben, der Streit mithin keine über die Anordnung der vorsorglichen Massnahmen hinausgehende Bedeutung hat, ist nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass derartige Massnahmen besonders schwer in die Rechtsstellung der Gegenpartei eingreifen. Entsprechend werden sie nur restriktiv bewilligt und unterstehen erhöhten Anforderungen. Diese Anforderungen beziehen sich sowohl auf das Vorhandensein der rechtserheblichen Tatsachen wie auch auf sämtliche Voraussetzungen für die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme. Insbesondere ist (vorsorglicher) Rechtsschutz in diesen Fällen nur zu gewähren, wenn der Anspruch relativ klar begründet erscheint[7].

2.4.

2.4.1.

Eine vorsorgliche Massnahme kann gemäss Art. 262 ZPO jede gerichtliche Anordnung sein, die geeignet ist, den drohenden Nachteil abzuwenden, insbesondere ein Verbot (lit. a), eine Anordnung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands (lit. b), eine Anweisung an eine Registerbehörde oder eine dritte Person (lit. c), eine Sachleistung (lit. d) oder die Leistung einer Geldzahlung in den vom Gesetz bestimmten Fällen (lit. e).

2.4.2.

Im Bereich des Erbrechts kommen insbesondere Massnahmen wie die Vormerkung im Grundbuch, die Grundbuchsperre, die Hinterlegung des Streitgegenstands beim Gericht, die Aufnahme eines Inventars, die Erbschaftsverwaltung, das Verbot von Verfügungen über den Streitgegenstand oder die Anordnung von Sicherstellung in Frage[8].

[…]

3.3.

3.3.1.

Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbgangs eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft[9]. Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam[10].

Jede Rechtsausübung, welche die Erbschaftsgegenstände betrifft, erfordert somit eine Einigung unter sämtlichen Miterben. In Anbetracht seines Schutzzwecks ist das Einstimmigkeitsprinzip grundsätzlich zwingender Natur[11]. Das Gesamthandprinzip wirkt umfassend. Das heisst, dass grundsätzlich jede Art der Rechtsausübung ein gemeinschaftliches Handeln der Miterben erfordert[12].

3.3.2.

Eine Ausnahme vom Gesamthandprinzip beruht entweder auf der Privatautonomie (bei Einsetzung eines Willensvollstreckers, Erteilung einer Vollmacht oder einstimmiger Vereinbarung des Mehrheitsprinzips)[13] oder auf den gesetzlich vorgesehenen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnissen (Erbschaftsverwaltung[14], Erbenvertretung[15] amtlicher Liquidator[16], Konkursverwaltung[17])[18].

Weiter kann ein Miterbe in dringenden Fällen beziehungsweise bei Gefahr im Verzug allein für sämtliche Miterben handeln. Sobald die Miterben einen Beschluss fassen können oder ein Erbenvertreter bestellt werden kann, entfällt die alleinige Handlungsbefugnis und es liegt keine Ausnahme vom Gesamthandprinzip mehr vor[19]. Nach der Lehre kann ein einzelner Miterbe zudem allein rechtsverbindlich für die Erbengemeinschaft handeln, wenn die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäss Art. 419 ff. OR erfüllt sind[20].

Bei der Ausübung eines Rechts, auf welches ein Miterbe verzichtet hat oder welches für ihn erloschen ist, ist seine Mitwirkung ebenfalls nicht notwendig. Hier wird eine auf einzelne Erbschaftsgegenstände beschränkte Teilliquidation angenommen, wodurch der betroffene Miterbe nicht mehr Rechtsträger des entsprechenden Erbschaftsgegenstands ist und das Gesamthandprinzip insoweit nicht mehr greift[21].

3.3.3.

Mittels vertraglicher partieller Erbteilung können insbesondere einzelne Erbschaftsgegenstände in die alleinige Rechtszuständigkeit eines Miterben überführt werden (objektiv-partielle Erbteilung). Dies hat zur Folge, dass die Erbengemeinschaft mit den verbleibenden Miterben und den noch vorhandenen Erbschaftsgegenständen weiter bestehen bleibt[22]. Die Willensäusserungen müssen dabei den Willen der Erben zum Ausdruck bringen, definitiv im Sinn einer endgültigen, beschränkten oder gänzlichen Auseinandersetzung gebunden zu sein[23].

Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Schriftform; gefordert wird einfache Schriftlichkeit gemäss Art. 13-15 OR. Weil durch den Teilungsvertrag sämtliche Miterben verpflichtet werden sollen, ist er von allen Miterben eigenhändig oder aber durch einen gesetzlichen oder vertraglichen Vertreter zu unterzeichnen. Eine zeitgleiche Unterzeichnung ist nicht erforderlich; eine Urkundeneinheit wird ebenfalls nicht verlangt. Bei zeitlich gestaffelter Unterzeichnung entsteht der Teilungsvertrag allerdings erst mit der Unterschrift des letzten Miterben. Bis zu diesem Zeitpunkt liegt nur eine Offerte zum Vertragsschluss nach Art. 3 ff. OR vor[24].

3.4.

3.4.1.

Die Feststellung eines rechtsgültigen Verzichts auf Gegenstände des Nachlasses ist im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen grundsätzlich nicht zulässig[25]. Vorsorgliche Massnahmen bezwecken nicht eine definitive Zuteilung. Sie dürfen den Hauptprozess nicht präjudizieren[26].

Bei der Klärung der Frage, ob der Berufungskläger glaubhaft machte, dass er einen Anspruch auf Übergabe der Schlüssel der Liegenschaft, auf Übernahme aller ihm beliebigen Gegenstände und Vermögenswerte in dieser Liegenschaft in sein Eigentum, auf Räumung der Liegenschaft auf Kosten des Nachlasses und auf Vermietung der geräumten Liegenschaft habe, stellt sich jedoch die Vorfrage, ob der Berufungskläger auch glaubhaft machte, dass die Berufungsbeklagten rechtsgültig auf die Gegenstände in der Liegenschaft verzichteten.

3.4.2.

Aus den Akten geht hervor, dass die Berufungsbeklagten gegenüber dem Grundbuchamt und Notariat sowie gegenüber dem Berufungskläger erklärten, sie würden auf jegliche "Hausratsgegenstände verzichten", und der Berufungskläger "könne vollumfänglich frei" und ohne Anrechnung an seinen Erbteil "über das gesamte Mobiliar und sämtliche Gegenstände im Haus verfügen".

3.4.3.

Dass sich die Erben über die Teilung des Mobiliars jedoch tatsächlich einigten, wurde von beiden Parteien bestritten. Eine durch Unterschrift des Berufungsklägers oder seines Vertreters bekräftigte Zustimmung zur partiellen Erbteilung liegt nicht vor. Auch sonst liegen keine Hinweise dafür vor, dass der Berufungskläger die Offerte der Berufungsbeklagten innert angemessener Frist[27] annahm. Zudem spricht gegen eine solche Einigung die von den Berufungsbeklagten im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte E-Mail-Korrespondenz, worin der Berufungsbeklagte Ansprüche an einigen in der Liegenschaft befindlichen Gegenständen anmeldete. Schliesslich spricht auch gegen eine partielle Erbteilung, dass der Berufungskläger zumindest im erstinstanzlichen Hauptverfahren noch behauptet hatte, es stehe noch gar nicht fest, ob er Erbe sei oder nicht.

3.4.4.

Zusammenfassend wurde nicht glaubhaft gemacht, dass in Bezug auf das Mobiliar eine Teilliquidation stattfand, und dass der Berufungskläger deshalb ohne Mitwirkung der Berufungsbeklagten über das Schicksal dieser Gegenstände bestimmen kann.

3.5.

3.5.1.

Der Berufungskläger machte auch nicht glaubhaft, dass er aus anderen Gründen befugt ist, ohne Zustimmung der Miterben (und gegen deren Willen) über die Gegenstände zu verfügen. Dass er über eine entsprechende Vollmacht verfügen würde, wurde nicht vorgebracht, und dies ist aufgrund des Verhaltens und der Erklärungen der Parteien auch nicht anzunehmen.

Weiter ist auch keine Gefahr ersichtlich, welche die Erbengemeinschaft dazu zwingen würde, die Liegenschaft zu räumen. Ausserdem brachte der Berufungskläger nicht vor, es handle sich bei den Sachen in der Liegenschaft um verderbliche Waren, mit deren Verwertung nicht bis zum Endentscheid zugewartet werden könne.

3.5.2.

Mithin liegt der einzige Grund für die Massnahme darin, dass der Berufungskläger die Liegenschaft vermieten und so Mieteinnahmen generieren will. Es handelt sich jedoch beim Entscheid, ob die Liegenschaft zu räumen und anschliessend vermieten ist, um einen Entscheid der Erbengemeinschaft, der grundsätzlich einstimmig zu erfolgen hat. Der Berufungskläger kann diesen nicht gegen den Willen seiner Geschwister mittels eines Massnahmebegehrens im Erbteilungsverfahren erzwingen lassen. Dies hätte allenfalls ein Erbenvertreter anordnen können, mit dessen Einsetzung war der Berufungskläger jedoch nicht einverstanden.

3.6.

Auch ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil wurde nicht glaubhaft gemacht. Der Einwand der Berufungsbeklagten, es sei nicht klar, ob bei einem allfälligen späteren Verkauf der Liegenschaft ohne oder nur mit teilweise vermieteten Wohnungen nicht ein höherer Preis als bei Vollvermietung erzielt werden könne, erscheint berechtigt. Es ist gerichtsnotorisch, dass nicht bewohnte Liegenschaften in der Regel einen höheren Verkaufspreis erzielen. Eine Vermietung der Liegenschaft ist für die Erbengemeinschaft somit nicht notwendigerweise finanziell vorteilhafter.

3.7.

Zusammenfassend fehlt es in Bezug auf die Anträge I-III des Massnahmengesuchs an der Glaubhaftmachung einerseits eines Anspruchs des Berufungsklägers und andererseits des nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils. Die Vorinstanz wies diese Anträge daher zu Recht ab.

[…]

4.3.

4.3.1.

Nach Art. 607 Abs. 3 ZGB haben Miterben, die sich im Besitz von Erbschaftssachen befinden oder Schuldner des Erblassers sind, hierfür bei der Teilung genauen Aufschluss zu geben. Weiter haben die Erben einander nach Art. 610 Abs. 2 ZGB über ihr Verhältnis zum Erblasser alles mitzuteilen, was für die gleichmässige und gerechte Verteilung der Erbschaft in Berücksichtigung fällt.

4.3.2.

Diese allgemeinen Informationsrechte und -pflichten der Erben beruhen auf dem Grundsatz von Treu und Glauben und dienen damit der Gleichberechtigung der Erben, was letztlich zur fairen Nachlassabwicklung beiträgt[28].

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Informationsinteresse der an einem Erbgang beteiligten Erben in einem umfassenden Sinn geschützt: Mitzuteilen ist alles, was bei einer objektiven Betrachtung möglicherweise geeignet erscheint, die Teilung in irgendeiner Weise zu beeinflussen, wozu insbesondere auch zu Lebzeiten des Erblassers getätigte Zuwendungen zu rechnen sind[29].

4.3.3.

Jeder Verpflichtete hat seiner Auskunftspflicht von sich aus, mithin unaufgefordert, nachzukommen[30].

Kommt der Auskunftspflichtige seinen Verpflichtungen nicht nach, kann eine selbstständige Leistungsklage auf Auskunftserteilung erhoben werden. Zulässig ist auch die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs im Rahmen eines Erbteilungsprozesses im Sinn einer objektiven Klagenhäufung beziehungsweise als Stufenklage[31]. Der vorsorgliche Rechtsschutz nach Art. 261 ff. ZPO steht demgegenüber nicht für die Geltendmachung von Informationsansprüchen zur Verfügung[32]. Dementsprechend wies die Vorinstanz die Auskunftsbegehren des Berufungsklägers zu Recht ab.

Ausserdem erläuterte der Berufungskläger nicht, inwiefern die Auskunft darüber, wann ein Erbe in der Liegenschaft war, bei einer objektiven Betrachtung geeignet erscheint, die Teilung in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Dies ist auch nicht ersichtlich. Insofern bestand kein Informationsinteresse des Berufungsklägers. Der entsprechende Antrag war auch aus diesem Grund nicht zu schützen.

[…]

Obergericht, 2. Abteilung, 23. Januar 2024, ZBS.2023.31


[1]    Strazzer/Barth, in: Praxiskommentar Erbrecht (Hrsg.: Abt/Weibel), 5.A., Anhang ZPO N. 57

[2]    BGE 138 III 378 E. 6.3; Urteil des Bundesgerichts 5A_998/2022 vom 18. April 2023 E. 3.1

[3]    Strazzer/Barth, Anhang ZPO N. 58

[4]    Strazzer/Barth, Anhang ZPO N. 59; Sprecher, Basler Kommentar, 3.A., Art. 261 ZPO N. 39; vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_447/2022 vom 11. November 2022 E. 3.2 und 3.5

[5]    BGE 140 III 610 E. 4.1; 132 III 715 E. 3.1; 130 III 321 E. 3.3

[6]    BGE 139 III 86 E. 4.2

[7]    BGE 138 III 378 E. 6.4; Urteile des Bundesgerichts 4A_427/2021 vom 20. Dezember 2021 E. 5.2; 5D_219/2017 vom 24. August 2018 E. 4.2.2; vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_447/2022 vom 11. November 2022 E. 3.5

[8]    Strazzer/Barth, Anhang ZPO N. 62

[9]    Art. 602 Abs. 1 ZGB

[10]  Art. 602 Abs. 2 ZGB

[11]  Minnig, Basler Kommentar, 7.A., Art. 602 ZGB N. 12; Wolf, Berner Kommentar, Bern 2014, Art. 602 ZGB N. 64

[12]  Minnig, Art. 602 ZGB N. 15; Wolf, Art. 602 ZGB N. 67

[13]  Minnig, Art. 602 ZGB N. 20 f.; Weibel, in: Praxiskommentar Erbrecht (Hrsg.: Abt/Weibel), 5.A., Art. 602 ZGB N. 32 ff.; Wolf, Art. 602 ZGB N. 75 ff.

[14]  Art. 554 und 595 ZGB

[15]  Art. 602 Abs. 3 ZGB

[16]  Art. 593 und 595 ZGB

[17]  Art. 597 und 573 ZGB

[18]  Minnig, Art. 602 ZGB N. 20 und 24; Weibel, Art. 602 ZGB N. 36; Wolf, Art. 602 ZGB N. 84 ff.

[19]  Minnig, Art. 602 ZGB N. 25; Wolf, Art. 602 ZGB N. 84 ff.

[20]  Minnig, Art. 602 ZGB N. 26; Wolf, Art. 602 ZGB N. 94

[21]  Minnig, Art. 602 ZGB N. 28; Wolf, Art. 602 ZGB N. 96

[22]  Minnig, Art. 634 ZGB N. 5; Vouilloz, Commentaire romand, Basel 2016, Art. 634 ZGB N. 5

[23]  Mabillard/Brenneis-Hobi, in: Praxiskommentar Erbrecht (Hrsg.: Abt/Weibel), 5.A., Art. 634 ZGB N. 14

[24]  Minnig, Art. 634 ZGB N. 16 f.; Vouilloz, Art. 634 ZGB N. 22; Mabillard/Brenneis-Hobi, Art. 634 ZGB N. 17; vgl. BGE 86 II 347 E. 3.a

[25]  Huber, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (Hrsg.: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger), 3.A., Art. 262 N. 6a; vgl. Sprecher, Basler Kommentar, 3.A., Art. 262 ZPO N. 12

[26]  Urteil des Bundesgerichts 5A_687/2015 vom 20. Januar 2016 E. 4.3

[27]  Vgl. Art. 5 Abs. 1 OR

[28]  Weibel, Vorbem. zu Art. 607 ff. ZGB N. 15 f.

[29]  BGE 132 III 677 E. 4.2.1; 127 III 396 E. 3; Urteil des Bundesgerichts 5A_994/2014 vom 11. Januar 2016 E. 2.1

[30]  Minnig, Art. 607 ZGB N. 15; Spahr, Commentaire Romand, Basel 2016, Art. 607 ZGB N. 19; Wolf, Art. 607 ZGB N. 29

[31]  Minnig, Art. 607 ZGB N. 16; Weibel, Vorbem. zu Art. 607 ff. ZGB N. 46

[32]  Weibel, Vorbem. zu Art. 607 ff. ZGB N. 46; vgl. Wolf/Genna, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/2, Basel 2015, S. 79; Urteil des Bundesgerichts 5A_638/2009 vom 13. September 2010 E. 1.2


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